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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 8 A 262/05
Rechtsgebiete: GG, AEG


Vorschriften:

GG Art. 30
GG Art. 73 Nr. 6a
GG Art. 87e
AEG § 4 Abs. 2
1. Art. 73 Nr. 6a GG ermächtigt den Bundesgesetzgeber nicht, für das Eisenbahnwesen von Art. 30 GG abweichende Verwaltungszuständigkeiten für den Vollzug von Landesgesetzen zu regeln.

2. § 4 Abs. 2 AEG räumt dem Eisenbahn-Bundesamt keine Kompetenz ein, landesrechtliche Vorschriften gegenüber den Eisenbahnen des Bundes zu vollziehen.

3. Naturschutzrechtliche Ge- und Verbote gelten auch im Bereich entlang der Gleise der Deutschen Bahn.


Tatbestand:

Die Klägerin - eine Eisenbahn des Bundes - nahm an der Vegetation entlang ihrer Eisenbahngleise umfangreiche Fäll- und Rückschnittmaßnahmen vor. Mit auf Verbotsnormen des Landschaftsgesetzes NRW und der städtischen Baumschutzsatzung gestützter Ordnungsverfügung untersagte der Beklagte - der Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt - der Klägerin, zukünftig ohne seine Genehmigung Baumfällmaßnahmen vorzunehmen, die über den Regellichtraum hinausgingen und nicht der Abwehr akuter Gefahren dienten. Das OVG bestätigte, dass der Beklagte - und nicht das Eisenbahn-Bundesamt - für den Erlass naturschutzrechtlicher Ordnungsverfügungen gegenüber der Klägerin zuständig war, hob aber die Ordnungsverfügung wegen inhaltlicher Mängel auf.

Gründe:

1. Der Beklagte war gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1a LG NRW, 12, 4 Abs. 1 OBG NRW als untere Landschaftsbehörde für den Erlass der Ordnungsverfügung sachlich und örtlich zuständig. Denn sie soll der Einhaltung von Vorschriften des Landschaftsgesetzes sowie der aufgrund von § 45 LG NRW erlassenen Baumschutzsatzung auf dem Gebiet der Stadt dienen.

Allerdings geht die tatsächlich ausgesprochene Untersagungsverfügung insoweit über die sachliche Zuständigkeit des Beklagten hinaus, als sie nach ihrem Tenor auch Bäume erfasst, die auf Grundflächen stehen, die nach § 2 BWaldG, § 1 LForstG als Wald anzusehen sind. Zuständig für die Forstaufsicht sowie die Erteilung von Genehmigungen nach dem Landesforstgesetz sind nach §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1, 57 Abs. 1 LForstG jedoch nicht die Kreise und kreisfreien Städte, sondern die staatlichen Forstämter sowie die Forstämter der Landwirtschaftskammern.

Die Zuständigkeit des Beklagten im Übrigen wird nicht durch eine speziellere, fachgesetzliche Zuständigkeit einer anderen Behörde verdrängt. Insbesondere lässt sich aus dem Eisenbahnrecht keine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für das Einschreiten gegen naturschutzwidriges Verhalten der Klägerin ableiten.

a) Eine solche Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes ergibt sich weder aus §§ 5 Abs. 1, Abs. 1a Nr. 1a), Abs. 2 Satz 1 AEG, 3 Abs. 1 Nr. 2 BEVVG i.V.m. 5 a Abs. 1 und Abs. 2 AEG (aa) noch aus § 2 Abs. 4 EBO (bb).

aa) Gemäß §§ 5 Abs. 2 Satz 1 AEG, 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 BEVVG nimmt der Bund die ihm nach § 5 Abs. 1a Nr. 1a AEG zugewiesene Eisenbahnaufsicht über die Eisenbahnen des Bundes durch das Eisenbahn-Bundesamt als die für die Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung geschaffene Bundesoberbehörde wahr. Nach § 5 Abs. 1 AEG soll im Wege der Eisenbahnaufsicht die Beachtung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und der darauf beruhenden Verordnungen (Nr. 1) sowie des Rechts der europäischen Gemeinschaften und zwischenstaatlicher Vereinbarungen, soweit sie Gegenstände des Allgemeinen Eisenbahngesetzes betreffen (Nr. 2 und 3), sichergestellt werden. Entsprechend haben die Eisenbahnaufsichtsbehörden nach § 5a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AEG die Aufgabe, über die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften zu wachen und dabei insbesondere Gefahren abzuwehren, die beim Betrieb der Eisenbahn entstehen oder von den Betriebsanlagen ausgehen. Im Rahmen dieser Aufgabe können die Eisenbahnaufsichtsbehörden die Eisenbahnen nach § 5a Abs. 2 AEG anweisen, die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften einzuhalten.

Ist das Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen der Eisenbahnaufsicht nach dem klaren Wortlaut der §§ 5 Abs. 1, 5a Abs. 1 und 2 AEG auf die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, der darauf beruhenden Verordnungen sowie der auf Gegenstände des Allgemeinen Eisenbahngesetzes bezogenen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts und zwischenstaatlicher Vereinbarungen beschränkt und in diesem Zusammenhang zu entsprechenden Anweisungen gegenüber den Eisenbahnen des Bundes befugt, lässt sich daraus eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes, die Klägerin durch Ordnungsverfügung zur Einhaltung des Natur- und Landschaftsschutzrechtes anzuhalten, nicht ableiten.

Diese Feststellung steht nicht in Widerspruch zu den Ausführungen des BVerwG in seinem Beschluss vom 13.10.1994, - 7 VR 10.94 -, NVwZ 1995, 379. In dieser Entscheidung gelangt das BVerwG zu der Auffassung, das Eisenbahn-Bundesamt sei aufgrund der ihm durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 BEVVG i.d. Fassung vom 27.12.1993 (BEVVG a.F.) zugewiesenen Eisenbahnaufsicht befugt, gegen die Deutsche Bahn AG zur Durchsetzung der Lärmvorschriften nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz einzuschreiten. Diese Entscheidung ist zu den Vorschriften des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in ihrer Ursprungsfassung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27.12.1993 (BGBl I, S. 2378, 2394 ff., 2396 ff.) ergangen, die keine Definition der Eisenbahnaufsicht enthielten. Die dargestellten Regelungen der §§ 5 Abs. 1, 5a Abs. 1, Abs. 2 AEG wurden erst mit dem zweiten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21.6.2002 (BGBl I, S. 2191) in das allgemeine Eisenbahngesetz aufgenommen. In Ermangelung einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung im allgemeinen Eisenbahngesetz in der Fassung vom 27.12.1993 bezog sich das BVerwG zur Bestimmung des Inhalts der Eisenbahnaufsicht insbesondere auf die Absicht des Gesetzgebers, dem Eisenbahn-Bundesamt die hoheitlichen Aufgaben zu übertragen, die zuvor von der Deutschen Bundesbahn sowie der Deutschen Reichsbahn selbst wahrgenommen wurden.

Vgl. BT-Drs. 12/4609 (neu), S. 57 Nr. 8, S. 91 zu § 3 Abs. 2.

Diese Überlegungen können auf die geänderten Vorschriften des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nicht übertragen werden. Denn der Gesetzgeber hat nunmehr in § 5 Abs. 1 AEG eine ausdrückliche Definition der Eisenbahnaufsicht vorgenommen und in § 5a Abs. 1 und 2 AEG entsprechende Aufgaben- und Befugnisnormen geschaffen.

Vgl. BT-Drs. 14/6929, S. 13 zu Art. 1 Nr. 2 a, S. 14 zu Art. 1 Nr. 3.

Eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamt zum Einschreiten gegen die Klägerin wegen vermeintlicher Verstöße gegen natur- und landschaftsschutzrechtliche Vorschriften lässt sich auch nicht deshalb aus § 5a Abs. 2 AEG ableiten, weil sich die Klägerin für die vom Beklagten beanstandeten Vegetationsmaßnahmen auf ihre Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG beruft, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur in betriebssicherem Zustand zu halten. Zwar gehört § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG zu den Vorschriften, deren Einhaltung das Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen der Eisenbahnaufsicht sicherstellen soll und zu der es die Klägerin auch mittels Ordnungsverfügung anhalten kann. Auf dieser Grundlage fußen die vom Eisenbahn-Bundesamt in der Vergangenheit gegenüber der Klägerin erlassenen Ordnungsverfügungen, bestimmte Rückschnittmaßnahmen vorzunehmen, um etwa die Sicht auf ein Bahnsignal wiederherzustellen. Ungeachtet dessen umfasst die Eisenbahnaufsicht nach dem oben Gesagten nicht die Überwachung, ob die Eisenbahnunternehmen beim Betrieb ihrer Eisenbahnen auch sämtliche sonstigen, nicht unmittelbar dem Eisenbahnrecht zuzurechenden Vorschriften einhalten.

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die durch das Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Regelung der Interoperabilität des transeuropäischen Eisenbahnsystems vom 27.12.2004 (BGBl I, S. 3833) mit Wirkung zum 31.12.2004 vorgenommene Änderung des § 5a Abs. 2 AEG (AEG n.F.). Zwar wird in der nun allgemeiner gehaltenen Vorschrift ("Die Eisenbahnaufsichtsbehörden können gegenüber Eisenbahnverkehrsunternehmen, Eisenbahninfrastrukturunternehmen, Haltern von Eisenbahnfahrzeugen sowie Herstellern und Inverkehrbringern von Infrastruktur, Eisenbahnfahrzeugen oder Teilen derselben die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen anordnen.") auf die Bezugnahme auf die Vorschriften des § 5 Abs. 1 AEG verzichtet. Jedoch muss § 5a Abs. 2 AEG n.F. schon unter systematischen Gesichtspunkten weiterhin als die mit der Aufgabennorm des § 5a Abs. 1 AEG korrespondierende Befugnisnorm angesehen werden, welche ihrerseits ausdrücklich an den Aufsichtsbegriff des § 5 Abs. 1 AEG anknüpft. Zudem lässt auch der Wortlaut der Neufassung "die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen anordnen" die Intention, die Eisenbahnaufsichtsbehörden zu ermächtigen, die Einhaltung auch sämtlicher über die Eisenbahngesetze hinausgehenden Vorschriften beim Eisenbahnbetrieb zu überwachen, nicht erkennen. Vielmehr dient die Neufassung des § 5a Abs. 2 AEG nach der Absicht des Gesetzgebers keiner inhaltlichen Veränderung der Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden, sondern vielmehr der Ausdehnung der Anordnungsbefugnis auf Hersteller und Inverkehrbringer von Eisenbahnfahrzeugen, Infrastruktureinrichtungen und Teilen davon.

Vgl. BT-Drs. 15/3932, S. 8 zu Nr. 2 a.

bb) Auch die Zuständigkeits- und Befugnisnorm des § 2 Abs. 4 Nr. 1 EBO begründet keine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für ein Einschreiten gegen naturschutzwidriges Vorgehen der Klägerin. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 EBO kann das Eisenbahn-Bundesamt für die Eisenbahnen des Bundes Anweisungen zur ordnungsgemäßen Erstellung und Unterhaltung der Bahnanlagen sowie zur Durchführung des sicheren Betriebs erlassen. Zwar mag die allgemeine Formulierung der Vorschrift zunächst ihre weite Auslegung nahelegen. Jedoch kann ihr Anwendungsbereich nicht unabhängig von dem Regelungszusammenhang und hier insbesondere dem Absatz 1 der Vorschrift bestimmt werden. Dieser sieht vor, dass Bahnanlagen den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen müssen, wovon auszugehen ist, wenn sie den weiteren Vorschriften dieser Verordnung und den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Demnach können sich auch die Anweisungen nach Absatz 4 nur auf die Verkehrssicherheit der Bahnanlagen und ihres Betriebs beziehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.1994 - 7 VR 10.94 -, a.a.O., zu Fragen des Lärmschutzes.

Das Eisenbahn-Bundesamt ist daher nach § 2 Abs. 4 EBO zuständig und ermächtigt, die Eisenbahnen - unter Beteiligung der unteren Landschaftsbehörden nach §§ 6 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, 9 Abs. 2 Satz 2 LG NRW - anzuweisen, Bewuchs an Gleisanlagen zu beseitigen, der die Sicherheit des Bahnbetriebs gefährdet. Allerdings bietet § 2 Abs. 4 EBO keine Grundlage für ein Einschreiten des Eisenbahn-Bundesamtes gegen Vegetationsmaßnahmen, die gegen Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzrechtes verstoßen, ohne aber die Sicherheitsbelange des Bahnbetriebes zu beeinträchtigen.

A.A. VG Darmstadt, Beschluss vom 27.8.1996 - 8 G 911/96 (2) -, S. 5 des BA; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.1.2005 - 6 K 1440/04 -, 10 f. des UA.

b) Auch § 4 Abs. 2 Satz 1 AEG kann nicht Grundlage für ein Einschreiten des Eisenbahn-Bundesamtes gegen die Klägerin mit dem Ziel der Durchsetzung der hier in Rede stehenden landesrechtlichen Regelungen des Natur- und Landschaftsschutzrechtes (§ 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 4, 64 Abs. 1 Nr. 2 LG NRW) einschließlich der Verbote der Baumschutzsatzung der Stadt (§ 45 LG NRW i.V.m. § 3 BSchS) sein.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AEG obliegen "Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen, Zulassungen, Genehmigungen und Überwachungen für Errichtung, Änderung, Unterhaltung und Betrieb der Betriebsanlagen und für Schienenfahrzeuge von Eisenbahnen des Bundes aufgrund anderer Gesetze und Verordnungen ... ausschließlich dem Eisenbahn-Bundesamt." Dem Wortlaut dieser Vorschrift lässt sich keine eindeutige Aussage zu der Frage entnehmen, ob die Vorschrift nur eine Zuständigkeitsregel zugunsten des Eisenbahn-Bundesamtes für die Ausführung von Bundesgesetzen trifft oder dieses darüber hinaus zum Vollzug von landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt. Jedoch ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (aa, cc) und der ihr zugrundeliegenden, ebenfalls im Rahmen der Bahnreform neugefassten verfassungsrechtlichen Bestimmungen über das Eisenbahnrecht (bb), dass die Regelung nur im erstgenannten Sinne verstanden werden kann.

A.A. Hamb. OVG, Beschluss vom 6.5.1997 - Bs III 42/97 -, NordÖR 1999, 36 (37).

aa) Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Eisenbahnneuordnungsgesetz wurde die Frage einer ausschließlichen, umfassenden Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes bzw. der Zuständigkeit der jeweiligen Fachbehörden der Länder zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat kontrovers diskutiert. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war zwar von der allgemeinen Vorstellung getragen, die bisherigen hoheitlichen Aufgaben der Deutschen Bundesbahn sowie der Deutschen Reichsbahn sollten zukünftig vom Eisenbahn-Bundesamt wahrgenommen werden.

Vgl. BT-Drs 12/4609 (neu), S. 56 f. Nr. 6, 8.

Allerdings beschränkte sich die Regelung des § 4 AEG im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung in Anlehnung an den mit Inkraftreten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes außer Kraft getretenen § 4 BbG auf die Normierung der Pflicht der Eisenbahnen, ihren Betrieb sicher zu führen und Infrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten.

Vgl. BT-Drs 12/4609 (neu), S. 25 Art. 5 § 4, S. 96 zu § 4.

Erst der Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme die Einfügung eines zweiten Absatzes über die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen und Zulassungen für Betriebsanlagen und Schienenfahrzeuge nach anderen Rechtsvorschriften sowie einen entsprechenden Zusatz in § 3 BEVVG vor, um - wie bisher durch die Regelung des § 38 BbG - die Zuständigkeit der jeweiligen Landesbehörden auszuschließen. Nach § 38 BbG fanden "Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen und Zulassungen durch andere Behörden ... für die Eisenbahnanlagen und Schienenfahrzeuge nicht statt".

Vgl. BT-Drs 12/5014, S. 15 Nr. 38.

Die Bundesregierung stimmte diesem Änderungsvorschlag nicht zu. Die Aufgaben des Eisenbahn-Bundesamtes seien im Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz abschließend geregelt. Von einer umfassenden Übernahme der Regelung des § 38 BbG sei abgesehen worden, weil sich die Verwaltungskompetenz des Eisenbahn-Bundesamtes auf die Eisenbahnverkehrsverwaltung beschränke; damit sei eine generelle Zuständigkeit für Erlaubnisse nach anderen Rechtsvorschriften nicht vereinbar. Eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Eisenbahn-Bundesamtes über die Eisenbahnaufsicht hinaus könne nur durch ausdrückliche Regelungen in den jeweils betroffenen Gesetzen erfolgen.

Vgl. BT-Drs. 12/5014, S. 44 zu Nr. 38.

Seine vorerst endgültige Fassung fand § 4 AEG aufgrund der Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses, der den Wortlaut des Änderungsvorschlags im Wesentlichen übernahm, ohne sich erkennbar mit den unterschiedlichen Rechtsstandpunkten des Bundesrates und der Bundesregierung auseinander zu setzen.

Vgl. BT-Drs. 12/6269, S. 45, 51, 135 zu Art. 3 § 3 Abs. 2 Nr. 6, 138 zu Art. 5 § 4 Abs. 2.

Aufgrund dieser Entstehungsgeschichte der Norm ist nicht erkennbar, dass die Frage der Zuständigkeit für die Vollziehung von Landesgesetzen im Gesetzgebungsverfahren zum Eisenbahnneuordnungsgesetz eindeutig entschieden wurde. Kann demnach eine hinreichend klare Aussage des Gesetzgebers nicht festgestellt werden, zwingt der aus Art. 30 GG folgende Grundsatz, dass Landesgesetze von Landesbehörden ausgeführt werden, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11.4.1967 - 2 BvG 1/62 -, BVerfGE 21, 312 (325 f.), und vom 12.1.1983 - 2 BvL 23/81 -, BVerfGE 63, 1 (40); BVerwG, Urteile vom 3.3.1989 - 8 C 98.85 -, NVwZ-RR 1990, 44 (45), und vom 9.5.2001 - 6 C 4.00 -, NVwZ 2001, 1152; Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Bd. 3, 2001, Art. 83 Rn. 25 f.; Hermes, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. III, 2000, Art. 83 Rn. 29 f., Art. 86 Rn. 20; Schmidt-Bleitreu/Klein, Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 30 Rn. 11; Blümel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrecht, Bd. IV, 1990, § 101 Rn. 11 ff., zu der Auslegung, dass sich die Zuständigkeitsregelung des § 4 Abs. 2 AEG nur auf Bundesgesetze bezieht.

bb) Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der Neufassung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Eisenbahnrechts zugleich eine Ausnahme von diesem Grundsatz normiert hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

(1) Aus der Neuregelung der Gesetzgebungskompetenz für das Eisenbahnwesen in Art. 73 Nr. 6 a GG ergibt sich nicht, dass dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz zu einer von Art. 30 GG abweichenden Regelung der Behördenzuständigkeit für den Vollzug von Landesrecht eingeräumt worden ist. Nach der zum 23.12.1993 in Art. 73 GG eingefügten Nr. 6a hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung für "den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege". Nach der Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung war eine inhaltliche Änderung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Eisenbahnwesen nicht beabsichtigt. Vielmehr sollte durch eine Änderung der Begrifflichkeit 'Eisenbahnen des Bundes' statt 'Bundeseisenbahn' der veränderten Organisationsstruktur der Deutschen Bahn Rechnung getragen werden, die nicht mehr länger als Behörde Bestandteil der bundeseigenen Verwaltung ist, sondern sich aus rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch selbständigen Rechtssubjekten zusammensetzt. Im Übrigen sollte neben dem Gesichtspunkt des (mehrheitlichen) Eigentums des Bundes wie zuvor der Begriff der Eisenbahn (d.h. das Gesamtsystem Rad/Schiene) das Abgrenzungskriterium für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes sein.

Vgl. BT-Drs. 12/5015, S. 5 f. II. zu Art. 1 Nr. 1 b.

Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit der Einfügung einer eigenständigen Regelung über die Gesetzgebungskompetenz für das Eisenbahnwesen in Art. 73 Nr. 6a GG ermächtigt werden sollte, eine von Art. 30 GG abweichende Regelung der Behördenzuständigkeit für den Vollzug von Landesgesetzen zu schaffen, sind nicht erkennbar. Insbesondere hat auch der Bundesrat eine solche Absicht in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung in keiner Weise erkennen lassen.

Vgl. BT-Drs. 12/5015, S. 15 zu Nr. 2.

Eine solche Kompetenz des Bundesgesetzgebers ergibt sich - jedenfalls bezogen auf das hier maßgebliche Naturschutzrecht - auch nicht kraft Sachzusammenhangs mit dem Eisenbahnrecht oder als Annexkompetenz zu diesem. Eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs oder als Annexkompetenz zu der ausdrücklich zugewiesenen Materie ist nur anzunehmen, "wenn eine dem Bund zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird" bzw. wenn der funktionale, unlösbare Zusammenhang der zugewiesenen Materie mit einer weiteren einzelne, die akzessorische Materie betreffende Regelungen erfordert, um die Umsetzung der zugewiesenen Materie sicherzustellen.

Vgl. BVerfG, Rechtsgutachten vom 16.6.1954 - 1 PBvV 2/52 -, BVerfGE 3, 407 (421, 433); Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Bd. 2, 2000, Art. 70 Abs. 1 Rn. 42 ff.; Stettner, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. II, 1998, Art. 70 Rn. 50 ff.; Kunig, in: von Münch/ Kunig, Grundgesetzkommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 70 Rn. 22 ff.

Es ist nicht erkennbar, dass es zur Umsetzung des Eisenbahnrechts in diesem Sinne erforderlich wäre, vom Grundsatz des Art. 30 GG abweichende Regelungen über die Zuständigkeit für den Vollzug landesrechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Natur- und Landschaftsschutzes zu treffen. Die Berührungspunkte des Eisenbahnrechts mit dem Naturschutzrecht unterscheiden sich inhaltlich nicht von denen anderer Regelungsbereiche wie etwa des sonstigen Verkehrsrechts oder des Baurechts, die Lebenssachverhalte betreffen, die ohne die Nutzung von Grund und Boden nicht denkbar sind. Zwar mag die Besonderheit des Eisenbahnwesens, dass ein Eisenbahnbetreiber seine Tätigkeit häufig über den örtlichen Zuständigkeitsbereich zahlreicher Landesbehörden hinaus erstreckt, ein Interesse an einer zentral zuständigen Behörde begründen. Andererseits spricht der Umstand, dass die jeweiligen Landes- und Ortsrechte nicht nur geringfügige Unterschiede aufweisen und auch die Charakteristik der betroffenen Natur- und Landschaftsräume von regionalen Besonderheiten geprägt sind, für eine Zuständigkeit der örtlichen Behörden. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Naturschutzrecht selbst dem Umstand, dass das Bestreben um einen effektiven und deshalb breit angelegten Natur- und Landschaftsschutz zwangsläufig die Umsetzung sonstiger Interessen unter Inanspruchnahme von Grund und Boden tangiert, in materiellrechtlicher und auch verfahrensrechtlicher Hinsicht Rechnung getragen hat. So garantiert die nach § 11 BNatSchG unmittelbar geltende Vorschrift des § 63 BNatSchG, dass die Nutzung von Flächen für besondere öffentliche Interessen - z.B. Flächen, die als wichtige öffentliche Verkehrswege den Zwecken des öffentlichen Verkehrs dienen oder planungsrechtlich dafür ausgewiesen sind (Nr. 3) - nicht wegen naturschutzrechtlicher Belange in ihrem Kern beeinträchtigt wird. Verfahrensrechtlich hat das Naturschutzrecht den Ausgleich der naturschutzrechtlichen Interessen mit möglicherweise gegenläufigen Nutzungsinteressen einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Sicherheitsbelange in der Weise geregelt, dass der allgemeine Schutz von Natur und Landschaft im Rahmen fachrechtlicher Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren sowie hoheitlicher Betätigung den jeweiligen Fachbehörden unter Beteiligung der Landschaftsbehörden anvertraut ist (§ 20 BNatSchG, § 6 Abs. 1 - 3, 6 LG NRW). Im Übrigen haben die Fachbehörden die Landschaftsbehörden bei fachrechtlichen Planungen und Maßnahmen, die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes berühren können, frühzeitig zu unterrichten und anzuhören (§§ 6 Abs. 2 BNatSchG, 9 Abs. 2 LG NRW). Demgegenüber fällt der besondere Schutz von Natur und Landschaft aufgrund von Schutzausweisungen mit Verboten und Befreiungsmöglichkeit sowie der allgemeine Schutz außerhalb besonderer fachrechtlicher Genehmigungs- und Anzeigeverfahren in die originäre Zuständigkeit der Landschaftsbehörden des Landes (§§ 6 Abs. 4, 9 Abs. 1 Nr. 2 LG NRW).

Vgl. zu dieser Differenzierung: BVerwG, Urteil vom 9.5.2001 - 6 C 4.00 -, a.a.O.

Ausreichend gewichtige Gründe, diese durch den Bundesgesetzgeber rahmenrechtlich vorgeprägten und vom Landesgesetzgeber umgesetzten und ausdifferenzierten Zuständigkeits- und Beteiligungsregelungen auf dem Gebiet des Natur- und Landschaftsrechtes für eisenbahnrechtliche Vorhaben und Maßnahmen durch eine umfassende Sonderregelung zugunsten des Eisenbahn-Bundesamtes zu durchbrechen, sind nicht erkennbar.

Etwas anderes lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf das bundesrechtlich geregelte, eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren begründen. Zwar ist das Planfeststellungsverfahren aufgrund der ihm eigenen Konzentrationswirkung mit einer Ersetzung der für Einzelbereiche normierten landesrechtlichen Verfahren und damit auch mit einer Verdrängung landesrechtlicher Genehmigungsvorbehalte - bei Einbeziehung der materiellen Rechtspositionen unmittelbar in das Planfeststellungsverfahren - verbunden. Jedoch lässt sich daraus keine Schlussfolgerung für die hier streitige Frage der grundsätzlichen Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamt für den Vollzug auch von Landesgesetzen ziehen. Nach der oben dargestellten Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung u.a. des Art. 73 GG muss davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgesetzgeber eine inhaltliche Änderung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Eisenbahnwesen nicht vornehmen wollte. Dies rechtfertigt im Hinblick auf die bisherige Ausgestaltung des Eisenbahnrechts (vgl. § 36 BbG) den Schluss, dass sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch auf die Möglichkeit der Normierung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens erstreckt. Dem folgend wurden bereits mit dem Eisenbahnneuordnungsgesetz entsprechende ausdrückliche Regelungen in das Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BEVG a.F.) und das Allgemeine Eisenbahngesetz (§§ 18 ff. AEG) aufgenommen. Es ist dem tradierten Kompetenztitel für die Eisenbahn jedoch nicht eigen, dass darüber hinaus der gesamte Gesetzesvollzug - also auch der von Landesgesetzen - zwingend in die Zuständigkeit einer zentralen Bundesbehörde fällt. Ein solches Verständnis ließe sich auch nicht auf die bisherige Regelung des § 38 BbG stützen. Zwar unterlagen danach die Eisenbahnanlagen und Schienenfahrzeuge nicht der Genehmigung oder Überprüfung anderer Behörden; eine Ermächtigung zum Vollzug anderer Gesetze, insbesondere von Landesgesetzen war damit aber nicht verbunden. Vielmehr hatte die Bundesbahn Bundes- und Landesrecht in eigener Verantwortung zu beachten und war dabei als hoheitlich tätige Bundesbehörde der Überwachung durch andere Behörden entzogen. Mit der Privatisierung der Bahn kann gerade dieser Gesichtspunkt nicht mehr als Wesenselement der Eisenbahn verstanden werden.

(2) Besteht mithin keine Kompetenz des Bundesgesetzgebers, im Rahmen des Eisenbahnrechts auch die Zuständigkeit für den Vollzug des Landesnaturschutzrechts zugunsten einer Bundesbehörde zu regeln, lässt sich eine entsprechende Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes auch nicht unmittelbar aus Art. 87e GG ableiten.

Nach Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung geführt. Das heißt, der Bund führt die Gesetze abweichend von dem Grundsatz des Art. 83 GG, wonach die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, in bundeseigener Verwaltung aus (Art. 86 GG). Allerdings ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis dieser Vorschriften zueinander, die im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes unter der Überschrift "Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung" zusammengefasst sind, dass die bundeseigene Verwaltung grundsätzlich nur die Vollziehung von Bundesgesetzen umfasst. Die Vollziehung von Landesgesetzen ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt und fällt damit nach Art. 30 GG in die Zuständigkeit der Länder.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11.4.1967 - 2 BvG 1/62 -, BVerfGE 21, 312 (325 f.), und vom 12.1.1983 - 2 BvL 23/81 -, BVerfGE 63, 1 (40); BVerwG, Urteile vom 3.3.1989 - 8 C 98.85 -, NVwZ-RR 1990, 44 (45), und vom 9.5.2001 - 6 C 4.00 -, a.a.O.; Trute, a.a.O., Art. 83 Rn. 25 f., Art. 86 Rn. 37; Hermes, a.a.O., Art. 83 Rn. 29 f., Art. 86 Rn. 20; Sachs, Grundgesetz, 2003, Art. 86 Rn. 11; Schmidt-Bleitreu/Klein, a.a.O., Art. 30 Rn. 11; Blümel, a.a.O., § 101 Rn. 11 ff; Studenroth, Kompetenzverteilung und -wahrnehmung im Bereich der Eisenbahnen des Bundes, in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, S. 329 (343 ff.); Buchner, Geänderte Zuständigkeiten für das EBA durch die Novellierung von § 4 Abs. 2 AEG, in: Blümel/ Kühlwetter/Schweinsberg, a.a.O., S. 85 (94 ff.).

Dass sich der Gesetzgeber dieser Grundsätze auch bei der Schaffung des Art. 87e GG im Rahmen der Neustrukturierung des Eisenbahnrechts bewusst war und nicht davon abweichen wollte, ergibt sich aus dem entsprechenden Hinweis in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung, dass in Art. 87e GG das Verhältnis zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Ausführung von Bundesgesetzen geregelt werden solle. Der Bundesrat ist diesem Verständnis in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf nicht entgegen getreten.

Vgl. BT-Drs 12/5015, S. 6 zu Nr. 5, S. 10 f. Nr. 5 - 7.

cc) Andere Rückschlüsse lassen sich auch nicht aus dem Ende 1995 eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des § 4 AEG ziehen. Ziel des Gesetzentwurfes des Bundesrates war es, durch den Austausch der Formulierung "nach Maßgabe anderer Gesetze" durch "aufgrund anderer Gesetze" klarzustellen, dass das Eisenbahn-Bundesamt für eine Ausschöpfung der ihm in § 4 Abs. 2 AEG zugewiesenen Zuständigkeiten keiner Ermächtigung in dem jeweiligen Spezialgesetz bedarf. Darüber hinaus sollte durch eine ausdrückliche Benennung des Brandschutzes in § 4 Abs. 1 AEG als eine von den Eisenbahnen wahrzunehmende Aufgabe zugleich der Streit, ob die Überwachung dieser landesrechtlich geregelten Materie für die Eisenbahnen vom Eisenbahn-Bundesamt oder den örtlichen Landesbehörden wahrzunehmen ist, zugunsten des Eisenbahn-Bundes-amtes geklärt werden.

Vgl. BT-Drs. 13/4386, S. 4 f. A), S. 5 f. B) zu Art. 1 Nr. 2.

Die Bundesregierung hat diesem Gesetzentwurf erneut ihre verfassungsrechtlichen Bedenken zur Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers und zur Verwaltungskompetenz des Bundes entgegengesetzt. Deshalb hat sie eine Aufnahme des landesrechtlich geregelten Brandschutzes in § 4 Abs. 1 AEG abgelehnt und zu der Änderung der Formulierung des § 4 Abs. 2 AEG ausdrücklich klargestellt, dass dieser sich weiterhin nur auf die Ausführung von Bundesgesetzen erstrecke.

Vgl. BT-Drs. 13/4386, S. 7 f. II. 3., 4.

Der Verkehrsausschuss hat sich den verfassungsrechtlichen Bedenken der Bundesregierung angeschlossen. Er hat deshalb in seiner Beschlussempfehlung deren Änderungswünschen hinsichtlich des Brandschutzes Rechnung getragen und auf eine Aufnahme dieses Gesichtspunktes in § 4 Abs. 1 AEG verzichtet. Zu-gleich muss davon ausgegangen werden, dass auch die Übernahme der Formulierung des § 4 Abs. 2 AEG aus dem Gesetzentwurf des Bundesrates auf dem Verständnis beruhte, dass von dieser Regelung ausschließlich die Vollziehung von Bundesgesetzen erfasst wird.

Vgl. BT-Drs. 13/6721, S. 3, S. 4 f. II.

Auch das vom Bundesrat vorrangig im Hinblick auf die Zuständigkeit für den Brandschutz eingeleitete Vermittlungsverfahren hat zu keiner Änderung der in dem Gesetzentwurf des Bundesrates enthaltenen Fassung des § 4 Abs. 2 AEG geführt. Allerdings lässt die hinsichtlich des Brandschutzes gefundene Kompromissformulierung "Sie" - die Eisenbahnen - "sind auch verpflichtet, an Maßnahmen des Brandschutzes und der technischen Hilfeleistung mitzuwirken." (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AEG) erkennen, dass sich auch der Vermittlungsausschuss den verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung landesrechtlich geregelter Sachverhalte in § 4 AEG nicht verschließen konnte. Entsprechend ließ er mit seinem Vorschlag die originäre Zuständigkeit des Landesbehörden für den Brandschutz unangetastet, trug aber dem vom Bundesrat geltend gemachten Bedürfnis, auch eisenbahnspezifischen Gefahren wirksam begegnen zu können, durch eine Verpflichtung der Eisenbahnen zur Mitwirkung an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung Rechnung.

Vgl. BT-Drs. 13/7234 und 13/9421.

2. Die angegriffene Ordnungsverfügung erweist sich jedoch deshalb als rechtswidrig, weil sie dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit aus § 37 Abs. 1 VwVfG NRW nicht genügt. Sie lässt nicht hinreichend klar erkennen, welche Vegetationsmaßnahmen der Klägerin untersagt werden, welche nur einer Anzeigepflicht unterliegen und in welchem Umfang die Klägerin weiterhin Rückschnitt- oder Fällmaßnahmen ohne Beteiligung des Beklagten durchführen darf.

(wird ausgeführt)

3. Die Ordnungsverfügung ist auch materiell rechtswidrig. Der Beklagte geht zwar zu Recht davon aus, dass die Vegetationsmaßnahmen der Klägerin entlang ihrer Bahngleise grundsätzlich dem Natur- und Landschaftsrecht unterliegen (a). Jedoch fehlt es für die Untersagungsverfügung an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage (b).

a) Die Rechtmäßigkeit des naturschutzrechtlichen Einschreitens des Beklagten steht nicht deshalb in Zweifel, weil die naturschutzrechtlichen Ge- und Verbote auf den Bereichen entlang der Gleise der Klägerin keine Geltung beanspruchen oder auf diesen Bereichen jedenfalls nicht von den örtlichen Landschaftsbehörden durchgesetzt werden könnten.

aa) Eine solche Schlussfolgerung kann insbesondere nicht aus § 63 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG gezogen werden. Gemäß § 63 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG ist bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege die bestimmungsgemäße Nutzung von Flächen zu gewährleisten, die als wichtige Verkehrswege ausschließlich oder überwiegend Zwecken des öffentlichen Verkehrs dienen oder in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind. Daraus ergibt sich ein Vorrang der Verkehrsinteressen gegenüber naturschutzrechtlichen Belangen, soweit letztere die bestimmungsgemäße Nutzung des Verkehrswegs in Frage stellen. Diese gesetzgeberische Vorentscheidung ist von den Naturschutzbehörden bei der Vornahme naturschutzrechtlicher Maßnahmen zu beachten; sie sind verpflichtet, die bestimmungsgemäße Nutzung der betroffenen Flächen zu gewährleisten. Allerdings führt dies nicht zu einer allgemeinen Freistellung der privilegierten Flächen und ihrer bevorrechtigten Nutzung von den Vorschriften des Natur- und Landschaftsrechts. Vielmehr unterliegen sie diesen in vollem Umfang, soweit deren Anwendung die bestimmungsgemäße Nutzung nicht beeinträchtigt. Das bedeutet, dass insbesondere das naturschutzrechtliche Verfahrensrecht (z.B. Genehmigungsvorbehalte oder Beteiligungsrechte) auch hinsichtlich dieser Flächen uneingeschränkte Geltung beansprucht. Erst wenn bei Vornahme der konkret beabsichtigten Maßnahme die bestimmungsgemäße Nutzung der Verkehrsfläche nicht mehr gewährleistet werden kann, muss das materielle Naturschutzrecht hinter den Verkehrsinteressen zurücktreten.

Vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, § 63 BNatSchG Rn. 1 - 5; Gassner, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt- Räntsch, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. 2003, § 63 Rn. 4, 9; Lorz/Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl. 2003, § 63 Rn. 1, 7.

Dies gilt auch für die Durchsetzung naturschutzrechtlicher Verbote und Genehmigungsvorbehalte im Wege des ordnungsbehördlichen Einschreitens.

Insofern unterscheidet sich die Regelung des § 63 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG nicht von ihrer bis zum 3.4. 2002 geltenden Vorgängernorm des § 38 Nr. 3 BNatSchG a.F., deren Geltung allerdings auf solche Flächen beschränkt war, die bereits bei Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes im Sinne der Regelung privilegiert genutzt oder beplant waren.

Vgl. zum Regelungsinhalt des § 38 Nr. 3 BNatSChG a.F.: Hess. VGH, Beschluss vom 9.9.1985 - 3 TG 1640/85 -, NVwZ 1986, 675; BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 - 11 A 4.00 -, NVwZ 2001, 562.

bb) Ebenso wenig scheitert der Geltungsanspruch oder die Durchsetzbarkeit des Naturschutzrechts an der Konzentrationswirkung des für den Bau oder die Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen durchzuführenden Planfeststellungsverfahrens (bis 31.12.1993: § 36 BbG, jetzt: §§ 18 ff. AEG). Zwar finden regelmäßig auch naturschutzrechtliche Belange Eingang in das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren; die im Zusammenhang mit der geplanten Anlage zur Vermeidung, zum Ausgleich oder zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft erforderlichen naturschutzrechtlichen Maßnahmen sind gemäß § 20 Abs. 4 BNatSchG i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht (§ 6 Abs. 2 LG NRW) in einem landespflegerischen Begleitplan darzustellen. Erstreckt sich insofern die Genehmigungswirkung des jeweiligen Planfeststellungsbeschlusses auch auf die naturschutzrechtlichen Genehmigungs-, Ausnahme-, Befreiungs- und Eingriffsregelungen, steht dies zukünftigen naturschutzrechtlichen Maßnahmen nur insoweit entgegen, als im Planfeststellungsverfahren eine abschließende Regelung getroffen wurde. Im Übrigen unterliegen auch planfestgestellte Bereiche dem Natur- und Landschaftsrecht. Werden im Rahmen des Betriebs und der Unterhaltung der Bahnanlagen Maßnahmen vorgenommen, die neue Eingriffe in Natur und Landschaft darstellen oder besonders geschützte Landschaftsbestandteile erstmalig gefährden, sind die Verbotstatbestände des Natur- und Landschaftsrechts zu beachten und die erforderlichen Genehmigungen oder Befreiungen einzuholen. Dabei garantiert die Regelung des § 63 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG, dass die bestimmungsgemäße Nutzung der planfestgestellten Bahnanlagen nicht in Frage gestellt wird.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BVerwG vom 22.11.2000, - 11 A 4.00 -, a.a.O.. In dieser Entscheidung bestätigte das BVerwG die Auffassung einer Landschaftsbehörde, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens für den Wiederaufbau und die Erweiterung einer nicht mehr genutzten Gleisanlage nur solche Eingriffe in die Vegetation als ausgleichspflichtig nach § 8 BNatSchG a.F. ansah, die über einen sechs Meter breiten Bereich entlang der Gleise, der aus Sicherheitsgründen von Vegetation freizuhalten sei, hinausgingen. Grund für diese räumliche Beschränkung der Ausgleichspflicht war nicht etwa die Annahme, bestimmte Bereiche der Bahnanlagen unterfielen dem Natur- und Landschaftsschutz grundsätzlich nicht. Vielmehr schied nach Auffassung der beteiligten Landschaftsbehörde die Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen für diesen Bereich im Rahmen des streitbefangenen Planfeststellungsverfahrens deshalb aus, weil die diesen Bereich betreffenden Vegetationsmaßnahmen nicht durch das dem Planvorbehalt unterliegende Neubauvorhaben ausgelöst worden seien, sondern vielmehr allein der (einigungsbedingten) Wiederinbetriebnahme einer Altanlage dienten, für deren Umsetzung es keines Planfeststellungsverfahrens bedurft habe.

b) Die angefochtene Ordnungsverfügung findet in § 14 Abs. 1 OBG und den herangezogenen landschaftsrechtlichen Verbotstatbeständen keine ausreichende Grundlage. Denn die ausgesprochene Untersagung geht über die Verbote aus § 3 BSchS (aa), § 64 Abs. 1 Nr. 2 LG NRW (bb - wird ausgeführt -) und § 6 Abs. 4 LG NRW (cc - wird ausgeführt -) weit hinaus.

aa) (...) Ausgenommen von den Verboten des § 3 BSchS sind nach § 4 BSchS insbesondere Maßnahmen der Verkehrssicherungspflicht an Bäumen an Verkehrsflächen (Nr. 3) (...).

(1) (...)

(2) (...) Zu Unrecht geht der Beklagte davon aus, sämtliche in der Zukunft zu erwartenden Fäll- und Rückschnittarbeiten der Klägerin, die jenseits des Regellichtraumprofils vorgenommen werden und nicht der Beseitigung akuter Gefahren dienen, gingen zugleich über den Rahmen nach § 4 Nr. 3 BSchS zulässiger Maßnahmen der Verkehrssicherungspflicht hinaus.

Die Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten umfasst nicht nur Maßnahmen zur Abwendung akuter und unmittelbarer Gefahren. Der Betreiber einer Verkehrseinrichtung ist vielmehr verpflichtet, die Entstehung und Realisierung der Gefahren, die nach Art des Verkehrs und der erforderlichen Beschaffenheit der Verkehrsmittel typischerweise auftreten oder drohen, durch zumutbare und verhältnismäßige Sicherheitsvorkehrungen und Überwachung soweit wie möglich zu vermeiden. Diese Verpflichtung findet für den Eisenbahnbetrieb ihre spezialgesetzliche Ausprägung in § 4 Abs. 1 AEG und §§ 2 Abs. 1, 17 EBO sowie den weiteren, auf Einzelfragen der Sicherheit der Bahnanlagen, der Fahrzeuge und des Bahnbetriebs bezogenen Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung. Darüber hinaus ist auf die anerkannten Regeln der Technik zurückzugreifen, auf die § 2 Abs. 1 EBO ausdrücklich verweist und die in technischen Regelwerken, aber auch den internen Richtlinien der Eisenbahnen zusammengefasst sind.

Vgl. Pätzold/Wittenberg/Heinrichs/Mittmann, Kommentar zur Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, 4. Aufl. 2001, § 2 Rn. 5 ff.

Zwar enthalten die Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung keine Regelungen über den Bewuchs entlang von Bahngleisen bzw. über die Beschaffenheit des an die Bahngleise unmittelbar angrenzenden Geländes. Jedoch existieren bahninterne Richtlinien über Bepflanzungen an Bahnstrecken (Geschäftsrichtlinie Deutsche Bahn 882.0205), die Überlegungen zu den Abständen zwischen Gleisen und angrenzendem Pflanzenbewuchs sowie dem Verhältnis zwischen Größe der Pflanzen und deren Abstand zum Gleis enthalten. Eine umfassende Auswertung der für die Beurteilung von Sicherheitsbelangen im Zusammenhang mit Pflanzenwuchs entlang der Bahngleise zu berücksichtigenden Gesichtspunkte wird augenblicklich von der Klägerin erarbeitet (Gesamtkonzept Vegetationsmanagement). Darüber hinaus ergeben sich aus verschiedenen Richtlinien Aussagen etwa über die für einen sicheren Bahnbetrieb erforderlichen Sichtverhältnisse (z.B. Richtlinien 815.0031, 819.0203) oder die im Zusammenhang mit Oberleitungsanlagen zur treffenden Sicherheitsvorkehrungen (z.B. DIN EN 50122-1, Richtlinie 997.0104), die Rückschlüsse auf die Gefahren, die vom Bewuchs an Bahngleisen ausgehen können, und die sich daraus ergebenden erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zulassen. Aus der Gesamtheit dieser Vorschriften, Regelwerke und Richtlinien ergeben sich die eisenbahnspezifischen Sicherheitsanforderungen, denen ein Eisenbahnunternehmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten vorausschauend Rechnung zu tragen hat. Mag der Umfang der aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlichen Vegetationsmaßnahmen nicht immer pauschal, sondern häufig nur im Einzelfall zu bestimmen sein, geht er doch jedenfalls über das Freihalten des Regellichtraums von Bewuchs und die Beseitigung von akuten Gefahren hinaus.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 - 11 A 4.00 -, a.a.O., in dem für den aus Sicherheitsgründen von Vegetation vollständig freizuhaltenden Bereich die Annahme eines Mittelwertes von sechs Metern neben den äußeren Gleisen als akzeptabel angesehen wird.

Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass neben der Freiheit des Regellichtraums von Bewuchs etwa die freie Sicht auf Signalanlagen, der Mindestabstand zu Oberleitungsanlagen oder die ungehinderte Begehbarkeit der Gleisanlagen über einen Randstreifen an sämtlichen Gleisstrecken des Streckennetzes der Klägerin dauerhaft sichergestellt sein muss. Dies erfordert sowohl hinreichend weiträumige als auch ausreichend vorausschauende Vegetationsmaßnahmen. Dennoch erstreckt sich die streitbefangene Untersagungsverfügung auch auf solche Maßnahmen.

Ende der Entscheidung

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