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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.06.2002
Aktenzeichen: 7a D 92/99.NE
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauNVO § 1 Abs. 9
1. Eine Festsetzung in einem Bebauungsplan kann wegen fehlender städtebaulicher Rechtfertigung (Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB) nichtig sein, wenn sie von vornherein untauglich ist, die ihr zugrunde liegende städtebauliche Zielsetzung zu erreichen, und sie sich deshalb als grober und einigermaßen offensichtlicher Missgriff erweist (hier verneint).

2. Es gibt keine Legaldefinition dafür, wann sich ein Warensortiment als "zentrenrelevant" erweist. Ebenso wenig legt der für das Land Nordrhein-Westfalen ergangene Einzelhandelserlass 1996 (MBl.NRW S. 922) verbindlich fest, dass bestimmte Sortimentsgruppen "zentrenrelevant" sind.

3. Sollen zum Schutz etwa des Innenstadtbereichs bestimmte Warensortimente an nicht integrierten Standorten ausgeschlossen werden, bedarf es einer individuellen Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation; dies gilt umso mehr, wenn jeglicher Handel mit den angeführten Sortimenten ausgeschlossen werden soll.


Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich gegen die Änderung eines Bebauungsplans der Antragsgegnerin, weil diese Einzelhandelsnutzungen u.a. auf seinem im Plangebiet gelegenen Grundeigentum ausschließt. Der Antrag hatte Erfolg, soweit in der Änderung ein genereller Ausschluss von Einzelhandel mit bestimmten Sortimenten ausgeschlossen wurde.

Gründe:

Der Antrag ist teilweise begründet.

Die 2. Änderung ist nicht bereits deshalb nichtig, weil die Urfassung des Bebauungsplans aus den vom Antragsteller angeführten Gründen nichtig wäre.

Allerdings ist dem Antragsteller zuzustimmen, dass es sich bei der Änderung um eine unselbstständige Planänderung handelt mit der Folge, dass eventuelle noch beachtliche Mängel der Wirksamkeit der Urfassung auf die Wirksamkeit der Planänderung durchschlagen. Die Änderung hat sich mit ihrer bloßen Modifizierung der textlichen Festsetzungen zu den in der Urfassung getroffenen Baugebietsausweisungen nicht gegenüber der Urfassung derart verselbstständigt, dass sie auch ohne den Fortbestand des Ursprungsplans aus sich heraus Grundlage der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Änderungsgebiet sein kann, sie ist vielmehr mit dem Ursprungsplan inhaltlich derart verwoben, dass eine städtebauliche Entwicklung und Ordnung nur durch ihre Einheit mit der Urfassung bewirkt werden kann.

Vgl.: OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 7a D 3/95.NE -, Juris.

Die vom Antragsteller gerügten Mängel des Ursprungsplans greifen jedoch nicht durch.

Die in der Urfassung des Bebauungsplans getroffenen Immissionsschutzregelungen für die GEb-Gebiete unterliegen keinen zur Unwirksamkeit der Urfassung des Bebauungsplans führenden Bedenken.

Die Immissionsschutzregelungen sind hinreichend bestimmt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der vom Antragsteller angesprochenen Regelung, dass in den GEb-Gebieten die vorgegebenen Immissionsrichtwerte von 60 bzw. 45 dB (A) "an den Grundstücksgrenzen" nicht überschritten werden dürfen.

Dieser Verweis auf die Grundstücksgrenzen ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig, wobei auf den objektiven Willen des Normgebers, mithin der Antragsgegnerin, abzustellen ist, soweit er wenigstens andeutungsweise im Normtext seinen Niederschlag gefunden hat.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57.

Diese Auslegung führt unter Berücksichtigung der einschlägigen Ausführungen in der Begründung der Urfassung des Bebauungsplans und seiner Entstehungsgeschichte zu dem Ergebnis, dass mit Grundstücksgrenzen nicht die Grenzen des jeweiligen Katastergrundstücks gemeint sind, auf dem sich die jeweilige Anlage bzw. Betriebsstätte befindet, sondern das jeweilige Werksgrundstück des gesamten Betriebs, dem die Emissionen zugeordnet sind.

Im Ergebnis ist eine solche Vorgabe hinsichtlich der Immissionen für die jeweils zuzulassenden Betriebe hinreichend bestimmt; denn der Betriebsinhaber muss im jeweiligen Genehmigungsverfahren nachweisen, dass die vorgegebenen Werte außerhalb des jeweils maßgeblichen Werksgrundstücks nicht überschritten werden. Dass sich diese Grenzen im Laufe der weiteren Existenz des Betriebs ändern können, ist kein Aspekt der Bestimmtheit der Festsetzung, sondern wirft allenfalls die - an dieser Stelle nicht zu prüfende - Frage auf, ob bei nachträglicher Veränderung der Grenzen des Werksgrundstücks das vom Plangeber angestrebte Ziel, die Mischgebietsverträglichkeit der zuzulassenden Betriebe zu sichern, auch auf Dauer erreicht werden kann.

Nach diesem betriebsbezogenen Verständnis der Vorgabe der Immissionsrichtwerte von 60 bzw. 45 dB (A) handelt es sich dabei nicht um eine unzulässige Festsetzung von sog. "Zaunwerten".

Zur Unwirksamkeit von Zaunwertfestsetzungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 -, BRS 62 Nr. 44. Eine "Zaunwert"-Festsetzung im Sinne dieser Rechtsprechung liegt nämlich nur dann vor, wenn um das Plangebiet herum gleichsam ein "Lärmzaun" festgesetzt wird, dessen Werte die im Gebiet zuzulassenden Betriebe in ihrer Gesamtheit an den Plangebietsgrenzen nicht überschreiten dürfen. Hier ist jedoch keine baugebietsbezogene, sondern eine betriebsgrundstückbezogene Regelung getroffen.

Die hiernach nicht als unzulässiger "Zaunwert" zu verstehende Regelung ist auch von einer einschlägigen Rechtsgrundlage gedeckt. Maßgeblich ist die seinerzeit nur für Gewerbegebiete geltende Regelung des § 8 Abs. 4 BauNVO 1968, der hinsichtlich seiner zulässigen Gliederungsmöglichkeiten dem nunmehr nach der BauNVO 1977/1990 für alle Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 BauNVO geltenden § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO entspricht. Bereits nach § 8 Abs. 4 BauNVO 1968 konnten die Gewerbegebiete einer Gemeinde oder Teile eines Gewerbegebietes im Bebauungsplan "nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnisse und Eigenschaften gegliedert werden". Zu diesen Eigenschaften zählt auch das Emissionsverhalten von Betrieben.

Vgl. zu der entsprechenden Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1977/1990: BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, BRS 50 Nr. 25.

Der erforderliche Betriebsbezug ist dabei für die festgesetzten GEb-Gebiete - nicht für das gleichfalls festgesetzte uneingeschränkte GE-Gebiet - durch die Begrenzung auf die Grenzen des jeweiligen Betriebsgrundstücks hergestellt, jenseits derer entsprechend der für das jeweilige Baugenehmigungs- bzw. immissionschutzrechtliche Genehmigungsverfahren seinerzeit einschlägigen Betrachtung die betrieblichen Emissionen die festgesetzten Richtwerte nicht überschreiten dürfen.

Mit dem dargelegten Inhalt sind die getroffenen Immissionsschutzregelungen auch nicht deshalb unwirksam, weil ihnen die städtebauliche Rechtfertigung i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB (früher: BBauG) fehlt. Insoweit bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass es ein ohne weiteres städtebaulich gerechtfertigtes Anliegen einer Gemeinde ist, im Wege der betriebsbezogenen Gliederung von Gewerbegebieten deren Ausnutzbarkeit im Interesse des Schutzes von benachbarter Wohnbebauung zu begrenzen. Näherer Betrachtung bedarf lediglich die Frage, ob der getroffenen Regelung die städtebauliche Rechtfertigung deshalb fehlt, weil sie von vornherein ungeeignet ist, das ihr zugedachte städtebauliche Steuerungsziel zu erreichen.

Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist die ständige Rechtsprechung, dass Festsetzungen, die sich als untaugliches Mittel zur Erreichung des planerischen Ziels erweisen, nichtig sind.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 17.7.2001 - 4 B 55.01 - Juris, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschlüsse vom 31.1.1995 - 4 NB 48.93 -, BRS 57 Nr. 23 und vom 27.1.1999 - 4 B 129.98 -, BRS 62 Nr. 29.

Diese Untauglichkeit kann sich etwa aus Rechtsgründen ergeben. So fehlt einer planerischen Festsetzung mit der Folge ihrer Nichtigkeit die städtebauliche Rechtfertigung nach § 1 Abs. 3 BauGB, wenn ihre Umsetzung zwangsläufig an rechtlichen Hinderungsgründen scheitern muss.

Vgl. etwa zu artenschutzrechtlichen Hindernissen: BVerwG, Beschluss vom 25.8.1997 - 4 NB 12.97 -, BRS 59 Nr. 29; zur Vollzugsunfähigkeit eines Bebauungsplans, dessen Verwirklichung zwangsläufig an den immissionsrechtlichen Anforderungen der 18. BImSchV scheitern muss, vgl.: BVerwG, Urteil vom 12.8.1999 - 4 CN 4.98 -, BRS 62 Nr. 1.

Ebenso kommt eine Nichtigkeit bei einander widersprechenden Festsetzungen in Betracht, die als wirksamer Beitrag zur Ordnung der baulichen oder sonstigen Nutzung ausscheiden, weil sie sich gegenseitig ausschließen.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 17.7.2001 - 4 B 55.01 -, Juris, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 20.1.1995 - 4 NB 43.93 -, BRS 57 Nr. 22.

Nicht anders fehlt einer planerischen Festsetzung mit der Folge der Nichtigkeit die erforderliche städtebauliche Rechtfertigung, wenn sie sich aus anderen Gründen als Rechtsgründen als von vornherein untauglich erweist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Festsetzung sich deshalb als ein grober und einigermaßen offensichtlicher planerischer Missgriff - zu dieser Grenze der städtebaulichen Rechtfertigung planerischer Festsetzungen vgl. bereits: BVerwG, Urteil vom 3.6.1971 - IV C 64.70 -, BRS 24 Nr. 1 - erweist, weil die ihr zu Grunde liegende städtebauliche Zielsetzung mit dem gewählten Festsetzungsmittel tatsächlich nicht erreicht werden kann.

Ein solcher grober Missgriff liegt bei der hier getroffenen Festsetzung nicht vor. Ihr liegt die - städtebaulich gerechtfertigte - planerische Zielsetzung zu Grunde, Flächen für mischgebietsverträgliche Gewerbebetriebe bereitzustellen, deren Immissionsverhalten mit Blick auf die im weiteren Umfeld vorhandene Wohnbebauung noch als städtebaulich vertretbar gewertet wurde. Dieses Ziel kann vom Grundsatz her mit den getroffenen Festsetzungen durchaus erreicht werden, denn Betriebe, die jenseits ihres Betriebsgrundstücks nur Lärmimmissionen von tagsüber 60 dB (A) und nachts 45 dB (A) bewirken, sind regelmäßig mischgebietsverträglich. Es stellt sich allenfalls die Frage, ob mit der hier getroffenen Festsetzung in besonderen Fallkonstellationen - etwa bei einer nachträglichen Veränderung der Grundstücksgrenzen oder im Hinblick auf die Erhöhung der festgesetzten Maximalwerte im Grenzbereich unmittelbar nebeneinander liegender Betriebsgrundstücke - die intendierte Zielsetzung tatsächlich in vollem Umfang erreicht wird. Diese Unwägbarkeiten lassen die hier getroffene Festsetzung jedoch noch nicht im dargelegten Sinne als groben und einigermaßen offensichtlichen planerischen Missgriff erscheinen, sodass die Festsetzung nicht schon wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB/BBauG nichtig ist.

Es stellt sich allenfalls die - weiter gehende - Frage, ob der Plangeber bei der Ausformulierung der in Rede stehenden Festsetzung die hier betroffenen gegenläufigen Belange der potenziell emissionsträchtigen Betriebe einerseits und der schützenswerten Wohnbebauung andererseits hinsichtlich der konkreten Folgewirkungen der Festsetzung in jeder Hinsicht sachgerecht bedacht hat. Diesbezügliche Mängel wären jedoch nicht als fehlende städtebauliche Rechtfertigung, sondern als Mängel der Abwägung zu werten. Mit solchen Mängeln hat sich der Senat nicht (mehr) zu befassen, denn die Frist zur Geltendmachung von Abwägungsmängeln des hier betrachteten Altplans aus dem Jahr 1974 ist mit dem 30.6.1994 abgelaufen (vgl. § 244 BauGB a.F.).

Die hiernach nicht bereits wegen Nichtigkeit der Urfassung des Bebauungsplans Nr. 31 unwirksame Änderung unterliegt aus sich heraus nur hinsichtlich ihres § 2 rechtlichen Bedenken, nicht jedoch hinsichtlich der §§ 1 und 3.

Mit § 1 der Änderung wird der Bebauungsplan Nr. 31 in seiner Gesamtheit auf die Baunutzungsverordnung 1990 umgestellt.

Ziel dieser Umstellung des Bebauungsplans auf die Baunutzungsverordnung 1990 war es im Wesentlichen, dass Vorhaben i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO - insbesondere großflächige Einzelhandelsbetriebe mit Fernwirkung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1990 und Einkaufszentren - nicht mehr im Plangebiet mit seinen Gewerbegebietsausweisungen zulässig sein sollen. Diese Zielsetzung ist hinreichend städtebaulich gerechtfertigt und sachgerecht abgewogen. (wird ausgeführt)

Die hiernach nicht zu beanstandenden Gründe für die in § 1 der Änderung geregelte Umstellung des Bebauungsplans Nr. 31 auf die Baunutzungsverordnung 1990 und für den damit verbundenen Ausschluss von Handelsbetrieben i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO lassen jedoch nicht ohne weiteres auch die zusätzlichen in § 2 der Änderung getroffenen Einzelhandelsausschlüsse gerechtfertigt erscheinen. Die dort geregelten Festsetzungen unterliegen bereits erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit. Darüber hinaus sind sie mit ihren erheblich nachteiligen Auswirkungen auf die private Nutzbarkeit der im Plangebiet gelegenen Grundstücke der Sache nach nicht hinreichend abgewogen.

Seinem Inhalt nach zielt § 2 der Änderung darauf ab, Einzelhandelsbetriebe und Handwerksbetriebe mit Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher "mit einem zentrenrelevanten Warensortiment" für unzulässig zu erklären. Was dabei als zentrenrelevantes Warensortiment zu verstehen ist, ist nicht hinreichend bestimmt.

Eine Legaldefinition dafür, welche Warensortimente "zentrenrelevant" sind, gibt es nicht. Der in der Begründung zur Änderung in Bezug genommene Einzelhandelserlass 1996 gibt dies ebenso wenig vor. Zwar ist bei Festsetzungen zur Steuerung des Einzelhandels der Rückgriff auf Listen in Einzelhandelserlassen oder sonstigen Orientierungshilfen grundsätzlich unbedenklich, soweit dadurch bestimmte Arten von Anlagen iSv § 1 Abs. 9 BauNVO zutreffend gekennzeichnet werden.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 4.10.2001 - 4 BN 45.01 -, Juris.

Der Einzelhandelserlass 1996 nimmt für sich jedoch nicht in Anspruch, die Zentrenrelevanz bestimmter Warengruppen abschließend festzulegen.

Nr. 2.2.5 dieses Erlasses enthält nähere Umschreibungen dafür, wodurch sich zentrenrelevante Sortimente auszeichnen, wobei zwischen Kernsortimenten einerseits und Randsortimenten als Ergänzung des Angebots mit deutlicher Unterordnung unter die Kernsortimente unterschieden wird. Die näheren Kriterien für die Annahme der Zentrenrelevanz sollen dabei darin bestehen, dass die Sortimente

- viele Innenstadtbesucher anziehen, - einen geringen Flächenanspruch haben, - häufig in Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und - überwiegend ohne Pkw transportiert werden können.

Hiervon ausgehend knüpft die Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 daran an, dass sich Anhaltspunkte für die Zentrenrelevanz von Einzelhandelsangeboten aus dem vorhandenen Bestand in den gewachsenen Zentren in Verbindung mit städtebaulichen Kriterien ergeben. Schon hieraus erhellt, dass der Einzelhandelserlass 1996 hinsichtlich der konkreten Zentrenrelevanz bestimmter Warengruppen auf eine individuelle Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation abstellt. Soweit Teil A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 eine Auflistung von insgesamt 10 Sortimentsgruppen enthält, die "als zentrenrelevante Sortimentsgruppen gelten", ist dies nur als Vermutung zu verstehen, die einer Verifizierung der Zentrenrelevanz in der jeweiligen örtlichen Situation bedarf. Die beiden weiteren in Teil A enthaltenen Sortimentsgruppen "Lebensmittel, Getränke" und "Drogerie, Kosmetik, Haushaltswaren" werden ausdrücklich als "nahversorgungs- (und ggf. auch zentren-)relevante Sortimentsgruppen" bezeichnet (Unterstreichung durch den Senat). Schließlich sind in Teil B der Anlage insgesamt 5 Sortimentsgruppen aufgelistet, die als "i.d.R." - mithin "in der Regel" - zentrenrelevant bezeichnet werden. Aus dem in der Begründung in Bezug genommenen Einzelhandelserlass 1996 allein lässt sich danach die Zentrenrelevanz bestimmter Warengruppen nicht herleiten.

Eine hinreichende Bestimmtheit des Ausschlusses zentrenrelevanter Warensortimente in § 2 der Änderung ergibt sich auch nicht aus den weiteren Regelungen dieser Festsetzung. Zwar enthält diese Festsetzung eine Auflistung von Sortimentsgruppen, die im Übrigen identisch ist mit allen 17 - nicht insgesamt als grundsätzlich bzw. regelmäßig zentrenrelevant angesehenen - Sortimentsgruppen, die in der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 aufgeführt sind. Dass damit die vom Plangeber als zentrenrelevant gewerteten Sortimentsgruppen abschließend umschrieben sein sollen, lässt sich dem Text des § 2 der Änderung jedoch nicht entnehmen. Ausgeschlossen sind Betriebe mit einem zentrenrelevanten Warensortiment nämlich, "wenn das angebotene Sortiment insbesondere ganz oder teilweise den Waren der nachfolgenden Liste zuzuordnen ist" (Unterstreichung durch den Senat). Die Worte "ganz oder teilweise" machen dabei deutlich, dass es nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Festsetzung nicht darauf ankommen soll, ob das Angebot von Waren der aufgelisteten Arten Bestandteil des Kernsortiments oder nur des Randsortiments ist, der eindeutige Wortlaut schließt vielmehr jegliches Angebot von Waren der aufgelisteten Arten aus, wie seitens der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch ausdrücklich eingeräumt wurde. Mit dem weiteren Wort "insbesondere" bleibt jedoch offen, welche Warengruppen über die Sortimentsgruppen der Auflistung hinaus nach den hier getroffenen Festsetzungen als zentrenrelevantes und damit unzulässiges Warensortiment anzusehen sind. Irgendwelche Kriterien hierfür geben weder die Festsetzungen noch die zu ihrem Verständnis heranzuziehende Begründung der Änderung vor, ebenso wenig lassen sie sich anderweitigen bindenden Vorgaben entnehmen.

Neben die hiernach gegebene Unbestimmtheit von § 2 der Änderung tritt als weiterer Mangel eine fehlerhafte Abwägung der getroffenen Festsetzung.

Mit dem dargelegten Inhalt, dass § 2 jegliches auch nur als Randsortiment zu wertendes Warenangebot aus den insgesamt 17 aufgelisteten Sortimentsgruppen - sowie aus nicht näher bestimmten sonstigen zentrenrelevanten Warengruppen - ausschließt, greift diese Festsetzung weitgehend in die Nutzungsbefugnisse der Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet ein. Sie schließt - anders als § 1 der Änderung - nicht nur Einzelhandelsgroßbetriebe aus, sondern jegliche Handelsaktivität mit den genannten Warengruppen. Damit ist im Plangebiet beispielsweise auch die Genehmigung eines Kiosks nicht möglich, der den im Gewerbegebiet Tätigen in geringem Umfang Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Zeitschriften u.ä. für ihre Versorgung in den Pausen anbietet.

Für einen solch umfassenden Handelsausschluss wird keine tragfähige Begründung geliefert. Die Begründung zu § 2 knüpft an die ihr vorgehenden Ausführungen zum städtebaulich gerechtfertigten Ausschluss großflächigen Einzelhandels an und übernimmt die dortigen Erwägungen undifferenziert. Es ist auch nicht ansatzweise dargelegt, weshalb neben den - städtebaulich in der Tat problematisch zu wertenden - Einzelhandelsgroßbetrieben im Plangebiet jeglicher Handel mit den angeführten Warengruppen untersagt sein soll. Auf eine insoweit denkbare, städtebaulich durchaus gerechtfertigte Zielsetzung, die Gewerbegebiete im Plangebiet ausschließlich dem produzierenden Gewerbe vorzubehalten und deshalb Einzelhandel insgesamt - oder mit einzelnen Ausnahmen für den betriebsbezogenen Verkauf ab Produktionsstätte - auszuschließen - vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 8.9.1999 - 4 BN 14.99 -, BRS 62 Nr. 2 -, stellt die Begründung gerade nicht ab.

Dem in der Begründung in Bezug genommenen Gutachten lassen sich ebenso wenig konkrete Anhaltspunkte für den hier geregelten umfassenden Einzelhandelsausschluss entnehmen (wird ausgeführt).

Die nach alledem zu bejahenden Mängel von § 2 der Änderung führen zur Unwirksamkeit der dort getroffenen Festsetzungen. Und zwar ergeben sie deren Nichtigkeit, da sie nicht im ergänzenden Verfahren nach § 215a BauGB behebbar sind. Die Frage, ob Einzelhandel im Plangebiet mit den hier - ohnehin nicht abschließend bestimmten - Warenarten insgesamt auszuschließen ist, berührt den Kern der Abwägungsentscheidung - zu diesem Kriterium für die Möglichkeit einer Mangelbehebung im ergänzenden Verfahren vgl.: BVerwG, Beschluss vom 16.3.2000 - 4 BN 6.00 -, BRS 63 Nr. 73 -, soweit es um die von § 2 erfasste Regelung des Ausschlusses auch kleinerer - nicht großflächiger - Einzelhandelsbetriebe geht.

Ende der Entscheidung

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