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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.10.2006
Aktenzeichen: 7 D 68/06. NE
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 2 Abs. 1 Satz 2
BauGB § 14
BauGB § 14 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3
Jedenfalls dann, wenn der Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans und der Beschluss über die Veränderungssperre in derselben Ratssitzung gefasst worden sind, muss der Aufstellungsbeschluss nicht vor, sondern kann auch zusammen mit der Veränderungssperre bekannt gemacht werden.

Das für eine Veränderungssperre erforderliche Sicherungsbedürfnis kann entfallen, wenn die mit ihr gesicherte Bebauungsplanung offensichtlich zu einem unwirksamen Bebauungsplan führen wird. Dies muss nicht schon dann der Fall sein, wenn der Rat einer Gemeinde mit dem Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans (mit dem Sondergebiete für Windenergieanlagen festgesetzt werden sollen) zugleich beschließt, die Höhe der Windenergieanlagen werde auf 100 m begrenzt.


Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich gegen eine Veränderungssperre, mit der die Antragsgegnerin eine Bebauungsplanung sichern wollte, deren Ziel die Festsetzung von Sondergebieten für Windenergieanlagen ist. Mit dem das Bebauungsplanverfahren einleitenden Aufstellungsbeschluss hatte der Rat der Antragsgegnerin zugleich beschlossen, die Höhe der Windenergieanlagen werde auf 100 m begrenzt.

Der Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Veränderungssperre ist wirksam.

Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, sobald ein Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans gefasst ist. Der Aufstellungsbeschluss muss gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB ortsüblich bekannt gemacht worden sein, mag auch der zeitliche Unterschied zwischen der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses und der Veränderungssperre denkbar knapp sein. Jedenfalls dann, wenn der Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans und der Beschluss über die Veränderungssperre - wie hier - in derselben Ratssitzung gefasst worden sind, kann der Aufstellungsbeschluss auch zusammen mit der Veränderungssperre bekannt gemacht werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss 6.8.1992 - 4 N 1.92 -, BRS 54 Nr. 77; Beschluss vom 11.10.1996 - 4 BN 19.96 -; dafür, dass die gleichzeitige Bekanntmachung von Aufstellungsbeschluss und Veränderungssperre grundsätzlich ausreichend ist, vgl. auch: OVG NRW, Urteil vom 30.11.1998 - 7a D 138/97.NE -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.2.1998 - 8 S 2770/97 -, BRS 60 Nr. 99; Nieders. OVG, Urteil vom 26.3.1999 - 1 K 3502/98 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 27.9.1999 - 26 ZS 99.2149 -, BayVBl 2000, 598.

Die Veränderungssperre genügt auch den weiteren materiell-rechtlichen Anforderungen. Zu diesen Anforderungen gehört allerdings nicht, dass die Veränderungssperre im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB städtebaulich gerechtfertigt sein muss. Aus § 1 Abs. 3 BauGB lassen sich Anforderungen ableiten, wann und in welchem Umfang eine Bauleitplanung erforderlich ist. Fehlt eine städtebauliche Rechtfertigung für einen Bebauungsplan, kommt zwar der Erlass eines Bebauungsplans nicht in Betracht. Ob dies aber entgegen der im Zeitpunkt der Bebauungsplanaufstellung gegebenen Annahme der Gemeinde so ist, wird sich zumeist erst im Laufe des Bebauungsplanverfahrens feststellen lassen. Dieses Verfahren zu sichern, ist jedoch lediglich Aufgabe der Veränderungssperre. Ob das Bebauungsplanverfahren in eine wirksame Satzung mündet, die den Anforderungen des § 1 Abs. 3 BauGB genügt, ist für die Wirksamkeit der Veränderungssperre grundsätzlich irrelevant, weil die Veränderungssperre die Erarbeitung eines tragfähigen Planungskonzeptes gerade erst ermöglichen soll und zu diesem Planungskonzept auch die Frage gehört, ob seine Umsetzung städtebaulich gerechtfertigt ist oder nicht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.7.1990 - 4 B 156.89 -, BRS 50 Nr. 101.

Das vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 2 GG für die Veränderungssperre allerdings erforderliche Sicherungsbedürfnis, vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2004 - 4 CN 16.03 -, BVerwGE 120, 138 = BRS 67 Nr. 11, ist gegeben.

Der Gemeinde ist es nicht verwehrt, die Errichtung von Windenergieanlagen in den durch Flächennutzungsplan festgelegten Konzentrationszonen durch einen Bebauungsplan einer Feinsteuerung zu unterziehen, die beispielsweise in der Begrenzung der Anlagenhöhe oder der Festlegung der Standorte der einzelnen Anlagen liegen kann. In einem Flächennutzungsplan ist die beabsichtigte Art der Bodennutzung nur in den Grundzügen darzustellen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Weitere planungsrechtliche Beschränkungen durch Bebauungsplanung sind deshalb möglich, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.11.2003 - 4 BN 60.03 -, BRS 66 Nr. 115, jedenfalls soweit sie städtebaulich erforderlich und abwägungsgerecht sind. Eine "Feinsteuerung", die eine weitergehende Festlegung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen durch Bebauungsplan ausschließen würde, hat im Verfahren der 25. Änderung des Flächennutzungsplans nicht stattgefunden. So ist ausweislich des Erläuterungsberichts zum Flächennutzungsplan auf eine Höhenbegrenzung von Windenergieanlagen nicht etwa deshalb verzichtet worden, weil der Rat der Antragsgegnerin eine solche Festsetzung auch durch Bebauungsplan nicht als städtebaulich erforderlich angesehen hätte, sondern weil er keine hinreichende Klarheit darüber gewonnen hatte, ob eine (durch Flächennutzungsplanung grundsätzlich mögliche) Höhenbegrenzung abwägungsgerecht festgelegt werden konnte. Die Antragsgegnerin hatte ein Gutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis kam, dass bei der vom Rat der Antragsgegnerin angedachten Begrenzung der höchstzulässigen Höhe von Windenergieanlagen auf 100 m ein wirtschaftlicher Betrieb von Windenergieanlagen nicht zu erwarten sei. Da der Rat dieses Gutachten als "noch nicht abgeschlossen" bewertet hat, hat er "zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Höhenbegrenzung verzichtet".

Das eine Veränderungssperre rechtfertigende Sicherungsbedürfnis setzt allerdings voraus, dass die Veränderungssperre erst dann erlassen werden darf, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundfläche fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt. Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Abs. 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belange, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2004 - 4 CN 16.03 -, aaO..

Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen der Antragsgegnerin zur beabsichtigten Bebauungsplanung, denn danach sollen im Bebauungsplangebiet Sondergebiete für Windenergieanlagen vorgesehen werden. Die Absicht, ein Sondergebiet für Windenergieanlagen festzusetzen, ist eine positive und hinreichend konkrete planerische Vorstellung. Den Mindestanforderungen an die Konkretisierung des Planungsziels ist nämlich regelmäßig - und so auch hier - genügt, wenn die Gemeinde beim Erlass der Veränderungssperre bereits eine bestimmte Art der baulichen Nutzung ins Auge gefasst hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.8.2000 - 4 BN 35.00 -, BRS 64 Nr. 109; Beschluss vom 25.11.2003 - 4 BN 60.03 -, aaO..

Gegen die Zulässigkeit der Veränderungssperre spricht auch nicht, dass durch die Veränderungssperre das für die Anwendung von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorausgesetzte gesamträumliche Planungskonzept der Gemeinde, von dem die Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB abhängt, gestört wird, weil auch auf Flächen, die nach der planerischen Entscheidung der Gemeinde für Windenergieanlagen zur Verfügung stehen sollen, ihre Errichtung nicht zulässig ist. Denn die Veränderungssperre lässt dieses Konzept unberührt; sie stellt nur ein vorübergehendes Hindernis für die Bebauung der Konzentrationszone dar. Eine zeitlich begrenzte Bausperre durch eine Veränderungssperre muss der betroffene Bürger für deren Geltungsdauer jedoch allgemein hinnehmen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.11.2003 - 4 BN 60.03 -, aaO..

Ob etwas anderes dann anzunehmen sein könnte, wenn die beabsichtigte Bebauungsplanung offensichtlich zu einem unwirksamen Bebauungsplan führen wird, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, BRS 55 Nr. 95; OVG NRW, Urteil vom 27.2.1996 - 11 A 3960/95 -, OVGE 45, 246; Nds. OVG, Urteil vom 17.12.1998 - 1 K 1103/98 -, BRS 60 Nr. 59, bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung. Der Antragsteller befürchtet eine solche Entwicklung im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, die Höhe der im Bebauungsplangebiet zulässigen Windenergieanlagen auf 100 m zu beschränken. Der Betrieb von Windenergieanlagen einer Höhe von bis zu 100 m werde im Bebauungsplangebiet wirtschaftlich jedoch unmöglich sein. Auch wenn dem Antragsteller darin zuzustimmen ist, dass die Frage abwägungsrelevant ist, ob in einem Bebauungsplangebiet Windenergieanlagen überhaupt wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden können, vgl. Urteile des Senats vom 27.5.2004 - 7a D 55/03.NE -, BRS 67 Nr. 10; vom 13.3.2006 - 7 A 3414/04 -, ZNER 2006, 173 mit Anmerkung von Lahme, ZNER 2006, 176; vgl. ferner: BVerwG, Beschluss vom 26.4.2006 - 4 B 7.06 -, aaO., wonach der Ausschluss von Windenergieanlagen durch Flächennutzungsplan auf Teilen des Plangebiets sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen lässt, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen, die negative und positive Komponente der festgelegten Konzentrationszonen bedingten einander, in der Regel dürfte zu erwarten sein, dass gerade auf diesen Flächen (den Konzentrationszonen) Windenergieanlagen errichtet werden, hat der Rat der Antragsgegnerin die maßgebende, den Bebauungsplan, dessen Sicherung die Veränderungssperre dient, tragende Abwägung gerade noch nicht vorgenommen. Vielmehr ist das Abwägungsergebnis offen.

Dem Antragsteller ist allerdings einzuräumen, dass die vom Rat der Antragsgegnerin gefassten Beschlüsse auslegungsbedürftig sind. Denn der Rat der Antragsgegnerin hat nicht nur die Aufstellung des Bebauungsplans und den Erlass der Veränderungssperre, sondern ferner beschlossen, die Höhe der Windenergieanlagen werde auf 100 m begrenzt. Bei diesem Beschluss handelt es sich jedoch nicht um einen das Bebauungsplanverfahren abschließenden Satzungsbeschluss. Vielmehr ergänzt er die Planungskonzeption, die dem Bebauungsplanverfahren zugrunde liegt, um eine die beabsichtigte Höhenfestsetzung betreffende Aussage, ohne dass damit jedoch zugleich zum Ausdruck gebracht wäre, eine Abwägung der von der Bebauungsplanung betroffenen Belange solle hinsichtlich der Höhenfestsetzung nicht mehr stattfinden. In formaler Hinsicht kommt dem Beschluss des Rates ohnehin keine Bindungswirkung zu. Der Rat hat mit dem das Bebauungsplanverfahren abschließenden Satzungsbeschluss die erforderliche Abwägung der von der Bebauungsplanung betroffenen Belange vorzunehmen. In welcher Zusammensetzung er diesen Beschluss zu treffen haben wird, ist nicht absehbar; eine Vorabbindung ist daher schwerlich möglich, offensichtlich aber auch nicht gewollt. Eine Verpflichtung gegenüber Dritten, die sich als faktische Beschränkung oder gar Bindung der in der Zukunft vom Rat vorzunehmenden Abwägung darstellen könnte (wie diese beispielsweise dann anzunehmen sein kann, wenn sich der Rat einer Gemeinde gegenüber Dritten vertraglich zu einer bestimmten Bebauungsplanung verpflichtet), begründet der Ratsbeschluss zur Höhenfestsetzung ebenfalls nicht. Schließlich ergibt sich aus dem Beschluss auch nicht, dass die Verwaltung der Antragsgegnerin hätte gehindert werden sollen, das Bebauungsplanverfahren so zu führen, dass dem Rat die erforderliche Abwägung auch zur beabsichtigten Höhenfestsetzung nicht weiterhin möglich ist. Dies bestätigen die bislang im Bebauungsplanverfahren durchgeführten Verfahrensschritte. Noch vor Durchführung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung ist durch die Verwaltung der Antragsgegnerin ausweislich des Aktenvermerks über einen "Abstimmungstermin" - durchaus zutreffend - festgehalten worden, dass der Rat zwar durch Beschluss eine Höhenbegrenzung von 100 m verlangt habe, jedoch in die Abwägung eingestellt werden müsse, ob die Konzentrationszone dann noch wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden könne. Aus der frühzeitigen Bürgerbeteiligung ergibt sich nichts anderes; auch wenn dort etwaig auf eine mögliche Höhenbegrenzung von 100 m hingewiesen wird, lässt gerade auch die Ausbreitung einer solchen Planungsvorstellung Raum für Anregungen, die das etwaige Interesse an höheren Anlagen verdeutlichen. Es wird regelmäßig zumindest nicht ausgeschlossen werden können, dass der Rat einer Gemeinde auch solchen Anregungen abwägend begegnet, soweit den entsprechenden Interessen nicht ohnehin auch ohne entsprechende Anregung nachzugehen ist. Als Indiz für die Bereitschaft des Rats der Antragsgegnerin zu einer Abwägung auch der Höhenfestsetzung kann das Verfahren zur 25. Änderung des Flächennutzungsplans herangezogen werden. (wird ausgeführt)

Aus der Äußerung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin beim Abstimmungsgespräch ergeben sich möglicherweise Anhaltspunkte für dessen persönliche Bewertung des Gewichts der von der Bebauungsplanung berührten Belange, nichts jedoch für die dem Rat als dem maßgebenden Gemeindeorgan vorbehaltenen Satzungsentscheidung. Schon gar nicht ergibt sich eine Abwägungsbindung des Rates aus einem im Bebauungsplanverfahren eingeholten ornithologischem Gutachten, denn nicht der Gutachter legt fest, ob und mit welchem Gewicht seine Erkenntnisse in die Satzungsentscheidung eingehen. Die Forderung des Antragstellers, der Gutachter habe gar zwingend von der Eignung des Plangebiets für Windenergieanlagen auszugehen, verkennt den Sinn des eingeholten ornithologischen Gutachtens, das der Ermittlung von Teilen des für die Abwägung erforderlichen Tatsachenmaterials dienen soll, nicht aber den Rat von der Prüfung des Gutachtens und von der Bewertung der begutachteten Tatsachen enthebt.

Ende der Entscheidung

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