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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 7 B 2751/04
Rechtsgebiete: BauO NRW


Vorschriften:

BauO NRW § 2 Abs. 5 Satz 3
BauO NRW § 67
Ein Drempel (auch Kniestock) ist ein konstruktiver Bauteil des Dachgeschosses, der durch Höherführung auch der traufseitigen Umfassungswände über die Decke des obersten Geschosses, das unterhalb des Dachraums liegt, entsteht und der Vergrößerung des Dachgeschosses dient.

Für die Frage, ob das Dachgeschoss (Geschoss mit geneigten Dachflächen) eines Hauses einen Drempel aufweist, ist unerheblich, ob dieses Dachgeschoss nach der jeweils einschlägigen landesrechtlichen Legaldefinition (hier: § 2 Abs. 5 Satz 3 BauO NRW) als Vollgeschoss zu qualifizieren ist oder nicht.

Die baugestalterische Funktion der ortsrechtlichen Festsetzung einer (regelmäßig nur geringen) Drempelhöhe besteht in erster Linie darin, die optisch wirksamen Proportionen des Gebäudes, namentlich das Verhältnis des nutzbaren Dachraums zu den darunter liegenden Vollgeschossen mit senkrechten Außenwänden, zu steuern; sie soll demgemäß sicherstellen, dass der in der Regel als solcher von außen auch erkennbare nutzbare Dachraum gegenüber den darunter liegenden Geschossen optisch nur als ein eher untergeordneter Bauteil erscheint.

Die Freistellungsregelungen des § 67 BauO NRW führen zu einer gesteigerten Verantwortlichkeit des Bauherren und des Entwurfsverfassers; diese haben bei freigestellten Vorhaben selbst darauf zu achten, dass das Vorhaben dem geltenden Recht entspricht.


Tatbestand:

Die Antragsteller wandten sich gegen die sofortige Vollziehung einer Bauordnungsverfügung, mit der ihr Bauvorhaben stillgelegt wurde. Ihr Begehren hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, die Wertung des VG in Frage zu stellen, dass nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Stilllegungsverfügung des Antragsgegners bestehen.

Die Stilllegungsverfügung ist maßgeblich darauf gestützt, dass das genehmigungspflichtige Vorhaben der Antragsteller abweichend von der erteilten Baugenehmigung und damit formell illegal ausgeführt worden und wegen Verstoßes gegen die Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans der Gemeinde F. hinsichtlich der zulässigen Drempelhöhe auch materiell rechtswidrig ist. Das Beschwerdevorbringen begründet keine Zweifel an diesen Einschätzungen.

Zu Unrecht meint die Beschwerde, auf eine Einhaltung der Vorgaben der den Antragstellern erteilten Baugenehmigung komme es nicht an, weil das Vorhaben entsprechend dem Schreiben der Gemeinde F. ohne Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans durchgeführt werde und demgemäß als sog. freigestelltes Vorhaben im Sinne von § 67 BauO NRW keiner Baugenehmigung bedürfe. Die Errichtung von Wohngebäuden mittlerer und geringer Höhe im Geltungsbereich von Bebauungsplänen im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB ist gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW nur dann von der Baugenehmigungspflicht freigestellt, wenn das Gebäude u.a. nach Nr. 1 der genannten Vorschrift den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht. Ein solcher Widerspruch liegt hier jedoch vor. Das mit einem Satteldach versehene Wohngebäude weist in seinem Dachgeschoß an den Traufseiten zwischen dem Fußboden dieses Geschosses und dem Tragwerk des Dachstuhls Aufmauerungen der Außenwände auf, auf denen die Dachkonstruktion ruht. Diese Aufmauerungen sind als "Drempel" zu werten und unterliegen damit der im Bebauungsplan vorgegebenen Höhenbegrenzung für Drempel. Das insoweit vorgegebene Höhenmaß von 75 cm wird bei weitem überschritten.

Der Begriff "Drempel" ist allerdings weder in der BauO NRW noch im Bebauungsplan näher definiert. Die auf § 86 BauO NRW i.V.m. § 9 Abs. 4 BauGB gestützten, in den Bebauungsplan aufgenommenen gestalterischen Festsetzungen gehen damit ersichtlich von dem Verständnis dieses Begriffes aus, wie es in der Fachwelt - namentlich der Architektur - allgemein anerkannt ist. Insoweit ist den Antragstellern zuzugestehen, dass die verschiedenen nicht stets wortidentischen Umschreibungen dieses Begriffes zu Missdeutungen Anlass geben können. Gemeinsam ist den Umschreibungen stets, dass es sich bei einem Drempel, häufig auch "Kniestock" genannt, um eine höhenmäßige Verlängerung der Außenwand handelt, auf der die Dachkonstruktion ruht. Hiernach wird ein Drempel oder Kniestock dann gebaut, wenn das Tragwerk des Daches nicht unmittelbar auf der darunter liegenden Geschossdecke ruht, sondern wenn über der Geschossdecke die Außenwand - zumeist um mehrere Lagen Steine - aufgemauert wird und die Dachkonstruktion auf dieser Aufmauerung ruht. (vgl. Bild unter www.pro-future-massivhaus.de/kniestock.htm)

Die Anlage eines Drempels oder Kniestocks ist damit ein architektonisches Mittel, um die Nutzbarkeit des Raumes (Dachgeschoss) zu verbessern, der sich unterhalb der Schrägen eines Daches befindet. Dies kommt etwa in folgender Umschreibung des Drempels (bzw. Kniestocks) in der Rechtsprechung zum Ausdruck:

"Man versteht darunter herkömmlicherweise einen konstruktiven Bauteil des Dachgeschosses, der durch Höherführung auch der traufseitigen Umfassungswände über die Decke des obersten Geschosses entsteht und der Vergrößerung des Dachgeschosses dient."

So wörtlich: VGH Bad. -Württ., Urteil vom 15.2.1984 - 3 S 1279/83 - BRS 42 Nr. 114 (S. 273).

Der Sache nach nichts anderes ergibt sich aus der von den Antragstellern bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Definition, die im Internet unter www.architektur-lexikon.de/lexikon/drempel.htm zu finden ist:

"Der Drempel ist die senkrechte Wand zwischen der lastaufnehmenden Dachkonstruktion und der obersten Geschossdecke, also die Verlängerung der Hausaußenwand nach oben unter das Dach. Je höher diese Wand ist, desto mehr Platz bietet das Dachgeschoß zum aufrechten Gehen und umso komfortabler wird die Wohnung. Da der Drempel in etwa kniehoch ist, wird er auch Kniestock genannt."

Beiden Umschreibungen gemeinsam ist eine Unschärfe, die zu Missdeutungen Anlass geben kann. Wenn in ihnen vom "obersten Geschoss" bzw. der "obersten Geschossdecke" die Rede ist, ist damit nicht etwa das oberste Geschoss des gesamten Gebäudes gemeint, das sich bei Häusern mit geneigtem Dach regelmäßig erst im Dachraum befindet und Dachschrägen aufweist. Gemeint ist vielmehr das oberste der Geschosse, die nicht im Dachraum selbst liegen und damit keine Dachschrägen aufweisen. Dies folgt auch daraus, dass in beiden Definitionen unterschieden wird zwischen dem "obersten Geschoss" bzw. "der obersten Geschossdecke" einerseits und dem - zwangsläufig darüber liegenden - Dachgeschoss andererseits. Die beiden genannten Umschreibungen sind daher dahin zu ergänzen, dass hinter die Worte "des obersten Geschosses" bzw. "der obersten Geschossdecke" jeweils die Worte "unterhalb des Dachraums" zu setzen sind, um zu verdeutlichen, dass ein Drempel stets dann vorliegt, wenn die Außenwände des betreffenden Geschosses nicht allseits in voller Höhe senkrecht sind, sondern an den Traufseiten über höhenmäßig verkürzten Außenwänden Dachschrägen aufweisen.

Aus den vorstehenden Darlegungen folgt zugleich, dass es für die Frage, ob das Dachgeschoss (Geschoss mit geneigten Dachflächen) eines Hauses einen Drempel aufweist, unerheblich ist, ob dieses Dachgeschoss nach der jeweils einschlägigen landesrechtlichen Legaldefinition (hier: § 2 Abs. 5 Satz 3 BauO NRW) als Vollgeschoss zu qualifizieren ist, wie der Antragsgegner zutreffend hervorhebt. Hierfür spricht auch, dass die Höhe des Drempels zwar ein Grund dafür sein kann, ob das Dachgeschoss als Vollgeschoss zu qualifizieren ist. Diese Eigenschaft wird wesentlich aber auch dadurch bestimmt, welche Breite das Geschoss zwischen den Traufseiten hat und welche Neigung die Dachflächen aufweisen. Ein Dachgeschoss kann demgemäß zugleich ein Vollgeschoss sein, ohne dass es darauf ankommt, ob es einen Drempel aufweist oder nicht. Entscheidend für das Vorliegen eines Drempels ist hingegen allein, ob die das Dachgeschoss begrenzenden Dachschrägen im dargelegten Sinne auf senkrechten Erhöhungen der Außenwände an den Traufseiten ruhen oder nicht.

Ergibt sich hiernach, dass das von den Antragstellern errichtete Gebäude im Dachgeschoss Drempel aufweist, unterliegt auch keinem Zweifel, dass das im Bebauungsplan festgesetzte Höhenmaß deutlich überschritten ist. Die Berechnungsmodalitäten hierfür sind in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans dahingehend festgelegt, dass die Drempelhöhe "auf der Außenseite der Außenwand, von Oberkante Fertigfußboden bis Oberkante Dacheindeckung" zu messen ist. Diese Festlegung stimmt allerdings nicht exakt überein mit der zumeist üblichen Berechnungsweise der Drempel- oder Kniestockhöhe. Bei dieser wird nämlich regelmäßig auf den Abstand zwischen der Oberkante des Dachgeschossfußbodens und der Sparrenunterkante abgestellt, so dass die Stärke der Dachkonstruktion als solcher zwischen der Sparrenunterkante und der Außenseite der Dachhaut unberücksichtigt bleibt.

Vgl. hierzu das oben erwähnte Bild sowie die Ausführungen im o.a. Urteil des VGH Bad.-Württ. vom 15.2.1984, wonach der Kniestock (Drempel) nach verschiedenen Ausführungen in der Fachliteratur "von der Decke des Dachgeschossfußbodens (Dachbodens) bis zum Schnitt von Umfassungswand und Sparrenunterkante gemessen" wird.

Hier ist jedoch die im Bebauungsplan insoweit abweichend festgesetzte Berechnungsweise maßgeblich, da der Ortsgesetzgeber angesichts des Fehlens bindender Vorgaben des höherrangigen (Landes-)Rechts für die Bemessung der Drempelhöhe frei ist, die Grundlagen der Berechnung selbst verbindlich vorzugeben.

In Anwendung dieser Berechnungsvorgaben beträgt die Drempelhöhe im Dachgeschoss des Hauses der Antragsteller rd. 1,60 m und überschreitet die bindenden Vorgaben des Bebauungsplans damit um rd. 85 cm.

Dass der Bau der Antragsteller den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Drempelhöhe widerspricht, wird auch nicht etwa dadurch in Frage gestellt, dass es den Antragstellern unbenommen gewesen wäre, ihr Haus insgesamt höher zu bauen. Zwar trifft es zu, dass sie nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht gehindert gewesen wären, ihr Haus mit zwei Vollgeschossen zu errichten, die jeweils durchgehend senkrechte Außenwände aufweisen, und erst über diesen beiden Vollgeschossen - ggf. unter Anlage eines maximal 75 cm hohen Drempels gemessen nach den Vorgaben des Bebauungsplans - ein Dachgeschoss (ggf. mit zusätzlichem Spitzboden) anzulegen. Einen solchen Bau haben die Antragsteller jedoch nicht errichtet.

Ebenso wenig können sich die Antragsteller darauf berufen, dass ihr Haus dann, wenn sie die vorgenannte mit dem Bebauungsplan vereinbare Gestaltungsvariante gewählt hätten, deutlich höher geworden wäre. Die Festlegung einer Drempelhöhe ist ein baugestalterisches Mittel. Dessen Zweck besteht nicht primär darin, die Höhenentwicklung eines Gebäudes in seiner Gesamtheit zu steuern. Diese wird maßgeblich auch durch weitere Faktoren bestimmt, wie etwa die Anlage eines Sockels unter dem Erdgeschossfußboden, die der hier in Rede stehende Bebauungsplan nicht regelt, und die Neigung des Daches, für die der Bebauungsplan deutliche Spielräume - 350 bis 480 - belässt. Die absolute Höhenentwicklung eines Gebäudes kann abschließend nur mit der Festsetzung einer Firsthöhe bzw. maximalen Gebäudehöhe, in gewissem Umfang auch durch Festsetzung einer Traufhöhe in Verbindung mit der Vorgabe einer bestimmten Dachneigung, gesteuert werden. Solche Höhenbegrenzungen enthält der Bebauungsplan jedoch nicht. Die baugestalterische Funktion der hier gewählten Festsetzung einer Drempelhöhe besteht in erster Linie darin, die optisch wirksamen Proportionen des Gebäudes, namentlich das Verhältnis des nutzbaren Dachraums zu den darunter liegenden Vollgeschossen mit senkrechten Außenwänden, zu steuern. Die Festsetzung einer - regelmäßig nur geringen - Drempelhöhe soll demgemäß sicherstellen, dass der in der Regel als solcher von außen auch erkennbare nutzbare Dachraum gegenüber den darunter liegenden Geschossen optisch nur als ein eher untergeordneter Bauteil erscheint.

Widerspricht die tatsächliche Ausführung des Hauses der Antragsteller nach alledem jedenfalls hinsichtlich der Drempelhöhe den Festsetzungen des Bebauungsplans, ist sie nicht gemäß § 67 Abs. 1 BauO NRW freigestellt, sondern bedarf einer Baugenehmigung. Anderes ergibt sich nicht etwa daraus, dass die Gemeinde F. , die nicht zugleich Bauaufsichtsbehörde ist, den Antragstellern mitgeteilt hat, die Unterlagen zum Antrag auf Freistellung nach § 67 BauO NRW seien gesichtet worden und Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans seien nicht festgestellt worden. Selbst wenn sich aus diesen von der Gemeinde geprüften Unterlagen eine Bauausführung ergäbe, die - wie die tatsächliche Bauausführung - einen Drempel von rd. 1,60 m Höhe vorsieht, folgt aus der dann fehlerhaften Einschätzung der Gemeinde nicht, dass das Vorhaben freigestellt ist. Ob die Festsetzungen des Bebauungsplans tatsächlich eingehalten werden, hat der Bauherr selbst zu verantworten. Auf eventuelle Fehleinschätzungen der Gemeinde im Freistellungsverfahren kann sich der Bauherr nicht berufen. Die Freistellungsregelungen des § 67 BauO NRW bedeuten einen Rückzug des Staates nicht nur hinsichtlich der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens, sondern auch im Hinblick auf Prüfung der Erfüllung der bautechnischen Anforderungen.

Vgl.: LT-Drucks. 11/7153, S. 183.

Sie führen zu einer gesteigerten Verantwortlichkeit des Bauherren und des Entwurfsverfassers. Diese haben nunmehr selbst darauf zu achten, dass das Vorhaben dem geltenden Recht entspricht.

Vgl.: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Die neue Bauordnung in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2000, § 67 RdNr. 1.

Das nach alledem nicht freigestellte, sondern genehmigungspflichtige Vorhaben der Antragsteller ist auch nicht von der ihnen erteilten Baugenehmigung gedeckt. Mit dieser Baugenehmigung ist den Antragstellern zwar eine Abweichung gemäß § 73 BauO NRW hinsichtlich der Gestaltungsfestsetzung des Bebauungsplans über die Drempelhöhe erteilt worden. Diese bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Baugenehmigung in Übereinstimmung mit den genehmigten Bauvorlagen, nur auf eine nach den Vorgaben des Bebauungsplans ermittelte Drempelhöhe von 1,05 m. Auch dieses Maß wird von dem tatsächlich errichteten Drempel mit rd. 1,60 m Höhe jedoch überschritten.

Aus dem Vorstehenden folgt nicht nur, dass die Antragsteller ihr Bauvorhaben formell illegal, nämlich ohne die für die konkret gewählte Bauausführung erforderliche Baugenehmigung, errichtet haben, sondern dass das tatsächlich errichtete Bauwerk wegen Verstoßes gegen die Festsetzung des Bebauungsplans zur Drempelhöhe auch materiell illegal ist. Der Antragsgegner konnte daher das Bauvorhaben zu Recht mit der angegebenen Begründung stilllegen.

Ende der Entscheidung

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