Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: 7 A 1397/02
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB


Vorschriften:

BauNVO § 1 Abs. 2
BauNVO § 14
BauNVO § 14 Abs. 1 Satz 1
BauNVO § 14 Abs. 1 Satz 3
BauNVO § 14 Abs. 2
BauNVO § 14 Abs. 2 Satz 2
BauGB § 1 Abs. 1
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 5 Nr. 4
BauGB § 9 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
Durch Auslegung des Bebauungsplans kann sich ergeben, ob der Nutzungszweck einer im Bebauungsplan festgesetzten Grünfläche öffentlich oder privat ist.

Nebenanlagen sind auf solchen öffentlichen Grünflächen, die nicht Teil eines der in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Baugebiete sind, nicht nach § 14 BauNVO zulässig.

§ 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 meint nur solche Nebenanlagen, deren (Hilfs-) Funktion sich auf einzelne Baugrundstücke oder auf das konkrete Baugebiet beschränkt.

Eine Mobilfunkanlage ist keine Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 BauNVO 1977. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 ist auf unter früheren Fassungen der Baunutzungsverordnung in Kraft getretene Bebauungspläne nicht anwendbar.

Die flächendeckende angemessene und ausreichende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen steht im öffentlichen Interesse. Dieses Allgemeinwohlinteresse kann je nach Lage des Einzelfalles die Befreiung von Bebauungsplanfestsetzungen rechtfertigen, die der Errichtung eines Antennenträgers für Mobilfunkanlagen entgegenstehen.


Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Mobilfunknetz. Sie begehrt im vorliegenden Verfahren die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines rund 40 m hohen Antennenträgers nebst Schaltanlage auf einem im Eigentum der Stadt stehenden Grundstück. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der dort eine Grünfläche mit der Zweckbestimmung "Sportplatz" festsetzt, wo schon vor Inkrafttreten des Bebauungsplans im östlichen Bereich eine von der Sportverwaltung der Stadt Gütersloh verwaltete Rasenspielfläche vorhanden war.

Die Klägerin beabsichtigt, den Stahlgittermast im äußersten Südwesten der Sportplatzfläche zwischen der im Bebauungsplan festgesetzten Fläche zum Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern und dem vorhandenen Ascheplatz etwa dort zu errichten, wo inmitten einer Rasenfläche eine kreisförmige betonierte Fläche als "Kugelstoßring" dient. Sie schloss mit der Stadt einen Gestattungsvertrag, mit dem die Stadt die Errichtung einer "Funkfeststation" an der Stelle gestattet, die auch Gegenstand des Bauantrags der Klägerin ist. Als Bestandteil einer Funkfeststation ist im Vertrag insbesondere auch der Antennenträger benannt, der in einer Anlage des Vertrags durch eine Ansichtszeichnung konkretisiert und beschrieben wird. Nach § 2 des Vertrages soll der Kugelstoßring auf Kosten der Klägerin versetzt werden.

Der Bauantrag bezieht sich auf einen 40 m hohen quadratischen Stahlgittermast, der sich von 2,50 m x 2,50 m am Fußpunkt bis auf 1,303 m x 1,303 m verjüngt. Die an der Mastspitze geplante Rundbühne weist einen Durchmesser von 3,906 m auf. Der Schaltschrank hat die Außenabmessungen von 3,10 x 1,40 x 0,70 m.

Antrag, Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Auf die Berufung verpflichtete das OVG die Beklagte zu erneuten Bescheidung des Bauantrags.

Gründe:

Die Klägerin hat keinen zwingenden Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung eines Stahlgittermastes. Ob der Klägerin von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung erteilt werden kann, hat die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Das Vorhaben der Klägerin widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans.

Der Bebauungsplan ist wirksam. Er setzt für den Anlagenstandort eine öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung Sportplatz fest. Dies ergibt die Auslegung des Bebauungsplans.

Den Festsetzungen eines Bebauungsplans fehlt nicht bereits dann die erforderliche Bestimmtheit, wenn sie auslegungsbedürftig sind. Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Der Kanon der klassischen Auslegungsgrundsätze umfasst die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Die verschiedenen Methoden können gleichzeitig und nebeneinander angewandt werden und sich gegenseitig ergänzen. Die Interpretation ist nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist vielmehr der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57.

In die Auslegung ist einzustellen, dass sich die Anforderungen an die Bestimmtheit und das Maß der Konkretisierung danach richten, was nach den Verhältnissen des Einzelfalles für die städtebauliche Entwicklung im Sinne des § 1 Abs. 3 und des § 9 Abs. 1 BauGB erforderlich ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten und öffentlichen Belange entspricht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.4.1998 - 4 B 40.98 -, BRS 60 Nr. 178.

Auslegungsbedürftig ist die Festsetzung "Grünfläche" und der durch die Verwendung des Planzeichens 4.2 der Planzeichenverordnung kenntlich gemachten Zweckbestimmung nur hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine öffentliche oder eine private Grünfläche handeln soll. Bereits die Bebauungsplanurkunde selbst gibt für die Auslegung hinreichende Anhaltspunkte. Der Sportplatz ist entsprechend seiner tatsächlichen Nutzung als "Sportplatz F. " bezeichnet. Die Namensgebung stellt damit auf einen der gesamten Ortslage dienenden Sportplatz ab, nicht aber auf eine privatnützigen Zwecken dienende Einrichtung. Darüber hinaus sind konkrete Bestandteile des Platzes, die jedenfalls im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorhanden waren, als Bestand in der Bebauungsplanurkunde eingetragen. Die Sportplatzfläche stand im Eigentum der Stadt und wurde von dieser für die Wahrnehmung sportlicher Zwecke verwaltet. Dass in diesen öffentlichen Charakter der Sportplatznutzung nicht eingegriffen werden sollte, bestätigt die Bebauungsplanbegründung. In der Kostenaufstellung zur Bebauungsplanbegründung ist ausdrücklich von öffentlichen Grünflächen die Rede, während die Legende des Bebauungsplans nur Grünflächen nachweist, ohne den Nutzungszweck der Grünflächen durch eine konkrete textliche Angabe zu beschreiben.

Aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bay. VGH vom 12.7.1983 - Nr. 1. N - 1321/79 -, BayVBl.1984, 339 sowie aus der Entscheidung des VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.7.1983 - 5 S 433/83 -, BRS 40 Nr. 7 ergibt sich nichts, was gegen die vorstehende Auslegung des Bebauungsplans sprechen könnte. Auf die dort vertretene Ansicht zur Erforderlichkeit der Festsetzung des privaten oder des öffentlichen Nutzungszwecks der Grünfläche, vgl. hierzu auch: Berliner Kommentar, Baugesetzbuch, 2. Auflage, § 9 Rdnr. 36, kommt es nicht an, da sich die öffentliche Zweckbestimmung der im Bebauungsplan festgesetzten Grünfläche durch Auslegung des Bebauungsplans ergibt.

Die Errichtung eines einer Mobilfunkanlage dienenden Stahlgittermastes widerspricht der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche mit der Zweckbestimmung Sportplatz. (wird ausgeführt)

Die Anlage ist nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO in der hier maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 15.9.1977, BGBl. I S. 1763, zulässig. Danach sind außer den in §§ 2 bis 13 genannten Anlagen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder dem Baugebiet selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich zugunsten der Klägerin schon deshalb nichts, weil die sich daraus ergebende Zulässigkeit von Nebenanlagen sich nicht auf die durch den Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Grünfläche erstreckt. § 14 BauNVO wird nur dann und nur dort Bestandteil des Bebauungsplans, wo der Bebauungsplan die in § 1 Abs. 2 BauNVO 1977 bezeichneten Baugebiete festsetzt (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO) . Die öffentliche Grünfläche ist jedoch weder selbst Baugebiet noch Teil eines der in § 1 Abs. 2 BauNVO 1977 bezeichneten Baugebiete.

§ 1 Abs. 2 BauNVO 1977 definiert, dass Baugebiete die für die Bebauung vorgesehenen Flächen sind, die nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung als eines dort genannten Baugebiete dargestellt sind. Danach sind sowohl das durch den Bebauungsplan festgesetzte Dorfgebiet als auch das allgemeine Wohngebiet Baugebiete, nicht jedoch die öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung Sportplatz. Zwar sind Sportplätze in Dorf- und auch in allgemeinen Wohngebieten (ausnahmsweise) zulässig (vgl. §§ 4 Abs. 3 Nr. 3, 5 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1977). Der Bebauungsplan weist den Sportplatz jedoch nicht einem der angrenzenden Baugebiete zu. Eine Zuordnung ergibt sich auch nicht aus dem Festsetzungszusammenhang. (wird ausgeführt)

Die Klägerin stützt ihren Anspruch ferner zu Unrecht auf § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990, und zwar schon deshalb, weil die Anwendbarkeit auch des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO nur gegeben ist, wenn der Standort der Anlage in einem der in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Baugebiete vorgesehen ist (vgl. § 1 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BauNVO). Nur dann ermöglicht § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 die Errichtung der dort bezeichneten Anlage auch für den Fall, dass sich ihre Versorgungsfunktion nicht nur auf ein Baugebiet, sondern auf mehrere Baugebiete erstreckt.

§ 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 ist darüber hinaus deshalb nicht anwendbar, weil die einschlägigen Regelungen der Baunutzungsverordnung jeweils in der Fassung Bestandteil des Bebauungsplans werden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans gültig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.1992 - 4 C 43.87 -, BRS 54 Nr. 60.

Eine Mobilfunkanlage ist ferner keine Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 BauNVO 1977.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.11.1999 - 4 B 3.99 -, BRS 62 Nr. 82.

Die Klägerin wendet zu Unrecht ein, § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass er sich auch auf vor seinem Inkrafttreten beschlossene Bebauungspläne erstrecke. Für eine dahingehende "verfassungskonforme Auslegung" besteht weder Anlass noch Berechtigung. Die verfassungskonforme Auslegung verlangt, ein Gesetz im Zweifel und wenn möglich im Einklang mit der Verfassung auszulegen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.5.1953 - 1 BvL 104/52 -, BVerfGE 2, 266.

§ 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO begegnet jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dass der Bundesgesetzgeber zu einer weitergehenden Regelung als der in § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990, nämlich zu einer auch auf frühere Bebauungspläne bezogenen entsprechenden Regelung, aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten gewesen sein könnte, ist nicht ansatzweise erkennbar. Aus dem von der Klägerin zitierten Art. 87 f GG ergibt sich zwar ein Grundversorgungsauftrag des Bundes, der Telekommunikation flächendeckende angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten.

Vgl. Maunz/Dürig/Herzog, GG, Stand: Oktober 1996, Art. 87 f., Rdnr. 79.

Das so formulierte, unmittelbar verbindliche Staatsziel, vgl. Maunz/Dürig/Herzog, a.a.O., Art. 87 f., Rdnr. 80, rechtfertigt jedoch jedenfalls keinen mit Rückwirkung verbundenen Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde. So hat die Gemeinde, wenn sie die bauliche Entwicklung ihres Gemeindegebiets durch einen Bebauungsplan steuert, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob und wo sie Nebenanlagen zulassen will; sie kann Nebenanlagen auch vollständig ausschließen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO 1977). Das von der Gemeinde in eigener Verantwortung durch den Bebauungsplan ausgeprägte Konzept städtebaulicher Entwicklung würde gestört, müssten nunmehr (Neben-)Anlagen aufgrund eines - wie die Klägerin meint, aufgrund analoger Anwendung faktisch - rückwirkenden Gesetzes im Bebauungsplangebiet zugelassen werden, obwohl ihre Zulässigkeit nicht Gegenstand der planerischen Entscheidung der Gemeinde sein konnte. Ohnehin müsste die - vom Senat verneinte - Möglichkeit rückwirkender Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO zugleich mit der Ermächtigung der Gemeinde verbunden sein, über den etwaigen Ausschluss dieser Nebenanlagen entsprechend § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO zu befinden.

Der Gesetzgeber durfte im Übrigen davon ausgehen, dass die Gemeinden bei der Bauleitplanung den Belangen der Telekommunikation hinreichend Beachtung geben werden. Dass sich aus der Staatszielbestimmung des Art. 87 f GG aber kein Anspruch ableiten lässt, an jedem sinnvollen Ort eine Mobilfunkanlage ohne Berücksichtigung anderer, ihrer Errichtung möglicherweise entgegenstehender, ebenfalls bedeutsamer Belange errichten zu dürfen, ist selbstverständlich.

Aus den von der Klägerin pauschal zitierten europarechtlichen Regelungen - Richtlinie der Kommission vom 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (90/388/EWG), Abl. EG Nr. L 192, S. 10, und der Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13.3.1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten, Abl. EG Nr. L 74, S. 13 - ergibt sich für den von ihr behaupteten Anspruch nichts. Die Klägerin meint, aus diesen Regelungen könne sie einen Anspruch darauf ableiten, dort ihre "Netze" aufbauen zu können, wo die Telekom ihre Netze bereits errichtet habe. Ob dieser Behauptung in dieser Allgemeinheit zugestimmt werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Aus einem solchen Recht ließe sich kein Recht der Klägerin ableiten, ihren Antennenträger gerade dort errichten zu wollen, wo die Gemeinde seit Jahrzehnten eine öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung eines Sportplatzes vorgesehen hat. Auch die Telekom hat in diesem Bereich keinen Antennenträger errichtet.

Die Klägerin hat ferner keinen zwingenden Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche; vielmehr hat die Beklagte ihr durch § 31 Abs. 2 BauGB eröffnetes Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut auszuüben. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB liegen zwar vor, die Befreiung steht jedoch im Ermessen der Beklagten. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplan befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und 1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Der Stahlgittermast ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Die Abweichung ist jedenfalls städtebaulich vertretbar. Nachbarliche Belange stehen der Genehmigung nicht entgegen. Die Befreiung ist mit öffentlichen Interessen vereinbar.

Die in § 31 Abs. 2 BauGB vorausgesetzte Vereinbarkeit des zur Genehmigung gestellten Vorhabens mit den Grundzügen der Planung hat für alle Befreiungsfälle Geltung. Die Festsetzungen eines Bebauungsplans dürfen nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999 - 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99.

Der Stahlgittermast liefe dem planerischen Grundkonzept nicht entgegen. Mit der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche hat der Plangeber zum Ausdruck gebracht, dort jegliche bauliche Nutzung auszuschließen, soweit sie nicht mit dem Zweck der Grünfläche vereinbar ist. Die Fläche dient der Sportplatznutzung. Dass die Sportausübung durch die nur eine geringe Grundfläche in Anspruch nehmende Anlage beeinträchtigt werden könnte, ist auch nicht ansatzweise erkennbar. Der Antennenmast nebst Schaltschrank soll im äußerten Südwesten des Sportplatzes in einem Bereich errichtet werden, der - wenn überhaupt - der Nutzung nur für Kugelstoßübungen vorbehalten ist. Dass der Kugelstoßring nicht entsprechend (auf Kosten der Klägerin) verschoben werden könnte, behauptet auch die Beklagte nicht. Vielmehr bestätigt der von ihr mit der Klägerin geschlossene Gestattungsvertrag, dass eine solche Verschiebung ohne Weiteres möglich ist und auch andere Nutzungen für diesen Bereich nicht vorgesehen sind.

Die Gefahr einer Vielzahl vergleichbarer Vorhaben besteht schon deshalb nicht, weil nur geringe Flächen der Grünfläche nicht von Sportanlagen oder der Fläche zum Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern in Anspruch genommen werden.

Die Klägerin kann sich ferner auf einen Befreiungsgrund stützen.

Es spricht bereits einiges dafür, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB), was letztlich jedoch keiner Entscheidung bedarf. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf keine andere Weise als durch eine Befreiung entsprochen werden könnte, sondern nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift schon dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Die Befreiung muss nicht schlechterdings das einzige denkbare Mittel für die Verwirklichung des jeweiligen öffentlichen Interesses sein, dessen Erfüllung muss also nicht mit der Befreiung stehen und fallen. Auch dann, wenn andere - auch weniger naheliegende - Möglichkeiten zur Erfüllung des Interesses zur Verfügung stehen, kann eine Befreiung zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten sein. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht allerdings nicht aus. Maßgebend dafür, ob die Befreiung vernünftigerweise geboten ist, sind die Umstände des Einzelfalls; dabei kann es auch auf nach objektiven Kriterien zu beurteilende Fragen der Zumutbarkeit und Wirtschaftlichkeit ankommen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1978 - 4 C 54.75 -, BRS 33 Nr. 150.

Die Klägerin nimmt eine öffentliche Versorgungsfunktion wahr und kann deshalb grundsätzlich das Wohl der Allgemeinheit für ihr Vorhaben reklamieren. Die flächendeckende angemessene und ausreichende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen steht im öffentlichen Interesse (vgl. Art. 87 f GG sowie die von der Beklagten zitierte Mobilfunkvereinbarung für Nordrhein - Westfalen vom 17.7.2003). Das Interesse an der störungsfreien Teilnahme am Mobilfunk ist jedenfalls im Hinblick auf die Möglichkeit, auch ohne einen nicht immer erreichbaren Festnetzanschluss Polizei und Notdienste zu erreichen, von beachtlichem Gewicht.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 2.3.2001 - 1 A 11232/98.OVG -.

Dass die Klägerin den auch von ihr zu erbringenden Versorgungsauftrag ohne die Errichtung des Antennenmastes am vorgesehenen Standort nicht ausreichend erbringen kann, belegen die von ihr vorgelegten Computersimulationen (wird ausgeführt)

Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist jedenfalls städtebaulich vertretbar (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB). Was städtebaulich vertretbar ist, beurteilt sich danach, ob die Abweichung ein nach § 1 Abs. 1 BauGB zulässiger Inhalt des Bebauungsplans sein könnte. Diese Frage ist nicht abstrakt zu beurteilen, sondern anhand der konkreten Gegebenheiten und danach, ob das Leitbild einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gewahrt bleibt, das dem konkreten Plan zugrunde liegt, von dessen Festsetzungen abgewichen werden soll. Letzteres folgt vor allem daraus, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1998 - 4 C 16.97 -, BRS 60 Nr. 71.

Der singuläre, eine geringe Grundfläche in Anspruch nehmende Antennenmast ist mit dem der Sicherung eines Sportplatzes dienenden Bebauungsplan Nr. 109 A ohne Weiteres vereinbar. Die Beklagte selbst nennt keinen Gesichtspunkt, aus dem sich die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit dem Bebauungsplan ergeben könnte. Die Befürchtung, Nutzer des Sportplatzes und Anwohner könnten sich durch den Mobilfunkmast beeinträchtigt sehen, ist nicht auf städtebaulich beachtliche Belange bezogen, insbesondere ist nicht ansatzweise erkennbar, der Sportplatz würde nicht nur von einzelnen, sondern von einer derartigen Zahl von Sportlern gemieden werden, dass seine Funktion in Frage gestellt werden könnte. Es ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagten zudem nicht die mindesten substantiierten Anhaltspunkte für die Annahme, der Mobilfunkbetrieb könne aus Gründen des gesundheitsrelevanten Immissionsschutzes bedenklich sein. Hinsichtlich der namentlich beachtlichen Strahlenbelastung sind die vom Gesetzgeber durch die Verordnung über elektromagnetische Felder vom 16.12.1996, BGBl. I S. 1966 (26. BImSchV) festgelegten Grenzwerte maßgebend, die der Schutzpflicht staatlicher Organe gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Felder ausreichend Rechung tragen.

Vgl BVerfG, Beschluss vom 17.2.1997 - 1 BvR 1658/96 -, NJW 1997, 2509; OVG NRW, Beschluss vom 25.2.2003 - 10 B 2417/02 -, BauR 2003, 1011.

Die Klägerin hat angegeben, der nach der 26. BImSchV einzuhaltende Sicherheitsabstand werde grob geschätzt in horizontaler Richtung etwa 10 m, in vertikaler Richtung etwa 1 m bis 1,5 m betragen. Die Beklagte hat diese Angabe nicht in Zweifel gezogen. Dass dennoch bei einem abseits von Wohnbebauung auf einem Sportplatz errichteten 40 m hohen Antennenmast ein Gefahrpotential verbleiben könnte, ist über die bloße Befürchtung hinaus nicht erkennbar.

Die Beklagte stellt schließlich auf außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegene Zusammenhänge ab, so auf das städtebauliche Konzept und den dörflichen Charakter, namentlich die Ortseingangssituation des Ortsteils. Der Bebauungsplan trägt im Bereich des Antennenstandorts zur Gestaltung des - wie die Beklagte ausführt - durch Ein- oder Zweifamilienhäuser geprägten Ortsbildes jedoch nicht bei. Das Ortsbild greift der Bebauungsplan nicht auf, sondern setzt sich durch die Gliederung einer Sportplatzfläche (die faktisch zudem mit 16 m hohen Flutlichtmasten ausgestattet ist) von dem Ortsbild ab.

Öffentliche Belange stehen der Befreiung nicht (zwingend) entgegen. Unter öffentlichen Belangen sind nur städtebaulich relevante Belange zu verstehen, die im Interessengeflecht des Bebauungsplans eine Rolle spielen können. Es können auch solche öffentlichen Belange eine Rolle spielen, die in der gemeindlichen Planungskonzeption noch keinen Niederschlag gefunden haben. Zu den Belangen kann gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 4 BauGB das Ortsbild der Gemeinde zählen. Bei Erlass des Bebauungsplans stand eine mögliche Beeinträchtigung des Ortsbildes durch Antennenmasten der hier beantragten Größenordnung nicht in Rede. Der Satzungsgeber hatte daher zu die Höhe baulicher Anlagen betreffenden Festsetzungen (vgl. § 16 Abs. 3 BauNVO 1977) keine Veranlassung. Dennoch ist nach den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls nicht allein aufgrund der Höhe des Antennenträgers davon auszugehen, dieser beeinträchtige zwingend öffentliche Interessen. Im unmittelbaren Einzugsbereich des Sportplatzes ist keine gestalterisch hervorgehobene Bebauung feststellbar. Vorhanden sind durchaus üblich gestaltete Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser in unterschiedlichster Ausprägung, die dem Ortseingangsbereich kein derartiges Gepräge geben, dass ein Antennenmast der hier in Rede stehenden Dimension und Gestaltung mit dem Ortsbild als von vornherein unvereinbar angesehen werden müsste. Der Mobilfunkmast würde dort, wo ohnehin mit technischen Anlagen gewisser, wenngleich geringerer Höhe (Flutlichtmasten) gerechnet werden muss, im Wesentlichen nur wegen seiner Höhe von rund 40 m in Erscheinung treten. Er ist verhältnismäßig zurückhaltend gestaltet; die äußeren Abmessungen könnten nach den Angaben der Klägerin gegenüber der zur Genehmigung gestellten Anlage zudem noch reduziert werden. Schließlich kann durch einen von der Klägerin angebotenen farblich entsprechend gestalteten Anstrich der Stahlgitterkonstruktion bewirkt werden, dass der Antennenmast trotz seiner Höhe verhältnismäßig unaufdringlich wirkt.

Die Befreiung ist mit nachbarlichen Belangen vereinbar. Insoweit sind namentlich Immissionsschutzbelange zu berücksichtigen. Angesichts der Abstände der Wohnbebauung zum Antennenmast besteht kein Anlass an den Angaben der Klägerin zu zweifeln, die sich aus der 26. BImSchV ergebenden Anforderungen würden sicher eingehalten. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen. Dass dennoch erhebliche nachbarliche Beeinträchtigungen in Rechnung zu stellen sein sollten, ist nicht ersichtlich.

Obwohl die Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nach Auffassung des Senats nach alledem zu bejahen sind, hat die Klägerin keinen zwingenden Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Vielmehr steht der Beklagten Ermessen zu, das sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut auszuüben hat. In die Ermessensausübung kann die Beklagte selbstverständlich auch einstellen, ob das von ihr verfolgte stadtgestalterische Anliegen hinreichend gewichtig ist, den Antrag der Klägerin erneut abzulehnen. Die Beklagte wird dabei über ihre bisherigen Erwägungen hinaus jedoch zu berücksichtigen haben, dass für das klägerische Vorhaben Befreiungsgründe streiten. Auch ist für das Gewicht der klägerischen Interessen von Belang, ob ein geeigneter Alternativstandort tatsächlich zur Verfügung steht, möglicherweise auch auf dem Sportplatz in mittiger Lage. Schließlich ist der Beklagten die mit dem Gestattungsvertrag eingegangene Verpflichtung zuzurechnen. Demgegenüber sind die Erwägungen der Beklagten zur Netzabdeckung durch andere Mobilfunkbetreiber schon deshalb unbehelflich, weil ausweislich der von der Beklagten überreichten Karte über Mobilfunkstandorte im Stadtgebiet bislang kein Mobilfunkmast errichtet wurde.

Ende der Entscheidung

Zurück