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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 8 A 1971/04
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG, LG NRW


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3
BImSchG § 9 Abs. 1
LG NRW § 69 Abs. 1
1. Zur Frage des Vorliegens eines Abwägungsmangels bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans, der eine Fläche für die Windkraftnutzung (Vorrang- oder Konzentrationszone) ausweist.

2. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB stehen einem Vorhaben insbesondere dann entgegen, wenn dieses in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu behebender Weise in Widerspruch zu einer gültigen Landschaftsschutzverordnung steht.

3. Zur Möglichkeit der Erteilung einer Befreiung von einem Bauverbot aus einer Landschaftsschutzverordnung für die Errichtung einer Windkraftanlage (hier verneint).


Tatbestand:

Der Kläger beantragte beim Landrat des Kreises N. die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung von einer Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von bis zu 100 Metern und einem Schallleistungspegel von ca. 100 dB(A). Das für die Errichtung der Windkraftanlage vorgesehene Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung. Im Flächennutzungsplan der Beigeladenen ist das Grundstück als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen. Seit dem Wirksamwerden der 17. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen am 19.6.1998 ist an anderer Stelle des Gemeindegebiets eine Fläche für die Windkraftnutzung ausgewiesen. Der Landrat des Kreises N. lehnte die begehrte Erteilung des Bauvorbescheids mit der Begründung ab, der Ausweisung der für die Windkraftnutzung vorgesehenen Konzentrationszone im Flächennutzungsplan der Beigeladenen komme eine Ausschlusswirkung zu, von der vorliegend auch keine Ausnahme zu machen sei. Widerspruch und Klage des Klägers bleiben erfolglos. Im Verlauf des Berufungsverfahrens stellte der Kläger sein Begehren auf die Verpflichtung zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids durch den Beklagten um. Der Beklagte lehnte die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids unter Hinweis darauf ab, dass die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen versagt habe. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie im Berufungsverfahren zulässigerweise geändert worden.

Die vorgenommene Klageänderung mit dem Ziel der Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids ist sachdienlich und deshalb gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Obwohl mit der Klageänderung der Streitgegenstand ausgetauscht und der Beklagte gewechselt wird, gilt die Umstellung der Klage auf einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid mit im Wesentlichen denselben inhaltlichen Fragestellungen wie im Bauvorbescheidsverfahren in entsprechender Anwendung des § 67 Abs. 9 Satz 4 BImSchG in der ab dem 1.7.2005 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.6.2005 (BGBl. I S. 1865) als sachdienlich. Durch diese Bestimmung wollte der Gesetzgeber "Rechtsunsicherheiten" in laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren beseitigen, die auf Erteilung von Baugenehmigungen für Windkraftanlagen gerichtet sind. Insbesondere sollte die Umstellung solcher Klagen, die sich in der Praxis als Problem erwiesen habe, erleichtert werden.

Vgl. BT-Drucks. 15/5443, S. 4.

Auch wenn diese Übergangsvorschrift ausdrücklich nur für Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung gilt, ist sie entsprechend in Verfahren auf Erteilung eines Bauvorbescheids anzuwenden. Die in der Gesetzesbegründung geschilderte Interessenlage ist zumindest für die Fortführung rechtshängiger Verpflichtungsklagen auf Erteilung von Bauvorbescheiden vergleichbar und es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Gesetzgeber die in der Praxis aufgetretenen Probleme für diese Fallgestaltungen abweichend gelöst hätte, wenn er sie im Blick gehabt hätte.

Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 15.3.2006 - 8 A 2672/03 -, ZfBR 2006, 474 = ZNER 2006, 65.

Die Klageänderung ist auch insoweit zulässig, als neben der Verpflichtung zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids die Aufhebung des im baurechtlichen Zulassungsverfahren ergangenen ablehnenden Bescheids des Landrats des Kreises N. begehrt wird. Denn aufgrund der Umstellung der Klage gemäß § 67 Abs. 9 Satz 4 BImSchG wird das Verfahren in dem Stadium, in dem es sich befindet, nach Immissionsschutzrecht zu Ende geführt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2006 - 8 A 2672/03 -, a.a.O.; BT-Drucks. 15/5443, S. 4; dazu auch OVG Rh.-Pf., Urteil vom 6.7.2005 - 8 A 11033/04 -, BauR 2005, 1758 = NVwZ-RR 2006, 242.

Das bedeutet zugleich, dass im baurechtlichen Zulassungsverfahren erfolgte Verfahrensschritte, zu denen auch die ablehnenden Bescheide gehören, Teil des nunmehr nach anderen Vorschriften fortzuführenden Verfahrens bleiben. Dabei tritt die Immissionsschutzbehörde insgesamt in das einheitliche, bisher von der Baubehörde geführte Verfahren ein. Insbesondere wird nicht etwa das baurechtliche Zulassungsverfahren abgeschlossen und ein neues - bereits rechtshängiges - Verfahren nach Immissionsschutzrecht begonnen, in dem lediglich auf einzelne Bestandteile des bei der Baubehörde geführten Verfahrens inhaltlich zurückgegriffen werden könnte. Auf diese Weise wird die nach der Gesetzesbegründung angestrebte Erleichterung der Verfahrensumstellung am ehesten erreicht, weil das Verfahren einheitlich von der Immissionsschutzbehörde übernommen wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2006 - 8 A 2672/03 -, a.a.O.

Ferner sprechen systematische Gründe für die einheitliche Fortführung des Verfahrens durch die Immissionsschutzbehörde. Denn bei dieser Gesetzesauslegung werden die nach § 67 Abs. 9 Satz 4 BImSchG umgestellten rechtshängigen Genehmigungsverfahren ebenso nach dem seit dem 1.7.2005 geltenden Recht zu Ende geführt, wie dies nach § 67 Abs. 4 BImSchG auch für Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids vorgesehen ist, die bei Inkrafttreten der durch Neufassung der Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV erfolgten Rechtsänderung noch nicht abgeschlossen und insbesondere noch nicht rechtshängig waren.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.6.2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182 = BauR 2004, 1745 = DVBl. 2004, 1304 = NuR 2004, 665 = NVwZ 2004, 1235 = UPR 2004, 442 = ZfBR 2005, 73 = ZNER 2004, 268, und vom 21.10.2004 - 4 C 3.04 -, BVerwGE 122, 117 = BauR 2005, 498 = DVBl. 2005, 382 = NuR 2005, 181 = NVwZ 2005, 208 = UPR 2005, 113 = ZfBR 2005, 191 = ZNER 2004, 361; OVG NRW, Urteil vom 15.3.2006 - 8 A 2672/03 -, a.a.O.

Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen ist auch der für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Antrag des Vorhabenträgers, ihm einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilen, gestellt worden. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass der Kläger kein gesondertes Genehmigungsverfahren auf Erteilung eines immissionsschutzrechlichen Vorbescheids beim Beklagten betrieben hat.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 9 Abs. 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift kann auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids besteht.

Unabhängig davon, ob die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können, ob ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids besteht und ob der Kläger im Hinblick auf das der Behörde in § 9 Abs. 1 BImSchG eingeräumte Ermessen überhaupt eine Entscheidung durch Vorbescheid beanspruchen kann, kommt die Erteilung des begehrten Vorbescheids schon deshalb nicht in Betracht, weil die Genehmigungsvoraussetzungen, für die der Kläger eine Entscheidung durch Vorbescheid begehrt, nicht vorliegen. Denn die geplante Windkraftanlage ist am vorgesehenen Standort bauplanungsrechtlich unzulässig.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Außenbereich geplanten Vorhabens richtet sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach darf ein Vorhaben, das wie die geplante Windkraftanlage der Nutzung der Windkraft dient und deshalb im Außenbereich an sich privilegiert zulässig ist, unter anderem dann nicht zugelassen werden, wenn öffentliche Belange "entgegenstehen". Ob dies der Fall ist, ist grundsätzlich im Wege einer "nachvollziehenden" Abwägung zu ermitteln.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.1.2005 - 4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364 = BauR 2005, 987 = DVBl. 2005, 706 = NVwZ 2005, 578 = UPR 2005, 267 = ZfBR 2005, 373 = ZNER 2005, 85, vom 19.7.2001 - 4 C 4.00 -, BVerwGE 115, 17 = BauR 2002, 41 = BRS 64 (2001) Nr. 96 = DÖV 2002, 76 = DVBl. 2001, 1855 = NuR 2002, 49 = NVwZ 2002, 476 = UPR 2002, 33 = ZfBR 2002, 65, und vom 25.10.1967 - 4 C 86.66 -, BVerwGE 28, 148 = DÖV 1968, 579 = DVBl. 1968, 385 = NJW 1968, 1105.

Selbst wenn privilegierten Vorhaben ein besonders starkes Gewicht zukommt, folgt daraus aber nicht, dass sie an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig sind. Auch für privilegierte Anlagen gilt das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Mit § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber den Außenbereich insbesondere nicht generell als Baubereich für privilegierte Vorhaben freigegeben, sondern ihre Zulässigkeit vielmehr von der Einzelfallprüfung abhängig gemacht, ob ihnen an einem konkreten Standort öffentliche Belange entgegenstehen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 19.6.1991 - 4 C 11.89 -, BauR 1991, 579 = BRS 52 (1992) Nr. 78 = NuR 1992, 29 = NVwZ-RR 1992, 401 = ZfBR 1991, 279, vom 20.1.1984 - 4 C 43.81 -, BVerwGE 68, 311 = BauR 1984, 269 = BRS 42 (1984) Nr. 91 = DÖV 1984, 846 = DVBl. 1984, 627 = NuR 1984, 237 = NVwZ 1984, 367 = UPR 1984, 221 = ZfBR 1984, 200, und vom 22.5.1987 - 4 C 57.84 -, BVerwGE 77, 300 = BauR 1987, 651 = BRS 47 (1987) Nr. 5 = DÖV 1987, 1015 = DVBl. 1987, 1008 = NuR 1989, 125 = NVwZ 1988, 54 = UPR 1987, 427 = ZfBR 1987, 293.

1. Vorliegend erscheint es fraglich, ob schon die Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eingreift, die für Windkraftanlagen und andere Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB bestimmt, dass ihnen in der Regel auch dann öffentliche Belange entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Zwar sind durch die 17. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen Flächen für die Windkraftnutzung an anderer Stelle des Gemeindegebiets ausgewiesen worden. Es erscheint aber zweifelhaft, ob diese Ausweisung wirksam ist.

Der Ausschluss von Windkraftanlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nämlich nur dann rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287 = BauR 2003, 828 = BRS 65 (2002) Nr. 95 = DVBl. 2003, 797 = NuR 2003, 365 = NVwZ 2003, 733 = UPR 2003, 188 = ZfBR 2003, 370 = ZNER 2003, 37 = ZUR 2003, 280.

Ob die 17. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen diesen Voraussetzungen gerecht wird, erscheint fraglich. Es spricht Vieles dafür, dass der Beigeladenen im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans ein Abwägungsfehler unterlaufen ist, der zur Unwirksamkeit der Änderung führt. Denn es dürften nicht alle für eine Vorrangzone in Betracht kommenden Flächen hinreichend in die Abwägung einbezogen worden sein.

Ausweislich des Erläuterungsberichts zur Flächennutzungsplanänderung ist der gesamte südwestliche Gemeindebereich allein unter Hinweis auf erforderliche Schutzabstände zu Einzel- und Streubebauung und einen sehr hohen Zersiedelungsgrad der Landschaft von einer näheren Betrachtung ausgeschlossen worden. Das zu diesem Gemeindebereich zählende Umfeld des Grundstücks, auf dem der Kläger die Errichtung der Windkraftanlage beabsichtigt, ist aber dadurch gekennzeichnet, dass in Ost-West-Richtung auf etwa 2.000 m und in Nord-Süd-Richtung auf etwa 700 m keine Wohngebäude vorhanden sind, also eine Gesamtfläche von 140 ha frei von Wohnbebauung ist. Dass angesichts dessen von einer derart dichten Einzel- oder Streubebauung oder von einem derart hohen Zersiedelungsgrad der Landschaft ausgegangen werden könnte, dass die Ausweisung einer Vorrangzone in diesem Bereich von vornherein nicht in Betracht kommt, erscheint sehr zweifelhaft. Die Bedenken werden noch dadurch verstärkt, dass die drei im Erläuterungsbericht näher untersuchten Flächen zum Teil kleiner sind und dass die Untere Landschaftsbehörde sich im vorliegenden Verfahren darauf beruft, dass das Gebiet gerade deshalb landschaftsrechtlichen Schutz genieße, weil es nicht zersiedelt sei.

Dafür, dass ein etwaiger Abwägungsmangel unerheblich im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB sein könnte, weil er nicht offensichtlich oder nicht auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, dürften keine Anhaltspunkte bestehen.

2. Letztlich bedarf aber die Frage, ob sich aus § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ein dem Vorhaben des Klägers entgegenstehender Belang ergibt, keiner Entscheidung. Denn dem Vorhaben des Klägers stehen jedenfalls Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen.

Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne der genannten Vorschrift stehen einem Vorhaben insbesondere dann entgegen, wenn dieses in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu behebender Weise in Widerspruch zu einer gültigen Landschaftsschutzverordnung steht.

Vgl. ständige Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 2.2.2000 - 4 B 104.99 -, BauR 2000, 1311 = BRS 63 (2000) Nr. 111 = ZfBR 2000, 428, sowie Urteile vom 19.4.1985 - 4 C 25.84 -, BauR 1985, 544 = BRS 44 Nr. 80 = NVwZ 1986, 203, vom 13.4.1983 - 4 C 21.79 -, BVerwGE 67, 84 = BauR 1984, 54 = DVBl. 1983, 895 = NVwZ 1985, 42, vom 18.2.1983 - 4 C 19.81 -, BVerwGE 67, 33 = DVBl. 1983, 890 = NJW 1983, 2716 = ZfBR 1983, 196, und vom 20.10.1978 - IV C 75.76 -, BauR 1979, 122 = DÖV 1979, 212 = DVBl. 1979, 622.

Insofern haben die bauplanungsrechtlichen und die naturschutzrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für Vorhaben im Außenbereich einen eigenständigen Charakter und sind unabhängig voneinander zu prüfen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2001 - 4 C 3.01 -, BRS 64 (2001) Nr. 98 = DÖV 2002, 574 = DVBl. 2002, 706 = NVwZ 2002, 1112 = UPR 2002, 194 = ZfBR 2002, 360.

Ausgehend davon ist für das Vorhaben des Klägers festzustellen, dass dieses im Widerspruch zu einer gültigen Landschaftsschutzverordnung steht und dieser Widerspruch nicht durch eine Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu beheben ist.

Das Grundstück, auf dem der Kläger die Errichtung der Windkraftanlage beabsichtigt, liegt in einem Landschaftsschutzgebiet. Nach der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im Landkreis M. aus dem Jahre 1965 - im Folgenden: LandschaftsschutzVO M. - steht das Grundstück unter dem "Schutz des Reichsnaturschutzgesetzes". Dieser Verordnung kommt auch heute noch Geltung zu, da nach § 73 Abs. 1 Satz 1 LG NRW unter anderem früher erlassene Verordnungen über die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten bis zum Inkrafttreten des Landschaftsplans oder einer ordnungsbehördlichen Verordnung gemäß § 42 a LG NRW - an beidem fehlt es hier - in Kraft bleiben. Die Verordnung ist auch nicht gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 OBG NRW nach Ablauf von 20 Jahren seit ihrem Inkrafttreten außer Kraft getreten, da diese Bestimmung auf die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 LG NRW aufrechterhaltenen Verordnungen keine Anwendung findet (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 3 LG NRW). Anhaltspunkte dafür, dass die LandschaftsschutzVO M. funktionslos geworden sein könnte, etwa weil es mittlerweile an einer Schutzwürdigkeit der Landschaft fehlt, sind weder von den Beteiligten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Innerhalb dieses Landschaftsschutzgebiets ist die Errichtung einer Windkraftanlage verboten. Denn nach § 2 Nr. 1 der LandschaftsschutzVO M. dürfen im Geltungsbereich der Verordnung keine Veränderungen vorgenommen werden, die geeignet sind, die Natur zu schädigen, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder das Landschaftsbild zu verunstalten. Unter dieses Verbot fällt nach Nr. 3 Buchst. a des § 2 der LandschaftsschutzVO M. insbesondere das Errichten von baulichen Anlagen im Sinne der Bauordnung NRW. Eine Windkraftanlage stellt eine derartige Anlage dar.

Die Erteilung einer Befreiung von diesem Verbot aus der LandschaftsschutzVO M. kommt nicht in Betracht. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Befreiung ist allein § 69 Abs. 1 Satz 1 LG NRW. Von den dort genannten Befreiungstatbeständen könnte vorliegend allenfalls der unter Buchst. a Unterpunkt aa bezeichnete einschlägig sein. Danach kann eine Befreiung erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.

Es ist schon fraglich, ob das Verbot der Errichtung einer baulichen Anlage wie hier der Windkraftanlage zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde. Denn die darin für den Kläger liegende Härte ist durch die LandschaftsschutzVO M. gerade beabsichtigt und entspricht dem Schutzzweck des festgesetzten Landschaftsschutzgebiets. Jedenfalls ist aber die Errichtung einer Windkraftanlage mit den durch die LandschaftsschutzVO M. geschützten Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht zu vereinbaren.

Dies folgt aus den Erläuterungen des Vertreters der Unteren Landschaftsbehörde zur Schutzwürdigkeit des vorhandenen Landschaftsbildes im Bereich der vom Kläger für die Errichtung der Windkraftanlage vorgesehenen Fläche, die nach der Aktenlage, den anlässlich des Orts- und Erörterungstermins gefertigten Lichtbildern und dem vom Berichterstatter vermittelten Eindruck von der Örtlichkeit ohne Weiteres nachvollziehbar sind und die sich der Senat zu Eigen macht.

Danach zeichnet sich dieser Bereich zunächst durch seine Bebauungsfreiheit aus. Diese stellt bereits für sich ein schützenswertes Gut dar, da weite Teile des übrigen Kreisgebiets durch ein hohes Maß an Zersiedelung geprägt sind. Dieser Bebauungsfreiheit kommt darüber hinaus für den vorliegend in Rede stehenden Bereich deshalb ein besonderes Gewicht zu, weil gerade das Landschaftsbild nordöstlich der E.-Straße durch Baumreihen, Feldgehölze sowie auch kleinere Waldzonen gekennzeichnet ist, die in die vorhandenen Felder und Wiesen eingebettet sind und damit der Landschaft ihre typische Prägung verleihen.

Im Weiteren ist die Blickbeziehung auf den ebenfalls im Landschaftsschutzgebiet liegenden T.-Berg besonders schützenswert. Der T.-Berg ist 181 m hoch, 7 km lang und 3 km breit. Als höchste Erhebung in der Umgebung tritt er aus seiner sonst deutlich niedrigeren Umgebung deutlich hervor. Seine bewaldete Kuppe prägt das weitere Landschaftsbild. Besondere Blickbezüge auf dieses landschaftsprägende Element sind gerade von dem Bereich nordöstlich der E.-Straße aus - trotz der Entfernung - eröffnet, da dort weder natürliche noch bauliche Elemente die Sicht behindern.

Das dargestellte schützenswerte Landschaftsbild würde durch die Errichtung der Windkraftanlage auf der vom Kläger dafür vorgesehenen Fläche in einer nicht mehr hinzunehmenden Weise gestört. Die Windkraftanlage würde zum einen einen erheblichen Störfaktor in der von Bebauung freien und vom Wechsel zwischen gliedernden Elementen und flachem Grünland geprägten Landschaft darstellen. Zum anderen würde die Windkraftanlage die besonderen Blickbezüge auf den T.-Berg verstellen. Bei einer zusammenfassenden Würdigung dieser Umstände ist die Errichtung einer Windkraftanlage an der vom Kläger vorgesehenen Stelle mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht zu vereinbaren.

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Gebiet sei durch die schon vorhandenen Windkraftanlagen geprägt. Mit diesem Einwand trägt der Kläger dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass der im vorliegenden Sachzusammenhang relevante Bereich nordöstlich der E.-Straße in Anbetracht der dargestellten Aspekte schon für sich einen schützenswerten Charakter aufweist. Ob die Bereiche westlich der E.-Straße und südlich der Gemeindegrenze in gleicher Weise als schützenswert anzusehen sind, ist unerheblich. Eine wegen der dort bereits errichteten Windkraftanlagen möglicherweise geringere Schutzwürdigkeit dieser Bereiche wäre für die vorliegende Entscheidung nicht von Relevanz, da dem Bereich nordöstlich der E.-Straße unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Aufgrund dessen können auch die auf dem Gebiet der Gemeinde P. vorhandenen Windkraftanlagen den hier relevanten Bereich nicht prägen. Hinzu kommt, dass diese Anlagen sich in einer so großen Entfernung zu diesem Bereich befinden, dass sie keinen Einfluss auf dessen Schutzwürdigkeit haben können.

Dasselbe gilt für die Hochspannungsleitung und die Bahnlinie, auf die sich der Kläger ebenfalls berufen hat. Beide verlaufen ca. 1.500 m westlich der E.-Straße und befinden sich deshalb ebenfalls in einer so großen Entfernung von dem hier relevanten Bereich, dass ihnen unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes im vorliegenden Zusammenhang keinerlei Bedeutung zukommt.

Auch der Verweis des Klägers auf eine von der weiter östlich verlaufenden Kreisstraße Richtung I. ausgehende negative Wirkung greift nicht durch. Diese Kreisstraße tritt in keiner Weise aus dem vorhandenen Landschaftsbild hervor, sondern fügt sich aufgrund ihres Alleencharakters in besonderer Weise in dieses ein. Die am Straßenrand vorhandenen Birkenreihen stellen - ebenso wie die sonst zu findenden Baumreihen, Feldgehölze und kleineren Waldzonen - besondere die Landschaft gliedernde Elemente dar. Von einem Fremdkörper, wie der Kläger meint, kann deshalb keine Rede.

Auf den vom Kläger herangezogenen Vergleich mit der Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes in dem Bereich, der durch den Flächennutzungsplan als Konzentrationsfläche für die Windenergienutzung ausgewiesen werden sollte, kommt es nicht an. Ob jene Ausweisung mit landschaftsschutzrechtlichen Belangen zu vereinbaren ist, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne jede Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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