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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 6 B 1642/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
Das nach Nummer 9.1 Abs. 1 und 2 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Innenministeriums NRW vom 25.1.1996 - IV B 1 - 3034 H -, SMBl. NRW. 203034) zwingend vorgeschriebene Beurteilungsgespräch kann in aller Regel nicht durch einer Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ersetzt werden.

Zu den Anforderungen an eine Begründung nach Nr. 8.1 Abs. 2 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen.


Tatbestand:

Der Antragsteller strebt die Beförderung zum ersten Kriminalhauptkommissar an. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte er die Freihaltung einer entsprechenden zu besetzenden Beförderungsstelle bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sein Beförderungsbegehren und machte geltend, dass seine aktuelle dienstlichen Beurteilung, die der zu seinen Lasten ausgegangenen Beförderungsentscheidung des Dienstherrn zu Grunde gelegen habe, fehlerhaft sei. Die gegen den ablehnenden Beschluss des VG eingelegte Beschwerde hatte teilweise Erfolg.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Der Antragsteller hat einen entsprechenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die angegriffene Auswahlentscheidung ist rechtswidrig. Ihr liegt die unter dem 16.7.2008 neu erstellte dienstliche Beurteilung des Antragstellers zu Grunde, die ihrerseits fehlerhaft ist.

Das nach Nummer 9.1 Abs. 1 und 2 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Innenministeriums NRW vom 25.1.1996 - IV B 1 - 3034 H -, SMBl. NRW. 203034) - im Folgenden: BRL - zwingend vorgeschriebene Beurteilungsgespräch hat nicht stattgefunden.

Wird eine dienstliche Beurteilung von dem VG aufgehoben und der Dienstherr verpflichtet, den betroffenen Beamten erneut dienstlich zu beurteilen, ist - vorbehaltlich einschränkender Maßgaben der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - grundsätzlich das gesamte Beurteilungsverfahren zu wiederholen. Im Bereich der Polizei zählt dazu auch das Beurteilungsgespräch. Dass dieses bei der erneuten Beurteilung des Antragstellers unterbleiben durfte, ist dem Urteil des VG vom 10.6.2008 im Verfahren 2 K 1741/07 weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen.

Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des VG, wonach das Beurteilungsgespräch im Hinblick auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 10.6.2008 ausnahmsweise entbehrlich gewesen sein soll. Das VG führt selbst zutreffend aus, dass eine mündliche Verhandlung in einem Klageverfahren regelmäßig nicht den erforderlichen Rahmen für das nach den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Vieraugengespräch zwischen dem Erstbeurteiler und dem zu Beurteilenden bilden kann. Im konkreten Fall gilt nichts anderes. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller in der mündlichen Verhandlung am 10.6.2008 die Möglichkeit eingeräumt worden ist, dem dort als Zeugen vernommenen Erstbeurteiler die für die erneute Beurteilung wichtigen Punkte mit der notwendigen Unbefangenheit in allen Einzelheiten darzulegen, und dass die eigene Einschätzung des Antragstellers hinsichtlich seines im Beurteilungszeitraum gezeigten Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsbildes mit der des Erstbeurteilers abgeglichen worden ist. Ein solcher gesprächsweiser Abgleich, wie ihn die Beurteilungsrichtlinien vorgeben, erschöpft sich nicht in einem bloßen Gegenüberstellen von Einschätzungen, sondern schließt die Möglichkeit von Erläuterungen und die Diskussion einander widersprechender Wahrnehmungen ein. Da in diesem Zusammenhang auch höchstpersönliche Umstände des Beamten und das Verhalten Dritter zur Sprache kommen können, setzt das Beurteilungsgespräch eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen dem Vorgesetzten und dem zu Beurteilenden voraus, die sich in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem VG in aller Regel nicht herstellen lässt.

Nach allem konnte die dem Antragsteller und den übrigen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 10.6.2008 laut Sitzungsniederschrift eingeräumte Gelegenheit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme und zur Sach- und Rechtslage im Übrigen weitergehend Stellung zu nehmen, das Beurteilungsgespräch im Vorfeld der Neubeurteilung nicht ersetzen, zumal deren Erforderlichkeit zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand. Dies umso weniger, als die Beteiligten bei ihren Stellungnahmen den eingeschränkten Prüfungsrahmen des VG zu beachten hatten und dem Antragsteller schwerlich bewusst gewesen sein dürfte, dass er sich dabei wie in einem Beurteilungsgespräch hätte äußern können.

Die umstrittene dienstliche Beurteilung des Antragstellers ist auch deshalb rechtswidrig, weil sie gegen Nr. 8.1 Abs. 2 BRL verstößt. Danach ist die Feststellung, dass sich Lebens- und Diensterfahrung - entgegen der in Nr. 6 BRL aufgestellten Vermutung - nicht positiv auf das Leistungsbild ausgewirkt haben, im Gesamturteil im Einzelnen zu begründen. Die Begründung soll dem Beurteilten aufzeigen, warum im Quervergleich innerhalb der Vergleichsgruppe trotz der zunehmenden Lebens- und Diensterfahrung kein besseres Ergebnis erzielt wurde.

Dieser Vorgabe genügt die in die dienstliche Beurteilung des Antragstellers aufgenommene Begründung nicht. Sie beschränkt sich auf den allgemeinen Hinweis, dass im Quervergleich trotz der zunehmenden Lebens- und Diensterfahrung des Antragstellers und des damit verbundenen Leistungsergebnisses und der Ausdrucksweise auf Grund seines übrigen Leistungsverhaltens und seines Sozialverhaltens im Hinblick auf das hohe Leistungsniveau seiner Vergleichsgruppe derzeit kein anderes Gesamturteil festgestellt werden könne. Nr. 8.1 Abs. 2 BRL verlangt jedoch eine über den Verweis auf den Quervergleich in der Vergleichsgruppe hinausgehende Erläuterung für den Beurteilten, aus der er entnehmen kann, woran es im Einzelnen liegt, dass die wachsende Lebens- und Diensterfahrung sich bei ihm, anders als im Regelfall, nicht positiv auf das Leistungsbild ausgewirkt hat. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für eine Abweichungsbegründung nach Nr. 9.2. Abs. 3 BRL, deren Grundlage meistens in einzelfallübergreifenden Erwägungen liegt, bleiben hinter diesen Anforderungen zurück.

Die Begründung nach Nr. 8.1 Abs. 2 BRL braucht für die mangelnde Leistungssteigerung allerdings nicht zwingend individuelle Ursachen zu benennen, denn die Gründe für eine Stagnation oder ein Nachlassen der Leistungen trotz zunehmender Lebens- und Diensterfahrung müssen nicht notwendig überwiegend individuell bedingt sein. Sie können vielmehr auch auf Veränderungen oder sonstigen Besonderheiten bei der Zusammensetzung der fraglichen Vergleichsgruppe und einer dadurch gestiegenen Leistungsdichte innerhalb dieser Gruppe beruhen, die den Leistungsstand des Beamten bei relativer Betrachtung gegenüber der vorangegangenen Regelbeurteilung als unverändert oder sogar herabgesetzt erscheinen lassen.

Mit Blick auf den Sinn und Zweck der nach Nr. 8.1 Abs. 2 BRL erforderlichen Begründung, dem Beamten zu verdeutlichen, warum in seinem Fall entgegen der bestehenden Vermutung keine Leistungssteigerung anzunehmen ist, und vor dem Hintergrund der weitgehenden Möglichkeiten zur Nachbesserung einer nicht ausreichenden Begründung noch im gerichtlichen Verfahren, ist jedoch ein Mindestmaß an Klarheit der Ausführungen erforderlich. Daran fehlt es. Bemerkungen zu der Leistungsdichte innerhalb der Vergleichsgruppe, die mögliche Begründungsansätze für eine mangelnde Leistungssteigerung des Antragstellers im Quervergleich bieten könnten, hat der Antragsgegner zu keiner Zeit vertieft. Vor diesem Hintergrund kann der bloße Hinweis auf eine noch bessere Leistungsentwicklung anderer, auch abstrakt nicht näher benannter Beamter nicht genügen, um das für den Antragsteller ungünstige Ergebnis zu plausibilisieren. Ohne eine nähere Substanziierung dessen bleibt das Beurteilungsergebnis in einem nicht nachvollziehbaren Kontext.

Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass die Beurteilung des Antragstellers weitere Fehler aufweist. (Wird ausgeführt).

Soweit sich nach dem Antrag des Antragstellers die einstweilige Anordnung über den in der Beschlussformel genannten Zeitpunkt hinaus bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Beförderungsentscheidung erstrecken soll, bleibt die Beschwerde erfolglos. Dem Rechtsschutzanspruch eines Beamten, der gegen eine Beförderungsentscheidung vorläufigen Rechtsschutz begehrt, ist grundsätzlich hinlänglich Rechnung getragen, wenn die Wirkungsdauer der einstweiligen Anordnung durch die Neubescheidung seiner Bewerbung begrenzt wird. Mehr als eine solche Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts kann er auch im Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht erreichen. Die einstweilige Anordnung darf aber über das dort Erreichbare auch in zeitlicher Dimension nicht hinausgehen. Für eine bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung geltende Anordnung ist deshalb im Allgemeinen kein Raum.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.6.2006 - 6 B 618/06 - m. w. N.

Ende der Entscheidung

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