Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 8 A 4583/06
Rechtsgebiete: LG NRW, BauGB


Vorschriften:

LG NRW § 16
LG NRW § 21
LG NRW § 29
LG NRW § 34
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5
1. Die bauplanungsrechtlichen und die naturschutz- bzw. landschaftsrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für Vorhaben im Außenbereich haben einen je eigenständigen Charakter und sind unabhängig voneinander zu prüfen (wie BVerwG, Urteil vom 13.12.2001 - 4 C 3.01 -).

2. Ein Anspruch auf Erteilung einer landschaftsrechtlichen Ausnahmegenehmigung oder Befreiung für die Errichtung einer Windkraftanlage in einem Landschaftsschutzgebiet folgt nicht daraus, dass der Vorhabenstandort im Flächennutzungsplan als Konzentrationszone für Zwecke der Windkraftnutzung ausgewiesen ist und die Untere Landschaftsbehörde im Verfahren zur Aufstellung des Flächennutzungsplans die Erteilung einer Befreiung in Aussicht gestellt hat.


Tatbestand:

Der Kläger begehrte die Erteilung einer landschaftsrechtlichen Ausnahmegenehmigung oder Befreiung für die Errichtung einer Windkraftanlage. Der Vorhabenstandort liegt im räumlichen Geltungsbereich sowohl eines durch Landschaftsplan festgesetzten Landschaftsschutzgebiets als auch einer durch gemeindlichen Flächennutzungsplan ausgewiesenen Vorrangzone für die Errichtung von Windkraftanlagen. Die gegen die Versagung der landschaftsrechtlichen Ausnahme oder Befreiung gerichtete Verpflichtungsklage stellte der Kläger im Hinblick auf die zum 1.7.2005 in Kraft getretene Rechtsänderung, nach der die Errichtung von Windkraftanlagen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung bedarf, auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren um. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Die Antragsbegründung des Klägers, auf deren Prüfung der Senat im Zulassungsverfahren beschränkt ist, stellt die Annahme des VG nicht in Frage, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung bzw. Befreiung von den Verboten des Landschaftsplans zustand und der Versagungsbescheid des Beklagten rechtmäßig war.

Das VG hat - vom Kläger unbeanstandet - zugrunde gelegt, dass der Standort der geplanten Windkraftanlage im räumlichen Geltungsbereich eines in dem Landschaftsplan festgesetzten Landschaftsschutzgebiets (§ 21 LG NRW) liegt und dass es aufgrund der Festsetzungen des Landschaftsplans in dem streitbefangenen Bereich unter anderem verboten ist, bauliche Anlagen zu errichten. Davon ausgehend hat das VG die landschaftsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu Recht an den diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben des Landschaftsplans, nämlich Ziffer 2.2.V. (Ausnahmen) und Ziffer 2.2.IV. (Befreiungen) in Verbindung mit dem Landschaftsgesetz gemessen und das Vorliegen der danach maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen verneint.

a) Die Auffassung des Klägers, dass ein im Außenbereich privilegiertes Vorhaben, das in einem durch einen Landschaftsplan förmlich unter Schutz gestellten Bereich verwirklicht werden soll, erst dann unzulässig sei, wenn es das Landschaftsbild verunstalte, trifft nicht zu.

Die bauplanungsrechtlich nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhaben einschließlich der von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erfassten Windkraftanlagen sind nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Öffentliche Belange können insbesondere - schon - dann entgegenstehen, wenn das Vorhaben den Darstellungen eines Landschaftsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Das Gleiche gilt, wenn das Vorhaben Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).

Davon ausgehend ist in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt, dass Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege Windkraftanlagen als im Außenbereich privilegierten Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB bereits dann entgegenstehen, wenn das Vorhaben in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu behebender Weise in Widerspruch zu einer gültigen Landschaftsschutzverordnung steht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.2.2000 - 4 B 104.99 -, ZfBR 2000, 428, m. w. N.

Ist der betroffene Bereich hingegen nicht förmlich unter Natur- oder Landschaftsschutz gestellt, ist das Vorhaben unter ästhetischen Gründen dann unzulässig, wenn es das Landschaftsbild verunstalten würde.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.11.2001 - 7 A 4857/00 -, NVwZ 2002, 1135.

Eine allgemeine landschaftsrechtliche Privilegierung solcher Vorhaben, die bauplanungsrechtlich nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind, in dem vom Kläger angenommenen Sinn, dass - erst - eine Verunstaltung des Landschaftsbilds die Versagung der landschaftsrechtlichen Genehmigung rechtfertigt, sieht auch das Landschaftsgesetz nicht vor.

Nach § 34 Abs. 2 LG NRW sind in Landschaftsschutzgebieten nach näherer Bestimmung im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern können oder dem besonderen Schutzgebiet zuwiderlaufen. Von diesem Verbot können gemäß § 34 Abs. 4a LG NRW solche Ausnahmen zugelassen werden, die im Landschaftsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Gemäß der danach maßgeblichen Regelung in Ziffer 2.2.V. Satz 1 des Landschaftsplans erteilt die untere Landschaftsbehörde eine Ausnahme von den allgemeinen und besonderen Verboten für Maßnahmen, die den Schutzzweck nicht beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang trägt der Landschaftsplan der bauplanungsrechtlichen Privilegierung bestimmter Außenbereichsnutzungen Rechnung, indem gesondert bezeichnete, außenbereichstypische Nutzungen, wie etwa die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung, von den Verboten unberührt bleiben (Ziffer 2.2.III. des Landschaftsplans) und geringe Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahme für Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB gestellt werden (Ziffer 2.2.V. Satz 2 des Landschaftsplans). Für die Erteilung einer Befreiung von den Verboten des Landschaftsplans gilt - ohne Differenzierung zwischen privilegierten und nicht privilegierten Außenbereichsnutzungen - § 69 LG NRW (vgl. Ziffer 2.2.IV. des Landschaftsplans).

b) Die Antragsbegründung begründet auch keine Zweifel daran, dass das VG die geplante Errichtung einer Windkraftanlage an dem konkreten Standort zu Recht als erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung im Sinne von Ziffer 2.2.V. des Landschaftsplans gewertet hat, die der Erteilung einer Ausnahme von den Verboten des Landschaftsplans entgegensteht. (Wird ausgeführt.) Davon ausgehend liegen auch die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 69 LG NRW nicht vor. Das Bauverbot führt hier nicht zu einer unbeabsichtigten Härte, sondern entspricht dem Schutzzweck des Landschaftsplans.

c) Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten landschaftsrechtlichen Ausnahmegenehmigung oder Befreiung folgt nicht daraus, dass der Beklagte im Verfahren zur Aufstellung des Flächennutzungsplans für die Gemeinde, der den hier streitbefangenen Bereich als Konzentrationszone für Zwecke der Windkraftnutzung ausweist, keine durchgreifenden landschaftsrechtlichen Bedenken geltend gemacht, sondern ausdrücklich die Erteilung einer Befreiung in Aussicht gestellt hat.

Die bauplanungsrechtlichen und die naturschutz- bzw. landschaftsrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für Vorhaben im Außenbereich haben einen eigenständigen Charakter und sind unabhängig voneinander zu prüfen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2001 - 4 C 3.01 -, NVwZ 2002, 1112; OVG NRW, Urteil vom 5.9.2006 - 8 A 1971/04 -, NWVBl. 2007, 156.

Der im vorliegenden Fall zu Tage getretene inhaltliche Widerspruch zwischen dem gemeindlichen Flächennutzungsplan und der landschaftsrechtlichen Bewertung führt hier nicht dazu, dass die landschaftsrechtliche Genehmigung unabhängig von den gesetzlichen bzw. im Landschaftsplan geregelten Voraussetzungen zu erteilen wäre.

Derartiges ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere nicht aus § 16 Abs. 2 Satz 2 LG NRW. Nach dieser Vorschrift haben die Träger der Landschaftsplanung die Darstellungen der Flächennutzungspläne in dem Umfang zu beachten, wie sie den Zielen der Raumordnung entsprechen. Hierdurch wird die Wirksamkeit der hier maßgeblichen Schutzgebietsausweisung nicht in Frage gestellt, weil der Landschaftsplan zeitlich vor dem Flächennutzungsplan erlassen wurde. Dieser Fall wird von § 29 Abs. 4 Satz 1 LG NRW erfasst, wonach bei der Aufstellung, Änderung und Ergänzung eines Flächennutzungsplans im Geltungsbereich eines Landschaftsplans widersprechende Darstellungen und Festsetzungen des Landschaftsplans mit dem In-Kraft-Treten des entsprechenden Bebauungsplans oder einer Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB außer Kraft treten, soweit der Träger der Landschaftsplanung im Beteiligungsverfahren diesem Flächennutzungsplan nicht widersprochen hat.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.11.2000 - 8 A 2720/98 -, NWVBl. 2001, 234, und vom 23.8.2007 - 7 D 71/06.NE -, juris Rn. 46.

Dass diese Voraussetzungen hier gegeben sein könnten, legt die Antragsschrift nicht dar.

Ist demnach davon auszugehen, dass das landschaftsrechtliche Verbot, bauliche Anlagen zu errichten, auch im Bereich der im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone gilt, stellt dies allenfalls die Wirksamkeit des Flächennutzungsplans in Frage, soweit dieser sich die Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beimisst. Denn der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss sich auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte erstrecken.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287, vom 13.3.2003 - 4 C 3.02 -, NVwZ 2003, 1261, und vom 13.3.2003 - 4 C 4.02 -, BVerwGE 118, 33, sowie Beschluss vom 12.7.2006 - 4 B 49.06 -, ZfBR 2006, 679.

Davon ausgehend ist die Auswahl einer Konzentrationszone, die in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, nur dann frei von Abwägungsmängeln, wenn die Erteilung einer landschaftsrechtlichen Ausnahme oder Befreiung in Betracht kommt. Eine entsprechende Stellungnahme der unteren Landschaftsbehörde im Planaufstellungsverfahren stellt dabei aber lediglich ein - wenn auch regelmäßig gewichtiges - Indiz dar. Materiell rechtmäßig ist der Bauleitplan jedoch nur, wenn eine Befreiungslage objektiv gegeben ist, d. h. wenn seine Verwirklichung nicht an unüberwindbaren (landschafts-) rechtlichen Hindernissen scheitern muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287, und Beschluss vom 25.8.1997 - 4 NB 12.97 -, NVwZ-RR 1998, 162.

Fehlt eine solche Befreiungslage objektiv, ist selbst eine "verbindlich" in Aussicht gestellte Änderung der landschaftsrechtlichen Unterschutzstellung unerheblich.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.10.1999 - 4 C 1.99 -, BVerwGE 109, 371.

Welche Konsequenzen dies für die Wirksamkeit des Flächennutzungsplans der Gemeinde hat, bedarf im vorliegenden landschaftsrechtlichen Verfahren keiner Entscheidung.

Ende der Entscheidung

Zurück