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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.11.2009
Aktenzeichen: 9 A 2398/08
Rechtsgebiete: AbfG, UmweltHG, FSHG


Vorschriften:

AbfG § 5
UmweltHG § 1
FSHG § 41 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2
1. Auch nach der Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und der damit verbundenen Aufhebung des § 5 AbfG haftet der Betreiber von Anlagen, welche der Lagerung oder Behandlung von Autowracks dienen, nach § 1 UmweltHG i. V. m. Ziff. 77 der Anlage 1 für von der Anlage ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen.

2. Die Haftung nach § 41 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 FSHG i. V. m. § 1 UmweltHG setzt nicht voraus, dass der Schaden während der Zeiten entsteht, zu denen auf einer in Betrieb befindlichen Anlage tatsächlich Arbeiten stattfinden.


Tatbestand:

Der Kläger, Inhaber einer Autoverwertungsanlage, wehrte sich gegen einen Kostenbescheid für einen Feuerwehreinsatz. Anlässlich eines Brandes auf dem Betriebsgelände des Klägers hatten Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr des Beklagten einen Großalarm ausgelöst. Die Kosten dieses Einsatzes verlangte der Beklagte aufgrund seiner Feuerwehrsatzung i. V. m. § 1 UmweltHG von dem Kläger. Der Kläger wandte ein, es fehle schon an einer Rechtsgrundlage für eine Gefährdungshaftung. Jedenfalls lägen aber die Voraussetzungen für eine Haftung nicht vor, weil das Feuer an einem Sonntagmorgen und daher nicht bei dem Betrieb seiner Anlage entstanden sei. Darüber hinaus sei der Großalarm nicht erforderlich gewesen. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

1. Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass Ziff. 77 der Anlage 1 zu § 1 UmweltHG Grundlage für eine Gefährdungshaftung des Klägers sein kann. Diese Ziffer beansprucht auch nach der Neuordnung der abfallrechtlichen Vorschriften und Aufhebung des § 5 AbfG Geltung. § 5 AbfG kam hinsichtlich der Frage, für welche Anlagen eine Gefährdungshaftung in Betracht kommt, gegenüber Ziff. 77 kein eigener Regelungsgehalt zu. In § 5 Abs. 1 AbfG fand sich neben der wortgleichen Definition "Anlagen, die der Lagerung oder Behandlung von Autowracks dienen" lediglich die allein für das Abfallrecht relevante Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über Abfallentsorgungsanlagen. § 5 Abs. 2 AbfG bezog sich nicht auf Anlagen, sondern auf einzelne Kraftfahrzeuge und Anhänger und deren Einstufung als Abfall. Vor diesem Hintergrund hat die Aufhebung des § 5 AbfG für das Verständnis der Ziff. 77 der Anlage 1 zu § 1 UmweltHG keine Konsequenzen. Für den Betreiber einer Anlage, die der Lagerung oder Behandlung von Autowracks dient, bleibt auch nach Aufhebung des § 5 AbfG ohne weiteres erkennbar, dass seine Anlage eine solche i. S. d. Nr. 77 ist und damit dem Umwelthaftungsgesetz unterfällt. Ebenfalls unerheblich ist es für die Frage der Umwelthaftung einer Autoverwertungsanlage, dass sich die abfallrechtliche Einstufung von Autowracks, wie der Kläger geltend macht, nach Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes geändert hat. Entscheidend ist, dass sich die Behandlung von Anlagen, die der Lagerung oder Behandlung von Autowracks dienen, sowohl nach altem als auch nach neuem Recht nach abfallrechtlichen Vorschriften richtete bzw. richtet.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Gefährdungshaftung nach § 1 UmweltHG nicht ausgeschlossen, weil der Brand außerhalb der "Betriebszeiten" der Autoverwertungsanlage an einem Sonntagmorgen entstanden ist. Weder § 41 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung NRW (FSHG) noch § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 der Satzung über die Erhebung von Gebühren und Kostenersatz für die Leistungen der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt vom 12.12.1990 (Feuerwehrsatzung) setzen voraus, dass der Schaden während der Zeiten entsteht, zu denen auf der Anlage tatsächlich Arbeiten stattfinden. Aus der von dem Kläger herangezogenen Regelung des § 41 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 1 FSHG bzw. aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 1 Feuerwehrsatzung lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Die dort genannten Fälle sind schon nicht mit der Haftung für Anlagen nach dem Umwelthaftungsgesetz vergleichbar, wie § 2 UmweltHG zeigt. Danach kommt eine Haftung sogar für nichtbetriebene, d. h. noch nicht fertiggestellte bzw. nicht mehr betriebene Anlagen in Betracht. Dieser Vorschrift lässt sich zugleich entnehmen, dass für die Frage, ob eine Anlage i. S. d. UmweltHG "in Betrieb" ist, nicht die konkreten Arbeits- oder Öffnungszeiten, sondern die Inbetriebnahme und -haltung der Anlage maßgeblich sind. Ungeachtet dessen war die Autoverwertungsanlage des Klägers schon deshalb auch an dem fraglichen Sonntagmorgen "im aktiven Betrieb", weil der Betrieb einer solchen Anlage nicht nur die Bearbeitung, sondern auch die Lagerung der Autowracks umfasst.

3. Das Zulassungsvorbringen stellt die Annahme des VG, der Feuerwehreinsatz sei rechtmäßig gewesen und der Beklagte habe das ihm im Hinblick auf die Höhe des Kostenansatzes eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, nicht durchgreifend in Frage. Der Kläger meint, dass der Einsatz der Fahrzeuge und Feuerwehrleute überdimensioniert gewesen sei und der Beklagte deshalb die Kostenersatzforderung hätte reduzieren müssen. Der Kläger hat aber schon die behauptete Überdimensionierung des Einsatzes nicht dargelegt.

Dass sich der Brandherd in Bezug auf seine Fläche als ausgesprochen klein darstellte, ist eine nicht näher substantiierte oder belegte Behauptung. Der Kläger verweist insoweit lediglich darauf, dass nach dem Einsatzbericht 30 zum Teil dreifach übereinander gestapelte Autowracks in Brand geraten seien. Das allein rechtfertigt aber nicht seinen Schluss, es habe sich "im Wesentlichen um zehn dicht nebeneinander stehende Autowracks" gehandelt. Die Frage, ob ein Brand die Auslösung eines Großalarms rechtfertigt, kann außerdem nicht nur mit Blick auf seine flächenmäßige Ausbreitung beantwortet werden. Diese ist neben der betroffenen Örtlichkeit und der Art der in Brand geratenen Stoffe nur eines von vielen Kriterien, die bei einer solchen Entscheidung abzuwägen sind.

Für die Annahme des Klägers, das Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Lagerbereiche sowie die Tennishalle hätte auch ein einzelner Löschzug verhindern können bzw. ein solches Übergreifen habe nicht ernsthaft gedroht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Seine nicht näher fundierte Behauptung, die Bekämpfung des eigentlichen Brandherdes sei aufgrund der kleinen Brandfläche nicht vordringlich gewesen, rechtfertigt diese Annahme schon vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht. Abgesehen davon sind im Einsatzbericht detailliert die verschiedenen Maßnahmen beschrieben, die zur Brandbekämpfung vorgenommen worden sind. Der Kläger legt weder dar, aus welchen Gründen diese Maßnahmen entbehrlich waren, noch, dass sie ohne weiteres von einem einzelnen Löschzug hätten bewältigt werden können.

Dass in dem Einsatzbericht nicht hervorgehoben wird, welche Aktivitäten der vierte Löschzug entfaltet hat, lässt für sich genommen noch nicht den Schluss zu, er habe bei der Brandbekämpfung nicht mitgewirkt. Ob die Mitwirkung des vierten Löschzuges "unabdingbar" war, ist im Übrigen nach den von dem Kläger nicht angegriffenen Ausführungen des VG, wonach eine Kostenreduzierung (nur) bei "offensichtlicher Überdimensionierung" eines Einsatzes in Betracht kommt, nicht maßgeblich. Die Feststellung des VG, dass die Fahrzeuge und die Besatzungen alle über eine längere Zeitdauer im Einsatz gewesen sind, stellt der Kläger ebenfalls nicht durchgreifend in Frage. Das VG hat sich insoweit nicht auf den Einsatzbericht, sondern auf die in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Aufstellungen über die Einsatzzeiten gestützt. Gegen diese Aufstellungen richtet sich das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.

Ende der Entscheidung

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