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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.08.2009
Aktenzeichen: 9 A 359/07
Rechtsgebiete: WasEG NRW


Vorschriften:

WasEG NRW § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2.Var.
Die Wasserentnahme ist nur dann nach § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2.Var. WasEG NRW entgeltfrei, wenn nach der wasserrechtlichen Bescheidlage Zweck der dauerhaften Grundwasserabsenkung das Gemeinwohl ist.
Tatbestand:

Die Klägerin entnimmt auf der Grundlage eines wasserrechtlichen Bescheids Grundwasser. Dieses liefert sie an Industrieunternehmen, die es u. a. als Brauchwasser verwenden. Die Beklagte setzte für das Veranlagungsjahr 2004 eine Vorauszahlung für die Entnahme von Wasser fest. Die Klägerin wandte hiergegen ein, ein Wasserentnahmeentgelt dürfe nicht erhoben werden, weil die durch die Grundwasserentnahme bewirkte Grundwasserabsenkung eine dauerhafte Absenkung im Gemeinwohlinteresse darstelle. Das VG wies die Klage ab. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die von der Klägerin entnommene Wassermenge stellt sich im Jahr 2004 nicht als eine gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG entgeltbefreite dauerhafte Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse dar. Im Gemeinwohlinteresse liegen nach der Vorstellung des Gesetzgebers solche Grundwasserabsenkungen, die zum Schutze der Wohnbevölkerung und baulicher Anlagen notwendig sind.

Vgl. Begründung des Änderungsantrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, LT-Drs. 13/4890, Anhang 1, S. 2.

Um eine solche entgeltbefreite Grundwasserabsenkung handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Mit der Entnahme des Wassers wird keine Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse, also zum notwendigen Schutz der Wohnbevölkerung und der baulichen Anlagen, vorgenommen. § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG erfasst nur die final im Gemeinwohlinteresse liegende dauerhafte Grundwasserabsenkung (a). Ob dies der Fall ist, ist nach der für das Veranlagungsjahr maßgeblichen wasserrechtlichen Bescheidlage zu beurteilen (b). (...)

a) Die Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse muss Zweck der Wasserentnahme sein. Allein der nahezu zwangsläufige Umstand, dass eine Grundwasserentnahme auch zur Grundwasserabsenkung führt und sich objektiv günstig auf das Gemeinwohl auswirkt, reicht nicht aus. § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG erwähnt im Gegensatz zur 1. Var. zwar nicht wörtlich, dass das Gemeinwohlinteresse der Zweck der Absenkung sein muss. Die Formulierung "Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse" bringt jedoch ebenfalls die Zweckbestimmung zum Ausdruck.

Der gesetzgeberischen Intention anlässlich der Aufnahme des Ausnahmetatbestands, wonach solche Grundwasserabsenkungen im Allgemeinwohlinteresse liegen, die zum Schutze der Wohnbevölkerung und baulicher Anlagen notwendig sind, lässt sich hierzu nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Maßnahme deutet eher auf ein Verständnis im dargelegten Sinne hin. Angesichts des Lenkungszwecks des Wasserentnahmeentgelts, mit der Ressource "Wasser" sparsam umzugehen, ist eine enge Auslegung des Ausnahmetatbestands ohnehin geboten.

§ 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG läuft mit diesem Verständnis entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht leer. Zwar wird bei einer dauerhaften Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse regelmäßig mit der entnommenen Wassermenge ein weiterer Zweck verfolgt werden. Diese anschließende Nutzung des Wassers führt jedoch nicht zum Wiederaufleben der Entgeltpflicht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.10.2008 - 9 A 1940/07 -, juris.

b) Die wasserrechtliche Bescheidlage ist für die Beurteilung der Gemeinwohlbezogenheit der Wasserentnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG entscheidend. Hierbei kommt es nicht nur auf die Formulierung des im Veranlagungsjahr maßgeblichen wasserrechtlichen Bescheids an. Für die Auslegung der Bescheidlage ist ebenso zu berücksichtigen, mit welcher Zielsetzung das wasserrechtliche Verfahren betrieben, insbesondere für welchen Zweck das Wasserrecht beantragt worden ist.

Wird das Wasserrecht nach dieser Maßgabe für einen im Gemeinwohlinteresse liegenden Zweck erteilt, rechtfertigt dieser Umstand die Privilegierung durch die Ausnahme von der Entgeltpflichtigkeit. Nur ein solches Verständnis des Ausnahmetatbestandes ist praktikabel und sichert den einheitlichen Vollzug wasserwirtschaftlicher und wasserentnahmeentgeltrechtlicher Vorschriften. Es ist nicht Aufgabe der Festsetzungsbehörde zu klären, ob das Wasserrecht auch zum Zwecke einer Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse hätte erteilt werden können. Eine solche Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG setzt sich nicht in Widerspruch zur vom Kläger thematisierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995 - 2 BvR 413/88 u. a. -, BVerfGE 93, 319.

Dort ist ausgeführt, dass die für die Abgrenzung zur Steuer unerlässliche Abhängigkeit der Wasserentnahmeentgelte von einer Gegenleistung nur erhalten bleibe, wenn deren Höhe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteige. Andernfalls würde die Abgabe insoweit - wie die Steuer - "voraussetzungslos" erhoben. Sie diente dann nicht mehr nur der Abschöpfung eines dem Abgabeschuldner zugewandten Vorteils, sondern griffe zugleich auf seine allgemeine Leistungsfähigkeit im Blick auf die Finanzierung von Gemeinlasten zu. Es ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch nichts dafür ersichtlich, dass das Wasserentnahmeentgelt den Wert der öffentlichen Leistung, die Inanspruchnahme der Ressource "Wasser", übersteigt; dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn die Grundwasserabsenkung (faktisch) im Gemeinwohlinteresse erfolgen würde.

Nach der Bescheidlage bezweckt die von der Klägerin durchgeführte Wasserentnahme keine Grundwasserabsenkung, sondern erfolgt allein in ihrem privaten wirtschaftlichen Interesse an der Förderung von Grundwasser zur Versorgung der Industrie- und Gewerbebetriebe am Standort Industriepark. Dies ergibt sich bereits aus dem ausschließlich hierauf bezogenen wasserrechtlichen Antrag der Klägerin auf Bewilligung gemäß § 8 WHG vom 5.11.2003 gegenüber der Bezirksregierung. Die Klägerin hat an dieser Stelle ausdrücklich darauf verwiesen, dass zur Sicherung der Brauchwasserversorgung für die industriellen und gewerblichen Kunden eine Grundwasserförderung von 17,5 Mio cbm/Jahr beantragt werde. Im wasserrechtlichen Verfahren haben die vermeintlich negativen Auswirkungen einer unterbleibenden Entnahme nie eine Rolle gespielt. Gegenstand der Prüfung waren durchweg allein die negativen Auswirkungen der Entnahme (vgl. hierzu den Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung von November 2003). Dementsprechend ist der Klägerin mit Bescheid der Bezirksregierung vom 19.12.2003 die Förderung von Grundwasser erlaubt worden, um es zur Versorgung der Industrie- und Gewerbebetriebe mit Brauchwasser zu verwenden. Dem Bescheid ist nichts dafür zu entnehmen, dass die Förderung zum Zwecke der Grundwasserabsenkung erfolgen soll. Die beantragte und bewilligte Entnahmemenge ist ausschließlich am Bedarf für die Brauchwassernutzung ausgerichtet und nicht an dem (unbekannten) Bedarf für eine dauerhafte Grundwasserabsenkung, um Bodenauswaschungen oder nasse Keller zu vermeiden. Hieran hat sich auch aktuell nichts geändert; die Entnahmemenge orientiert sich weiterhin am voraussichtlichen Wasserbedarf der Abnehmer (vgl. Vermerk über die Besprechung zwischen der Bezirksregierung und der Klägerin vom 20.12.2007). Die Grundwasserabsenkung ist hiernach lediglich faktische Nebenfolge der Förderung. Zwar enthält der Bescheid (sowie Nr. 8 des 1. Änderungsbescheids) Nebenbestimmungen betreffend Grundwassermessungen und -messeinrichtungen (Nrn. 10, 12, 13, 21). Diesen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das Ziel der Förderung die Aufrechterhaltung eines gleichbleibend tiefen Grundwasserstandes ist, um hierdurch Gefahren für die Allgemeinheit vorzubeugen. Die Nebenbestimmungen stellen sich vielmehr als allgemeine flankierende Maßnahme zur kontrollierten Ausübung des eingeräumten Wasserrechts dar. Im Übrigen erlaubt das der Klägerin eingeräumte Wasserrecht nur die Entnahme, verpflichtet aber nicht hierzu.

Ende der Entscheidung

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