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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.09.2005
Aktenzeichen: 6 B 1254/05
Rechtsgebiete: LBG NRW


Vorschriften:

LBG NRW § 34 Abs. 1 Nr. 2
Die laufbahnrechtliche Probezeit dient der Abklärung der Bewährung eines Beamten u.a. in gesundheitlicher Hinsicht.

Dies gilt auch in Bezug auf bei der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe vorhandene und dem Dienstherrn bekannte gesundheitliche Risiken; insoweit dient die laufbahnrechtliche Probezeit dazu abzuklären, ob sich diese Risiken in der Probezeit verwirklichen und danach die Bewährung des Beamten in gesundheitlicher Hinsicht in Frage steht.


Tatbestand:

Die Antragstellerin, eine Lehrerin, wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen mangelnder Bewährung in gesundheitlicher Hinsicht aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Den auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gerichteten Antrag lehnte das VG ab. Die hiergegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die für die Bewährung eines Beamten in der Probezeit unter anderem erforderliche gesundheitliche Eignung kann dann nicht angenommen werden, wenn die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.2.1993 - 2 C 27.90 -, BVerwGE 92, 147; OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2005 - 6 B 236/05 -; Schütz/Maiwald, § 34 LBG NRW, Rdnr. 87;

Die Bewährung in der Probezeit muss positiv feststehen. Die Entscheidung darüber, ob der Beamte sich in der Probezeit bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis eines für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitzt und die fachlichen Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.2.1995 - 4 S 66/94 -, NVwZ-RR 1996, 454;

Diese Entscheidung ist wie andere Akte wertender Erkenntnis gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.11.1983 - 2 C 28.82 -, DVBl. 1984, 440 und vom 25.2.1993 - 2 C 27.90 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2005 - 6 B 236/05 -.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht feststellbar, dass die Bezirksregierung die Grenzen des ihr zukommenden Beurteilungsspielraums überschritten hat. Sie hat ihr Urteil über die Nichtbewährung der Antragstellerin in gesundheitlicher Hinsicht maßgeblich auf die amtsärztlichen Feststellungen gestützt, die anlässlich einer Untersuchung der Antragstellerin im Mai 2004 getroffen worden sind. Diese Untersuchung wurde von der Bezirksregierung bei dem Gesundheitsamt der Stadt K. aufgrund der bis dahin bei der Antragstellerin in ihrer laufbahnrechtlichen Probezeit zu verzeichnenden Krankheitszeiten von insgesamt 70 Tagen veranlasst.

Nach den Feststellungen in dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis leidet die Antragstellerin unter anderem unter schwerer Neurodermitis, psychovegetativer Erschöpfung und Allergien. In Bezug auf die Neurodermitis-Erkrankung ist in dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis ausgeführt: "Die Neurodermitis-Erkrankung tritt bei Frau... meist unter Stressbelastung auf. Sowohl im privaten als auch im beruflichen, schulischen Bereich sind Stressbelastungen nicht vermeidbar (für den Arbeitsplatz Schule sehe ich sie als typisch an), so dass weiterhin mit erhöhten Dienstunfähigkeitszeiten durch die bestehende Krankheitsanfälligkeit gerechnet werden muss. Den Stressbelastungen ist Frau... im Hinblick auf den bisherigen Verlauf nicht auf Dauer gewachsen." Abschließend wird folgende Feststellung getroffen: "Frau... wird wegen der bestehenden o. g. Einschränkungen und Schwäche ihrer körperlichen Kräfte für unfähig gehalten, auf Dauer ihre Dienstpflichten zu erfüllen. Mit dem Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit aus Krankheitsgründen ist in ihrem Fall mit Blick auf die noch bis zur planmäßigen Versetzung in den Ruhestand anstehenden ca. 18 Dienstjahre zu rechnen. Aus amtsärztlicher Sicht bestehen bei Frau... aufgrund der vorliegenden ungünstigen Konstellationen die Voraussetzung für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht."

Auf eine ergänzende Anfrage der Bezirksregierung teilte das Gesundheitsamt der Stadt K. mit, dass eine Besserung der bei der Antragstellerin "vorliegenden Hauptdiagnosen" Neurodermitis und psychovegetative Erschöpfung auch nach einer weiteren Schwermetallausleitung nicht zu erwarten sei. Auf nochmaliger Nachfrage der Bezirksregierung bestätigte das Gesundheitsamt der Stadt K. in einer weiteren Stellungnahme die in dem ersten amtsärztlichen Gutachten getroffenen Feststellungen und wies zur weiteren Begründung darauf hin, dass es bei der Antragstellerin trotz Teilzeitbeschäftigung und mehrwöchiger Sanatoriumsbehandlungen zu Dienstunfähigkeitszeiten gekommen sei. Abschließend ist in dieser Stellungnahme ausgeführt: "Bei einer Vollzeitbeschäftigung von Frau... besteht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze."

Keine andere Beurteilung gebietet die ärztlichen Bescheinigung der Dr. med. E. Die Bezirksregierung hat neben den genannten amtsärztlichen Stellungnahmen unter anderem auch die Stellungnahme der Dr. med. E. bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Gleichwohl ist sie zu der Einschätzung gelangt, dass die Antragstellerin die für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erforderliche gesundheitliche Eignung nicht aufweise. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Zwar ist in der Bescheinigung der Dr. med. E. ausgeführt, dass bei der Antragstellerin trotz der an sie gestellten beruflichen Anforderungen in den letzten zwei Jahren eine Besserung der Neurodermitis festzustellen sei. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit die Annahme, dass die derzeitige günstige Entwicklung der Neurodermitis-Erkrankung bei der Antragstellerin auch in Zukunft Bestand haben wird. Hiergegen spricht, dass nach den seitens der Antragstellerin unwidersprochen gebliebenen amtsärztlichen Feststellungen davon auszugehen ist, dass diese Erkrankung bei ihr meistens unter Stressbelastung ausbricht. Derartige Belastungen sind auch im schulischen Bereich häufig zu verzeichnen. Anhaltspunkte die eine andere Sicht erfordern würden, lassen sich der ärztlichen Bescheinigung der Dr. med. E. schon deshalb nicht entnehmen, weil diese ausschließlich rückblickend verfasst ist und keine Aussage über das Risiko weiterer Ausbrüche der in Rede stehenden Erkrankung in der Zukunft enthält.

Die Antragstellerin kann ihrer Entlassung wegen fehlender gesundheitlicher Eignung auch nicht den Inhalt der amtsärztlichen Stellungnahme, die im Jahre 2002 aufgrund einer Untersuchung anlässlich ihrer Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe erstellt worden ist, entgegen halten. Darin ist ausgeführt: "Gegen die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und später auf Lebenszeit bestehen keine Bedenken. Mit dem Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit ist nicht zu rechnen." Ungeachtet dessen, dass dieser Stellungnahme keine rechtliche Bindungswirkung zukommt, ist auch nicht erkennbar, dass der Amtsarzt bereits zu diesem Zeitpunkt ein abschließendes Urteil über die gesundheitliche Eignung der Antragstellerin für eine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit treffen wollte. Eine gegenteilige Annahme würde auch im Widerspruch zu Sinn und Zweck der laufbahnrechtlichen Probezeit stehen. Denn diese soll gerade die Feststellung ermöglichen, ob der Beamte im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Regeltyp eines Beamtenverhältnisses - auch in gesundheitlicher Hinsicht - den Anforderungen genügen wird, die an ihn in seiner Laufbahn gestellt werden.

Vgl. Schütz/Maiwald, § 34 LBG NRW, Rdnr. 18.

Die Antragstellerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe der Amtsärztin bereits bei der Untersuchung anlässlich ihrer Einstellung mitgeteilt, dass sie an Neurodermitis erkrankt sei. Unterstellt man zu ihren Gunsten sowohl dieses Vorbringen als zutreffend als auch, dass eine entsprechende Kenntnis der Amtsärztin der Bezirksregierung zugerechnet werden muss, wäre es der Bezirksregierung gleichwohl nicht verwehrt, die Entlassung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auf ihre mangelnde gesundheitliche Eignung zu stützen.

Wird ein Bewerber in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen, obwohl eine Erkrankung vorhanden ist, deren Ausbruch die gesundheitliche Eignung dieses Beamten in Frage stellen kann, dient die laufbahnrechtliche Probezeit auch dazu, abzuklären, ob sich die bestehenden - dem Dienstherrn wie dem Probebeamten bekannten - gesundheitlichen Risiken in der Probezeit verwirklichen und danach die Bewährung des Beamten in gesundheitlicher Hinsicht in Frage steht. Bricht diese Erkrankung in der laufbahnrechtlichen Probezeit aus, kann dies eine gesundheitliche Eignung ausschließen, ohne dass der Beamte einwenden könnte, er sei trotz der bestehenden gesundheitlichen Risiken in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen worden.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.2.1995 - 4 S 66/94 -, a. a. O.

Bei der Antragstellerin ist es - wie sich der bereits genannten ärztlichen Bescheinigung der Dr. med. E. entnehmen lässt - im September 2002 - erneut - zu einem Ausbruch der Neurodermitis gekommen. Infolge dessen war sie über zwei Wochen dienstunfähig. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin bereits in dem Beamtenverhältnis auf Probe. Dieses begann mit dem Beginn des Schuljahres 2002/2003 zum 2.9.2002. Da sich somit das bei der Antragstellerin aufgrund ihrer Neurodermitis bestehende gesundheitliche Risiko während ihrer laufbahnrechtlichen Probezeit realisiert hat und ein weiteres Auftreten dieser Krankheit aus den genannten Gründen auch in Zukunft nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist vorliegend nicht weiter von Bedeutung, auf welche Erkrankungen die weiteren Fehlzeiten der Antragstellerin während ihrer laufbahnrechtlichen Probezeit zurückzuführen sind.

Ende der Entscheidung

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