Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: 6t A 1162/05.T
Rechtsgebiete: HeilBerG NRW


Vorschriften:

HeilBerG NRW § 95 Abs. 1
1. Die Ungewissheit über den Aufenthaltsort des Beschuldigten stellt kein Verfahrenshindernis dar, das - in entsprechender Anwendung des § 95 Abs. 1 HeilBerG NRW - zur Einstellung des Verfahrens zwingt.

2. Die von dem Beschuldigten eingelegte Berufung ist ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen, wenn weder der Beschuldigte noch ein Vertreter des Beschuldigten zur Hauptverhandlung erscheint, der Beschuldigte und sein Beistand unter Hinweis auf diese Folge des Ausbleibens ordnungsgemäß geladen worden sind und das Ausbleiben nicht hinreichend entschuldigt ist (§ 112 Satz 1 HeilBerG NRW in Verbindung mit § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO).

3. Eine in diesem Sinne "ordnungsgemäße" Ladung kann unter Umständen auch im Wege öffentlicher Bekanntmachung erfolgen.


Tatbestand:

Der berufsrechtlich vorbelastete Beschuldigte war bis Dezember 2003 in Nordrhein-Westfalen als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie niedergelassen und dort - nachdem er seine Praxis geschlossen hatte - in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kollegen beruflich tätig. In einem weiteren berufsgerichtlichen Verfahren stellte das Berufsgericht für Heilberufe mit Urteil vom 19.1.2005 fest, dass der Beschuldigte zur Ausübung des Berufs unwürdig sei. Gegen das Urteil legte der Beschuldigte Berufung ein. Zum 26.5.2006 meldete er seinen damaligen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen ab und verzog in ein anderes Bundesland. Bei den dortigen Kammern meldete er sich nicht an. Im Dezember 2006 legten seine früheren Prozessbevollmächtigten das Ihnen erteilte Mandat nieder. Nach dem 22.3.2007 scheiterten alle Versuche, dem Beschuldigten Schriftstücke unter einer dem Gericht bekannten Adresse zuzustellen. Sein tatsächlicher Aufenthaltsort konnte nicht ermittelt werden. Die Ladung zur Hauptverhandlung wurde ihm daraufhin im Wege öffentlicher Bekanntmachung zugestellt. Seine Berufung wurde ohne Verhandlung zur Sache verworfen.

Gründe:

Der Beschuldigte unterliegt der Berufsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen.

Der Berufsgerichtsbarkeit unterliegen Kammerangehörige, soweit es um die Verletzung von Berufspflichten geht (§ 59 Abs. 1 HeilBerG). Zu den Kammerangehörigen zählen Ärzte und Zahnärzte, die ihren Beruf in Nordrhein-Westfalen ausüben oder - falls sie ihren Beruf nicht ausüben - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen haben (§§ 1 Satz 1 Nrn. 1 und 5, 2 Abs. 1 HeilBerG).

Ob der Beschuldigte eine dieser Voraussetzungen erfüllt, ist ungeklärt. Die letzte bekannte berufliche Tätigkeit in der Praxis M.-Straße in K. hat er beendet. Bei der Antragstellerin zu 2. hat er sich zum 26.5.2006 zur Bezirksärztekammer Nordwürttemberg abgemeldet, ohne sich dort oder bei der Bezirkszahnärztekammer Stuttgart anzumelden. Auch seinen Wohnsitz S. in H. hat er zum 26.5.2006 aufgegeben. Unter den dem Senat bekannt gewordenen Meldeadressen M.-Straße in L. (Baden-Württemberg) und B.-Straße in B. war er nicht erreichbar.

Dass die Kammerzugehörigkeit des Beschuldigten somit in Frage steht, hindert die Fortsetzung des berufsgerichtlichen Verfahrens nicht. In einem solchen Fall bleibt eine Sachentscheidung möglich. Die Ungewissheit über den Aufenthaltsort des Beschuldigten stellt kein Verfahrenshindernis dar, das - in entsprechender Anwendung des § 95 Abs. 1 HeilBerG - zur Einstellung des Verfahrens zwingt (vgl. Senatsurteil vom 9.2.1989 - ZA 1/87 -).

Aber auch wenn man davon ausgeht, dass der Beschuldigte nicht mehr Kammermitglied ist, ist das berufsgerichtliche Verfahren fortzusetzen.

Endet die Kammerzugehörigkeit eines Beschuldigten nach Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens, kann dieses fortgesetzt werden, sofern die Berechtigung des Beschuldigten zur Ausübung des Berufs weiter besteht (§ 59 Abs. 3 HeilBerG).

Das ist hier der Fall. Die von dem Berufsgericht gegen den Beschuldigten verhängte Maßnahme - Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs gemäß § 60 Abs. 1 Buchst. e HeilBerG - wird erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils wirksam (§ 110 Abs. 3 HeilBerG). Das angegriffene Urteil des Berufsgerichts vom 19.1.2005 ist nicht rechtskräftig. Die dagegen eingelegte Berufung des Beschuldigten hat aufschiebende Wirkung. (§ 98 Abs. 2 Satz 2 HeilBerG).

Danach ist eine Fortsetzung des berufsgerichtlichen Verfahrens angezeigt, da eine Rückkehr des Beschuldigten in den Bezirk der Antragstellerinnen als durchaus möglich erscheint und auch die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit in diesem Bezirk nicht ausgeschlossen ist. Sollte der Beschuldigte tatsächlich dorthin zurückkehren und/oder dort erneut beruflich tätig werden, wäre - im Falle einer Einstellung des Verfahrens - die erstinstanzliche Sachentscheidung vergeblich gewesen.

Die Berufung ist ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen (§ 112 Satz 1 HeilBerG in Verbindung mit § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Bei Beginn der Hauptverhandlung ist weder der Beschuldigte noch ein Vertreter des Beschuldigten erschienen. Das Ausbleiben des Beschuldigten ist auch nicht entschuldigt. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Beschuldigte im Wege der öffentlichen Bekanntmachung ordnungsgemäß zu der Hauptverhandlung geladen worden.

Die Zustellung der Ladung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist (§ 112 Satz 1 HeilBerG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 StPO und § 185 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Im Verfahren über eine von dem Beschuldigten eingelegte Berufung ist diese Form der Zustellung zulässig, wenn eine Zustellung nicht unter einer Anschrift möglich ist, unter der letztmals zugestellt wurde oder die der Beschuldigte zuletzt angegeben hat (§§ 112 Satz 1 HeilBerG in Verbindung mit § 40 Abs. 3 StPO).

So ist es hier. Der Beschuldigte hat in der Berufungsschrift vom 21.3.2005 die Adresse S. in H. als seine Anschrift angegeben. Diesen Wohnsitz hat er zum 26.5.2006 abgemeldet. Eine neue Zustelladresse hat er nicht mitgeteilt. Unter der Meldeadresse M.-Straße in L., unter der ihm zuletzt am 22.3.2007 ein Schriftstück zugestellt worden ist, wohnt er nach den Feststellungen des Senats nicht mehr. Sein derzeitiger Wohnort ist unbekannt. Seine früheren Prozessbevollmächtigten haben das ihnen erteilte Mandat mit Schriftsatz vom 1.12.2006 niedergelegt. Einen anderen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten hat der Beschuldigte nicht benannt.

Die Zustellung der Ladung durch öffentliche Bekanntmachung gilt gemäß den §§ 112 Satz 1 HeilBerG, § 40 Abs. 1 Satz 2 StPO als erfolgt, da seit dem Aushang der Benachrichtigung an der Gerichtstafel am 16.6.2008 zwei Wochen vergangen sind.

Mit der Ladung ist der Beschuldigte darauf hingewiesen worden, dass die Hauptverhandlung auch dann stattfinde, wenn er nicht erscheinen sollte (§ 86 Abs. 1 HeilBerG). Weiter ist ausgeführt, dass das Gericht seine Berufung ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen habe, wenn bei Beginn der Hauptverhandlung weder er noch ein Vertreter erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt sei (§ 112 Satz 1 HeilBerG in Verbindung mit den §§ 329 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1 Satz 2 StPO).

Die zweiwöchige Ladungsfrist der §§ 84 Abs. 4, 100 HeilBerG ist gewahrt.

Ende der Entscheidung

Zurück