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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 8 A 4281/02
Rechtsgebiete: IHKG


Vorschriften:

IHKG § 1
Eine Industrie- und Handelskammer überschreitet den ihr zugewiesenen Aufgabenkreis, wenn sie die Errichtung einer Museumsstiftung dadurch sicherstellt, dass sie einen Kredit in Höhe von 6 Mio. DM als Vorausleistung auf noch einzuwerbende Zustiftungen aus der Wirtschaft gewährt.
Tatbestand:

Die Beklagte, eine Industrie- und Handelskammer, beteiligte sich im Jahre 2000 an der Gründung einer Museumsstiftung für ein bereits bestehendes städtisches Museum. Im Stiftungsvertrag sicherte die Beklagte der Stiftung "als bevollmächtigte Vertreterin der wirtschaftsseitigen Stifter" insgesamt 15.000.000,-- DM in bar zu, und zwar im Jahre 1999 1 Million DM, im Jahre 2000 5 Millionen DM, im Jahre 2001 5 Millionen DM und im Jahre 2002 4 Millionen DM. Die Stiftungsmittel sollten von der Beklagten bei den Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft eingeworben werden. Da einer der Stifter seine Stiftungsbeteiligung von einem Stiftungsbeginn im Jahre 2001 abhängig gemacht hatte und zu diesem Zeitpunkt noch keine ausreichenden Stiftungsmittel von den Unternehmen eingezahlt waren, trat die Beklagte in Vorlage und nahm einen Kredit über 6 Mio. DM auf, den sie bei der Stiftung einzahlte. Die Klägerin, ein Kammermitglied, erhob hiergegen Feststellungsklage mit der Begründung, die Förderung einer Museumsstiftung gehöre nicht zu den Aufgaben einer Industrie- und Handelskammer. Die Klage hatte in 2. Instanz Erfolg.

Gründe:

1. Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig.

a) Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Mit dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag festzustellen, dass die Beklagte nicht zur Aufnahme eines Kredites in Höhe von 6 Mio. DM und Auszahlung an die Museumsstiftung berechtigt war, geht es um die Klärung des konkret zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses, nämlich die Frage, ob die Beklagte mit der Kreditaufnahme den ihr zugewiesenen Aufgabenkreis überschritten hat.

b) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dieses könnte nur dann fehlen, wenn der im Wege des Feststellungsbegehrens geltend gemachte Anspruch der Klägerin offensichtlich und eindeutig nicht zustehen könnte.

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000, - 1 C 29/99 -, BVerwGE 112, 69 m.w.N.

Das ist nicht der Fall. Das einzelne Kammermitglied kann, sollten die Industrie- und Handelskammern über die ihr zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig werden, dem mit einer Unterlassungsklage entgegen treten oder die Feststellung einer Aufgabenüberschreitung im Wege der Feststellungsklage geltend machen.

St. Rspr. des BVerwG, vgl. Urteil vom 19.9.2000, - 1 C 29.99 -, a.a.O.; Urteil vom 21.7.1998, - 1 C 32.97 -, BVerwGE 107, 169.

Der Anspruch gründet auf Verfassungsrecht. Das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt auch davor, durch Zwangsmitgliedschaft von "unnötigen" Körperschaften in Anspruch genommen zu werden. Es darf durch eine Pflichtmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt werden, wenn das entsprechende Gesetz zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört, d.h. in formeller und materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das setzt voraus, dass die Errichtung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und die Inanspruchnahme der Pflichtmitglieder zur Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben erfolgt, dazu geeignet und erforderlich ist und die Grenze der Zumutbarkeit wahrt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.7.1998, - 1 C 32.97 -, a.a.O.

Überschreitet eine Körperschaft ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, greift sie ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG ein. Jeder der Körperschaft Zugehörige kann eine derartige rechtswidrige Ausdehnung seiner Zwangsunterworfenheit mit der verwaltungsgerichtlichen Unterlassungsklage abwehren.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000, - 1 C 29/99 -, a.a.O.

Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht darauf an, ob das einzelne Kammermitglied einen über die Aufgabenüberschreitung hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000, - 1 C 29/99 -, a.a.O.

c) Dass die Aufnahme des Kredites in Höhe von 6 Mio. DM und die Auszahlung an die Museumsstiftung vor Klageerhebung erfolgt sind, steht der begehrten Feststellung nicht entgegen. Der Senat kann offen lassen, ob Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage ein gegenwärtiges oder ein vergangenes, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erledigtes Rechtsverhältnis ist. Denn die Klägerin hat jedenfalls ein qualifiziertes Interesse an der Feststellung der Berechtigung der Beklagten zur Aufnahme und Auszahlung des Kredites.

In Fällen, in denen mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines vergangenen Rechtsverhältnisses begehrt wird, orientieren sich die rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines berechtigten Interesses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an den Anforderungen zum berechtigten Interesse bei der Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.1997 - 1 C 2/95 -, NJW 1997, 2534; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 34; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 43 Rn. 90.

Hiervon ausgehend ist das berechtigte Interesse der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu bejahen. (wird ausgeführt)

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Beklagte hat mit der Aufnahme und Auszahlung eines Kredites bis zur Höhe von 6 Mio. DM zur Vorfinanzierung von Zustiftungen aus der Wirtschaft an die Museumsstiftung den ihr durch § 1 IHKG zugewiesenen Aufgabenkreis überschritten.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 IHKG haben die Industrie- und Handelskammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen; dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. Nach § 1 Abs. 2 IHKG können sie, soweit hier von Belang, Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen.

Die in § 1 Abs. 1 IHKG genannte Aufgabe lässt sich als Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn beschreiben. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Demgegenüber sind die Voraussetzungen enger, unter denen Industrie- und Handelskammern Anlagen oder Einrichtungen begründen, unterhalten oder unterstützen dürfen. § 1 Abs. 2 IHKG lässt dies nur zu, wenn die Anlagen oder Einrichtungen der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen. Hierfür muss die Anlage oder Einrichtung gerade und in erster Linie auf ein spezifisches Interesse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet und von diesem gefordert sein. Mittelbar kann sie auch dem Gemeinwohl zugute kommen. Dient hingegen eine Anlage oder Einrichtung dem allgemeinen Wohl, darf sich eine Industrie- und Handelskammer nicht an ihrer Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung beteiligen. Dies gilt auch, wenn die jeweilige Anlage oder Einrichtung zugleich der gewerblichen Wirtschaft von Nutzen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 1 C 29.99 -, a.a.O; wohl weiter: Frentzel/Jäkel/ Junge, Kommentar zum Kammerrecht des Bundes und der Länder, 6. Aufl., § 1 Rn. 69: es reicht, wenn die Beteiligung der Kammer dem gesetzlichen Förderauftrag dient und dazu beiträgt.

Diese Auslegung des § 1 Abs. 2 IHKG folgt zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Beteiligung an Anlagen oder Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 2 IHKG setzt voraus, dass diese der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige "dienen", also gerade diesen Zweck erfüllen. Demgegenüber ist die Aufgabenbeschreibung in § 1 Abs. 1 IHKG erkennbar weiter ("für die Förderung...wirken").

Zum anderen setzt die mit einer Beitragspflicht verbundene Zwangsmitgliedschaft dem Tätigwerden der Kammer Grenzen. Die Industrie- und Handelskammern sind durch den Staat institutionalisierte, auf die Gesamtbelange der erfassten Wirtschaftszweige ausgerichtete und als Selbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaft organisierte Interessenvertretungen auch und gerade gegenüber dem Staat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.7.1998 - 1 C 32.97 -, a.a.O.

Sie haben die vom allgemeinen öffentlichen Interesse zu unterscheidenden besonderen Interessen der gewerblichen Wirtschaft zu fördern und zu vertreten. Daraus folgt, dass die Industrie- und Handelskammern nicht legitimiert sind, Anlagen und Einrichtungen zu begründen, zu unterhalten und zu unterstützen, die dem (allgemeinen) öffentlichen Interesse dienen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 1 C 29.99 -, a.a.O.

Mit welchen Mitteln die Industrie- und Handelskammern die ihnen gemäß § 1 IHKG gestellte Aufgabe erfüllen, steht in ihrem Ermessen. Der Entscheidungsspielraum der Industrie- und Handelskammern, Anlagen und Einrichtungen zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu begründen, zu unterhalten oder zu unterstützen, schließt die Entscheidungsfreiheit über die jeweilige Organisationsform ein.

Vgl. Jahn, IHK-Wirtschaftsförderung durch Beteiligung an Anlagen und Einrichtungen, GewArch 2001, 146; Tettinger, a.a.O., III 2d, bb.

Auch die Beteiligung an einem Verein oder an einer privatrechtlichen Stiftung, die dem Betrieb einer Einrichtung dient, kann die Begründung, Unterstützung oder Unterhaltung einer Anlage oder Einrichtung darstellen.

Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 1 Rn. 61.

b) Ist Gegenstand der Betätigung der Kammer eine Anlage oder Einrichtung, die in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit dient und nicht ein spezifisches Interesse der gewerblichen Wirtschaft verfolgt, kommt es entscheidend darauf an, ob die Betätigung der Kammer noch als Wahrnehmung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft verstanden werden kann. Ausnahmsweise kann nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auch die Beteiligung an einer auf den Betrieb einer allgemeinen Infrastruktureinrichtung gerichteten Gesellschaft kann nach § 1 Abs. 1 IHKG zulässig sein, sofern die Industrie- und Handelskammer auf diese Weise das ihr obliegende Interesse wirksam zur Geltung bringen kann und feststeht, dass ihre Beteiligung nicht über die Wahrnehmung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft hinausgeht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 1 C 29.99 -, a.a.O.

Dies kann insbesondere bei Maßnahmen zur Vorbereitung des Betriebs ("Anschubphase") der Fall sein, die die Schwelle der - nicht erlaubten, nach § 1 Abs. 2 IHKG zu qualifizierenden - Beteiligung am laufenden Betrieb der Anlage oder Einrichtung noch nicht überschreiten. Eine in diesem Sinne zulässige Tätigkeit mag - ohne dass dies im vorliegenden Verfahren abschließend entschieden werden müsste - auch die Koordination der Entsendung von Kuratoriumsmitgliedern (vgl. § 6 Abs. 2 d der Satzung der Stiftung) und die Förderung und Weiterleitung von Zustiftungen aus der Wirtschaft durch die Beklagte sein, da Personal- oder Sachmittel der Beklagten dabei nur in geringem Maße gebunden werden und die Wirtschaft gleichzeitig ein erhebliches Interesse daran hat, dass ihre im Rahmen des Kultursponsoring erbrachten Anstrengungen die erwünschte Publizität erfahren.

Vgl. BayVGH, Urteil vom 3.4.2001 - 22 B 00.3253 -, GewArch 2001, 235; Jahn, a.a.O., S. 149.

Allerdings ist die in § 1 Abs. 1 IHKG genannte Aufgabe der Industrie- und Handelskammer, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken, kaum exakt eingrenzbar, da sehr viele staatliche und öffentliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000, - 1 C 29.99 -, a.a.O.

Der Rahmen, in dem die Kammer in zulässiger Weise tätig werden darf, richtet sich daher maßgeblich nach dem Interesse der gewerblichen Wirtschaft. Je stärker spezifische Interessen der gewerblichen Wirtschaft berührt sind, desto nachhaltiger kann die interessenwahrende Tätigkeit der Kammer sein. Umgekehrt begrenzt ein geringes Interesse der gewerblichen Wirtschaft an einer bestimmten Maßnahme den zulässigen Umfang und das Gewicht der Betätigung der Kammer entsprechend.

c) Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte zur Aufnahme und Auszahlung eines Kredites an die Museumsstiftung nicht berechtigt. Das Museum dient dem Allgemeinwohl (dazu (1)). Das finanzielle Engagement der Beklagten bei der Errichtung der Stiftung beschränkt sich nicht auf die Interessenvertretung gemäß § 1 Abs. 1 IHKG. Die Kreditaufnahme und -auszahlung durch die Beklagte zur Vorfinanzierung von Zustiftungen aus der Wirtschaft erschöpft sich auch nicht in der Vorbereitung des Stiftungsbetriebs, sondern ist auf die Errichtung der Stiftung und Unterstützung des laufenden Museumsbetriebs gerichtet und stellt deshalb eine unzulässige, außerhalb des Aufgabenkreises der Industrie- und Handelskammern liegende Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 IHKG dar (dazu (2)).

(1) Die Museumsstiftung dient dem allgemeinen Wohl. Nach § 2 ihrer Satzung vom 9.6.2000 erfüllt sie als Teil der Kulturpflege einen Bildungsauftrag. Zweck der Stiftung ist es, den zu Eigentum übertragenen Kunstbesitz zu verwalten und durch Erwerbungen zu erweitern, ihn und die Leihgaben nach museumskundlichen Grundsätzen zu pflegen und sie besonders mit dem Ziel der Volksbildung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit "dient" die Stiftung dem Interesse der Allgemeinheit am Museum und nicht Interessen der gewerblichen Wirtschaft.

(2) Die Aufnahme und Auszahlung eines Kredites über 6 Mio. DM an eine solche im allgemeinen öffentlichen Interesse liegende Stiftung geht über eine zulässige Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft nach § 1 Abs. 1 IHKG hinaus. Die Kreditaufnahme und -auszahlung war keine vorbereitende oder sonst fördernde Maßnahme mehr, mit der die Stiftung die damit verbundene Unterstützung des Museums auf den Weg gebracht wurde. Vielmehr war die Zahlung der Beklagten unmittelbar auf die Errichtung der Stiftung und Unterstützung des Museums gerichtet. Diese Betätigung ist nach § 1 Abs. 2 IHKG zu beurteilen.

Es mag sein, dass die dauerhafte Unterstützung des Museums gemäß § 1 Abs. 1 IHKG im weitesten Sinne noch im Interesse der von der Beklagten vertretenen gewerblichen Wirtschaft liegt. Wie die Beklagte dargelegt hat, sind die sogenannten "weichen Standortfaktoren" wie etwa die kulturelle Infrastruktur von zunehmender Bedeutung. Ein entsprechendes Kultur- und Freizeitangebot und das Bestehen eines über die Stadtgrenzen hinaus bekannten und renommierten Museums erhöhen die Attraktivität einer Stadt. Das kann für Standortentscheidungen von Unternehmen von Bedeutung sein und berührt damit am Rande auch die Belange der gewerblichen Wirtschaft. Daneben mag auch das Kultursponsoring eine Rolle spielen, das dem Ansehen der gewerblichen Wirtschaft dienen und von der Kammer im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit zur Geltung gebracht werden kann.

Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 1 Rn. 13

Die Belange der gewerblichen Wirtschaft sind durch das Museum jedoch allenfalls am Rand berührt. Das setzt dem Tätigwerden der Beklagten enge Grenzen. Die Inanspruchnahme der Pflichtmitglieder ist am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen und darf deshalb nur zur Erfüllung legitimer Aufgaben erfolgen. Welche konkreten Maßnahmen der Beklagten zur Förderung einer Stiftung danach noch als zulässige Interessenwahrnehmung nach § 1 Abs. 1 IHKG anzusehen sein könnten, braucht allerdings nicht entschieden zu werden. Die Aufnahme und Auszahlung eines Kredites in Höhe von 6 Mio. DM geht jedenfalls über das bloße Vorbereiten, Planen oder sonstige Fördern der Museumsstiftung hinaus. Die Errichtung der Stiftung war ohne die Auszahlung der ersten beiden Tranchen in Höhe von 6 Mio. DM durch die Beklagte gefährdet. Das in dieser Höhe zugesicherte und fällige Stiftungskapital war bei der Beklagten noch nicht eingegangen; gleichzeitig hatte ein Stifter seine Stiftungsbeteiligung von einer Errichtung der Stiftung noch im Jahre 2000 abhängig gemacht. Die Beklagte trat deshalb in Vorlage. Mit der Aufnahme des Kredites ging die Beklagte über ihre im Stiftungsvertrag enthaltene Erklärung, der Stiftung "als bevollmächtigte Vertreterin der wirtschaftsseitigen Stifter" 15 Mio. DM zuzusichern, hinaus. Ihre Tätigkeit beschränkte sich nicht mehr auf das ursprünglich geplante Einwerben der Stiftungsmittel bei der gewerblichen Wirtschaft. Die Beklagte ist vielmehr mit der Aufnahme des Kredites eine eigene Zahlungsverpflichtung eingegangen. Gegenüber der Stiftung tritt sie damit selbst wie ein Stifter auf: die Beklagte ist nicht nur am Stiftungsgeschäft beteiligt, sondern hat der Stiftung auch eigene Mittel zur Verfügung gestellt. Dass sie dabei in der Erwartung gehandelt hat, diese Mittel wieder von der Wirtschaft "einwerben" zu können, ist unerheblich. Denn sie konnte nicht hinreichend sicher sein, dass bereits zugesagte Zustiftungen nicht wegen Zahlungsunfähigkeit der Zustifter ausfielen und/oder dass weitere Zustiftungen in ausreichender Höhe gewährt würden, wie nicht zuletzt der den Erwartungen nicht entsprechende bisherige schleppende Spendeneingang belegt. Hinzu kommt, dass die Beklagte mit der Aufnahme eines Kredites über 6 Mio. DM ein - gemessen am geringen Interesse der Wirtschaft an der Förderung des Museums - unverhältnismäßig hohes finanzielles Risiko eingegangen ist. Das zeigt auch der Vergleich mit dem Gesamtvolumen des Haushalts der Beklagten. Es betrug im Jahr 2001 rund 27 Mio. DM. Es kommt deswegen nicht darauf an, ob und wann der aufgenommene Kredit samt Zinsen von den Spendern aus der Wirtschaft getilgt wird. Maßgebend ist, dass die Beklagte selbst Kreditnehmerin ist und folglich auch für die Rückzahlung des Kredites in voller Höhe haftet.

Ende der Entscheidung

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