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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.06.2002
Aktenzeichen: 8 B 636/02
Rechtsgebiete: FahrlG


Vorschriften:

FahrlG § 2 Abs. 1
FahrlG § 8 Abs. 2
Ein Fahrlehrer, der Fahrschülerinnen verbal und körperlich sexuell belästigt, begeht eine gröbliche Pflichtverletzung im Sinne des § 8 Abs. 2 FahrlG, die zum Widerruf der Fahrlehrerlaubnis berechtigt.
Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich gegen den vom Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügten Widerruf der ihm erteilten Fahrlehrerlaubnis. Wegen sexueller Belästigung zweier Fahrschülerinnen war er wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen hatte er einer Fahrschülerin während der Fahrstunde u.a. an die Brust gefasst und ihre Hand auf sein Geschlechtsteil gelegt. Einer anderen Fahrschülerin hatte er während mehrerer Fahrstunden an die Geschlechtsorgane gefasst und sie verbal bedrängt. Der auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtete Antrag des Antragstellers hatte in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg.

Gründe:

Das VG hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an rascher Durchsetzung des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis fällt zu Lasten des Antragstellers aus.

Die angefochtene Verfügung leidet nicht an offensichtlichen Rechtsfehlern, die das öffentliche Interesse an ihrem sofortigen Vollzug von vornherein ausschließen würden. Es spricht vielmehr nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung vieles dafür, dass der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 FahrlG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 24.4.1998, BGBl. I S. 747. Hiernach ist die Fahrlehrerlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die den Inhaber der Erlaubnis für die Tätigkeit eines Fahrlehrers als unzuverlässig erscheinen lassen. Unzuverlässig ist er insbesondere dann, wenn er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach dem Fahrlehrergesetz obliegen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 FahrlG), also solche Pflichten, die ihm im Zusammenhang mit der Ausbildung von Fahrschülern auferlegt sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründenden Tatsachen ergeben sich aus dem seiner strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt. Die strafgerichtlich festgestellten sexuellen Übergriffe auf zwei Fahrschülerinnen rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsteller die für die Tätigkeit als Fahrschullehrer notwendige Zuverlässigkeit nicht besitzt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Antragsteller noch während der Dauer des strafgerichtlichen Verfahrens eine weitere Fahrschülerin sexuell belästigt hat. Auch wenn die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht bindend sind, steht ihre Richtigkeit mit der für das vorliegende einstweilige Rechtsschutzverfahren erforderlichen Gewissheit fest. Das Strafurteil beruht ausweislich der beigezogenen Strafakte des Antragstellers auf umfangreichen Beweisaufnahmen. Mit den sexuellen Übergriffen auf zwei Fahrschülerinnen hat der Antragsteller seine Berufspflicht zur gewissenhaften Ausbildung seiner Fahrschüler gröblich verletzt. Er hat die mit seiner Ausbildungsfunktion verbundene Autorität dahingehend ausgenutzt, dass er an Fahrschülerinnen während des Unterrichts - zum Teil, während diese das Schulungsfahrzeug steuerten - sexuelle Handlungen vornahm.

Der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis erweist sich nicht als unverhältnismäßig. Der Antragsteller hat wiederholt Fahrschülerinnen verbal und körperlich erheblich sexuell belästigt. Eine Wiederholung dieser Übergriffe wäre auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Die Übergriffe in der Vergangenheit belegen, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, seinen Geschlechtstrieb zu kontrollieren. Auch das Beschwerdevorbringen vermag die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs nicht in Frage zu stellen. Selbst wenn die Vorwürfe der Fahrschülerin G. nicht zuträfen und der Antragsteller nach den abgeurteilten Taten tatsächlich keine weiteren Fahrschülerinnen belästigt hätte, ergäbe sich keine für ihn günstigere Zuverlässigkeitsprognose. Dieses Wohlverhalten hätte der Antragsteller erst unter dem Druck des Strafverfahrens und des gegen ihn eingeleiteten Widerrufsverfahrens gezeigt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der Widerruf auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Antragsteller nicht wegen sexueller Nötigung, sondern "nur" wegen Beleidigung strafrechtlich verurteilt wurde. Denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs kommt es nicht auf die strafrechtliche Einordnung seiner Verfehlungen an. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die festgestellten Taten als Verstöße gegen die ihm als Fahrlehrer obliegenden Berufspflichten zu werten sind. Dies ist beim Antragsteller aus den zuvor genannten Gründen der Fall. Mildere Maßnahmen als der verfügte Widerruf kommen nicht in Betracht. Ein teilweiser, lediglich die praktische Ausbildung betreffender Widerruf der Fahrlehrerlaubnis ist rechtlich ausgeschlossen. Nach § 8 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 FahrlG ist bei nachträglichem Eintritt der Unzuverlässigkeit die Fahrlehrerlaubnis zu widerrufen. Diese ist nicht teilbar. Sie berechtigt nach § 1 Abs. 1 bis 3 FahrlG sowohl zur Durchführung des allgemeinen Teils des theoretischen Unterrichts als auch zur praktischen Ausbildung.

Vgl. Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 5. Aufl. 1991, § 1 Rn. 1. ...

Überwiegende oder gleich gewichtige Interessen des Antragstellers stehen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis nicht gegenüber. Namentlich wirtschaftliche Interessen des Antragstellers rechtfertigen nicht die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsteller, dessen Fahrschulerlaubnisse für seine drei Fahrschulen nicht widerrufen wurden, kann den Betrieb seiner Fahrschulen dadurch aufrechterhalten, dass er andere Fahrlehrer einstellt. Selbst wenn der Widerruf seine wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohen würde, hätte das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers gegenüber dem öffenlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen. Das öffentliche Interesse an einem effektiven Schutz der Allgemeinheit davor, dass der Antragsteller unter Ausnutzung seiner Fahrlehrertätigkeit zukünftig weitere sexuelle Handlungen an Fahrschülerinnen vornimmt, überwiegt seine privaten Interessen. Der Antragsteller hat die für ihn wirtschaftlich nachteiligen Folgen des Widerrufs durch eigenes persönliches Fehlverhalten verursacht.

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