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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 02.03.2007
Aktenzeichen: 7 D 53/06.NE
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO wird durch die zweite Bekanntmachung eines Bebauungsplans nicht erneut in Gang gesetzt, wenn die neuerliche Bekanntmachung des unveränderten Bebauungsplans lediglich einen etwaigen Ausfertigungsmangel heilen soll.
Tatbestand:

Der Antragsteller ist Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 229. Der Bebauungsplan Nr. 229 wurde vom Rat der Antragsgegnerin am 25.3.2004 als Satzung beschlossen und am 8.5.2004 öffentlich bekannt gemacht. Am 11.5.2006, einem Donnerstag, reichte der Antragsteller den Normenkontrollantrag bei dem OVG ein. Am 31.7.2006 wurde der Bebauungsplan auf Anordnung des Bürgermeisters rückwirkend zum 8.5.2004 erneut bekannt gemacht, "um einen möglichen Ausfertigungsmangel rückwirkend zu heilen."

Der Normenkontrollantrag wurde als unzulässig verworfen.

Gründe:

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der hier noch maßgebenden Fassung muss ein Normenkontrollantrag innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt werden. Der Bebauungsplan Nr. 229 wurde am 8.5.2004 öffentlich bekannt gemacht. Der Normenkontrollantrag ist jedoch erst nach Ablauf von zwei Jahren am 11.5.2006 mit Schriftsatz vom selben Tage und damit verspätet bei Gericht eingegangen. Ungeachtet des Umstandes, dass eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach der Rechtsprechung des Senats nicht möglich ist,

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.11.2004 - 7a D 113/04.NE -, hat der Antragsteller auch keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt oder Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist geltend gemacht; solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.

Ob der Bebauungsplan vor seiner Bekanntmachung am 8.5.2004 wirksam ausgefertigt war, ist für den Fristablauf ohne Belang. Vielmehr genügt es, dass der Bebauungsplan als Rechtsnorm mit formellem Geltungsanspruch veröffentlich worden ist. Das Tatbestandsmerkmal der Bekanntmachung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt eine förmliche "Verkündung" oder eine sonstige tatsächliche Handlung voraus, aus der sich ergibt, dass die Satzung als Rechtsnorm gelten soll; nicht entscheidend ist, ob der Vorgang der Bekanntmachung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung entspricht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.4.1996 - 4 NB 8.96 -, BRS 58 Nr. 49, Urteil vom 19.2.2004 - 7 CN 1.03 -, NVwZ 2004, 1122.

Die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO wurde auch nicht durch die erneute Bekanntmachung des Bebauungsplans am 31.7.2006 erneut in Gang gesetzt. Wird ein Bebauungsplan nach seiner erstmaligen Bekanntmachung nicht fristgerecht mit dem Normenkontrollantrag angegriffen, setzt die neuerliche Bekanntmachung die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dann in Gang, wenn die geänderte Satzung neue Rechtsvorschriften enthält, die nunmehr angegriffen werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.1.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82.

Weder aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch aus seinem Sinn und Zweck folgt entgegen der Annahme des Antragstellers etwas anderes. Der Wortlaut der Vorschrift gibt keinen zwingenden Anhalt, nicht nur die erste Bekanntmachung, sondern jede weitere Bekanntmachung ermögliche erneut einen Normenkontrollantrag gegen eine inhaltlich unveränderte Satzung. Ein solches Verständnis des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO wäre vielmehr mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Die Zweijahresfrist dient der Rechtssicherheit und soll deshalb den Angriff gegen Rechtsvorschriften im Nomenkontrollverfahren ausschließen, auf deren Rechtsgültigkeit die zuständigen Behörden und auch die berührten Bürger vertraut haben.

Vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze, BT-Drs 13/3993, S. 10; Bay. VGH, Beschluss vom 31.3.2005 - 4 N 03.3086 -, NVwZ-RR 2006, 286.

Die Rechtslage ist hier vergleichbar mit den Regelungen des § 215 Abs. 1 BauGB über die Frist für die Geltendmachung der dort benannten Verfahrens-, Form- und materiellen Abwägungsmängel eines Bebauungsplans. Wird ein Bebauungsplan zur Behebung beispielsweise eines Ausfertigungsmangels gemäß § 214 Abs. 4 BauGB ein zweites Mal bekannt gemacht, so werden die Fristen des § 215 Abs. 1 BauGB nicht erneut in Lauf gesetzt. Maßgeblich ist grundsätzlich die ursprüngliche Bekanntmachung des Plans. Die Annahme, dass der Gesetzgeber mit einer zur Behebung formeller Mängel zulässigen neuen Bekanntmachung etwa auch eine erneute Prüfung der Abwägung ermöglichen wollte, wäre mit dem Zweck der §§ 214 ff. BauGB, den Bestand der gemeindlichen Bauleitplanung zu sichern, unvereinbar.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.2.1997 - 4 NB 40.96 -, BRS 59 Nr. 31.

Das Vertrauen auf den Bestand des Bebauungsplans ist auch dann schützenswert, wenn der Satzungsgeber (mögliche) Mängel der Ausfertigung zum Anlass einer (vorsorglichen) erneuten (rückwirkenden) Bekanntmachung der Satzung macht. Regelmäßig - und so auch hier - stehen Ausfertigungsmängel der Bildung schützenswerten Vertrauens in die Gültigkeit des Bebauungsplans bei den Planbetroffenen nicht entgegen. Die neuerliche Bekanntmachung des Bebauungsplans bestärkt das Vertrauen in den Bestand des Bebauungsplans, denn mit ihr bringt die Gemeinde zum Ausdruck, dass an dem Bebauungsplan ohne inhaltliche Änderungen festgehalten werden soll. Demgegenüber ist ein etwaiges Vertrauen in die Unwirksamkeit einer Norm nicht schutzwürdig.

Vgl. Berliner Kommentar, BauGB, 3. Aufl., § 214 Rdn. 95.

Aus den vom Antragsteller zitierten Entscheidungen und Kommentarstellen ergeben sich keine der vorstehenden Auffassung des Senats entgegenstehenden Gesichtspunkte. Das Sächs. OVG hat mit Urteil vom 14.2.1996 - 1 S 98/95 -, SächsVBl 1997, 56 (hierauf verweisend auch: Kopp, VwGO, 14. Aufl., § 47 Rdnr. 83; ferner Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 47 Rdnr. 26) darauf abgehoben, die in Nr. 1 des Gesetzes zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, BGBl I 1993, 487, für den Normenkontrollantrag bestimmte Dreimonatsfrist werde erneut in Gang gesetzt, wenn zur Behebung eines auf landesrechtlichen Vorschriften beruhenden Bekanntmachungsfehlers die Satzung über eine Veränderungssperre erneut bekannt gemacht wird, denn mit der neuerlichen Bekanntmachung werde bei den Adressaten ein Vertrauenstatbestand erzeugt. Diese Ansicht ist jedenfalls dann nicht überzeugend, wenn es um die erneute Bekanntmachung eines Bebauungsplans wegen Heilung eines Ausfertigungsfehlers geht, denn dann kann sich ein (angebliches) Vertrauen eines Antragstellers allenfalls darauf beziehen, er könne den Bebauungsplan deshalb erneut angreifen, weil der Fehler nicht geheilt sei. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag aber auch in Bezug auf diesen Gesichtspunkt letztlich deshalb nicht zu überzeugen, weil die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch den Interessen derjenigen dient, die sich auf den Bestand des Bebauungsplans eingerichtet haben. Das durch die Fristbestimmung geschützte Vertrauen auf den Bestand des Bebauungsplans einer meist nicht genau bestimmbaren Zahl Dritter, die von potentiellen Antragstellern nicht selten keine Kenntnis haben (können), steht der Annahme entgegen, eine lediglich auf etwaige Ausfertigungsmängel bezogene Neubekanntmachung eines Bebauungsplans eröffne die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch dann erneut, wenn Mängel der Ausfertigung oder der neuerlichen Bekanntmachung nicht in Streit stehen.

Dem vom Antragsteller zitierten Urteil des OVG Bbg. vom 13.5.2005 - 3 D 1/03.NE - sind über das bislang Erörterte hinaus keine weitergehenden Erwägungen zu entnehmen. Sollte dieser Entscheidung zu entnehmen sein, dass die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch dann erneut eröffnet ist, wenn ein Bebauungsplan zur Heilung eines (möglichen) Ausfertigungsmangels ein zweites Mal bekannt gemacht wir, schließt sich der Senat aus den oben dargelegten Gründen einer solchen Ansicht nicht an.

Ende der Entscheidung

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