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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.02.2009
Aktenzeichen: 7 B 1647/08
Rechtsgebiete: BauGB, 18. BImSchV


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 1 Satz 1
18. BImSchV § 2 Abs. 2
18. BImSchV § 2 Abs. 4
18. BImSchV § 2 Abs. 5
18. BImSchV § 2 Abs. 6
18. BImSchV § 5 Abs. 5
1. Zur immissionsschutzrechtlichen Problematik des Betriebs eines Fußballstadions bei benachbarter Wohnbebauung (hier: Interessenabwägung im Einzelfall).

2. Die 18. BImSchV enthält konkrete Vorgaben für die rechtliche Beurteilung des Nutzungskonflikts zwischen Sportanlagen und Nachbargrundstücken.

3. Bewohner des Außenbereichs können nur die Schutzmaßstäbe für sich in Anspruch nehmen, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche, mithin für Kern-, Dorf- und Mischgebiete einschlägig sind.

4. Ob Lichtimmissionen zumutbar sind, ist unter Beachtung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat, im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist dabei auch die durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft.

5. Der nordrhein-westfälische Runderlass "Lichtimmissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung" vom 13. September 2000 kann als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden.


Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Fußballstadions. Das VG lehnte den Antrag ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Das VG hat - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht angenommen, dass das Suspensivinteresse der Antragstellerin gegenüber dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung zurückzustehen hat. Dies ergibt sich aus einer unabhängig von den Erfolgsaussichten der gegen die Baugenehmigung gerichteten Klage vorzunehmenden Folgenabwägung. Auf diese Folgenabwägung kommt es an, weil die Erfolgsaussichten der Klage für das Ergebnis der Interessenabwägung nur dann maßgeblich sind, wenn sie nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Daran fehlt es hier. Die Erfolgsaussichten der gegen die Baugenehmigung gerichteten Klage sind derzeit als offen anzusehen. (...)

Der Schutzanspruch der Antragstellerin wird nach den Ausführungen des VG - nach wie vor - u. a. durch den Umstand bestimmt, dass die Ansiedlung auf der Südseite der Q.-Straße, zu der auch das Wohngrundstück der Antragstellerin gehört, als Splittersiedlung im Außenbereich und nicht etwa als Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu qualifizieren ist. Die Wertung des VG wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass, wie die Antragstellerin geltend macht, das VG seine Einschätzung auf Kartenmaterial gestützt habe, welches ihm im Zeitpunkt des im Verfahren 1 L 452/05 am 30. 9. 2005 ergangenen Beschlusses vorgelegen habe, und es damit unberücksichtigt gelassen habe, dass die dortige Situation sich in der Folgezeit durch die vom Antragsgegner zugelassenen Bebauungen und einer damit einhergehenden "Verfestigung der Wohnbebauung" verändert habe. Insoweit führt die Antragstellerin ein Doppelhaus auf den Flurstücken ... sowie ein Doppelhaus auf den Flurstücken ... an. Die Antragstellerin legt jedoch schon nicht dar, die "Verfestigung" sei bereits im grundsätzlich maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung eingetreten. Ferner lassen die Darlegungen der Antragstellerin nicht deutlich werden, dass die nach ihrem Vorbringen damit nunmehr aus 17 Ein- und Zwei- bzw. Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 27 Wohneinheiten bestehende Gebäudeansammlung den üblichen siedlungsstrukturellen Gegebenheiten im Bereich der Stadt entspricht, auf die maßgeblich hinsichtlich der Frage abzustellen ist, ob ein Bebauungskomplex nach seinem Gewicht als Ortsteil oder Splittersiedlung anzusehen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. 12. 1998 - 4 C 7.98 -, BRS 60 Nr. 81.

Geht es - wie schwerpunktmäßig auch hier - um eine mögliche Beeinträchtigung benachbarter Grundstücke durch Lärmimmissionen, kommt es - was die Beachtung des Rücksichtnahmegebots angeht - maßgeblich auf die Zumutbarkeitsschwellen an, die sich aus den Maßstäben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ergeben. Die aufgrund von § 23 Abs. 1 BImSchG erlassene Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV - enthält insoweit konkrete Vorgaben für die rechtliche Beurteilung des Nutzungskonflikts zwischen Sportanlagen und Nachbargrundstücken.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. 5. 2006 - 7 B 1.06 -, juris, Urteil vom 23. 9. 1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86, und Beschluss vom 8. 11. 1994 - 7 B 73.94 -, BRS 56 Nr. 194.

§ 2 der 18. BImSchV konkretisiert das vom Normgeber für erforderlich gehaltene Lärmschutzniveau differenzierend nach dem Gebietscharakter, nach Tages-, Nacht- und Ruhezeiten und nach Werktagen sowie Sonn- und Feiertagen durch Festlegung bestimmter Immissionsrichtwerte und des Verfahrens für die Ermittlung und Beurteilung der Geräuschemissionen. Die Berücksichtigung von Besonderheiten des Sportlärms wird in dem durch die Verordnung bestimmten Rahmen (vgl. z.B. § 2 Abs. 4 und § 5 Abs. 5 18. BImSchV) ermöglicht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. 11. 1994 - 7 B 73.94 -, a. a. O.

Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen anhand der 18. BImSchV knüpft nach § 2 Abs. 2 18. BImSchV an die Schutzbedürftigkeit des Immissionsortes, hier also des Grundstücks der Antragstellerin an. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Schutzbedürftigkeit der Wohngrundstücke südlich der Q.-Straße richte sich nach deren tatsächlicher Nutzung, verkennt sie, dass von der tatsächlichen baulichen Nutzung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entwicklung des Gebiets (nur dann) auszugehen ist, wenn die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Sportanlage erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung abweicht (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 3 18. BImSchV). Bei einem Gebiet, für das - wie vorliegend - keine Festsetzungen in einem Bebauungsplan bestehen, beurteilt sich das zumutbare Lärmschutzniveau nach § 2 Abs. 2 18. BImSchV (allein) entsprechend der Schutzbedürftigkeit des Gebiets (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 2 18. BImSchV).

Angesichts der der Entscheidung mangels durchgreifenden Beschwerdevorbringens zu Grunde zu legenden Außenbereichslage ihres Wohngrundstücks kann die Antragstellerin nicht, wie sie meint, den Schutzmaßstab eines allgemeinen Wohngebiets für sich in Anspruch nehmen. Der Außenbereich ist kein Baugebiet, sondern soll tendenziell von Bebauung freigehalten werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. 7. 1999 - 4 B 38.99 -, BRS 62 Nr. 189.

Dies schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall im Außenbereich - sei es auf Grund privilegierter Nutzung, sei es ohne Privilegierung bei fehlender Beeinträchtigung öffentlicher Belange - auch gewohnt werden darf, so dass Wohnnutzungen im Außenbereich nicht schutzlos sein dürfen. Bewohner des Außenbereichs können jedoch nur die Schutzmaßstäbe für sich in Anspruch nehmen, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche, mithin für Kern-, Dorf- und Mischgebiete einschlägig sind.

Vgl. zur TA Lärm: OVG NRW, Beschluss vom 8. 1. 2008 - 7 B 1741/07 -, BauR 2008, 957, und Urteil vom 18. 11. 2002 - 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182, m. w. N.

Dass sich das Wohngrundstück der Antragstellerin in einer - nicht als Ortsteil zu qualifizierenden - Ansiedlung befindet, in der sich im Wesentlichen nur Wohngebäude mit Nebengebäuden befinden, ist diesbezüglich ebenso unerheblich wie die Annahme der Antragstellerin, der Antragsgegner führe bewusst eine Verfestigung der dortigen Splittersiedlung herbei, indem er neue Wohnbebauung zulasse.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 18. BImSchV betragen die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Kern-, Dorf- und Mischgebieten tags außerhalb der Ruhezeiten 60 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeiten 55 dB(A) und nachts 45 dB(A). Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen sollen die Immissionsrichtwerte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 18. BImSchV tags um nicht mehr als 30 dB(A) sowie nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten (vgl. § 2 Abs. 4 1. Halbsatz 18. BImSchV).

Die zuständige Behörde soll von einer Festsetzung von Betriebszeiten absehen, wenn infolge des Betriebs einer oder mehrerer Sportanlagen bei seltenen Ereignissen nach Nummer 1.5 des Anhangs ...

1. die Geräuschimmissionen außerhalb von Gebäuden die Immissionsrichtwerte nach § 2 Abs. 2 18. BImSchV um nicht mehr als 10 dB(A), keinesfalls aber die folgenden Höchstwerte überschreiten:

tags außerhalb der Ruhezeiten 70 dB(A),

tags innerhalb der Ruhezeiten 65 dB(A),

nachts 55 dB(A) und

2. einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die nach Nummer 1 für seltene Ereignisse geltenden Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten (§ 5 Abs. 5 18. BImSchV).

Nach Nr. 1.5 Satz 1 des Anhangs zur 18. BImSchV gelten Überschreitungen der Immissionsrichtwerte durch besondere Ereignisse und Veranstaltungen als selten, wenn sie an höchstens 18 Kalendertagen eines Jahres in einer Beurteilungszeit oder mehreren Beurteilungszeiten auftreten.

Die an diese Regelungen anknüpfende Baugenehmigung vom 22. 11. 2007 stellt bei summarischer Prüfung - für ein Offensichtlichkeitsurteil jedoch noch nicht mit hinreichender Gewissheit - sicher, dass die mit der Nutzung des Stadions verbundenen Lärmimmissionen die Antragstellerin jedenfalls während der Tageszeit einschließlich der Ruhezeiten, d. h. zwischen 6.00 Uhr an Werktagen bzw. 7.00 Uhr an Sonn- und Feiertagen und 22.00 Uhr (vgl. § 2 Abs. 5 Nr. 1 18. BImSchV) nicht über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigen.

Nach Nr. 51 der Nebenbestimmungen der Baugenehmigung sind die schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros Prof. Dr.-Ing. C. vom 2. 10. 2007 sowie deren Ergänzung vom 31. 10. 2007 verbindliche Bestandteile der Baugenehmigung. Außerdem greift die Baugenehmigung die sich aus der 18. BImSchV ergebenden Anforderungen auf und bestimmt mit ihnen übereinstimmend u.a, dass bei Sportveranstaltungen an den Immissionsorten Q.-Straße 82, 86 und 96 sicherzustellen ist, dass Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags außerhalb der Ruhezeiten, von 55 dB(A) tags innerhalb der Ruhezeiten und von 45 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Festgelegt ist überdies, dass einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die vorstehenden Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 30 dB(A) sowie nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten sollen. Schließlich ist dort vorgegeben, dass die vorgenannten Immissionsrichtwerte bei Sportveranstaltungen an höchstens 18 Tagen im Jahr überschritten werden dürfen, wobei u. a. sicherzustellen ist, dass an den Immissionsorten Q.-Straße 82, 86 und 96 Immissionsrichtwerte von 70 dB(A) tags außerhalb der Ruhezeiten, von 65 dB(A) tags innerhalb der Ruhezeiten und von 55 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Ferner sollen bei diesen (seltenen) Sportveranstaltungen einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die vorstehenden Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 20 dB(A) sowie nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.

Die Lärmprognose des Ingenieurbüros Prof. Dr.-Ing. C. (schalltechnische Untersuchung vom 2. 10. 2007 sowie deren Ergänzung vom 31. 10. 2007) legt nahe, dass die dem genehmigten Stadion zurechenbaren Lärmimmissionen jedenfalls während der Tageszeit die nach dem Vorstehenden - gemäß § 2 Abs. 2 und 4 bzw. § 5 Abs. 5 18. BImSchV - maßgeblichen Immissionsrichtwerte an den Immissionsorten Q.-Straße 82, 86 und 96 und damit auch am Wohngrundstück der Antragstellerin weder in Bezug auf den Dauerschallpegel noch in Bezug auf kurzzeitige Geräuschspitzen überschreiten und der Antragstellerin damit zumutbar sind. Diese Einschätzung vermögen die insoweit von der Antragstellerin mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände nicht durchgreifend in Frage zu stellen. (wird ausgeführt)

Zweifelhaft erscheint allerdings, ob die angefochtene Baugenehmigung sicherstellt, dass die mit der Nutzung des Stadions verbundenen Immissionen die Antragstellerin während der Nachtzeit, d.h. nach 22.00 Uhr (vgl. § 2 Abs. 5 Nr. 2 18. BImSchV) nicht über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigen. Die Baugenehmigung setzt keine Betriebszeiten fest, so dass die Austragung von Fußballspielen, die erst nach 22.00 Uhr enden, der Baugenehmigung nicht entgegenstünde. Insoweit kann nicht allein darauf abgestellt werden, dass die Spielansetzungen der 3. Fußball-Liga derzeit so gestaltet sind, dass ein Spielende nach 22.00 Uhr nicht zu erwarten ist. Die Baugenehmigung ist nicht auf Spiele der 3. Fußball-Liga beschränkt. Das derzeit übliche "Montagsspiel" der 2. Fußball-Bundesliga beginnt um 20.15 Uhr, so dass dessen Spielende unter Berücksichtigung der üblichen Nachspielzeiten regelmäßig erst nach 22.00 Uhr liegt. Überdies kommt die Austragung von Pokalspielen sowie Trainingsspielen in Betracht, die erst nach 22.00 Uhr enden. Hinsichtlich der Dauerschallpegel dürfte der Beigeladenen auch insoweit die - in Nr. 51 der Nebenbestimmungen der angefochtenen Baugenehmigung aufgenommene - Regelung des § 5 Abs. 5 Nr. 1 18. BImSchV, mithin die bei seltenen Ereignisse um 10 dB(A) höheren Immissionsrichtwerte zugute kommen. Jedoch spricht einiges dafür, dass die in § 5 Abs. 5 Nr. 2 18. BImSchV genannte Anforderung in der Nachtzeit nicht eingehalten werden kann, weil einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen den in Nr. 1 für die Nachtzeit genannten Richtwert von 55 dB(A) um mehr als 10 dB(A) überschreiten. (wird ausgeführt)

Das Beschwerdevorbringen gibt schließlich nichts Substantielles dafür her, dass die angefochtene Baugenehmigung wegen der Antragstellerin unzumutbarer Lichteinwirkungen gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

Insoweit spricht zwar einiges dafür, dass sich, wie die Antragstellerin rügt, anhand der lichttechnischen Betrachtung der S. Elektrotechnik GmbH vom 19. 8. 2007 die Lichteinwirkungen nicht hinreichend sicher beurteilen lassen, zumal sich diese Betrachtung auf die Innenbeleuchtung des Stadions beschränkt. Eine etwaige Mangelhaftigkeit dieser Betrachtung lässt jedoch nicht bereits auf Lichtimmissionen schließen, die der Antragstellerin nicht zumutbar sind.

Insoweit ist überdies zu berücksichtigen, dass die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden kann, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind. Ob Lichtimmissionen zumutbar sind, ist daher unter Beachtung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat, im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist dabei auch die durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft, wobei wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz einzubeziehen sind. Alle Faktoren sind in eine wertende Gesamtbeurteilung im Sinne einer Güterabwägung einzustellen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. 3. 2007 - 10 A 998/06 -, BRS 71 Nr. 70, m. w. N, und Beschluss vom 26. 5. 2004 - 7 B 879/04 -.

Auch der Gemeinsame Runderlass "Lichtimmissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung" des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr und des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 13. 9. 2000, MinBl. NRW vom 2. 11. 2000, S. 1283, berichtigt in MinBl. NRW vom 27. 3. 2001, S. 457, weitestgehend übereinstimmend mit der vom Länderausschuss für Immissionsschutz in seiner 99. Sitzung vom 10. bis 12. 5. 2000 empfohlenen Licht-Leitlinie, abgedruckt in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Oktober 2008, Bd. 4, C 4.5, hat keinen quasi-normativen Charakter, kann jedoch als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. 3. 2007 - 10 A 998/06 -, a. a. O., und Beschluss vom 21. 12. 2006 - 7 B 2193/06 -, BRS 70 Nr. 181.

Der Gemeinsame Runderlass geht von dem nachvollziehbaren Ansatz aus, dass "Raumaufhellung" und "psychologische Blendung" zu den maßgeblichen Kriterien bei der Beurteilung von Lichtimmissionen gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. 3. 2007 - 10 A 998/06 -, a. a. O.

Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin knüpft allein an das Kriterium "Raumaufhellung" an. Ihre Behauptung, es komme wegen der Flutlichtanlage und der vollständig unberücksichtigen Platzbeleuchtung zur Streulichtbildung mit resultierender Aufhellungs-/Blendwirkung, insbesondere in den oberen Geschossen der Wohnhäuser, vermag eine Rücksichtslosigkeit der Lichteinwirkungen allein nicht zu begründen. Konkrete Anhaltspunkte für eine signifikant erhöhte Helligkeit von Wohnräumen sind dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.

Überdies lässt die Antragstellerin außer Acht, dass das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme auch die Prüfung verlangt, welche Maßnahmen ihr zumutbar sind, um Lichtimmissionen zu mindern. Dabei muss bei der Feststellung, ob eine Belästigungswirkung den Grad der Erheblichkeit erreicht, auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abgestellt werden, so dass eine gesteigerte Empfindlichkeit des Betroffenen nicht zu berücksichtigen ist. Insbesondere bei Lichtimmissionen sind daher von der Antragstellerin auch Maßnahmen der Lichtdämpfung zu verlangen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. 3. 2007 - 10 A 998/06 -, a. a. O.

Anhaltspunkte dafür, dass es der Antragstellerin nicht möglich sein sollte, Wohnbereiche, in welchen sie sich durch etwaige Lichtimmissionen belästigt fühlt, wirksam durch Vorhänge, Gardinen, Jalousetten etc. abzuschirmen, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Eine solche Abschirmung ist für die wenigen Tage im Jahr, an denen ein Spielbetrieb den Einsatz von Beleuchtungsanlagen erfordert, die sich zudem auf das Grundstück der Antragstellerin störend auswirken könnten, zumutbar.

Aus den genannten Gründen kann weder davon ausgegangen werden, dass die an die genannte schalltechnische Untersuchung anknüpfende Baugenehmigung vom 22. 11. 2007 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig, noch davon ausgegangen werden, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Daher kommt es auf eine allgemeine Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin mit dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung an. Dabei geht der Senat davon aus, dass im Hauptsacheverfahren die Abläufe des Stadionbetriebes einer genauen Prüfung unterzogen werden, so dass die Beeinträchtigungen der Antragstellerin verlässlich beurteilt werden können. In diesem Zusammenhang wird auch zu klären sein, ob die Baugenehmigung schon in ihrem jetzigen Bestand die Lärmbeeinträchtigungen wirksam im Rahmen des Zulässigen hält oder ob sie um das Erfordernis zusätzlicher organisatorischer oder anderer Maßnahmen - etwa einer Regelung der Betriebszeiten - zu ergänzen sein wird.

Die mit dem Stadionbetrieb einhergehenden Lärmbeeinträchtigungen, deren Ausmaß sich anhand des Messberichts des Ingenieurbüros Prof. Dr.-Ing. C. vom 25. 7. 2008 sowie der Lärmbestandsaufnahme der H. und Partner Ingenieure vom 8. 10. 2008 zumindest überschlägig ermitteln lässt, sind der Antragstellerin - auch und insbesondere mit Blick auf § 5 Abs. 5 18. BImSchV - jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens zuzumuten. Das Stadion, in dem nach der angefochtenen Baugenehmigung ausschließlich Fußballspiele stattfinden dürfen, dient derzeit allein dem SC Q1. als Austragungsort für dessen Heimspiele. Beeinträchtigungen der Antragstellerin treten mithin ausschließlich während der Ligaspiele sowie etwaiger Pokal- und Trainingsspiele des SC Q1. auf. Die Spiele der 3. Liga - dort spielt der SC Q1. derzeit - werden im Wesentlichen samstags oder sonntags um 14.00 Uhr ausgetragen; grundsätzlich findet ein Ligaspiel pro Spieltag freitags um 19.00 bzw. 19.30 Uhr statt. Mit einem Ligaspiel, das nach 22.00 Uhr endet, ist folglich nicht zu rechnen, so dass sich die Beeinträchtigungen der Antragstellerin durch Ligaspiele derzeit nicht auf die Nachtzeit erstrecken. Wenn der SC Q1. in die 2. Bundesliga aufsteigen sollte, wären allenfalls im Falle der Austragung eines Liga-Heimspiels am Montagabend, die derzeit um 20.15 Uhr beginnen und damit - unter Berücksichtigung der üblichen Nachspielzeit - nach 22.00 Uhr enden, Beeinträchtigungen während der Nachtzeit in Rechnung zu stellen. Dass die Zuschauerkapazitäten stets voll ausgeschöpft werden, ist unabhängig von der Ligazugehörigkeit des SC Q1., insbesondere aber solange der SC Q1. in der 3. Liga spielt, fernliegend.

Angesichts dieser Gegebenheiten ist dem (vom Antragsgegner unterstützten) Interesse der Beigeladenen, das Stadion weiter nutzen zu können, ein höheres Gewicht beizumessen. Es sind erhebliche Investitionen getätigt worden, um das genehmigte Vorhaben zu verwirklichen. Es drängt sich auf, dass die Austragung der Heimspiele des SC Q1. in einem anderen Stadion mit erheblichen wirtschaftlichen und organisatorischen Belastungen einherginge.

Aus dem Umstand, dass der Parkplatz N. nicht zur Verfügung steht und es damit an einer notwendigen Voraussetzung für die Inbetriebnahme des Stadions fehlt (vgl. Nr. 9 der Nebenbestimmungen der Baugenehmigung), kann nicht hergeleitet werden, dass es der Antragstellerin unzumutbar wäre, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten und bis dahin den Stadionbetrieb hinzunehmen. Sie hat nicht substantiiert vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass sie durch das Fehlen dieses Parkplatzes in eigenen Belangen beeinträchtigt ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das den Stadionbetrieb betreffende Verkehrskonzept durch den zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bebauungsplan SN 260 A Allee zu Lasten der Antragstellerin verändert worden ist, sind ihrem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht zu entnehmen.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist schließlich auch in Rechnung zu stellen, dass der Antragsgegner und die Beigeladene sich auf der Grundlage der Praxiserfahrungen bemüht haben, den Ablauf des Stadionbetriebes (insbesondere des Verkehrs und des Zu- und Abgangs der Zuschauer) unter Berücksichtigung der Nachbarbelange - wie nicht zuletzt die Beteiligung eines Anwohnerbeirats zeigt - zu verbessern. Dass derartige Bemühungen auch künftig fortgeführt werden, liegt im Interesse aller Beteiligten.

Ende der Entscheidung

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