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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.06.2009
Aktenzeichen: 10 A 10309/09.OVG
Rechtsgebiete: BhV, SGB V


Vorschriften:

BhV § 6
BhV § 6 Abs. 1
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 13
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 13 Satz 2
BhV § 1
BhV § 1 Abs. 4
SGB V § 27 a
Nach den Beihilfevorschriften des Bundes darf bei der Erstattung von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung das in der gesetzlichen Krankenversicherung geltende Körperprinzip angewandt werden. Das hat zur Folge, dass der Beamte zu den Aufwendungen, die für Maßnahmen am Körper seiner Ehefrau entstehen, keine Beihilfeleistungen erhält, wenn die Ehefrau keine berücksichtigungsfähige Angehörige ist.

Dies gilt auch, wenn die Ehefrau von ihrem Dienstherrn (hier: das Land Hessen) keine Leistungen für die an ihrem Körper durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung erhält, weil die Beihilfevorschriften des Landes das Verursacherprinzip anwenden und die Ursache für die Unfruchtbarkeit des Ehepaares in der Person des Ehemannes liegt.

Aus der allgemeinen Fürsorgepflicht folgt auch in diesem Fall grundsätzlich kein Anspruch des Ehemannes auf Übernahme der ungedeckten Aufwendungen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 A 10309/09.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Beihilfe

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2009, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Möller Richterin am Verwaltungsgericht Jahn-Riehl ehrenamtlicher Richter Rentner Blaschka ehrenamtliche Richterin Rentnerin Böhm

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 27. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der 1967 geborene Kläger ist Beamter der Wasser- und Schifffahrtsdirektion der Beklagten. Seine Ehefrau ist Landesbeamtin in Hessen mit eigenem Beihilfeanspruch. Er begehrt eine weitere Beihilfe von der Beklagten für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung; sonstige Aufwendungen sind im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich.

Am 22. Januar 2008 beantragte er Beihilfe zu Arztrechnungen und Rezepten, die auf seine Ehefrau ausgestellt sind und Behandlungen der künstlichen Befruchtung in der Zeit von April 2007 bis Januar 2008 betreffen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. Januar 2008 die Bewilligung von Beihilfeleistungen für die Aufwendungen der Ehefrau ab. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch legte der Kläger eine Bescheinigung des Kinderwunschzentrums M.... vom 20. Dezember 2007 vor, wonach die ungewollte Kinderlosigkeit auf ihn zurückzuführen ist, und nach erfolgten intrauterinen Inseminationen dem Ehepaar nun der Übergang zu einer ICSI-Behandlung empfohlen worden sei. Der Kläger trug vor, für diesen Fall habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass die private Versicherung des Ehemannes als Verursacher der Erkrankung auch für die bei der Ehefrau angefallenen Kosten einstehen müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch im Hinblick auf die streitgegenständlichen Aufwendungen zurück: Für die Bewilligung von Beihilfe zu Maßnahmen der künstlichen Befruchtung seien die seit 1. Januar 2004 geänderten Regelungen des § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - entsprechend anwendbar. Nach § 27a Abs. 3 SGB V bestehe ein Anspruch nur für Maßnahmen, die beim Versicherten durchgeführt würden, nur diese könnten dementsprechend auch als beihilfefähig anerkannt werden. Aufwendungen, die der Ehefrau des Klägers zuzuordnen seien, müssten dagegen bei deren Beihilfestelle geltend gemacht werden. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei hier nicht einschlägig.

Die Erstattung einer weiteren, vom Kläger nachfolgend eingereichten Rechnung in Höhe von 3.404,95 € lehnte die Beklagte unter Hinweis auf den Widerspruchsbescheid mit Beihilfebescheid vom 4. März 2008 ab und setzte das daran anschließende Widerspruchsverfahren aus.

Der Kläger hat am 12. März 2008 beim Verwaltungsgericht Mainz Klage erhoben, mit der er vorgetragen hat, das Land Hessen wende im Gegensatz zu seinem Dienstherrn das Verursacherprinzip an, so dass seine Ehefrau, bei der keine Krankheit vorliege, die Kosten von dort nicht erstattet erhalte. Dies führe dazu, dass sie als Ehepaar einen beträchtlichen Teil der Kosten selbst tragen müssten. Dieses Ergebnis entspreche nicht Sinn und Zweck des § 27a SGB V. Die Regelung ziele nämlich darauf, durch die Behandlung das Krankheitsbild der Unfruchtbarkeit des Mannes zu überwinden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 28. Januar 2008 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 2008 zu verpflichten, ihm eine weitere Beihilfe in Höhe von 695,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorgetragen, in der gesetzlichen Krankenversicherung gelte bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht - wie in der privaten Versicherung - das Verursacherprinzip, sondern das körperbezogene Prinzip. Dieses Prinzip werde von ihren Beihilfevorschriften übernommen. Dem Verordnungsgeber komme im Beihilferecht ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es bestehe keine Pflicht zur Anpassung der Beihilfeleistungen an andere Kostenerstattungen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2008 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Gegen die Anwendung des körperbezogenen Aufteilungsprinzips bei der Zuordnung der Aufwendungen bestünden keine rechtlichen Bedenken, auch wenn hierdurch auf die bei der Ehefrau des Klägers entstandenen Kosten gar keine Beihilfe gewährt werde, weil das Land Hessen die Zuordnung nach dem Verursacherprinzip vornehme. Die Beklagte habe mit der anwendungs- oder körperbezogenen Zuordnung der Kosten, die dem Beihilferecht grundsätzlich nicht fremd sei, ihren Gestaltungsspielraum nicht verlassen. Die vom Kläger herangezogenen Gerichtsentscheidungen beträfen dagegen das Recht der privaten Krankenversicherung und der Heilfürsorge, die sich strukturell vom Beihilferecht unterschieden. Durch die entstehende "Beihilfelücke" werde die Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger angesichts der Höhe der ungedeckten Aufwendungen im Verhältnis zu seiner Besoldung als Baurat nicht in ihrem Wesenskern verletzt.

Der Kläger begründet die vom Senat im Hinblick auf die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung wie folgt:

Sinn und Zweck des § 27a SGB V sei nicht das Schaffen einer Versorgungslücke, wie sie in der hier vorliegenden Fallkonstellation aber entstehe. Aus diesem Grund habe das Sozialgericht Trier die gesetzliche Krankenversicherung in einem vergleichbaren Fall zur vollständigen Kostenübernahme verpflichtet. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folge, dass er nicht schlechter gestellt werden könne, als wenn seine Ehefrau in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sei.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils seiner Klage stattzugeben. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass ihre Beihilfevorschriften eine klare Regelung des Sachverhalts enthielten. Es sei nicht willkürlich, dass sie am Körperprinzip und nicht am Verursacherprinzip anknüpfe. Die Beihilfeleistungen des Bundes müssten aufgrund der Rechtslage in Hessen entstehende Lücken nicht schließen. Eine Ungleichbehandlung des Klägers sei hiermit nicht verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfeleistungen der Beklagten zu den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Aufwendungen für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung bei seiner Ehefrau.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 der vom Verwaltungsgericht zu Recht noch herangezogenen Beihilfevorschriften der Beklagten - BhV - (vgl. hierzu die bereits von der Vorinstanz zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie § 58 der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 - BBhV -, BGBl. I S. 329) sind beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit entstandenen Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel. Allerdings werden Beihilfen gemäß § 1 Abs. 4 BhV nur zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen und ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen gewährt. Die Ehefrau des Klägers, auf deren Namen die streitgegenständlichen Rechnungen und Rezepte ausgestellt sind und bei der dementsprechend die Aufwendungen zivilrechtlich angefallen sind, ist weder selbst beihilfeberechtigt gegenüber der Beklagten, noch ist sie berücksichtigungsfähige Angehörige des Klägers gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BhV, und zwar schon wegen ihrer eigenen Beihilfeberechtigung nach beamtenrechtlichen Vorschriften (§ 4 Abs. 3 BhV) sowie überdies wegen Überschreitung der Eigenmittelgrenze (§ 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV). Die bei ihr entstandenen Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sind aber auch nicht deshalb als Krankheitskosten des Klägers zu erstatten, weil die ungewollte Kinderlosigkeit des Ehepaares unstreitig auf der Unfruchtbarkeit des Klägers beruht.

Für die Zuordnung der Kosten, die im Rahmen einer künstlichen Befruchtung entstehen, gehen die Beihilfevorschriften der Beklagten, wie die gesetzliche Krankenversicherung, nämlich nicht vom Verursacherprinzip, sondern vom sog. körper- oder anwendungsbezogenen Kostenaufteilungsprinzip aus. Dies folgt aus § 6 Nr. 13 Satz 2 BhV, der für die Erstattung von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung auf die Regelungen des § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - verweist mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Krankenkasse die Festsetzungsstelle tritt. Die in § 27a SGB V normierten medizinischen Indikationen für eine künstliche Befruchtung sind hier unstreitig erfüllt. Gemäß § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung in diesem Fall 50 % der Kosten für die Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Danach sind die Maßnahmen, die beim anderen, nicht bei ihr versicherten Ehegatten durchgeführt werden, nicht erstattungsfähig.

Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung sind drei Arten von Behandlungsmaßnahmen zu unterscheiden: diejenigen am Körper des Mannes (z.B. die Entnahme von Spermien), diejenigen am Körper der Frau (z.B. die Hormonbehandlung durch Medikamente, die Entnahme von Eizellen, Ultraschalluntersuchungen, intrauterine Inseminationen) sowie die extrakorporalen Maßnahmen (z.B. die Aufbereitung von Ei- und Samenzellen, das Zusammenbringen der aufbereiteten Keimzellen durch In-Vitro-Fertilisation - IVF - oder Intracytoplasmatische Spermieninjektion - ICSI -, Beratungsleistungen). Da erst die Kombination und das Zusammenwirken dieser verschiedenen Maßnahmen zum Erfolg einer künstlichen Befruchtung - der Herbeiführung einer Schwangerschaft der Frau - führen, stellt sich in allen Systemen der Krankheitsfürsorge die Frage, wie die entstehenden Kosten den Ehepartnern und damit den jeweils dahinterstehenden Kostenträgern zuzuordnen sind.

Hierfür kommt zum einen das sog. Verursacherprinzip in Betracht, nach dem sämtliche Kosten der künstlichen Befruchtung demjenigen zugeordnet werden, in dessen Person die Ursache für die ungewollte Kinderlosigkeit des Paares liegt. Dieses Prinzip findet beispielsweise im Bereich der privaten Krankenversicherung Anwendung, da sie am Eintritt eines Versicherungsfalls, d.h. der erforderlichen Behandlung einer Erkrankung des Versicherten, anknüpft (vgl. BGH, Urteile vom 3. März 2004, NJW 2004, 1658 und vom 13. September 2006, NJW 2006, 3560, zitiert aus juris). Ein anderer Ansatz zur Aufteilung der Kosten einer künstlichen Befruchtung ist das Körperprinzip, das, wie ausgeführt, im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, aber auch in Beihilferegelungen der Länder übernommen wurde (vgl. dazu Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, § 6 BhV Anm. 18e sowie allgemein Anm. 18d). Dieser Ansatz geht davon aus, dass Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung nicht unmittelbar der Behandlung oder Linderung einer Krankheit dienen, sondern dass vielmehr die Unfruchtbarkeit des Ehepaares einen eigenständigen Versicherungsfall bildet, der durch § 27a SGB V den für Krankheiten geltenden Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterstellt wird. Nach dieser Konzeption hat jeder Ehegatte nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft der Frau notwendigen Behandlungen einschließlich der extrakorporalen Maßnahmen, mit Ausnahme aber der unmittelbar am Körper des anderen Ehegatten durchgeführten Behandlungen (vgl. BSG, Urteile vom 3. April 2001 - B 1 KR 40/00 und B 1 KR 22/00 -; vom 22. März 2005, NJW 2476; vom 19. September 2007, FamRZ 2007, 2066; vom 17. Juni 2008 - B 1 KR 24/07 R - sowie Beschluss vom 18. September 2008 - B 3 KR 5/08 -, alle zitiert aus juris).

Beide Prinzipien der Kostenaufteilung weisen Stärken und Schwächen auf: So können bei Anwendung des Verursacherprinzips sämtliche Kosten einheitlich einem Kostenträger zugewiesen werden, dieses Prinzip stößt aber an seine Grenzen, wenn die Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit nicht aufzuklären sind (sog. idiopathische Sterilität des Ehepaares). Bei Anwendung des körperbezogenen Prinzips kann dagegen die Zuordnung der extrakorporalen Maßnahmen im Einzelnen problematisch sein, da sie bei keinem der Partner unmittelbar am Körper durchgeführt werden, auf der anderen Seite können die häufig schwierig aufzuklärenden Ursachen der Sterilität hier offen bleiben.

Die Beklagte hat sich durch den Verweis auf die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung in zulässiger Weise für die Anwendung des Körperprinzips im Rahmen ihrer Beihilfeerstattung entschieden. Im Beihilferecht steht dem Dienstherrn ein weiter Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008, BayVBl. 2009, 243), der durch diese Entscheidung nicht verletzt wird. Vielmehr liegt - worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - die körper- oder anwendungsbezogene Betrachtungsweise dem Beihilferecht auch sonst nahe. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass gemäß § 1 Abs. 4 BhV grundsätzlich nur Aufwendungen des Beihilfeberechtigten selbst erstattungsfähig sind und die beihilfefähigen Tatbestände der §§ 6 bis 11 BhV regelmäßig auf eine ärztliche oder eine sonstige Heilbehandlung, eine Pflege oder eine Therapie mit Heil- oder Hilfsmitteln am Körper des Beihilfeberechtigten abzielen. Die Fälle, in denen die Aufwendungen Dritter beihilferechtlich erstattungsfähig sind, stellen dagegen die Ausnahme dar und sind jeweils ausdrücklich geregelt, wie dies für die Einbeziehung der berücksichtigungsfähigen Angehörigen, der Aufwendungen von Organspendern durch § 6 Abs. 1 Nr. 11 BhV oder der Kosten einer Begleitperson durch § 6 Abs. 1 Nr. 10a) S. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 und § 8 Abs. 2 Nr. 2 BhV erfolgt ist (vgl. zur Anwendung des Körperprinzips bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Beihilferecht ebenso OVG NRW, Urteil vom 12. November 2007, ZBR 2008, 282; Nds. OVG, Beschluss vom 4. September 2008, NVwZ-RR 2009, 296; VG Augsburg, Urteil vom 19. November 2007 - Au 7 K 07.170 -; VG Lüneburg, Urteil vom 28. Januar 2009 - 1 A 168/06 -; a.A. VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Mai 2005 - 1 E 2940/03 -, alle zitiert aus juris).

Demgegenüber gelten für die Erstattung im Rahmen einer privaten Krankenversicherung, die - wie ausgeführt - am Versicherungsfall einer Erkrankung des Versicherten ansetzt, andere Grundsätze, die auf das öffentlich-rechtliche Beihilferecht nicht übertragen werden müssen. Auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des Verursacherprinzips im Bereich der künstlichen Befruchtung kann der Kläger sich demzufolge gegenüber der Beklagten nicht berufen (vgl. OVG NRW, a.a.O.). Die von ihm außerdem im Verwaltungsverfahren vorgelegte Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2005 (DVBl. 2006, 651) ist ebenfalls nicht zum Beihilferecht, sondern zu der hiervon strukturell verschiedenen Heilfürsorge für Bundespolizisten ergangen (vgl. zur unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2003, DVBl. 2004, 766).

Hat die Beklagte sich nach alledem rechtmäßig für die Anwendung des Körperprinzips bei der Kostenerstattung einer künstlichen Befruchtung im Beihilferecht entschieden, sind die streitgegenständlichen Behandlungen, die sämtlich bei der Ehefrau des Klägers erfolgt sind, nicht erstattungsfähig: Die ärztlichen Rechnungen vom 7. Mai und vom 11. Juli 2007 beinhalten am Körper der Ehefrau vollzogene intrauterine Inseminationen, Ultraschalluntersuchungen und Blutentnahmen. Die bis Januar 2008 verordneten Medikamente bezogen sich möglicherweise (auch) schon auf die vom Arzt im Dezember 2007 empfohlene ICSI-Behandlung, da die Einnahme der Medikamente aber gleichfalls allein bei der Ehefrau stattfand, sind auch diese Kosten nach dem Körperprinzip beim Kläger nicht erstattungsfähig. Über die Aufwendungen für eine ICSI-Behandlung, einschließlich der hier anfallenden extrakorporalen Maßnahmen, ist dagegen im vorliegenden Verfahren noch nicht zu entscheiden.

Aus § 27a SGB V ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers keine Verpflichtung der Beklagten zur Vermeidung einer Versorgungslücke, wenn und soweit der anderweitig versicherte Ehepartner von seiner Versicherung oder Beihilfestelle keine Leistungen erhält. Zwar trifft es zu, dass § 27a SGB V unter den dort normierten medizinischen Voraussetzungen auf eine lückenlose Übernahme aller notwendigen Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung durch die gesetzliche Krankenversicherung zielt. Diese umfassende Leistungszusage bezieht sich aber nur auf das innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Ehepaar (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2005, a.a.O., juris Rn. 21). Ist ein Ehepartner dagegen außerhalb dieses Systems anderweitig abgesichert - durch eine private Versicherung, eine Ersatzkasse und/oder durch Beihilfeleistungen -, ist er bezüglich der an seinem Körper vorgenommenen Maßnahmen auf die eigene Versicherung oder Beihilfestelle zu verweisen. Die in dem anderen System bestehenden Defizite müssen über § 27a SGB V nicht ausgeglichen werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 und Beschluss vom 18. September 2008, jeweils a.a.O.). Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Sozialgerichts Trier vom 10. Februar 2004 ist durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts überholt. Durch die Verweisung des § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV auf § 27a SGB V erstreckt sich dementsprechend im Bundesbeihilferecht die Erstattungszusage der Beklagten ebenfalls nur auf die Fälle, in denen beide Ehegatten bei ihr beihilfeberechtigt sind. Darüber hinaus ergibt sich eine vollständige Kostenerstattung für das Ehepaar aber auch dann, wenn der andere Ehegatte Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung oder Beihilfeberechtigter bei einem anderen Dienstherrn ist, der ebenfalls - wie dies wohl überwiegend geschieht (vgl. Mildenberger, a.a.O.) - das Körperprinzip anwendet.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass der Kläger und seine Ehefrau demgegenüber eine geringere Erstattung ihrer Aufwendungen für die künstliche Befruchtung erhalten. Es liegt im Ermessen des Gesetzgebers und ebenso des Verordnungsgebers im Beihilferecht, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in diesem Bereich zu bestimmen und sich für verschiedene Leistungssysteme zu entscheiden, in denen sich der Gleichbehandlungssatz dann den Eigenarten der Systeme entsprechend unterschiedlich auswirkt (vgl. zur gesetzlichen Krankenversicherung BSG, Beschluss vom 16. Februar 2009 - B 1 KR 87/08 B -, juris). Hat der Dienstherr sich für ein bestimmtes Leistungssystem - hier das körperbezogene Kostenaufteilungsprinzip - entschieden, kann der Beamte einen Anspruch auf Gleichbehandlung nur innerhalb dieses Systems geltend machen. Die über das System hinausreichende, also davon gerade abweichende Behandlung im Einzelfall stellt dagegen eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Beihilfe berechtigten dar. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt mithin kein Anspruch, im Beihilfesystem der Beklagten die Beihilfelücken abzudecken, die durch die Anwendung eines anderen Erstattungssystems auf die Beihilfeansprüche des Partners entstehen (vgl. auch VG Augsburg, a.a.O.).

Wenn dem Ehepaar durch das Zusammentreffen zweier nicht aufeinander abgestimmter Erstattungssysteme im Ergebnis ungedeckte Aufwendungen verbleiben - was hier noch nicht feststeht, da die Ehefrau des Klägers selbst nach seinen Angaben in Hessen über ihre eigenen Beihilfeansprüche ein Klageverfahren durchführt -, so führt dies schließlich nicht über die allgemeine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu weitergehenden Ansprüchen gegen die Beklagte. Im Beihilferecht darf der Dienstherr typisierende und generalisierende Regelungen schaffen, die im Einzelfall auch dazu führen können, dass nicht alle Aufwendungen der Beihilfeberechtigten abgedeckt werden. Zur Gewährleistung einer lückenlosen Erstattung sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten im Wege der Beihilfe ist der Dienstherr nicht verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, BVerfGE 106, 225). Die Beihilfevorschriften bestimmen den angemessenen Beitrag des Dienstherrn zu den krankheitsbedingten Aufwendungen der Beamten grundsätzlich abschließend; ein Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht ist nur im Ausnahmefall möglich, wenn dem Beamten sonst unzumutbare Aufwendungen verbleiben, die auch über eine mögliche Eigenvorsorge nicht abgedeckt sind und die seine amtsangemessene Lebensführung gefährden (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1980, BVerwGE 60, 212, vom 21. Januar 1982, BVerwGE 64, 333 und vom 21. Dezember 2000, BVerwGE 112, 308). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Zwar bleibt es möglicherweise nicht bei den streitgegenständlichen ungedeckten Aufwendungen in Höhe von 684,53 €, sondern es können weitere, am Körper der Ehefrau erforderliche Behandlungsschritte notwendig werden; über Aufwendungen in Höhe von rund 3.400,-- € ist bereits ein Widerspruchsverfahren bei der Beklagten anhängig. Die Fürsorgepflicht ist aber selbst dann nicht in ihrem Wesenskern verletzt, wenn das Ehepaar auch für weitere Teilmaßnahmen der künstlichen Befruchtung keine Erstattung im Wege der Beihilfe erhalten sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen nicht den Kernbereich der Krankheitsfürsorge betreffen, für die der Dienstherr neben der Besoldung einen Beitrag schuldet, sondern einen Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der Krankheitsfürsorge nicht von vornherein veranlasst ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 2007, BVerfGE 117, 316 und Beschluss vom 27. Februar 2009, NJW 2009, 1733 zur gesetzlichen Krankenversicherung). Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten mittels Gewährung von Beihilfeleistungen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24. September 2007 - 14 ZB 06.2677 -, juris). Eine Anpassung der Beihilfeleistungen jeweils an die Erstattungen, die das Ehepaar für seine Aufwendungen von anderen Kostenträgern erhält, ist danach nicht geboten und im Übrigen auch wegen der Vielfalt der möglichen Konstellationen, die gerade im Bereich der künstlichen Befruchtung im Hinblick auf die verschiedenen Behandlungsmethoden und Krankenkassenleistungen bestehen, praktisch nicht umsetzbar (vgl. VG Augsburg, a.a.O.; zu den unterschiedlichen Erstattungssätzen je nach Behandlungsmethode und Art der Krankenversicherung vgl. Beckhofe, NJOZ 2009, 1465, zitiert aus beck-online).

Zudem entsteht die Beihilfelücke hier letztlich dadurch, dass die Ehefrau des Klägers nicht als dessen Angehörige beihilferechtlich berücksichtigungsfähig ist, weil sie selbst als Beamtin berufstätig und damit wirtschaftlich unabhängig ist. Zur Finanzierung der ungedeckten Aufwendungen für die künstliche Befruchtung steht mithin das Einkommen beider Ehegatten zur Verfügung (vgl. VG Augsburg, a.a.O.). Schließlich handelt es sich nicht um eine finanzielle Dauerbelastung des Klägers und seiner Ehefrau, da die medizinische Indikation für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Bezug auf die Anzahl der Versuche gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV i.V.m. § 27a SGB V begrenzt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da zur Erstattung von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung im Beihilferecht soweit erkennbar noch keine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt und die Neuregelung der BBhV vom 13. Februar 2009 in § 43 Abs. 1 auch weiterhin auf die Grundsätze nach § 27a SGB V verweist.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 684,53 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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