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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 9 A 4822/05
Rechtsgebiete: GebOSt, VwKostG, StVG


Vorschriften:

GebOSt § 1
GebOSt § 6
VwKostG § 14 Abs. 2
StVG § 2 a Abs. 3
StVG § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
1. Die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr für eine belastende Amtshandlung (hier: Entziehung einer Fahrerlaubnis) setzt voraus, dass die Amtshandlung ihrerseits rechtmäßig ist oder zumindest mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann.

2. Kommt der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe einer vollziehbaren Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht nach, so ist die Fahrerlaubnis dennoch nicht gemäß § 2 a Abs. 3 StVG zu entziehen, wenn dem Fahranfänger hierfür keine Frist gesetzt worden ist.

3. Es bleibt offen, ob die Fahrerlaubnis schon dann zu entziehen ist, wenn der Fahranfänger innerhalb der hierfür gesetzten Frist zwar an einem Aufbauseminar teilnimmt, die Teilnahmebescheinigung jedoch erst nach Fristablauf vorlegt.


Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr für eine im Widerspruchsverfahren aufgehobene Ordnungsverfügung über die Entziehung der Fahrerlaubnis. Wegen eines Rotlichtverstoßes während der Probezeit forderte die Beklagte die Klägerin auf, an einem Aufbauseminar teilzunehmen. Gleichzeitig setzte sie zur Vorlage der Teilnahmebestätigung eine Frist, die sie einmal ausdrücklich und nach Vorlage eines Vertrags über die Teilnahme an einem Aufbauseminar durch die Klägerin erneut stillschweigend verlängerte.

Da die Klägerin nach Beendigung des Seminars keine Teilnahmebescheinigung vorlegte, entzog die Beklagte ihr die Fahrerlaubnis und setzte hierfür eine Verwaltungsgebühr fest. Wenig später legte die Klägerin die Teilnahmebescheinigung an dem Aufbauseminar vor, woraufhin die Beklagte die Verfügung mit Ausnahme der Gebührenfestsetzung aufhob. Die gegen die Verwaltungsgebühr gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Gründe:

Die Beklagte war zur Erhebung der Verwaltungsgebühr nach Nr. 206 des Gebührentarifs zu § 1 GebOSt nicht berechtigt. Danach wird unter anderem eine Gebühr erhoben für die Entziehung einer Fahrerlaubnis. Der Gebührentatbestand setzt eine rechtmäßige bzw. bestandskräftige Entziehung der Fahrerlaubnis voraus. Denn die in § 1 GebOSt vorausgesetzte Sonderrechtsbeziehung kann nur dann angenommen werden, wenn die Amtshandlung der Verwaltung ihrerseits rechtmäßig ist (vgl. auch § 14 Abs. 2 VwKostG i.V.m. § 6 GebOSt) oder zumindest mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann und deshalb rechtlich Bestand hat (vgl. zu vergleichbaren landesrechtlichen Bestimmungen: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 25.8.2005 - 12 A 10678/05 -, NVwZ-RR 2006, 252; der Sache nach ähnlich: OVG NRW, Beschluss vom 16.5.2006 - 5 A 4687/04 -).

Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Gebührenfestsetzung rechtswidrig. Die mit Verfügung vom 28.7.2004 ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht bestandskräftig geworden, weil die Beklagte sie im Widerspruchsverfahren aufgehoben hat. Ungeachtet der Frage, ob bereits dieser Umstand zwingend auch zur Aufhebung der mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verbundenen Gebührenfestsetzung hätte führen müssen, ist die Gebührenerhebung jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Fahrerlaubnis der Klägerin nicht entzogen werden durfte.

Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis ergeben sich hier aus § 2 a Abs. 3 StVG. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 2 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG in der festgesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde unter anderem dann, wenn gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer schwerwiegenden innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die in das Verkehrszentralregister einzutragen ist, seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen.

Nach diesen Bestimmungen ist die Fahrerlaubnis nicht zu entziehen, wenn dem Fahranfänger keine Frist zur Teilnahme an einem Aufbauseminar gesetzt worden ist, die er einzuhalten hatte. Im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut und die einschneidende Rechtsfolge setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG eine ausdrückliche Fristsetzung voraus. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung ist der Gesetzesbegründung: In der Zusammenschau mit dem Gesetzeswortlaut lässt sich ihr entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche Fristsetzung gerade deshalb verlangt, weil er die nicht fristgerechte Befolgung behördlicher Anordnungen als Weigerung des Betroffenen ansieht, diesen nachzukommen. Hieran anknüpfend soll die Ermächtigung zur Entziehung der Fahrerlaubnis den straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe den erforderlichen Nachdruck verleihen und deutlich machen, dass die Probezeit für den Fahranfänger eine Zeit der Bewährung ist, in der besondere Anforderungen an sein Verkehrsverhalten und auch an seine aktive Teilnahme an behördlich angeordneten Maßnahmen gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes, BT-Drs. 10/4490, S. 20).

Der so begründeten einschneidenden Rechtsfolge stellt der Gesetzgeber als rechtsstaatliches Korrektiv das Erfordernis der Fristsetzung durch die Behörde gegenüber, das für den Betroffenen Klarheit schafft, unter welchen Voraussetzungen er mit der Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen muss. Das Erfordernis der Fristsetzung hat der Gesetzgeber in der seit dem 1.1.1999 geltenden Gesetzesfassung noch deutlicher herausgestellt, indem er es im Gegensatz zur Vorläuferfassung ausdrücklich nicht nur in § 2 a Abs. 3 StVG, sondern zusätzlich in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 aufgenommen hat.

Der Klägerin kann danach nicht entgegen gehalten werden, sie sei einer vollziehbaren Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar in der hierfür festgesetzten Frist nicht nachgekommen, weil ihr keine entsprechende Frist mehr gesetzt war. Die ihr für die Vorlage einer Teilnahmebescheinigung an einem Aufbauseminar zunächst bis zum 21.5.2004 gesetzte und bis zum 11.6.2004 verlängerte Frist hat die Beklagte unstreitig nochmals stillschweigend verlängert, nachdem die Klägerin ihr einen Teilnahmevertrag über ein Ende Juni 2004 beginnendes Aufbauseminar vorgelegt hatte. Bei dieser stillschweigenden Fristverlängerung - die im Hinblick auf die besonderen Lebensumstände der Klägerin unmittelbar nach einem Umzug und Aufnahme einer Ausbildung mit zeitweiligem Auslandsaufenthalt sachlich geboten gewesen sein dürfte (vgl. etwa VG Oldenburg, Beschluss vom 12.3.2003 - 7 B 575/03 -, juris -; ähnlich VG Meinigen, Beschluss vom 4.9.1995 - 2 E 494/95.Me -, ZfSch 1996, 159; Dauer, in: Hentschel, StVR, 39. Aufl. 2007, § 2 a StVG Rn. 15 -), hat sie jedoch davon abgesehen, der Klägerin eine neue Frist zu setzen, deren Nichtbefolgung dieser entgegen gehalten werden könnte.

Da die Fahrerlaubnis schon aus diesem Grunde nicht entzogen werden durfte, stellt sich vorliegend nicht die vom Beklagten für klärungsbedürftig angesehene Frage, ob über den Wortlaut des § 2 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG hinaus die Fahrerlaubnis auch dann zu entziehen ist, wenn die Teilnahme an einem Aufbauseminar noch innerhalb einer festgesetzten Frist erfolgt, die in § 37 FeV vorgesehene Teilnahmebescheinigung jedoch erst nach Fristablauf vorgelegt wird.

Ende der Entscheidung

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