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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: VerfGH 24/08
Rechtsgebiete: KWahlZG, LV NRW, GG


Vorschriften:

KWahlZG Art. 12 Satz 1
LV NRW Art. 1 Abs. 1
LV NRW Art. 78 Abs. 1
GG Art. 28 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 28 Abs. 1
1. Es entspricht einem demokratischen Grundsatz, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Volksvertretungen äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Dieser Grundsatz gilt auch für Kommunalwahlen.

2. Eine Überschreitung der Höchstfrist von drei Monaten ist allenfalls dann zulässig, wenn hierfür ausnahmsweise gewichtigere Belange von Verfassungsrang oder sonstige "zwingende" Gründe des Gemeinwohls angeführt werden können. Solche Gründe liegen im Falle des Gesetzes über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen (KWahlZG) vom 24.6.2008 (GV. NRW. S. 514 ff.) nicht vor.


Tatbestand:

Die Antragsteller, Abgeordnete des Landtags NRW, machten mit ihrem Normenkontrollantrag geltend, das Gesetz über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen (KWahlZG) vom 24.6.2008 (GV. NRW. S. 514) sei hinsichtlich der Festlegungen zum Wahltag für das Jahr 2009 mit dem im Demokratieprinzip wurzelnden Grundsatz der Volkssouveränität unvereinbar.

Die allgemeinen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und die Europawahlen finden in fünfjährigem Turnus jeweils in demselben Jahr statt. Bislang lagen die Termine für die Europawahl stets im Juni und für die Kommunalwahlen im Herbst. Im Zeitraum von Juni 2009 bis Mai 2010 liegen mit der Europa-, Kommunal-, Bundestags- und Landtagswahl insgesamt vier Wahlen innerhalb von elf Monaten. Vor diesem Hintergrund verabschiedete der Landtag auf Initiative der Fraktionen der CDU und FDP das KWahlZG. Es zielte nach der Begründung im Gesetzentwurf (LT-Drs. 14/6512) darauf, mehrere Wahltermine in demselben Jahr zu vermeiden und dazu dauerhaft die Kommunalwahlen am Tag der Europawahl stattfinden zu lassen. Hierdurch sollte der Gefahr einer noch weiter sinkenden Wahlbeteiligung bei enger Abfolge von Wahlen entgegengewirkt sowie die Akzeptanz von Europa- und Kommunalwahl gestärkt werden. Die Zusammenlegung der Wahlen sollte zu entscheidenden Kosteneinsparungen durch nur eine Wahlorganisation und anteilige Erstattung bestimmter Kosten für die Europawahl durch den Bund führen. Eine Verbindung mit der im vierjährigen Turnus stattfindenden Bundestagswahl wurde nicht befürwortet: Sie könne nur einmalig im Jahr 2009 erfolgen und lasse eine nicht erwünschte Überlagerung kommunalpolitischer durch bundespolitische Themen erwarten.

Durch die angestrebte Vorverlegung des Wahltermins auf den Tag der Europawahl Anfang oder Mitte Juni 2009 sollte die laufende Wahlperiode der Gemeinde-, Kreis- und Bezirksvertretungen, die zuvor bereits abweichend von §§ 36 Abs. 1, 42 Abs. 1 Gemeindeordnung - GO NRW - und § 27 Abs. 1 Kreisordnung - KrO NRW - einmalig über den 30.9.2009 hinaus bis zum 20.10.2009 verlängert worden war (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wahlperiode der im Jahr 2004 gewählten kommunalen Vertretungen vom 17.6.2003, GV. NRW. S. 312, vgl. dazu den Gesetzentwurf LT-Drs. 13/3725, S. 5), nicht verkürzt werden.

Kern der Regelungen im KWahlZG ist in Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) und b) die Neufassung von § 14 Abs. 1 und 2 KWahlG NRW. Sie lauten nunmehr wie folgt:

(1) 1Wahltag ist ein Sonntag. 2Die allgemeinen Neuwahlen finden in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 15. Juli statt; sie sollen am Tag der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden. 3Der Wahltag wird vom Innenminister festgelegt und bekannt gemacht (Wahlausschreibung). 4Im Übrigen wird der Wahltag von der Aufsichtsbehörde festgelegt und bekannt gemacht, soweit dieses Gesetz und die Wahlordnung nichts anderes bestimmen.

(2) 1Die Wahlperiode endet bei allgemeinen Wahlen mit Ablauf des Monats, in dem die Wahl stattgefunden hat. 2Die neue Wahlperiode beginnt am ersten Tag des folgenden Monats.

Nach der Neufassung von § 47 Abs. 1 Satz 2 GO NRW durch Art. 2 Nr. 3 des KWahlZG muss die erste Ratssitzung nach Beginn der Wahlzeit innerhalb von drei Wochen stattfinden. Entsprechende Regelungen enthalten die Neufassungen von § 36 Abs. 3 Satz 1 GO NRW durch Art. 2 Nr. 2 KWahlZG sowie § 32 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW durch Art. 3 des KWahlZG.

Nach Artikel 12 KWahlZG trat das Gesetz hinsichtlich der streitgegenständlichen Bestimmungen am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Die Antragsteller wandten sich nicht gegen die Zusammenlegung der Kommunal- und der Europawahlen sei als solche. Sie beanstandeten lediglich, das Intervall zwischen dem auf den Tag der Europawahl am 7.6.2009 vorgezogenen Termin für die Kommunalwahl 2009 und dem Zusammentritt der neu gewählten Vertretungsorgane sei mit seinen mindestens 19 bzw. maximal 22 Wochen zu groß.

Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Der Antrag ist gemäß Art. 75 Nr. 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen - LV NRW -, § 47 Buchst. a) des Verfassungsgerichtshofgesetzes - VerfGHG - zulässig. Die zur Überprüfung gestellten Regelungen des KWahlZG können als Landesrecht im Normenkontrollverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung geprüft werden. Der Antrag ist wie erforderlich von mehr als einem Drittel der insgesamt 187 Mitglieder des Landtags gestellt worden.

Der Antrag ist begründet. Art. 12 Satz 1 des KWahlZG ist mit demokratischen Grundsätzen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 LV NRW i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit unvereinbar und nichtig, als hierdurch Art. 1 Nr. 3 schon für die Neuwahl zur am 21.10.2009 beginnenden Kommunalwahlperiode in Kraft gesetzt worden ist.

I.

1. Die Landesverfassung schreibt in Art. 78 Abs. 1 LV NRW vor, dass die Organe gemeindlicher Selbstverwaltung gewählt werden müssen. Sie genügt damit dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG, dessen Geltung als Landesverfassungsrecht Art. 1 Abs. 1 LV NRW vermittelt (vgl. VerfGH NRW, OVGE 47, 304, 305).

a) Die danach dem Gesetzgeber vorbehaltenen Regelungen des kommunalen Wahlrechts müssen dementsprechend außer den Wahlrechtsgrundsätzen der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch den Homogenitätsvorgaben von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG und damit insbesondere den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes genügen. In diesen Grenzen erlaubt das Grundgesetz eine in Einzelheiten sehr unterschiedliche Ausgestaltung des Landes- und Kommunalwahlrechts (vgl. BVerfGE 99, 1, 11 ff.). So sind etwa die konkreten Ausformungen des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag in Art. 38 ff. GG für das Wahlrecht in den Ländern nicht verbindlich (BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 20.12.1998 - 2 BvR 69/98 -, NVwZ-RR 1999, 281 und BVerfGE 99, 1, 7 f.). Art. 28 Abs. 1 GG fordert allerdings mit der Einhaltung der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats in den Ländern ein Mindestmaß an Homogenität zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten (vgl. BVerfGE 90, 60, 84 f. und BVerfGE 83, 37, 58).

b) Was die "grundsätzlichen" demokratischen Vorgaben "im Sinne dieses Grundgesetzes" für die Verfassungshoheit der Länder beinhalten, ist einzelfallbezogen anhand einer "Gesamtinterpretation des Grundgesetzes und seiner Einordnung in die moderne Verfassungsgeschichte" zu bestimmen (BVerfGE 5, 85, 112; vgl. Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 28 Rn. 15). Hierzu zählen zumindest die Erfordernisse, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes entwickelt worden sind, sowie die durch Art. 79 Abs. 3 GG auf Bundesebene verfassungsfesten Grundsätze, wie sie in Art. 1 und 20 GG niedergelegt sind. Nur was für den Bund unabdingbare Grundlage der Art und Form seiner politischen Existenz ist, kann und muss er auch seinen Gliedern vorschreiben (Hofmann, Bundesstaatliche Spaltung des Demokratiebegriffs?, in: FS Neumayer, 1985, S. 281, 294).

c) Zu den auf Bundesebene unabänderbaren Grundsätzen der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" des Grundgesetzes gehört die Volkssouveränität (vgl. BVerfGE 44, 125, 145 und BVerfGE 2, 1, 11 ff.). Entsprechend sind durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern zwingend vorgegeben die Grundentscheidung des Art. 20 Abs. 2 GG für die Volkssouveränität und die daraus folgenden Grundsätze der demokratischen Organisation und Legitimation von Staatsgewalt. Hierzu gehört, dass sich die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden. Entscheidend ist dabei, dass ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau, erreicht wird (vgl. BVerfGE 107, 87 f., BVerfGE 93, 37, 66 ff., BVerfGE 89, 155, 182 und BVerfGE 83, 60, 71 f.).

2. Das erforderliche Legitimationsniveau muss kommunalen Vertretungen wegen Art. 78 Abs. 1 LV NRW und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG im Wege der Volkswahl vermittelt werden. Es wird nur dann erreicht, wenn das Wahlverfahren denselben demokratischen Grundsätzen genügt, wie sie für die Wahlen zum Bundestag und zu den Landesparlamenten gelten (vgl. BVerfGE 83, 37, 53 und 55). Hierbei ist das demokratische Prinzip wirksam zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 99, 1, 13). Dies geschieht in erster Linie durch Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze, ist aber auch bei der Terminierung von Wahlen zu beachten. Wahltermine müssen so gelegt werden, dass das "Ausgehen von Staatsgewalt" vom Volk im Sinne eines hinreichenden Legitimationsniveaus noch konkret erfahrbar und praktisch wirksam ist (vgl. BVerfGE 107, 59, 91). Obwohl der Bund und die Länder diesen Erfordernissen durch sehr unterschiedliche Einzelregelungen entsprechen, lässt eine Gesamtschau auf diese Bestimmungen Rückschlüsse auf eine gemeinsame Verfassungsüberzeugung zu, welche konkreten Mindestanforderungen das Homogenitätsprinzip in Bund und Ländern an das erforderliche demokratische Gewährleistungsniveau stellt (dazu unten a)). Hierzu gehört, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Gremien äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen (dazu unten b) und c)).

a) Im Hinblick auf die durch Art. 28 Abs. 1 GG geforderte Homogenität in Bund und Ländern lassen sich Rückschlüsse auf das erforderliche demokratische Gewährleistungsniveau aus gemeinsamen Verfassungsüberzeugungen ziehen, die übereinstimmend als demokratische Mindestanforderungen bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts beachtet werden müssen. Zwar haben der Bund und die Länderverfassungen von der Berechtigung, Wahlmodalitäten für ihre Parlamente eigenständig auszuformen, mit teilweise erheblicher Variationsbreite Gebrauch gemacht, ohne dass dies für sich genommen bereits auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Teilweise enden die Wahlperioden flexibel in Abhängigkeit von konkreten Wahlterminen, teilweise sind sie auf einen bestimmten Zeitraum von vornherein festgelegt (dazu etwa Klein/Giegerich, Grenzen des Ermessens bei der Bestimmung des Wahltags, AöR 112 (1987), 544, 546 f. u. 553 f.). Trotz aller Regelungsverschiedenheit im Detail schreiben das Grundgesetz und alle Länderverfassungen jedoch übereinstimmend vor, dass das Parlament innerhalb eines eng umrissenen Zeitraums erstmals zusammen treten muss. Sämtlichen einschlägigen Fristvorgaben in den Länderverfassungen und im Grundgesetz liegt nämlich die Überzeugung zugrunde, dass der Zeitraum zwischen der Wahl und der Konstituierung der gewählten Gremien begrenzt sein muss, damit periodische Neuwahlen den notwendigen Verantwortungszusammenhang zwischen dem Volk und seinen Organen begründen können. Dem steht nicht entgegen, dass das in allen Verfassungen enthaltene Zusammentrittsgebot innerhalb kurzer Fristen seinen Ursprung bereits im konstitutionellen Staatsrecht hat und ursprünglich vor allem die Funktion hatte, die zeitliche Kontinuität der Tätigkeit der Volksvertretung zu gewährleisten (vgl. BayVerfGH, VerfGH 27, 119, 131 ff.). Im demokratischen Staat des Grundgesetzes bedarf es eines baldigen Zusammentretens der gewählten Gremien nämlich auch, damit die im Wahlakt neu konstituierte demokratische Legitimation und neu bestimmte Zusammensetzung des Parlaments möglichst unmittelbar verfassungsrechtlich wirksam wird (vgl. Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform 1976, BT-Drs. 7/5924, S. 37 f.; ähnlich Klein/Giegerich, a.a.O., S. 573).

b) Als gemeinsame Verfassungsüberzeugung lässt sich den geltenden Verfassungsbestimmungen sowie der Verfassungswirklichkeit das demokratische Grunderfordernis entnehmen, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Volksvertretungen äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Diese Frist schöpft ausdrücklich nur noch die nordrhein-westfälische Landesverfassung voll aus. Nach dem Vorbild des früheren Art. 39 GG findet in Nordrhein-Westfalen die Neuwahl zum Landtag im letzten Vierteljahr der Wahlperiode statt (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 LV NRW). Der Landtag tritt spätestens am 20. Tag nach der Wahl, jedoch nicht vor dem Ende der Wahlperiode des letzten Landtags zusammen (Art. 37 LV NRW). Auch wenn die Regelung ein Zusammentreten des Landtags in einer kurzen Frist von 20 Tagen erklärtermaßen anstrebt, nimmt sie doch äußerstenfalls ein Auseinanderfallen von Wahlen und der Konstituierung des neuen Parlaments um bis zu drei Monate hin. Hierdurch sollte die Ermessensbreite für die Festsetzung des Wahltags vergrößert werden, um etwa auf die allgemeine Urlaubs- und Reisezeit Rücksicht nehmen zu können und die Möglichkeit zu erhöhen, den Wahltag mit anderen Wahlterminen abzustimmen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf für die Verfassungsänderung, LT-Drs. 6/1295).

Im Verfassungsrecht des Bundes und aller Länder findet sich keine längere Frist. Eine dreimonatige Höchstfrist zwischen Wahl und Konstituierung ist auch in der Staatspraxis der beiden einzigen Länder durchweg eingehalten worden, deren Verfassungen äußerste zeitliche Grenzen nicht ausdrücklich vorgeben. Soweit der Bund und die meisten Länder kürzere Fristen setzen, soll dies Legitimationseinbußen vermeiden, die bundesverfassungsrechtlich im Rahmen des Homogenitätsprinzips noch hinzunehmen wären und die das Grundgesetz bis zu seiner Änderung im Jahr 1976 für den Bundestag selbst hingenommen hat. Erst die Neuregelung des Art. 39 GG verkürzte den maximalen Zeitraum zwischen Wahl und Ende der Wahlperiode auf 30 Tage, weil man das zuvor mögliche und tatsächlich erfolgte Auseinanderfallen der Wahlen zum Bundestag und dem Beginn der neuen Wahlperiode um bis zu drei Monate und eine noch deutlich längere Zeitspanne von einem knappen halben Jahr, in der der Bundestag nicht voll arbeitsfähig war, aus verfassungspolitischen Gründen für problematisch und unerwünscht hielt (Gesetzentwurf, BT-Drs. 7/5307, S. 3 sowie Ausschussbericht BT-Drs. 7/5491, S. 6).

c) Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Der Bundestag und die Landtage von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen treten jeweils spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammen (Art. 39 Abs. 2 GG, Art. 62 Abs. 4 BbgVerf, Art. 28 M-VVerf, Art. 9 Abs. 3 Nds.Verf, Art. 67 Abs. 2 SaarlVerf, Art. 44 Abs. 3 Satz 1 SächsVerf, Art. 45 Abs. 1 Satz 2 VerfLSA, Art. 13 Abs. 4 Satz 1 SchlHVerf, Art. 50 Abs. 3 Satz 2 ThürVerf). In Hamburg findet die erste Sitzung der Bürgerschaft spätestens drei Wochen nach der Wahl statt (Art. 12 Abs. 3 HmbVerf). In Bayern muss der neue Landtag spätestens am 22. Tag nach der Wahl zusammen treten (Art. 16 Abs. 2 BayVerf). In Berlin tritt das Abgeordnetenhaus spätestens sechs Wochen nach der Wahl zusammen (Art. 54 Abs. 5 Satz 2 VvB). Der Zusammentritt des Landtags von Rheinland-Pfalz muss spätestens 60 Tage nach seiner Wahl erfolgen (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Rh-PfVerf). In Hessen und Nordrhein-Westfalen müssen die Landtage 18 Tage (Art. 83 Abs. 2 Satz 1 HessVerf) bzw. 20 Tage (Art. 37 LV NRW) nach der Wahl zusammentreten, jedoch nicht vor dem Ende der starren Wahlperiode des letzten Landtags. In Hessen muss die Wahl vor Ablauf der Wahlperiode stattfinden (Art. 79 HessVerf), in Nordrhein-Westfalen im letzten Vierteljahr der Wahlperiode (Art. 34 Satz 2 LV NRW). In Bremen tritt die Bürgerschaft innerhalb eines Monats nach Ablauf der Wahlperiode der vorhergehenden Bürgerschaft zusammen (Art. 81 BremLVerf); die Neuwahl findet innerhalb des letzten Monats der Wahlperiode statt (Art. 75 Abs. 4 BremLVerf). Die erste Sitzung des baden-württembergischen Landtags muss spätestens am 16. Tag nach Beginn der Wahlperiode stattfinden; einen frühesten Zeitpunkt für die vor Ablauf der Wahlperiode durchzuführende Neuwahl legt die Verfassung allerdings nicht fest (Art. 30 Abs. 2 und 3 LV BW).

Danach räumen die Verfassungsbestimmungen in Bund und Ländern Höchstfristen für das erste Zusammentreten des Parlaments von zwischen 18 und 60 Tagen nach der Wahl ein, soweit sie wie die meisten Verfassungen derartige Fristen festlegen. Diese Fristen sind außer in Hessen und Nordrhein-Westfalen strikt einzuhalten. Eine vergleichbare zwingende Frist von insgesamt zwei Monaten ergibt sich auch in Bremen zwischen dem frühestmöglichen Wahltag und dem spätesten Termin für die Konstituierung der neuen Bürgerschaft. In Nordrhein-Westfalen und Hessen verlängern sich vom Wahltag an bemessene Fristen bis zum Ende der Wahlperiode, wenn die Neuwahl länger als die Dauer der Frist vor Ablauf der Wahlzeit stattgefunden hat. Um gleichwohl äußerste Grenzen zu setzen, müssen in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen im letzten Vierteljahr der Wahlperiode stattfinden. Da ihr Ende festgelegt ist, ergibt sich hieraus eine maximale Dauer zwischen Wahl und Konstituierung des Landtags von drei Monaten. Nur in Baden-Württemberg und Hessen ist weder eine strikte Höchstfrist zwischen Wahltag und Konstituierung noch der früheste Zeitpunkt für Neuwahlen festgelegt. Gleichwohl lagen auch in diesen beiden Ländern zwischen den Wahlen und dem ersten Zusammentreten der jeweiligen Landtage ausnahmslos Zeiträume von weniger als drei Monaten (vgl. für die Zeit bis 1987 die Aufstellung bei Klein/Giegerich, a.a.O., 558 f., für die Zeit danach siehe die Zusammenstellung der Wahltermine der jeweiligen statistischen Landesämter im Internet unter http://www.statistik-hessen.de/themenauswahl/wahlen/index.html sowie http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/Wahlen/Landesdaten/).

II.

Aus den Erwägungen zu I. ergibt sich als demokratischer Grundsatz, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Gremien äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Diesen Anforderungen trägt Art. 12 Satz 1 KWahlZG bezogen auf das Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 3 KWahlZG schon für die Neuwahl zur am 21.10.2009 beginnenden Kommunalwahlperiode nicht hinreichend Rechnung.

1. Dadurch, dass Art. 12 Satz 1 KWahlZG die Vorgaben über den Wahltermin in Art. 1 Nr. 3 KWahlZG schon für die Neuwahl zur am 21.10.2009 beginnenden Kommunalwahlperiode in Kraft gesetzt hat, ergibt sich ein Zeitraum zwischen den mittlerweile auf den 7.6.2009 terminierten allgemeinen Kommunalwahlen und der Konstituierung der neu gewählten Gremien von voraussichtlich mindestens vier Monaten und 13 Tagen. Dieser Zeitraum kann sich auf über fünf Monate verlängern, wenn die neugewählten Vertretungen nicht unmittelbar nach Ablauf der laufenden Wahlperiode zusammentreten, sondern die hierfür gewährte Frist von bis zu drei Wochen nach Beginn der Wahlzeit (Art. 2 Nr. 3 KWahlZG) ganz oder teilweise ausschöpfen und die bisherigen Ratsmitglieder in dieser Zeit ihr Mandat gemäß § 42 Abs. 2 GO NRW weiter ausüben. In jedem Fall wird ein einzuhaltender Zeitraum von höchstens drei Monaten zwischen Wahl und Konstituierung der neuen Vertretungen deutlich überschritten.

2. Die Überschreitung dieses äußersten Zeitraumes von drei Monaten kann auch nicht deshalb hingenommen werden, weil es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, der nur für die Kommunalwahl des Jahres 2009 und auch nur deshalb eintreten würde, weil der Gesetzgeber die dauerhafte Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl bezweckt.

Dabei kann dahinstehen, ob das aus den Erwägungen zu I. abgeleitete Erfordernis von so hohem Verfassungsrang ist, dass sich dessen Durchbrechung überhaupt rechtfertigen lässt; jedenfalls ließe sich eine - auch nur einmalige - Durchbrechung nur dann rechtfertigen, wenn hierfür ausnahmsweise gewichtigere Belange von Verfassungsrang oder zumindest sonstige "zwingende" Gründe des Gemeinwohls angeführt werden könnten, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das dem Gebot der alsbaldigen Konstituierung der gewählten Vertretung die Waage halten kann (vgl. StGH Baden-Württemberg, ESVGH 24, 155, 158 f. zu Neugliederungen von Gebietskörperschaften; siehe auch zu den Anforderungen an die Rechtfertigung von Differenzierungen im Wahlsystem BVerfG, DVBl. 2008, 1045, 1046). Das gilt unabhängig davon, ob das Demokratieprinzip als Optimierungsgebot verstanden wird oder nur einen verfassungsrechtlichen Rahmen vorgibt.

Die einmalige Überschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Dreimonatszeitraums verstößt bereits deshalb gegen die Verfassung, weil das Ziel des Gesetzgebers, die allgemeinen Kommunalwahlen dauerhaft mit den Europawahlen zusammenzulegen, auch auf anderem, verfassungsrechtlich unbedenklichem Wege erreichbar ist.

Dabei ist das Ziel der Zusammenlegung der Wahlen legitim. Da mit ihm die Erhöhung der Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen angestrebt wird, kann ihm wegen der gewünschten Stärkung demokratischer Legitimation auch Verfassungsrang beigemessen werden. Der Gesetzgeber ist auch grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er ein solches Ziel anstreben und auf welchem Wege er es umsetzen will. Bieten sich zur Erreichung des Ziels indessen mehrere Wege an, von denen einer Verfassungsgrundsätze verletzt, ein anderer indessen nicht, so überschreitet der Gesetzgeber die ihm durch die Verfassung gezogenen Grenzen, wenn er sich für den erstgenannten Weg entscheidet.

So ist es hier. Der Gesetzgeber hätte sein Ziel, Kommunalwahlen und Europawahlen zusammenzulegen, auf verfassungsrechtlich unbedenkliche Weise erreichen können. Mit der Verkürzung der nächsten Wahlperiode und der Zusammenlegung der Wahlen ab dem Jahr 2014 würden die verfassungsrechtlichen Bedenken entfallen. Allein der Wunsch des Gesetzgebers, die mit der Zusammenlegung der Wahltermine angestrebten Ziele bereits im Jahr 2009 - vor allem mit Rücksicht auf die in diesem Jahr zusätzlich anstehende Bundestagswahl - zu verwirklichen, rechtfertigt hingegen nicht, die Überschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Zeitraumes hinzunehmen. Die vom Gesetzgeber ferner angeführten Gründe für die Zusammenlegung der Wahltermine bereits 2009 sind nicht hinreichend gewichtig, um eine einmalige Ausnahme von dem demokratischen Grundsatz zu rechtfertigen, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Gremien äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Das gilt - selbst unter Berücksichtigung eines dem Gesetzgeber in Übergangsfällen etwa zuzubilligenden größeren Gestaltungsspielraums - sowohl für die Erhöhung der Wahlbeteiligung als auch für das Einsparpotential.



Ende der Entscheidung

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