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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.07.2002
Aktenzeichen: 7 B 918/02
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 15
BauGB § 35 Abs. 3
1. Beabsichtigt die Gemeinde, durch einen einfachen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Windenergieanlagen in einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen zum Schutz des Landschaftsbilds restriktiv zu steuern (hier: vorgesehene Beschränkung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen auf 100 m Höhe), kann eine solche Bebauungsplanung mit der Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB gesichert werden.

2. Bei der weiteren Abwicklung der Bebauungsplanung hat die Gemeinde konkret abwägend zu prüfen, ob die zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen der ausgeschlossenen Windenergieanlagen auf den betroffenenen Landschaftsraum so gewichtig sind, dass sie die vorgesehene Einschränkung der vom Flächennutzungsplan vorgegebenen Errichtungsmöglichkeiten von Windenergieanlagen gerechtfertigt erscheinen lassen; sie hat ferner zu prüfen, ob im Ergebnis eine Umsetzung des Flächennutzungsplans etwa unter wirtschaftlichen Aspekten faktisch unterlaufen wird.


Tatbestand:

Der Antragsteller beantragte Baugenehmigungen für 2 Windenergieanlagen von je 140 m Höhe in einer im Flächennutzungsplan der Stadt S. dargestellten Konzentrationszone für Windenergie. Die Stadt beschloss, einen Bebauungsplan zur Festlegung einer Höhenbegrenzung von Windenergieanlagen aufzustellen. Auf Antrag der Stadt stellte die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag sofort vollziehbar zurück. Das hiergegen gerichtete Begehren des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Aus dem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass das VG zu Unrecht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Zurückstellungsbescheid des Antragsgegners abgelehnt hat.

Der Zurückstellungsbescheid ist nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil ihm - wie der Antragsteller meint - keine sicherungsfähige Bebauungsplanung zu Grunde liegt. Maßgeblich ist der am 20.12.2001 bekannt gemachte Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "E." der Stadt S.. Dieser zielt darauf ab, für die im Flächennutzungsplan der Stadt S. dargestellte Konzentrationszone für Windenergieanlagen für den Bereich "E." einen einfachen Bebauungsplan aufzustellen, um nähere restriktive Bestimmungen für die Zulässigkeit von Windenergieanlagen in diesem Bereich festzulegen, wie aus der dem Aufstellungsbeschluss zu Grunde liegenden Verwaltungsvorlage folgt.

Mit dieser Zielsetzung wird ein Planungsziel verfolgt, das gemäß §§ 14, 15 BauGB mit den Instrumenten der Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen gesichert werden kann. Dass es sich bei der eingeleiteten Bebauungsplanung um eine nicht sicherungsfähige "Verhinderungsplanung" handelt, ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht erkennbar.

Werden mit der Aufstellung eines Bebauungsplans negative Zielvorstellungen verfolgt, ist dies nicht von vornherein illegitim. Solche Ziele können sogar den Haupt-zweck einer Planung bilden. Insbesondere ist es der Gemeinde nicht verwehrt, auf konkrete Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der ihnen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine bestimmte Planung - auch wenn sie wie hier durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist - für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB ist. § 1 Abs. 3 BauGB erkennt die gemeindliche Planungshoheit an und räumt der Gemeinde ein Planungsermessen ein. Ein Bebauungsplan ist deshalb "erforderlich" im Sinne dieser Vorschrift, soweit er nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist. Dabei ist entscheidend, ob die getroffene Festsetzung in ihrer eigentlich gleichsam positiven Zielsetzung - heute und hier - gewollt und erforderlich ist. Sie darf nicht nur das vorgeschobene Mittel sein, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen. Letzteres kann aber nicht schon dann angenommen werden, wenn die negative Zielrichtung der Planung im Vordergrund steht. Auch eine zunächst nur auf die Verhinderung einer - aus der Sicht der Gemeinde - Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist. Dabei kann die zulässige Steuerung eines von der Gemeinde als Fehlentwicklung gewerteten Baugeschehens auch darin liegen, dass der betreffende Bebauungsplan die weitere bauliche Entwicklung aus landespflegerischen Zwecken restriktiv steuern soll.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, BRS 50 Nr. 9.

So liegt der Fall hier.

Die hier eingeleitete Bebauungsplanung soll in Konkretisierung der Vorgaben des Flächennutzungsplans insbesondere die Höhenentwicklung zulässiger Windenergieanlagen aus städtebaulichen Gründen, nämlich solchen der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbilds (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB), steuern, wie aus der Verwaltungsvorlage folgt.

Zutreffend ist dabei insbesondere darauf verwiesen worden, dass in der Vergangenheit die durchschnittliche Größe von Windenergieanlagen noch deutlich unter der hier vom Antragsteller vorgesehenen Gesamthöhe von 140 m lag und dass bei Anlagenhöhen von mehr als 100 m spezifische Kennzeichnungen der Anlagen (etwa Signalfarbanstrich der Rotorblätter) vorzusehen sind, die die optische Wirkung der Anlagen im Landschaftsbild - zumal einer Mittelgebirgslandschaft mit beachtlicher Erholungsfunktion, wie sie im Stadtgebiet von S. anzutreffen ist - nachteilig verstärken. Solche nachteiligen Wirkungen, die die Stadt S. zulässigerweise zum Anlass für eine restriktive Bebauungsplanung nehmen kann, werden durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt.

Der Umstand, dass die Stadt S. bei der Darstellung der hier in Rede stehenden Konzentrationszone "E." im Flächennutzungsplan keine entsprechenden Erwägungen angestellt hat, verbietet ihr nicht, bei einer weiteren Konkretisierung der Vorgaben des Flächennutzungsplans durch einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan nunmehr auf solche Erwägungen zurückzugreifen. Mit der in der Bebauungsplanung vorgesehenen Festsetzung restriktiver verbindlicher Vorgaben für Windenergieanlagen soll - wie sich den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen lässt - nichts daran geändert werden, dass im betreffenden Bereich Windenergieanlagen bevorzugt zulässig sind, wenn und solange die Darstellung der Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Bereich "E." Bestand hat. Die Bebauungsplanung soll damit ersichtlich an die bestehenden Zulässigkeitsregelungen des § 35 BauGB anknüpfen und lediglich die auf Grund der Darstellung der Konzentrationszone gegebenen Zulässigkeiten graduell - nämlich hinsichtlich der Höhenentwicklung und der konkreten optisch wirksamen Gestaltung der Anlagen - restriktiv steuern.

Demgegenüber greift der - ohne weitere Substantiierung lediglich behauptete - Einwand der Beschwerde nicht durch, im Bereich "E." seien Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von 100 m schlicht unwirtschaftlich. Dass Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von max. 100 m schlechterdings nicht wirtschaftlich betrieben werden können, sodass die eingeleitete Planung im Ergebnis schon deshalb auf eine vollständige Verhinderung der Errichtung von Windenergieanlagen in der im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone "E." hinausläuft, lässt sich nicht feststellen. Hiergegen spricht einmal, dass die bislang errichteten und betriebenen Windenergieanlagen zumeist diese Höhe nicht überschritten haben und kein Anhalt dafür vorliegt, dass alle diese Anlagen unwirtschaftlich arbeiten. Zum anderen ist in den vom Antragsteller selbst vorgelegten Unterlagen wiederholt die Rede davon, dass von Investorenseite die Alternative in den Raum gestellt wurde, im Bereich E. entweder vier Anlagen mit einer Höhe von 140 m oder neun Anlagen mit einer Höhe von 100 m zu errichten. Des Weiteren folgt aus der bereits erwähnten Verwaltungsvorlage, dass die windenergetische Untersuchung des Standortes "E." bereits für Anlagengrößen unter 100 m Gesamthöhe gute Werte ergeben habe.

Im Rahmen der weiteren Abwicklung der eingeleiteten Bauleitplanung wird die Stadt S. allerdings im einzelnen abwägend zu prüfen haben, ob die hier konkret zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen auf den betroffenen Landschaftsraum so gewichtig sind, dass sie die vorgesehene Einschränkung der vom Flächennutzungsplan vorgegebenen Errichtungsmöglichkeiten von Windenergieanlagen gerechtfertigt erscheinen lassen, und ob mit den vorgesehenen verbindlichen Regelungen des in Aussicht genommenen einfachen Bebauungsplans im Ergebnis eine Umsetzung des Flächennutzungsplans, namentlich der dort dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Bereich "E.", unter den hier konkret zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Aspekten faktisch unterlaufen wird. Eine Verpflichtung der Gemeinde, mit den Mitteln ihrer Bauleitplanung einen möglichst optimalen wirtschaftlichen Betrieb von Windenergieanlagen sicherzustellen, besteht allerdings nicht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.11.2001 - 7 A 4857/00 -, BauR 2002, 886.

Schließlich kann aus dem Umstand, dass in der Stadt S. weiter gehende Überlegungen hinsichtlich einer Änderung der Flächennutzungsplanung durch Streichung der Konzentrationszone "E." angestellt werden, nicht hergeleitet werden, dass nunmehr die Bebauungsplanung, die mit der Zurückstellung gesichert werden soll, unbeachtlich und damit nicht (mehr) sicherungsfähig ist. Entscheidend ist allein, dass das Planaufstellungsverfahren für den Bebauungsplan weiter betrieben wird. Dass dies nicht zutrifft, die Planaufstellung vielmehr eingestellt ist, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung und den mit ihr vorgelegten Unterlagen nicht.

Ende der Entscheidung

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