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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.06.2003
Aktenzeichen: 8 B 720/03
Rechtsgebiete: GG, LV NRW


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1
LV NRW Art. 16
Hochschule und Dienstherr können das Auswahlverfahren für die Besetzung eines Lehrstuhls an einer Universität jederzeit aus sachlichen Gründen beenden; dies berührt weder die Rechtsstellung der Bewerber um die ausgeschriebene Stelle noch diejenige des mit der Lehrstuhlvertretung betrauten Hochschulangehörigen.
Tatbestand:

Der Antragsteller ist akademischer Oberrat und außerplanmäßiger Professor an der beigeladenen Universität und dort einem C 4 - Lehrstuhl im Fachbereich Elektrotechnik zugeordnet. Zwei Jahre vor der Emeritierung des bisherigen Stelleninhabers wurde die Stelle als Professur mit der Bezeichnung "Integrierte Schaltungen" erstmalig ausgeschrieben; der einzige auf der Berufungsliste platzierte Bewerber verfolgte seine Bewerbung wegen erfolgreicher Bleibeverhandlungen jedoch nicht weiter. Eine erneute Ausschreibung führte zur Aufstellung einer Berufungsliste mit drei Bewerbern, darunter auf Platz 2 der Antragsteller. Nachdem der Erstplatzierte den an ihn ergangenen Ruf nicht angenommen und das Ministerium für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung eine Berufung des Antragstellers abgelehnt hatte, weil die Voraussetzungen für eine Hausberufung nicht vorlägen, wurde die Stelle ein weiteres Mal ausgeschrieben. Diesmal wurde der Antragsteller auf Platz 1 der Berufungsliste gesetzt; dem Berufungsvorschlag waren vergleichende Gutachten beigefügt, die die von der Berufungskommission vorgeschlagene Reihung stützten. In einem weiteren, vom Ministerium eingeholten vergleichenden Gutachten wurde die Reihung der Berufungsliste als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Nach zustimmender Stellungnahme der Fakultät wurde deshalb an den zweitplatzierten Bewerber ein Ruf erteilt; dieser lehnte den Ruf nach zunächst erfolgreichem Abschluss der Berufungsverhandlungen jedoch ab. Die vom Ministerium daraufhin geäußerte Absicht, nunmehr den Drittplatzierten der Berufungsliste zu berufen, wurde nicht verwirklicht, weil letzterer nicht mehr zur Verfügung stand. Daraufhin forderte das Ministerium die beigeladene Universität auf, einen Vorschlag für eine Umwidmung der Professur zu unterbreiten, da diese mit der bestehenden Widmung nicht besetzt werden könne. Dies führte dazu, dass das Rektorat der Beigeladenen auf Antrag der Fakultät für Elektrotechnik die Professur "Integrierte Schaltungen" in "Monolithische Systemintegration" umwidmete und ein Stellenbesetzungsverfahren für diese Professur einleitete.

Der Antragsteller legte Widerspruch gegen die Übergehung seiner Person bei der Stellenbesetzung ein und beantragte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen das Land Nordrhein-Westfalen, die Beigeladene anzuweisen, ein Wiederbesetzungsverfahren für die umgewidmete Professur "Monolithische Systemintegration" nicht durchzuführen, hilfsweise das bereits eingeleitete Besetzungsverfahren zu beenden. Der Antrag hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Das VG hat den Antrag, das Besetzungsverfahren für den Lehrstuhl "Monolithische Systemintegration" nicht durchzuführen bzw. nach Eröffnung zu beenden, zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis u.a. dann treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch darauf zusteht, dass der Antragsgegner das Verfahren zur Besetzung des Lehrstuhls "Monolithische Systemintegration" durch geeignete Maßnahmen beendet. Nach Auffassung des Antragstellers ergibt sich dieser Anspruch daraus, dass eine Umwidmung der C 4 - Professur "Integrierte Schaltungen" in "Monolithische Systemintegration" wirksam nicht erfolgt und infolgedessen das durch Ausschreibung vom August 1999 eröffnete Besetzungsverfahren für die Stelle "Integrierte Schaltungen" noch nicht beendet sei. Im Kern macht der Antragsteller damit geltend, dass ein Lehrstuhl mit der Bezeichnung "Monolithische Systemintegration" nicht verfügbar sei - und deshalb auch kein Besetzungsverfahren für einen solchen Lehrstuhl durchgeführt werden dürfe -, weil der Lehrstuhl mit der Bezeichnung "Integrierte Schaltungen" noch besetzbar und rechtsfehlerfrei allein mit dem Antragsteller zu besetzen sei. Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen.

Unzutreffend ist - unabhängig von der Frage, ob die Umwidmung des Lehrstuhls "Integrierte Schaltungen" rechtsfehlerhaft war oder nicht - schon die Annahme, dass das Besetzungsverfahren für die Professur mit der Bezeichnung "Integrierte Schaltungen" noch offen sei. Dem Verhalten aller an dem Besetzungsverfahren Beteiligter - mit Ausnahme des Antragstellers - lässt sich vielmehr entnehmen, dass sowohl der Rektor der Beigeladenen und der Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik als auch der Antragsgegner dieses Verfahren für abgeschlossen halten, ohne dass dagegen rechtlich etwas zu erinnern wäre. Der Antragsgegner hat der Beigeladenen nach dem Scheitern der Berufungsverhandlungen mit dem zweitplatzierten Bewerber und im Hinblick darauf, dass der drittplatzierten Bewerber nicht mehr zur Verfügung stand, durch Schreiben vom 6.9.2001 mitgeteilt, er gehe davon aus, dass die Professur "Integrierte Schaltungen" mit dieser Widmung nicht besetzt werden könne und zu einer Umwidmung aufgefordert. Dieses Schreiben ist zugleich als Erklärung der Beendigung des Besetzungsverfahrens für den Lehrstuhl "Integrierte Schaltungen" zu verstehen. Der Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik hat dies - obwohl er nach dem Scheitern der Berufungsverhandlungen mit dem zweitplatzierten Bewerber und trotz des zuvor erteilten Einverständnisses, einen Ruf an diesen zu erteilen, dafür geworben hatte, nunmehr einen Ruf an den Antragsteller zu erteilen - akzeptiert und infolgedessen die Umwidmung des Lehrstuhls betrieben und das Stellenbesetzungsverfahren für die Professur "Monolithische Systemintegration" eröffnet. Dieses Verhalten ist - ebenso wie die Mitwirkung der Beigeladenen an der Umwidmung der Professur - ebenfalls als Erklärung zu verstehen, dass an dem mit der Ausschreibung im August 1999 in Gang gesetzten Besetzungsverfahren nicht mehr festgehalten werden solle.

Steht mithin fest, dass der Antragsgegner, der Rektor der Beigeladenen und der Fachbereich das Besetzungsverfahren beendet haben, ist es dem Antragsteller aus Rechtsgründen verwehrt, dieses Verfahren gleichwohl weiter zu betreiben; ein Anspruch auf Weiterführung dieses Verfahrens steht ihm entgegen seiner Auffassung nicht zu. Nach der Rechtsprechung der VGe darf ein Stellenbesetzungsverfahren jederzeit abgebrochen werden. Der Abbruch berührt grundsätzlich nicht die Rechtsstellung der Bewerber; die einem Hochschulangehörigen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermittelte und gewährleistete Rechtsstellung ändert daran nichts, da sie nur nach Maßgabe der ihm jeweils übertragenen dienstlichen Verpflichtungen gewährleistet ist und deshalb zwar im Rahmen des bei einer Stellenbesetzung gegebenen Auswahlermessens, nicht aber bei der Entscheidung über den Abbruch eines Auswahlverfahrens zu beachten ist.

BVerwG, Urteil vom 22.7.1999 - 2 C 14.98 -, NVwZ-RR 2000, 172; ebenso für das allgemeine Beamtenrecht: BVerwG, Urteil vom 25.4.1996 - 2 C 21.95 -, BVerwGE 101, 112; VG Wiesbaden, Urteil vom 20.3.1995 - 8/V E 844/93 -, NVwZ-RR 1996, 207; ferner Reich, HRG, 8. Auflage, § 45 Rz. 3 (S. 395).

Ob diese Grundsätze für den Fall einer Modifizierung bedürfen, dass ein Stellenbesetzungsverfahren rechtsmissbräuchlich abgebrochen wird, etwa um die Berufung eines aus unsachlichen Gründen "unerwünschten" Bewerbers zu verhindern, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn sachliche Gründe für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens lagen vor; im Einzelnen verweist der Senat hierzu auf den allen Beteiligten bekannten Beschluss des VG im Verfahren 4 L 2481/02 (8 B 719/03). Im Übrigen musste das Stellenbesetzungsverfahren für die Professur "Integrierte Schaltungen" schon deshalb abgebrochen werden, weil sich das Anforderungsprofil durch die Umwidmung in "Monolithische Systemintegration" geändert hatte.

OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 13.2.2002 - 2 B 11845/01.OVG -, WissR 35 (2002), 283; BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 - DÖD 2001, 279 f.; Epping, Die Rechtsstellung des Berufenen, WissR 28 (1995), 211 (221 f.).

Auf die Frage, wann diese Umwidmung wirksam geworden ist, kommt es in dem vorliegenden Eilverfahren nicht an. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Umwidmung rechtswidrig gewesen sein könnte, insbesondere in willkürlicher Weise der Umgehung einer Berufung des Antragstellers auf den Lehrstuhl gedient haben könnte, bestehen, wie der Senat in dem Parallelverfahren 8 B 719/03 durch Beschluss vom heutigen Tage ausgeführt hat, trotz der unzweifelhaften Qualifikation des Antragstellers nicht.

Ende der Entscheidung

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