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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.11.2004
Aktenzeichen: 7 A 4415/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 6
1. Eine Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB kann nur für einen "bebauten Bereich" erlassen werden, der eine solche Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit erkennen lässt, die ihn als Weiler, Splittersiedlung oder sonstigen Siedlungsansatz qualifiziert.

2. Das Merkmal "Wohnbebauung von einigem Gewicht" in § 35 Abs. 6 BauGB wird nicht durch eine absolute Mindestzahl von Wohngebäuden bestimmt; es kann bereits dann bejaht werden, wenn in dem bebauten Bereich deutlich weniger als 10 Wohnhäuser vorhanden sind.

3. Mit dem Erlass von Außenbereichssatzungen kann nur die Verdichtung bereits vorhandener Siedlungsansätze innerhalb des tatsächlich gegebenen baulichen Zusammenhangs begünstigt werden, nicht hingegen die Erweiterung des Siedlungsansatzes in den Außenbereich hinein.

4. Der Erlass von Außenbereichsatzungen scheidet von vornherein aus, wenn in dem betroffenen Satzungsbereich weitere bauliche Entwicklungen aus Rechtsgründen ausgeschlossen sind.


Tatbesatand:

Die Klägerin begehrte die Genehmigung einer von ihr nach § 35 Abs. 6 BauGB erlassenen Außenbereichssatzung. Die Genehmigung wurde insbesondere mit der Begründung versagt, die Voraussetzungen für eine solche Satzung lägen schon deshalb nicht vor, weil im Satzungsbereich lediglich fünf Wohnhäuser vorhanden seien. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die beklagte Bezirksregierung zur Erteilung der Genehmigung; es ließ zugleich die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.

Gründe:

Die Klage ist zulässig. Der Klägerin fehlt insbesondere nicht etwa deshalb das Rechtsschutzinteresse für ihr Begehren auf Erteilung der von der Beklagten versagten Genehmigung, weil nach der am 20.7.2004 in Kraft getretenen Novellierung des BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24.6.2004 (BGBl. I S. 1359) - BauGB n.F. - Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB nicht mehr einer Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde bedürfen (wird ausgeführt).

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte hat die von der Klägerin begehrte Genehmigung zu Unrecht versagt.

Gemäß § 36 Abs. 6 Satz 6 2. Halbsatz BauGB a.F. i.V.m. § 6 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Satzung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder dem BauGB, den aufgrund des BauGB erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht.

Anhaltspunkte für ein nicht ordnungsgemäßes Zustandekommen der Satzung sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht die Satzung auch nicht den Vorschriften des BauGB.

Die Satzung ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB gedeckt. Nach dieser Vorschrift kommt die Aufstellung von Außenbereichssatzungen in Betracht für bebaute Bereiche, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist. Alle diese Tatbestandsmerkmale werden von der strittigen Satzung erfüllt.

Das Satzungsgebiet ist ein "bebauter Bereich". Dieses Merkmal setzt zunächst voraus, dass in dem von der Satzung erfassten Bereich überhaupt Bebauung vorhanden ist. Damit kann es der Satzungsgeber jedoch nicht bewenden lassen. Es steht nicht etwa in seinem Belieben, irgendwelche Bebauungen, die sich im Außenbereich befinden, in eine Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB einzubeziehen. Was mit einer Außenbereichssatzung als "bebauter Bereich" überplant werden kann, hat sich vielmehr an der Aufgabe und Zielsetzung dieses Planungsinstruments auszurichten.

Anders als durch Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2 und 3 BauGB kann die Gemeinde mit Außenbereichssatzungen die von ihnen erfassten Gebiete nicht konstitutiv dem unbeplanten Innenbereich im Sinne von § 34 BauGB zuweisen und damit nach Maßgabe der Kriterien dieser Vorschrift grundsätzlich zu Bauland machen. Die von Außenbereichsatzungen erfassten Bereiche bleiben vielmehr Bestandteil des Außenbereichs, so dass für die Genehmigung von Vorhaben im Geltungsbereich der Satzung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht weiterhin § 35 BauGB einschlägig ist. Für eine Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB scheiden damit von vornherein solche bebauten Bereiche aus, die ihrerseits bereits als Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB zu qualifizieren sind oder jedenfalls bei Umsetzung der Satzung zu einem solchen Ortsteil würden.

Die Zulässigkeit von Vorhaben im Gebiet einer Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB ist weiterhin an den für Außenbereichsvorhaben, namentlich für sonstige Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB, einschlägigen öffentlichen Belangen im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB zu messen. Rechtsfolge des Erlasses einer Außenbereichssatzung ist lediglich, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit sonstiger Vorhaben von den siedlungsstrukturellen Belangen der "Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung" im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB nur die beiden erstgenannten der "Entstehung" oder "Verfestigung" einer Splittersiedlung auszublenden sind.

So: OVG NRW, Urteil vom 8.6.2001 - 7a D 52/99.NE -, BRS 64 Nr. 107; vgl. auch OVG M.-V., Urteil vom 5.10.2000 - 3 L 306/98 -, BRS 64 Nr. 108.

Gleichermaßen ist aus der Prüfung auszublenden, ob das Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB einer Darstellung der betroffenen Fläche als Fläche für die Landwirtschaft oder Wald im Flächennutzungsplan widerspricht. Eine Außenbereichssatzung begründet damit nicht etwa - wie die Ausführungen des Vertreters des öffentlichen Interesses im Berufungsverfahren nahe legen - Baurechte, sondern erleichtert nur die Zulassung bestimmter sonstiger Außenbereichsvorhaben durch eine Modifikation der Zulassungsvoraussetzungen.

Vgl.: Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. Stand Juli 2004, § 35 RdNr. 132.

Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB haben damit ausschließlich eine positive, die Zulässigkeit bestimmter nicht-privilegierter Vorhaben unterstützende Wirkung.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.9.2003 - 4 BN 55.03 - JURIS-Dokumentation, wonach Außenbereichssatzungen keine negative Wirkung etwa in dem Sinne haben, dass sie die Anwendung des § 35 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der dort benannten privilegierten Vorhaben ausschließen.

Diese Möglichkeit zur Begünstigung bestimmter Vorhaben in "bebauten Bereichen" des Außenbereichs ist vom Gesetzgeber geschaffen worden, um durch sie ein höheres Maß an Berücksichtigung der Vorstellungen der Gemeinde über die Entwicklung ihres Gemeindegebiets sowie von Außenbereichsbelangen zu erreichen; andere im Außenbereich nach § 35 Abs. 3 BauGB relevante Belange sollten unberührt bleiben.

Vgl.: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zum Wohnungsbauerleichterungsgesetz (WoBauErlG), mit dem die Außenbereichssatzung erstmals festgelegt wurde, BT-Drs. 11/6636, S. 26.

Die Zielsetzung dieser - im Gesetzgebungsverfahren durchaus umstrittenen - Außenbereichssatzung wird in der zu Protokoll gegebenen Erklärung der zuständigen Bundesministerin bei der abschließenden Beratung im Bundesrat, die zur Anrufung des Vermittlungsausschusses geführt hat

- vgl. die Niederschrift über die 611. Sitzung des Bundesrates vom 6.4.1990, S. 181 -,

treffend mit folgenden Worten umschrieben:

"Auch bei dem erleichterten Satzungsrecht der Gemeinde ist der Bundestag dem Bundesrat entgegengekommen. Anstelle der zunächst vorgesehenen Satzungsregelung, die zu absoluten Baurechten geführt hätte, ist die von Bayern vorgeschlagene Außenbereichssatzung aufgenommen worden.

Sie ist auf solche Weiler, Splittersiedlungen und andere Siedlungsansätze im Außenbereich beschränkt, in denen bereits Wohnnutzung in nennenswertem Umfang vorhanden ist. Hier sollen die Gemeinden durch Satzung darüber entscheiden, ob sich diese Siedlungsansätze in gewissem Umfang weiterentwickeln dürfen. Künftig werden dort vorhandene Baulücken geschlossen werden können, auch wenn das Gebiet nicht als Wohnfläche im Flächennutzungsplan dargestellt ist.

Damit trägt die Satzung vor allem auch den berechtigten Bauwünschen der ortsansässigen Bevölkerung Rechnung.

Da sie keinen absoluten Bauanspruch vermittelt, können im Genehmigungsverfahren weitere, dem Außenbereichsschutz dienende Belange geltend gemacht werden. Auch auf diese Weise ist ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf die Siedlungssituation im Außenbereich gewährleistet."

Der Bundesgesetzgeber wollte damit einerseits den Gemeinden ein Planungsinstrument an die Hand geben, um die Schließung von Baulücken in solchen bereits bebauten Bereichen des Außenbereichs zu erleichtern, die nicht zu Ortsteilen mit grundsätzlichen Baurechten nach Maßgabe des § 34 BauGB entwickelt werden können bzw. sollen. Andererseits sollte der grundsätzliche Schutz des Außenbereichs vor einer weiteren Zersiedelung nicht aufgegeben werden, indem das Planungsinstrument der Außenbereichssatzung nicht etwa die Erweiterung der von ihr erfassten Siedlungsansätze - mögen sie bereits Splittersiedlungen sein oder nicht - durch Ausdehnung in den unbebauten Außenbereich hinein ermöglicht, sondern nur ihre bauliche Verdichtung insbesondere durch Schließung vorhandener Lücken.

Dementsprechend ist anerkannt, dass Außenbereichssatzungen nur solche bebauten Bereiche erfassen können, in denen die bodenrechtliche Situation bereits in Richtung auf eine Bebauung hin deutet.

Vgl.: Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand 1.7.2004, § 35 RdNr. 169.

Nur eine Bebauung, die die Situation so weit verändert hat, dass das Ziel des § 35 BauGB - Freihaltung des Außenbereichs von Bebauung - bereits wesentlich berührt ist, kann den Erlass einer Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB rechtfertigen.

Vgl.: Schmaltz in Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 35 RdNr. 158.

Letztlich muss also eine solche Bebauung vorhanden sein, dass eben wegen dieser Bebauung im betroffenen Bereich dem Schutz des Außenbereichs vor einer Zersiedelung ohnehin nicht mehr in vollem Umfang entsprochen werden kann.

Vgl.: OVG M.-V., Urteil vom 5.10.2000 - 3 L 306/98 -, a.a.O.

Hieraus folgt, dass der bebaute Bereich jedenfalls eine gewisse Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit erkennen lassen muss, die ihn als Weiler, Splittersiedlung oder sonstigen Siedlungsansatz qualifiziert. Ferner darf er nur solche Freiflächen aufweisen, die letztlich noch als einer Verdichtung zugängliche Lücken qualifiziert werden können. Das schließt im Einzelfall nicht aus, dass zwischen den Gebäuden ggf. auch gewisse größere Freiräume liegen können. Die jeweilige Bebauung darf jedoch nicht so weit voneinander entfernt sein, dass der Eindruck der Zusammengehörigkeit zu einem Weiler, einer Splittersiedlung oder einem sonstigen Siedlungsansatz erst gar nicht aufkommen kann.

Vgl.: Nds. OVG, Beschluss vom 27.7.2000 - 1 L 4472/99 -, BRS 63 Nr. 118.

Insoweit sind nach Auffassung des Senats nicht streng dieselben Kriterien wie bei der Annahme eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 BauGB maßgeblich

- in diesem Sinne etwa: BayVGH, Urteil vom 12.8.2003 - 1 BV 02.1727 -, BauR 2004, 50 -,

vielmehr ist für Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB nicht in gleichem Maße wie bei Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2 und 3 BauGB zu fordern, dass die vorhandene Bebauung über ein Mindestmaß an räumlicher Zuordnung und prägender Wirkung verfügt.

In diesem Sinne auch: Roeser a.a.O., § 35 RdNr. 133.

Gemessen an diesen Kriterien ist im vorliegenden Fall das Vorliegen eines "bebauten Bereichs" zu bejahen (wird ausgeführt).

Dass das nach alledem als "bebauter Bereich" zu qualifizierende Satzungsgebiet "nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt" ist, unterliegt keinem Streit und bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Entgegen der Auffassung der Beklagten wie auch des Vertreters des öffentlichen Interesses ist im Satzungsgebiet auch eine "Wohnbebauung von einigem Gewicht" vorhanden.

Soweit die Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses das Vorliegen einer "Wohnbebauung von einigem Gewicht" schon deshalb verneinen, weil im Satzungsgebiet nicht mindestens 10 - ggf. auch 8 kompakt beieinander stehende - Wohnhäuser vorhanden sind, ist diese einschränkende Sicht mit den normativen Regelungen des § 35 Abs. 6 BauGB nicht vereinbar. Das Gesetz gibt keine Mindestzahl vorhandener Wohngebäude in dem bebauten Bereich vor. Eine solche lässt sich auch nicht aus der bereits angesprochenen Zielsetzung der Außenbereichssatzung herleiten. Diese lässt es im Gegenteil durchaus zu, dass auch bereits einige wenige Wohngebäude das erforderliche städtebauliche Gewicht haben können. Mit dem Erlass einer Außenbereichssatzung soll gerade auch die bauliche Verdichtung von Weilern und sonstigen Siedlungsansätzen erleichtert werden, die noch nicht als Splittersiedlung zu qualifizieren sind, sondern erst den Ansatz zu einer solchen bilden. Anderenfalls ergäbe die gesetzliche Regelung, dass Vorhaben im Satzungsbereich nicht entgegengehalten werden kann, dass sie zur "Entstehung" einer Splittersiedlung führen, keinen Sinn.

Vgl.: Roeser a.a.O., § 35 RdNr. 134 m.w.N..

Zutreffend hat die obergerichtliche Rechtsprechung hieraus abgeleitet, dass Außenbereichssatzungen anders als Satzungen gemäß § 34 Abs. 4 BauGB nicht solche Gebilde zur Voraussetzung haben, welche "das Zeug zu Ortsteilen" haben, sondern weit dahinter zurückbleiben können.

So ausdrücklich: Nds. OVG, Beschluss vom 27.7.2000 - 1 L 4472/99 -, a.a.O.

Dementsprechend ist in der einschlägigen Kommentierung zu § 35 Abs. 6 BauGB weitgehend anerkannt, dass das Merkmal "Wohnbebauung von einigem Gewicht" nicht durch eine absolute Mindestzahl von Wohngebäuden bestimmt wird, sondern dass jeweils auf die konkrete Situation abzustellen ist

- vgl.: Roeser a.a.O., § 35 RdNr. 134 sowie Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 35 RdNr. 119, der im Einzelfall das Merkmal auch bereits bei drei Gebäuden als gegeben ansieht -

und dass es keinesfalls angeht, eine Größenordnung von 10 Gebäuden als Voraussetzung für eine Wohnbebauung von einigem Gewicht zu verlangen.

So ausdrücklich: Dürr in Kohlhammer Kommentar zum BauGB, Stand Februar 2000, § 35 RdNr. 177 unter Hinweis auf die gegenteiligen Auffassungen in der Fachliteratur; ebenso BayVGH, Urteil vom 12.8.2003 - 1 BV 02.1727 -, a.a.O.

Dieser Sichtweise entsprechend ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung übereinstimmend anerkannt, dass das Merkmal "Wohnbebauung von einigem Gewicht" bereits dann bejaht werden kann, wenn in dem bebauten Bereich deutlich weniger als 10 Wohnhäuser vorhanden sind.

Vgl.: Nds. OVG, Beschluss vom 27.7.2000 - 1 L 4472/99 -, a.a.O. (nicht notwendig mehr als 3 bis 4 Gebäude); OVG M.-V., Urteil vom 5.10.2000 - 3 L 306/98 -, a.a.O. (5 Wohnhäuser können jedenfalls im ländlichen Raum von Vorpommern ausreichen); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.2.2003 - 8 S 2681/02 -, BWGZ 2003, 535 = JURIS-Dokumentation (4 Wohnhäuser sind als Wohnbebauung von einigem Gewicht anzusehen); BayVGH, Urteil vom 12.8.2003 - 1 BV 02.1727 -, a.a.O. (4 Wohnhäuser können Wohnbebauung von einigem Gewicht sein).

Die gegenteilige Wertung der Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses findet in den als Beleg angeführten Materialien zur Entstehungsgeschichte der Außenbereichssatzung keine Stütze. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Planungsinstrument des § 4 Abs. 4 BauGBMaßnG (nunmehr: § 35 Abs. 6 BauGB) wollte der Bundesgesetzgeber den Gemeinden gerade ein Instrument zur begrenzten Fortentwicklung auch solcher Siedlungsansätze im Außenbereich an die Hand geben, die als Weiler oder andere Siedlungssplitter gerade noch nicht die Qualität einer Splittersiedlung oder gar eines Ortsteils erreicht haben. Diese Zielsetzung des § 35 Abs. 6 BauGB, an der der Bundesgesetzgeber auch bei den späteren Novellierungen des BauGB - zuletzt durch das am 20.7.2004 in Kraft getretene EAG Bau - festgehalten hat, ist bei der Umsetzung des Bundesrechts in allen Bundesländern zu beachten. Wenn die vom Vertreter des öffentlichen Interesses dargelegten Folgewirkungen einer gesetzeskonformen Anwendung des § 35 Abs. 6 BauGB als siedlungspolitisch unerwünscht empfunden werden, bleibt es den zuständigen Gremien des Landes Nordrhein-Westfalen unbenommen, auf eine Änderung des Bundesrechts hinzuwirken.

Im Übrigen beruhen die im Berufungsverfahren angesprochenen Folgerungen ersichtlich auf einem Missverständnis der Regelungen des § 35 Abs. 6 BauGB und der gesetzeskonformen Handhabung der aus einer solchen Satzung zu ziehenden Schlussfolgerungen, die von den zuständigen höheren Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer nach § 36 Abs. 1 Satz 4 BauGB i.V.m. § 2a Abs. 1 der BauGB DVO zu erteilenden Zustimmungen sicherzustellen ist. Die vom Bundesgesetzgeber geschaffene Möglichkeit, Verdichtungen auch kleinerer Siedlungssplitter zu erleichtern, würde keineswegs dazu führen, dass sich Gemeinden wie die Klägerin in großen Teilen zu einer "Stadtlandschaft" entwickelten, die eine Trennung zwischen Siedlungsbereich und Freiraum kaum noch ermöglichte. Anknüpfungspunkt für Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB können - wie dargelegt - nur solche Siedlungsansätze sein, in denen der vom BauGB weiterhin angestrebte Schutz des Außenbereichs vor Zersiedelung bereits maßgeblich geschwächt ist. Damit kommt der Erlass solcher Satzungen ohnehin nur für solche Bereiche in Betracht, die bereits - aus welchem Grund auch immer - in nicht unbeachtlichem Umfang zersiedelt sind. Das Planungsinstrument der Außenbereichssatzung lässt es ferner nur zu, die bereits vorhandenen Siedlungsansätze innerhalb des tatsächlich bereits gegebenen baulichen Zusammenhangs - vorbehaltlich der Beeinträchtigung sonstiger, von der Satzung nicht erfasster öffentlicher Belange - zu verdichten. Es bietet hingegen keine Handhabe, bestehende Siedlungsansätze in den unbebauten Außenbereich hinein zu erweitern. Dabei kann Bauvorhaben weiterhin uneingeschränkt u.a. auch entgegen gehalten werden, dass sie öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 4 BauGB beeinträchtigen, indem sie unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordern; ferner können Vorhaben im Satzungsbereich nur genehmigt werden, wenn die Erschließung gesichert ist.

Ist nach alledem hinsichtlich des Merkmals "Wohnbebauung von einigem Gewicht" nicht auf eine absolute Mindestgrenze abzustellen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, der im Satzungsgebiet bereits vorhandenen Wohnbebauung das erforderliche städtebauliche Gewicht abzusprechen. Es handelt sich immerhin um 5 Wohngebäude, von denen eines sogar von besonderem städtebaulichen Gewicht ist. Diese Wohnbebauung stellt einen deutlichen Siedlungsansatz dar, der im Satzungsbereich die typischen Außenbereichsfunktionen, vornehmlich der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung sowie als Freiraum zu dienen, bereits weitgehend obsolet gemacht hat. Der dem Außenbereich weiterhin zukommende Schutz vor wesensfremder Bebauung und die Zielsetzung der Regelungen des § 35 BauGB, den Außenbereich von ihm fremden Belastungen grundsätzlich freizuhalten,

- vgl. hierzu bereits BVerwG, Urteil vom 6.12.1967 - 4 C 94.66 -, BRS 18 Nr. 57 - sowie ferner BVerwG, Urteil vom 30.11.1984 - 4 C 27.81 -, BRS 42 Nr. 81 - und BVerwG, Beschluss vom 23.6.1995 - 4 B 22.95 -, BRS 57 Nr. 102 -

ist durch die vorhandene Bebauung, von deren Fortbestand auszugehen ist, bereits in deutlichem Ausmaß beeinträchtigt. Die Klägerin konnte damit im Rahmen ihres Planungsermessens auch ohne entsprechende Darstellung in ihrem Flächennutzungsplan den Satzungsbereich einer Überplanung nach § 35 Abs. 6 BauGB mit der Folge unterziehen, dass der Siedlungsansatz entsprechend der bereits erfolgten Entwicklung in gewissem Umfang verdichtet und einer baulichen Fortentwicklung zugeführt werden kann.

Die strittige Satzung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch im Sinne von § 35 Abs. 6 Satz 4 BauGB a.F. "mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar".

Entscheidend ist insoweit, ob die konkreten Folgewirkungen der individuellen Satzung, namentlich die durch sie begünstigte künftige Fortentwicklung des Satzungsbereichs durch Schließung von Baulücken und/oder durch sonstige bauliche Aktivitäten (z.B. Änderungen, Erweiterungen und ggf. Nutzungsänderungen des vorhandenen Baubestands) mit den generell für Planungsentscheidungen im Bereich des Bauplanungsrechts maßgeblichen Anforderungen insbesondere des § 1 Abs. 3 bis 6 BauGB a.F. (nunmehr: § 1 Abs. 3 bis 7 BauGB n.F.) vereinbar sind.

Vgl.: Söfker a.a.O., § 35 RdNr. 170; ähnlich Roeser a.a.O., § 35 RdNr. 140 sowie Krautzberger a.a.O., § 35 RdNr. 122.

Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die städtebauliche Erforderlichkeit für den Erlass der Satzung von dem Merkmal "geordnete städtebauliche Entwicklung" mit erfasst oder hiervon gesondert in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 3 BauGB zu prüfen ist.

Zu Letzterem vgl.: BayVGH, Urteil vom 12.8.2003 - 1 BV 02.1727 -, a.a.O.

Dafür, dass die strittige Satzung unter diesem Aspekt Bedenken unterliegen könnte, liegt kein Anhalt vor. In Betracht zu ziehen wäre allenfalls, dass es an einer städtebaulichen Erforderlichkeit etwa deshalb fehlen könnte, weil grundsätzliche, nicht zu beseitigende Hindernisse für die Verwirklichung der Vorhaben bestehen, deren Zulassung durch den Erlass der Satzung begünstigt werden soll.

Vgl.: Söfker a.a.O., § 35 RdNr. 170.

Insoweit scheidet nicht anders als bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, deren Umsetzung zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern muss

- zu einer solchen "Vollzugsunfähigkeit" von Bebauungsplänen vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 12.8.1999 - 4 CN 4.98 -, BRS 62 Nr. 1 und Urteil vom 30.1.2003 - 4 CN 14.01 -, NVwZ 2003, 742 = BauR 2003, 1175 -,

auch der Erlass von Außenbereichssatzungen von vornherein aus, wenn in dem betroffenen Satzungsbereich weitere bauliche Entwicklungen aus Rechtsgründen ausgeschlossen sind. Eine solche Situation liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor. Der bereits bestehende Siedlungsansatz ist hinreichend erschlossen und diese Erschließung kann ersichtlich auch einige wenige zusätzliche Bauvorhaben mit abdecken. Ebenso wenig ist etwas dafür dargetan oder sonst ersichtlich, dass bei einer Verdichtung der Bebauung im hier betroffenen Bereich sonstige infrastrukturelle Anforderungen zu stellen wären, so dass Vorhaben im Satzungsgebiet der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 4 BauGB entgegen zu halten wäre. Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine Genehmigung von Bauvorhaben im Satzungsgebiet zwangsläufig an sonstigen öffentlichen Belangen scheitern müsste.

Auch Aspekte des Naturschutzes und der Landschaftspflege stehen ersichtlich nicht von vornherein weiteren baulichen Entwicklungen im Satzungsgebiet entgegen. ...



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