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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 6t A 1456/05.T
Rechtsgebiete: BO, HeilBerG, SGB V


Vorschriften:

BO § 1 Abs. 1 Satz 2
BO § 3
BO § 3 Abs. 2
HeilBerG § 31 Abs. 1
SGB V § 128
Ein Arzt, der in den Räumen seiner Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchführt, handelt nicht berufsrechtswidrig, wenn er diese Tätigkeit im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht getrennt hält (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 - I ZR 75/05 -, NJW 2008, 2850 = MedR 2008, 613).
Tatbestand:

Der Beschuldigte ist in eigener Praxis als Facharzt für Innere Medizin niedergelassen. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit hält er 20 % der Geschäftsanteile der 'Dr. H. GmbH'. Die restlichen Geschäftsanteile halten die Ehefrau und der Sohn des Beschuldigten. Geschäftsführerin der GmbH ist die Ehefrau des Beschuldigten. Die GmbH befasst sich seit 1997 auch mit Ernährungsberatung und bietet in diesem Geschäftsfeld Beratungsleistungen und den Verkauf von Produkten nach dem sog. BCM-Konzept der PreCon GmbH & Co. KG (früher: 'Deutsche Gesellschaft für Gesundes Leben') an. Die GmbH erzielt einen jährlichen Umsatz von ca. 350.000,00 Euro, davon entfallen auf das Geschäftsfeld 'Ernährungsberatung' ca. 180.000,00 Euro. Die GmbH ist Hauptmieterin der Räumlichkeiten, in denen der Beschuldigte als Untermieter der GmbH seine Arztpraxis betreibt. Außerdem werden die Räumlichkeiten von der GmbH zum Zwecke der Durchführung der Ernährungsberatung genutzt. An einem Abend pro Woche führt die GmbH eine offene - für die Teilnehmer kostenlose - Informationsveranstaltung über die von ihr angebotene Ernährungsberatung durch. Bei diesen Informationsveranstaltungen hält der Beschuldigte einen bis zu zweistündigen 'Vortrag mit Seminarcharakter' über Fragen der gesunden Ernährung. Im Zusammenhang mit dieser Einführungsveranstaltung werden den Teilnehmern sog. bio-elektrische Impedanzmessungen angeboten, die in einem an das Wartezimmer angrenzenden separaten Raum durchgeführt werden. Entscheiden sich die Teilnehmer daraufhin für die Angebote der GmbH, werden mit ihnen weitere (kostenpflichtige) Beratungen vereinbart, außerdem können die Teilnehmer von der GmbH entsprechende Diätprodukte erwerben. Die Beratungen der GmbH, die die Ehefrau des Beschuldigten durchführt, finden mittwochs statt; an diesem Tag ruht der Praxisbetrieb.

Die zuständige Ärztekammer (Antragstellerin) beantragte die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens, weil der Beschuldigte seine Berufspflichten dadurch verletzt habe, dass er "seit dem 22. Dezember 1997 seine ärztliche Tätigkeit als niedergelassener Facharzt für Innere Medizin mit einer gewerblichen Einrichtung in räumlicher, organisatorischer und personeller Hinsicht verquick(e)."

Das Berufsgericht erkannte wegen Verletzung der Berufspflichten auf einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 10.000,- Euro. Das Landesberufsgericht für Heilberufe hat auf die Berufung des Beschuldigten hin das angefochtene Urteil aufgehoben und festgestellt, dass eine Verletzung der Berufspflichten nicht vorliegt.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Gegenstand des Verfahrens wird durch den Eröffnungsbeschluss festgelegt (1). Das im Eröffnungsbeschluss vom 25.11.2004 beschriebene Verhalten des Beschuldigten stellt keine Berufspflichtverletzung dar. Zwar ist der ärztliche Beruf selbst gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnungen in den verschiedenen Fassungen kein Gewerbe. Der Arzt darf aber neben seiner ärztlichen Tätigkeit ein Gewerbe ausüben (2). Die gewerbliche Tätigkeit des Arztes unterliegt allerdings gewissen Grenzen (3). Dass solche Grenzen von dem Beschuldigten überschritten worden wären, kann nicht festgestellt werden (4).

1. Zum Gegenstand der Urteilsfindung können nur solche Verfehlungen gemacht werden, die in dem Eröffnungsbeschluss oder seinen Ergänzungen aufgeführt sind (§ 91 Abs. 1 HeilBerG). Der Eröffnungsbeschluss kann nicht über den Tatsachenstoff hinausgehen, der in der Antragsschrift (§ 71 Abs. 1 HeilBerG) oder in ihren Nachträgen (vgl. z.B. § 81 Abs. 1 HeilBerG) dem Gericht zur Entscheidung unterbreitet worden ist. Da die Antragsschrift vom 9.6.1999 datiert, ist der Verfahrensgegenstand in zeitlicher Hinsicht folglich auf den Zeitraum vom 22.12.1997 (Beginn der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlung laut Antragsschrift) bis zum 9.6.1999 beschränkt; von der Möglichkeit einer Ergänzung des Eröffnungsantrags hat die Antragstellerin keinen Gebrauch gemacht. Eine weitere Eingrenzung der Vorwürfe in zeitlicher Hinsicht ergibt sich aus der Geltung der in Betracht kommenden Verbotsnormen (s. dazu unter 3 a).

In sachlicher Hinsicht ist zu beachten, dass dem Beschuldigten keine konkreten Einzelvorkommnisse - etwa im Zusammenhang mit dem Produktverkauf an bestimmte Patienten - vorgeworfen worden ist, sondern nur die räumliche, organisatorische und personelle Verbindung zwischen seiner ärztlichen und seiner gewerblichen Tätigkeit.

2. Das Berufsgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Arztberuf selbst gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung in den verschiedenen Fassungen kein Gewerbe darstellt. Er wird vielmehr, obwohl er die Merkmale des Gewerbes (eine erlaubte, auf Dauer angelegte, selbständige und mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeit) durchaus erfüllt, - in Abgrenzung hiervon - allgemein als sogenannter freier Beruf angesehen, der im Wesentlichen durch die Merkmale wirtschaftliche Selbständigkeit, qualifizierte Ausbildung oder schöpferische Kreativität, persönliche Erbringung ideeller Leistungen, Wissensgefälle zum Auftraggeber sowie altruistische und nicht gewinnorientiert-egoistische Motivation gekennzeichnet ist.

Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, 1991, S. 148 f.

Andere Definitionen verweisen zusätzlich darauf, dass freiberufliche Tätigkeiten einer genauen und strengen berufsständischen Regelung vgl. etwa die Definition in Erwägungsgrund 43 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22) oder Friauf, in: Kommentar zur GewO, Loseblattausgabe, Stand: Dez. 2008, § 1 Rn. 173 m.w.N., sowie einem besonderen Berufsethos unterliegen.

Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO), 4. Aufl. 2006, § 2 Rn. 7 ff.

Das Berufsgericht hat ebenso richtig angenommen, dass auch niedergelassenen Ärzten wie dem Beschuldigten eine gewerbliche Betätigung nicht schlechthin verboten ist. Der Gesetzgeber, dem die rechtliche Ordnung von Berufsbildern obliegt, hat nämlich davon abgesehen, eine ärztliche und eine gewerblich-unternehmerische Tätigkeit generell für unvereinbar zu erklären.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 1985 - 1 BvR 38/78 -, BVerfGE 71, 183, 195 <196> (zur Frage des Betreibens von Klinken und Sanatorien durch Ärzte); BGH, Urteil vom 26. April 1989 - I ZR 172/87 -, NJW 1989, 2324 (für ärztliche Beteiligungen an Instituten).

Nicht zuletzt durch die privatärztlich abzurechnenden "individuellen Gesundheitsleistungen" (IGeL) ist ohnehin seit Jahren eine gewisse Kommerzialisierung des Arztberufes feststellbar. Hierbei handelt es sich um ärztliche Leistungen, die zwar ärztlich empfehlenswert oder zumindest medizinisch vertretbar sind, aber nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Verstärkt wird das Interesse des Arztes an einer Gewinnsteigerung durch seine ökonomische Situation innerhalb des Krankenversicherungssystems (Budgetierung, Einschränkungen der Therapiefreiheit, zunehmende Spezialisierung), die Entwicklung des Patienten hin zu einem modernen Gesundheitskunden, dem ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf freie Arztwahl zusteht, vgl. genauer Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 56, 169 ff., 181 ff., 229 und passim, sowie durch Neuerungen im Vertragsarztrecht und im ärztlichen Berufsrecht (vgl. hierzu nur § 23 a-d Musterberufsordnung der deutschen Ärzte - MBO - sowie die Einführung der Medizinischen Versorgungszentren durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190).

Vgl. genauer Rieger, Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung für ambulante ärztliche Leistungen einer Heilbehandlungs-GmbH unter Berücksichtigung neuer Rechtsentwicklungen, MedR 2008, 77 (80 f.); Lindemann, Das Medizinische Versorgungszentrum, 2008, S. 44 ff.

3. Dem Berufsgericht ist auch darin zu folgen, dass die gewerbliche Tätigkeit eines Arztes nicht unbegrenzt zulässig ist, sondern gewissen Beschränkungen unterliegt.

a) Für den hier maßgeblichen Zeitraum (22.12.1997 - 9. 6.1999) sah die in § 31 Abs. 1 HeilBerG in Bezug genommene Berufsordnung insoweit allerdings zunächst keine konkrete Regelung vor. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 23.20.1993 (MBl. NW 1994, S. 32) legte lediglich - als eine Art Programmsatz - fest, dass der ärztliche Beruf kein Gewerbe ist. Mehr besagte auch § 1 Abs. 1 Satz 2 der zeitlich nachfolgenden Berufsordnung vom 14.11.1998 (MBl. NW 1999, S. 350) nicht. Allerdings untersagte diese Berufsordnung, die am 26.2.1999 in Kraft trat, erstmals in § 3 Abs. 2 den Ärzten ausdrücklich, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistungen wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der Therapie seien. Allenfalls diese Vorschrift kann als ein berufsrechtliches Verbot verstanden werden, gegen das der Beschuldigte mit dem hier angeschuldigten Verhalten verstoßen haben könnte. Der Zeitraum, für den eine Verurteilung in Betracht zu ziehen sein könnte, reduziert sich dadurch erneut, nämlich auf die Zeit vom 26.2.1999 bis zum 9. Juni 1999, erfasst also keine vier Monate mehr.

Die auch heute noch geltende Regelung des § 3 Abs. 2 BO soll verhindern, dass der Verdacht aufkommt, Ärzte würden therapeutische Entscheidungen von berufsfremden Erwägungen abhängig machen. Auch soll das Vertrauen des Arztes nicht zur Verkaufsförderung solcher Produkte und Dienstleistungen "missbraucht" werden, die der Patient nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit seiner Behandlung benötigt.

Ratzel, in: Ratzel/Lippert, a.a.O, § 3 Rn. 1 f.; Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2008, S. 243.

b) Derartige Verbote oder Beschränkungen in Berufsordnungen müssen stets im Lichte der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit - und zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts möglichst berufs- und wettbewerbsfreundlich - ausgelegt werden. Es ist zu untersuchen, ob Beschränkungen durch das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung oder zur Vermeidung einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes gerechtfertigt sind. Der Patient soll darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt; merkantile Gesichtspunkte sollen vom Heilauftrag des Arztes getrennt sein.

BVerfG, std. Rspr. im Zusammenhang mit ärztlicher Werbung, vgl. nur Beschlüsse vom 22.5.1996 - 1 BvR 744/88, 1 BvR 60/89, 1 BvR 1519/91 -, BVerfGE 94, 372 (391) (Apothekenwerbung), und vom 17.7.2003 - 1 BvR 2115/02 -, NJW 2003, 2818 (Internetwerbung); BGH, std. Rspr., vgl. nur Urteile vom 2.6.2005 - I ZR 215/02 -, NJW 2005, 3422, und vom 29.5.2008 - I ZR 75/05 -, NJW 2008, 2850 = MedR 2008, 613 ("grundsätzlich eine enge Auslegung des in § 3 Abs. 2 BOÄ enthaltenen Verbotstatbestandes geboten,")

Dabei gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die geschützten Gemeinwohlbelange im Einzelfall tatsächlich gefährdet sind.

BVerfG, Beschluss vom 18.2.2002 - 1 BvR 1644/01 -, NJW 2002, 3091, 3092 (Werbung eines Tierarztes).

c) Die Grenzziehung kann mitunter schwierig sein; es kommt jeweils auf die Umstände des Einzelfalles an. In der zivilrechtlichen Rechtsprechung - hier in der Regel vor dem Hintergrund von Wettbewerbsverstößen - hat sich inzwischen eine umfängliche Kasuistik herausgebildet. So soll etwa ein Arzt, der eine diabetologische Schwerpunktpraxis betreibt, seinen Patienten keine Diabetesteststreifen, die diese in großem Umfang zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels benötigen und bei jedem Messvorgang verbrauchen, kostengünstig über seine Praxis zur Verfügung stellen dürfen.

BGH, std. Rspr., vgl. nur Urteile vom 2.6.2005 - I ZR 317/02 -, GesR 2005, 456, vom 2.6.2005 - I ZR 215/02 -, NJW 2005, 3422; ebenso OLG Naumburg, Urteil vom 26.6.2008 - 1 U 9/08 -, GesR 2008, 591 ff., in Bezug auf einen Arzt, der sich zugleich als gewerblicher Händler von Implantat-Akupunktur-Nadeln betätigt.

Ebenso wird die Verweisung von Augenarztpatienten an einen Optiker im gleichen Hause (hier: die Ehefrau des Arztes)

OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2007 - 4 U 113/07 -, jurisdokument.

und die Mithilfe eines Arztes beim Absatz von Nahrungsergänzungsmitteln durch das Institut seiner Ehefrau für unzulässig gehalten LG Rottweil, Urteil vom 16.6.2006 - 5 O 40/05 KfH -, MedR 2007, 494 (Abgabe während der Sprechstunden in den Praxisräumen).

Für eine Verweisung an einen bestimmten Anbieter können allerdings auch bestimmte medizinische Gründe, die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder schlechte Erfahrungen mit betreffenden anderen Anbietern sprechen.

Vgl. etwa BGH, Urteile vom 29. 6.2000 - I ZR 59/98 -, NJW 2000, 2745 ff. und vom 15.11.2001 - I ZR 275/99 -, MedR 2002, 256 ff. (jew. zur Versorgung eines HNO-Patienten im sogenannten verkürzten Versorgungsweg mit einem Hörgerät); OLG Stuttgart, Urteil vom 28.6.996 - 2 U 146/95 -, MedR 1997, 425 (Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte); OLG Celle, Urteil vom 21.12.2006 - 13 U 118/06 -, MedR 2007, 435, und OLG Naumburg, Urteil vom 23.11.2007 - 10 U 47/07 -, MedR 2008, 215 (jeweils zur Abgabe von Brillen durch Augenärzte); OLG Düsseldorf, Urteil vom 8.3.2005 - I-20 U 96/04 -, MedR 2005, 528 (zur Abgabe von Air-Cast-Schienen und Gehstützen durch einen Orthopäden zur Sofortbehandlung).

Wie die genannten Beispiele zeigen, ist das Spektrum denkbarer Überschneidungen von ärztlicher und gewerblicher Tätigkeit vielfältig. Es reicht von einer rechtlich unproblematischen bloßen Unterbringung der Arztpraxis und anderer Dienstleister im Gesundheitsbereich (z. B. Apotheker, Sanitätshäuser, Krankengymnasten, Physiotherapeuten etc.) "unter einem Dach" über problematischere Fälle wie etwa die Zusammenarbeit von Ärzten mit bestimmten "Gesundheitshandwerker" (etwa Orthopädietechnikern, Hörgeräteakustikern oder Optikern), ärztliche Tätigkeiten im sogen. Wellness- und Fitnessbereich oder die Beteiligung Dritter an wirtschaftlichen Erfolgen ärztlicher Tätigkeit (etwa über einen umsatzabhängigen Pachtzins) bis hin zu allgemein als unzulässig angesehenen Provisionszahlungen für die Vermittlung von Patienten.

Vgl. hierzu etwa Gummert/Meier, Beteiligung Dritter an den wirtschaftlichen Ergebnissen ärztlicher Tätigkeit, MedR 2007, 75; Thünken, Die wettbewerbs- und berufsrechtliche Zulässigkeit der Einbindung von Ärzten in den Vertrieb von Gesundheitsprodukten, MedR 2007, 578; Reiter, Ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft vs. Organisationsgemeinschaft - Ist die wirtschaftliche Beteiligung Dritter an einer Arztpraxis statthaft?, GesR 2005, 6 ff.; Quaas/Zuck, Medizinrecht 2008, S. 243 f.; Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, § 3 Rn. 4 ff.; dort auch jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung.

Für die rechtliche Bewertung kommt es darauf an, ob die fragliche Betätigung "im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit" erfolgt oder ob eine deutliche Trennung von dieser vorliegt; letzterenfalls ist die Regelung des § 3 BO schon tatbestandlich nicht einschlägig. Darüber hinaus wird danach differenziert, ob es um eine individuelle Arzt-Patienten-Leistung geht (etwa Anpassung eines Hörgerätes, einer Prothese usw.) oder ob der bloße Verkauf eines Produkts (Diätprodukt, Diabetesteststreifen) im Vordergrund steht. Inzwischen hat der Gesetzgeber auf die Entwicklung der letzten Jahre reagiert und die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte durch Vertragsärzte eingeschränkt.

Vgl. hierzu § 128 SGB V, der am 1. 4.2009 in Kraft treten wird; neu eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes vom 20.12.1998 (BGBl I S. 2477).

d) Zu der im vorliegenden Fall interessierenden Frage der gewerblichen Ernährungsberatung durch einen niedergelassenen Arzt hat der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden, dass sich die Unzulässigkeit einer solchen Betätigung nicht schon allein daraus ergibt, dass der Arzt die Ernährungsberatung in seiner eigenen Praxis durchführt.

BGH, Urteil vom 29.5.2008 - I ZR 75/05 -, NJW 2008, 2850 = MedR 2008, 613; anders OLG Frankfurt, Urteil vom 14. 4.2005 - 6 U 111/04 -, MedR 2005, 661.

Es sei nicht erkennbar, dass gerade von der Abhaltung der Informationsveranstaltungen in den Praxisräumen des Arztes eine nicht gänzlich unerhebliche Wirkung in Richtung auf eine gesundheitspolitisch unerwünschte Kommerzialisierung des Arztberufs ausgehe. Das von dem Arzt in dem vorgenannten Fall des Bundesgerichtshofs angebotene Diät- und Ernährungsprogramm, das mit dem von der Dr. Hüttemann GmbH angebotenen Programm identisch ist (BCM), wende sich zur Gewichtsreduktion an diejenigen - weiten - Teile der Bevölkerung, die mit Übergewicht zu kämpfen hätten. Diesen sei geläufig, dass Übergewicht zwar nicht stets krankhaft sei, eine Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion aber sinnvollerweise auch die insoweit gewonnenen medizinischen Erkenntnisse berücksichtigen sollte. Eine solche Beratung werde daher - zumal im Hinblick darauf, dass entsprechende Beratungsaktionen bereits in der Vergangenheit wiederholt von Krankenkassen und Gesundheitsämtern durchgeführt worden seien - als sinnvoll und nicht ungewöhnlich empfunden. Die betreffenden Personen würden die Mitwirkung von Ärzten an dem von der Beklagten angebotenen Diät- und Ernährungsprogramm daher nach der Lebenserfahrung nicht als Anzeichen dafür ansehen, dass sich die Ärzte inzwischen zunehmend als Gewerbetreibende verstünden und ihr Verhalten dementsprechend nicht mehr in erster Hinsicht an den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien ausrichteten. Dies gelte auch dann, wenn die Beratung durch den Arzt in dessen Praxisräumen erfolge. Deshalb handelt ein beide Tätigkeiten in seiner Praxis ausübender Arzt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann weder berufs- noch wettbewerbswidrig, wenn er die Ernährungsberatung im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht getrennt hält.

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an; er hält aus den genannten Gründen eine besondere räumliche Trennung ebenfalls nicht für erforderlich.

4. Damit kommt es für die Frage der Berufspflichtverletzung darauf an, ob der Beschuldigte im Übrigen in dem gebotenen Umfang zwischen seiner ärztlichen und seiner gewerblichen Tätigkeit unterschieden hat. Dies ist nach Auffassung des Senats der Fall.

Auch insoweit darf der Zweck der Beschränkung der ärztlichen Berufsfreiheit nicht aus dem Blick geraten. Die vom Bundesgerichtshof vorausgesetzte Trennung in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht ist kein Selbstzweck, sondern sie ist - ebenso wie die von ihm entschiedene Frage der räumlichen Trennung - wiederum vor dem Hintergrund der Vermeidung einer Kommerzialisierung des Arztberufes sowie dem Schutz der Gesundheit der Patienten zu sehen. Hält man nämlich Ärzte im Grundsatz für befugt, sich trotz ihrer Eigenschaft als Freiberufler gewerblich auf dem Gebiet des Heilwesens zu betätigen, dann führt dies zwangsläufig zu einer gewissen Verquickung ärztlicher und gewerblicher Tätigkeiten.

Vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 19.11.1985 - 1 BvR 38/78 -, BVerfGE 71, 183, 195 (196).

Von den genannten Maßstäben ausgehend spricht hier alles für eine ausreichende Trennung; die Patienten müssen aufgrund der konkreten Gegebenheiten nicht den Eindruck gewinnen, der Beschuldigte richte - im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit - sein Verhalten nicht mehr in erster Linie an den gesundheitlichen Interessen seiner Patienten, sondern daran aus, dass die Ernährungsberatungs-GmbH Gewinne erzielt.

Eine rechtliche Trennung wird hier schon dadurch indiziert, dass die Ernährungsberatung durch eine gesonderte Gesellschaft (GmbH) erfolgt, während der Beschuldigte eine Einzelpraxis betreibt. Auch für die Patienten ist diese rechtliche Gestaltung aufgrund der klaren Beschilderung deutlich erkennbar. Auf die genaue prozentuale Beteiligung des Beschuldigten an der GmbH (hier 20 %) kommt es demgegenüber nicht an.

Auch eine steuerrechtliche Verschränkung ergibt sich bei der gewählten Konstruktion nicht. Bei einer Einzelpraxis, wie sie hier vorliegt, gilt ertragssteuerlich die Trennungstheorie. Eine Einzelperson kann nebeneinander Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb erzielen. Beide Einkunftsarten werden getrennt ermittelt. Die Gefahr einer "Infizierung" der freiberuflichen durch gewerbliche Einkünfte (auch "Abfärbetheorie" genannt) besteht nur bei Gemeinschaftspraxen.

Genauer Michels, Steuerrechtliche Probleme im Medizinrecht, ZMGR 2008, 19 (21 f.); ders., in: Ratzel/Luxenberger (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht, 2008, § 37 (S. 1524).

Auch hinsichtlich der organisatorischen Trennung bestehen keine durchgreifenden Zweifel: Auf die internistische Praxis und die Ernährungsberatung weisen getrennte Schilder an den Außentüren und an dem Empfangstresen hin, auch nach Funktionen getrennte Räume (Untersuchung, Kabine, Labor, EGK einerseits, Ernährungsberatung, Vortrag etc. andererseits) sind vorhanden. Dass der Briefkasten, der Eingangsbereich (Eingang, Treppenhaus) sowie das Wartezimmer und die Toiletten gemeinsam genutzt werden, steht einer hinreichenden organisatorischen Trennung nicht entgegen, sondern ist in vielen Fällen eine zwangsläufige Folge, wenn man - wie oben dargelegt - das Erfordernis einer strikten räumlichen Trennung aus verfassungsrechtlichen Gründen für unverhältnismäßig und deshalb eine gewerbliche Tätigkeit im Grundsatz auch in den Praxisräumen eines Arztes für zulässig hält. Auch aus der sonstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich, dass die Mitbenutzung von zur ärztlichen Praxis gehörenden Räumlichkeiten und Einrichtungen im Eingangs- und Empfangsbereich durch ein vom Arzt betriebenes gewerbliches Unternehmen unbedenklich ist.

BGH, Urteil vom 26.4.1989 - I ZR 172/87 -, NJW 1989, 2324 (Institutswerbung).

Gleiches gilt für die gemeinsame Beschäftigung von Angestellten. Dabei kann die genaue rechtliche Gestaltung der Arbeitsverträge sowie die konkrete steuerliche Bewertung (getrennte Ermittlung von Gewinn und Verlust oder Trennung infolge einer Schätzung) offen bleiben, da der Senat jedenfalls auch insoweit eine Kommerzialisierungsgefahr nicht zu erkennen vermag.

Hinsichtlich der zeitlichen Trennung weisen die Hinweisschilder unterschiedliche Öffnungszeiten aus. Soweit die Antragstellerin dennoch eine Überschneidung in zeitlicher Hinsicht annimmt, bewegt sie sich im Bereich des Spekulativen. Zudem übersieht sie, dass in erster Linie die Ehefrau des Beschuldigten in der Ernährungsberatung tätig ist, während sich die Tätigkeit des Beschuldigten für die GmbH nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag darauf beschränkt, einmal wöchentlich Einführungsvorträge zu halten. Somit würden selbst sich überschneidende Öffnungszeiten nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Beschuldigte selbst eine hinreichende zeitliche Trennung zwischen den beiden Tätigkeiten vermissen lässt.

Der Vorwurf einer wirtschaftlich unzulässigen Verquickung unter Hinweis auf die 20%ige Beteiligung des Beschuldigten an der GmbH ist schließlich schon im Ansatz verfehlt, denn er stellt letztlich in Abrede, dass der Beschuldigte sich überhaupt gewerblich betätigen darf. Anhaltspunkte dafür, dass im Übrigen eine wirtschaftliche Trennung (hinsichtlich Gewinnermittlung, Buchführung etc.) nicht vorgenommen wird, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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