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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 9 A 974/06
Rechtsgebiete: WasEG


Vorschriften:

WasEG NRW § 1
Für die Begründung des Wasserentnahmeentgelttatbestands ist auf den Zeitpunkt der zeitgleich mit oder nach der Wasserentnahme erfolgenden Nutzungszuführung abzustellen; unerheblich ist, ob der Nutzungserfolg eintritt. Wassermengen, die im Anschluss daran verloren gehen, bleiben auch dann entgeltpflichtig, wenn sie dem Naturhaushalt nach der Entnahme und Nutzungszuführung unmittelbar oder mittelbar wieder zugeführt werden.
Tatbestand:

Der Kläger versorgt die Einwohner der Ortschaft G. mit Trink- und Brauchwasser und entnimmt zu diesem Zweck Quellwasser. Die Beklagte setzte für das Jahr 2004 eine Vorauszahlung auf die Entnahme von Wasser fest und berücksichtigte hierbei auch diejenige (erhebliche) Wassermenge, die nach der Entnahme aufgrund von Undichtigkeiten im Leitungsnetz versickert sein soll. Das VG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das OVG die Klage ab.

Gründe:

Der Vorauszahlungsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig gewesen (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Die Heranziehung des Klägers durch den streitigen Bescheid zur Vorauszahlung eines Grundwasserentnahmeentgeltes für das Veranlagungsjahr 2004 ist in voller Höhe gerechtfertigt.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sind §§ 6 Abs. 1 und 2, 1 Abs. 1, 2, 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung eines Entgelts für die Entnahme von Wasser aus Gewässern (Wasserentnahmeentgeltgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen - WasEG) vom 27.1.2004 (GV. NRW. S. 30).

Die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts im Land Nordrhein-Westfalen ist verfassungsgemäß... (wird ausgeführt)

Die Beklagte hat der Entgeltforderung zu Recht (auch) die hier allein noch im Streit stehende Menge des entnommenen Wassers zugrunde gelegt, die - jedenfalls nach Angaben des Klägers - nach der Entnahme im Leitungsnetz versickert ist. Der Entgelttatbestand ist auch hinsichtlich dieser Wassermenge erfüllt.

Zunächst ist diese Wassermenge Gewässern entnommen worden (§ 1 Abs. 1 WasEG). Zeitgleich bzw. im Anschluss hieran ist sie einer Nutzung zugeführt worden (§ 1 Abs. 1, letzter Halbsatz WasEG), auch soweit sie nach der Einspeisung in das Leitungsnetz des Klägers versickert sein sollte. Der Entgelttatbestand ist nach der tatbestandlichen Fassung des § 1 Abs. 1 WasEG bereits dann erfüllt, wenn die entnommene Wassermenge einer Nutzung zugeführt wird; was mit der Wassermenge nach der Zuführung geschieht, ist unerheblich und lässt den Entgelttatbestand nicht im Nachhinein entfallen. So wird im vorliegenden Fall das entnommene Wasser im Augenblick der Einspeisung in das Leitungssystem der Nutzung "Versorgung mit Trink- und Brauchwasser" zugeführt. Ob und in welchem Umfang die Wassermenge im Anschluss hieran versickert, ob diese Versickerung vermeidbar oder unvermeidbar oder ob die Wasserqualität verändert worden ist, ist für den bereits erfüllten Entgelttatbestand ohne Bedeutung. Zum Einen bietet § 1 Abs. 1 WasEG keinen Anknüpfungspunkt im Wortlaut, der ein solches Auslegungsergebnis stützen könnte. Zum Anderen belegt das Gesetz selbst die Unerheblichkeit einer etwaigen Wasserrückführung für den Entgelttatbestand. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG ist der Entgeltsatz bei der sog. Durchlaufkühlung reduziert; dieser ist für den Fall anzusetzen, dass das entnommene Kühlwasser dem Gewässer unmittelbar wieder zugeführt wird. Dies setzt die grundsätzliche Entgeltpflichtigkeit voraus. Nur wenn ein Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 WasEG erfüllt ist - für den Fall der unmittelbaren Wiedereinleitung z. B. Nr. 9 -, entfällt die Entgeltpflicht.

Die durch den Gesetzgeber aufgegriffene Begründung spricht nicht für ein gegenteiliges Auslegungsergebnis. Sofern in der Gesetzesbegründung zu § 1 WasEG ausgeführt wird: "Entnommenes Wasser, das keiner Nutzung zugeführt wird, ist nicht entgeltpflichtig", vgl. LT-Drs. 13/4528, S. 30, handelt es sich lediglich um die negative Umformulierung des Gesetzeswortlauts. Ergänzenden Aufschluss über die Auslegung des Entgelttatbestands bietet dies nicht. Vielmehr belegt der Entstehungsprozess des Gesetzes, dass dem Gesetzgeber die Problematik der Leitungsverluste bekannt war, er aber gleichwohl an der im Gesetzentwurf gewählten Formulierung des Entgelttatbestandes festgehalten hat. Das MUNLV hat unter dem 30.10.2003 die Ergebnisse der Anhörung zum Entwurf des Wasserentnahmeentgeltgesetzes am 17.10.2003 in Düsseldorf zusammengefasst und einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt. In diesem ist zur Begründung zu § 2 nach dem Hinweis auf den Vorteilsabschöpfungsgedanken ergänzend festgehalten:

"Daher müssen durch den Betrieb von Versorgungsnetzen eintretende Wasserverluste unbeachtlich bleiben."

In Reaktion hierauf hat der Aggerverband im Anhörungsverfahren unter dem 11.12.2003 (Zuschrift 13/3467) darauf hingewiesen, dass die im Entwurf vorgesehene Regelung die Differenz, die aus dem Filterrückspülwasser und den Leitungsverlusten resultiere, nicht berücksichtige. Auch die Arbeitsgemeinschaft Rhein-Wasserwerke e. V. wies unter dem 15.12.2003 (Zuschrift 13/3511) auf die Netzverluste hin. All dies spricht für die Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der Leitungsverluste und hieran anknüpfend für seinen - im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommenden - Willen, den Entgelttatbestand von der Menge (wie auch immer) rückgeführten Wassers unabhängig auszugestalten.

Nichts anderes ergibt sich im Vergleich des die Entgeltpflicht begründenden Tatbestands (§ 1 Abs. 1 WasEG) mit den Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs. 2 WasEG. Eine systematische Auslegung der Ausnahmetatbestände ist nicht zielführend. Aus der Konstituierung eines Ausnahmetatbestands lässt sich angesichts des Entwicklungsgangs des Gesetzes kein Rückschluss auf die Frage der Entgeltpflichtigkeit ziehen. So sieht § 1 Abs. 2 Nr. 8 WasEG die Entgeltfreiheit für dauerhafte Grundwasserabsenkungen im Gemeinwohlinteresse vor; wird die für die Grundwasserabsenkung entnommene Wassermenge jedoch von vornherein keiner Nutzung zugeführt, sondern z. B. schlicht beseitigt, fehlt es von vornherein an der Entgeltpflichtigkeit des Entnahmevorgangs. Vergleichbar verhält es sich bei Entnahmen von Grundwasser anlässlich der Gewinnung von Bodenschätzen, sofern das entnommene Wasser unmittelbar in ein Gewässer eingeleitet und nicht anderweitig genutzt wird (§ 1 Abs. 2 Nr. 9 WasEG). Fehlt es hier im Einzelfall an der Nutzungszuführung des Wassers, scheidet eine Entgeltpflicht (von vornherein) aus.

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