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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.11.2007
Aktenzeichen: 6 B 1695/07
Rechtsgebiete: LBG NRW


Vorschriften:

LBG NRW § 34 Abs. 1 Nr. 2
Verlangen die Beurteilungsrichtlinien, dass sich der Erstbeurteiler aus eigener Anschauung ein Urteil über den Beamten bilden kann, genügen allein durch Dritte vermittelte Kenntnisse über den Beamten nicht.
Tatbestand:

Ein Landesbeamter wurde nach einer auf fünf Jahre verlängerten Probezeit mit sofort vollziehbarer Verfügung aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Die mangelnde Bewährung des Beamten war in einer dienstlichen Beurteilung festgestellt worden, die zum Ende der Probezeit erstellt worden war. Der an ihr beteiligte Erstbeurteiler kannte den Beamten zwar nicht, hatte sich aber über seine Leistungen berichten lassen. Das VG lehnte den Antrag des Beamten ab, die aufschiebende Wirkung seiner gegen die Entlassungsverfügung erhobenen Klage wiederherzustellen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beamten hatte Erfolg.

Gründe:

Der Entlassungsbescheid stellt sich bei der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig dar. Die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen mangelnder Bewährung (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW) beruht auf einer fehlerhaften Grundlage. Die dienstliche Beurteilung, auf die der Antragsgegner die mangelnde Bewährung stützt, erweist sich als rechtswidrig. Deswegen fällt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Aufschubinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Vollzugsinteresse zugunsten des Antragstellers aus.

Dienstliche Beurteilungen sind nach ständiger Rechtsprechung verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich gegenüber der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn darauf zu beschränken, ob er den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler an diese Richtlinien hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der einzuhaltenden Maßstäbe gebunden.

Die dienstliche Beurteilung erfolgt nach den Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des Ministeriums für Verkehr, Energie und Landesplanung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Vorbereitung von Personalmaßnahmen, insbesondere Beförderungsentscheidung - BRL - (RdErl. d. Ministeriums für Verkehr, Energie und Landesplanung vom 27.10.2003, MBl. NRW. 2003 S. 1410). Das Beurteilungsverfahren ist zweistufig ausgestaltet. Nach Nr. 12.2.1 BRL beauftragt der Endbeurteiler einen Vorgesetzten des Beamten mit der Erstellung eines Beurteilungsvorschlags. Dieser muss in der Lage sein, sich aus eigener Anschauung ein Urteil über den Beamten zu bilden; einzelne Arbeitskontakte oder kurzfristige Einblicke in die Arbeit reichen hierfür nicht aus. Der Endbeurteiler entscheidet abschließend über die Beurteilung (Nr. 12.6.1 BRL).

Daran gemessen ist die dem Antragteller erteilte dienstliche Beurteilung rechtswidrig. Der als Erstbeurteiler handelnde Bedienstete war daran gehindert, den Beurteilungsvorschlag für den Antragsteller abzugeben, weil er sich nicht aus eigener Anschauung ein Urteil über ihn bilden konnte. Der Erstbeurteiler muss den Beamten aber aus der persönlichen Zusammenarbeit kennen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Beurteilung auf einer möglichst vollständigen und richtigen Tatsachengrundlage beruht.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13.12.1999 - 6 A 3593/98 -, OVGE 48, 86, und vom 27.4.2001 - 6 A 4754/00 -, OVGE 48, 190.

Die Kenntnisse, die dem Erstbeurteiler durch Dritte über den Antragsteller vermittelt worden sind, ersetzen die von den Beurteilungsrichtlinien vorausgesetzte eigene Anschauung nicht. Auskünfte Dritter sind allenfalls geeignet, den unmittelbaren Eindruck zu ergänzen, den der Beurteiler aus persönlichen Arbeitskontakten gewonnen hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.10.2007 - 6 B 1142/07 -, und Urteil vom 29.8.2001 - 6 A 3374/00 -.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Erstbeurteiler der einzige Vorgesetzte des Antragstellers war und deswegen trotz fehlender eigener Anschauung entgegen Nr. 12.2.1 BRL möglicherweise Erstbeurteiler sein konnte. Vorgesetzter ist nach § 3 Abs. 5 LBG NRW, wer einem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann. Der Beurteilungsvorschlag hätte von einem Bediensteten abgegeben werden können, der dem Antragsteller zu Beginn des Beurteilungsverfahrens in diesem Sinne vorgesetzt war und über die erforderliche eigene Anschauung verfügte. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt weiterhin bis zum Ende der verlängerten Probezeit abgeordnet war. Die Pflicht, bei Abordnungen von mehr als sechs Monaten einen Beurteilungsbeitrag einzuholen (Nr. 12.3.2.1 BRL), betrifft für die hier allein interessierenden Anlassbeurteilungen den Sonderfall, dass der Beamte länger als sechs Monate des Beurteilungszeitraums bei einer anderen Behörde und damit bei anderen Vorgesetzten Dienst getan hat. Das ist beim Antragsteller aber nicht der Fall.

Ende der Entscheidung

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