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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.11.2005
Aktenzeichen: 10 A 10727/05.OVG
Rechtsgebiete: BBG, EGRL 2003/88/EG, EGRL 93/104/EG, AZV


Vorschriften:

BBG § 72
BBG § 72 Abs. 2
BBG § 72 Abs. 2 S. 2
EGRL 2003/88/EG
EGRL 93/104/EG
AZV § 1
Fahrten eines Beamten vom Ort des auswärtigen Dienstgeschäfts zum Dienstort außerhalb der Regelarbeitszeit sind grundsätzlich kein Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts (wie Urteil des BVerwG vom 11. Februar 1982, DVBl. 1982, S. 1190).

Dies gilt auch mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Bereitschaftsdienst von Ärzten und Mitgliedern des Rettungsdienstes als Arbeitszeit anzusehen ist (Urteil vom 5. Oktober 2004, NJW 2004, S. 3547).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 A 10727/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Beamtenrechts (Arbeitszeit)

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2005, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig ehrenamtliche Richterin Buchhalterin Gläser ehrenamtliche Richterin Versicherungskauffrau Hoffmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der als Technischer Regierungsamtmann im Dienst der Beklagten steht und beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz beschäftigt ist, begehrt für zwei Tage die Anerkennung von Reisezeit als Dienstzeit.

Am 23. Januar und am 30. Januar 2004, dies waren jeweils Freitage, unternahm er als Selbstfahrer Dienstreisen mit einem Dienst-Kraftfahrzeug. Die Dienstgeschäfte vor Ort dauerten jeweils von 7.00 bis 9.00 Uhr. Am 23. Januar 2004 trat er die Rückreise um 9.15 Uhr an und beendete sie in Koblenz um 15.30 Uhr. Am 30. Januar 2004 verzögerte sich die Abfahrt. Die Rückreise konnte er erst um 11.30 Uhr antreten und um 17.30 Uhr beenden. Die Dienstreisen überschritten jeweils das Ende der Regelarbeitszeit, das auf 12.30 Uhr festgelegt war.

Da dem Kläger die über die Regelarbeitszeit hinausgehende Zeit nicht angerechnet wurde, beantragte er unter dem 2. April 2004, diese als Dienstzeit anzuerkennen. Zur Begründung machte er geltend, dass das Führen eines Kraftfahrzeuges, wie er es als Selbstfahrer vornehme, eine erhebliche Anstrengung darstelle. Die Situation könne nicht mit der eines Mitfahrers oder Bahnfahrers verglichen werden, sondern entspreche sehr viel eher der eines Berufskraftfahrers. Da letzterem die Fahrzeit als Arbeitzeit angerechnet werde, sei es recht und billig, bei ihm als Selbstfahrer das gleiche zu tun.

Den Antrag lehnte das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung mit Bescheid vom 17. Mai 2004 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, wegen des geringen Grads der dienstlichen Inanspruchnahme könnten Reisezeiten grundsätzlich nicht als Dienstzeit anerkannt werden. Eine Ausnahme bestehe nach der einschlägigen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Reisezeiten und Rufbereitschaft lediglich dann, wenn diese mehr als 20 Stunden im Monat betragen hätten. So sei es hier aber nicht gewesen. Keine dem Kläger günstigere Betrachtungsweise ergäbe sich aus dem Umstand, dass er Selbstfahrer sei. Hierauf komme es von Rechts wegen nicht an. Anders sei es nur bei den - hier nicht vorliegenden - Fällen der hauptberuflichen Kraftfahrer oder der Beschäftigten, die im Rahmen einer Dienstreise ausschließlich für den Transport von Menschen und/oder Material eingesetzt seien.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger ergänzend geltend, die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft im ärztlichen Bereich sei vorliegend entsprechend heranzuziehen und gebiete eine Anerkennung der Reisezeit als Dienstzeit. Denn entscheidend komme es danach darauf an, ob sich der Betreffende außerhalb seines familiären und sozialen Umfelds aufhalten müsse und über die Zeit, in der er nicht in Anspruch genommen werde, frei verfügen könne. Danach müssten die Reisezeiten bei Dienstreisen in vollem Umfang als Arbeitszeit anerkannt werden, da sich der Dienstreisende ebenfalls außerhalb seines familiären und sozialen Umfelds aufhalte und nicht frei über seine Zeit verfügen könne.

Den Widerspruch wies das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004 mit der ergänzenden Begründung zurück, die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ließen sich nicht auf die Reisezeiten für Beamte übertragen.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung vom 17. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides dieser Behörde vom 30. Juli 2004 zu verpflichten, die am 23. und am 30. Januar 2004 nach 12.30 Uhr angefallenen Reisezeiten als Arbeitszeit anzuerkennen.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat ergänzend ausgeführt, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne hier nicht entsprechend herangezogen werden, weil als Arbeitszeit nur diejenige Tätigkeit anzusehen sei, die der dem Beamten übertragene Haupttätigkeit entspreche. Anders als beim Berufskraftfahrer gehöre das Führen eines Fahrzeugs indessen nicht zur Haupttätigkeit eines Beamten wie dem Kläger. Zudem habe der Europäische Gerichtshof einen Bereitschaftsdienst nur dann als Arbeitszeit qualifiziert, wenn er am Dienstort oder an einem sonstigen vom Dienstherrn/Arbeitgeber angeordneten Ort abzuleisten sei. Damit sei die Situation des Klägers beim Führen des Kraftfahrzeuges nicht vergleichbar.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen und für Beamte wie den Kläger solchen Reisezeiten den Charakter einer Arbeitszeit abgesprochen. Die vom Kläger herangezogene EU-Richtlinie sei von vornherein nicht einschlägig, da bei den Reisezeiten keine dem Dienstherrn geschuldete Arbeitsleistung im Vordergrund stehe.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist insbesondere der Auffassung, dass die europarechtlichen Regelungen die Berücksichtigung der in Rede stehenden Reisezeiten als Arbeitszeit zwingend vorschrieben.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts dem Antrag erster Instanz zu entsprechen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Sach- und Streitstandes in allen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen sowie auf die das Verfahren betreffenden Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge der Beklagten. Die genannten Vorgänge lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der in Rede stehenden Reisezeiten als Dienstzeit.

Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG. Dabei ist zu sehen, dass ein Beamter gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG grundsätzlich verpflichtet ist, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Eine Ausnahme enthält § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG. Danach erhält ein Beamter bei einer dienstlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit von mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus eine entsprechende Dienstbefreiung. Voraussetzung ist demnach, dass der Beamte mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus dienstlich in Anspruch genommen wird. Nach der seit Jahren gefestigten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss es sich bei der dienstlichen Inanspruchnahme ihrem Inhalt und ihrer Intensität nach um Dienst handeln. Nur eine solche dienstlich verursachte Inanspruchnahme, die zu dem Bereich der vom Beamten wahrzunehmenden allgemeinen Aufgaben des ihm übertragenen Amtes gehört oder ihn jedenfalls im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch nimmt, dass sie den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleich zu achten ist, kommt danach als Mehrarbeit in Betracht (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1982, DVBl. 1982, S. 1190 m.w.N.)

In diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht für den Fall eines Kriminalbeamten, der Fahrten zu auswärtigen Einsatzorten außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit unternehmen musste, entschieden, dass diese grundsätzlich kein Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts sind. In der Begründung ist dazu u.a. ausgeführt:

Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass es sich bei den genannten Stunden um Fahrtzeiten zu Orten handelt, an denen der Kläger als Kriminalkommissar dienstliche Verrichtungen vorzunehmen hatte (Rauschgifteinsätze, Ermittlungstätigkeiten, Gerichtsverhandlungen). Die An- und Rückfahrt zum Ort einer auswärtigen Dienstverrichtung ist grundsätzlich kein Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts nach § 83 LBG a.F.; sie kommt deshalb auch nicht als Zeit einer Mehrarbeit in Betracht. Dies folgt aus dem geringeren Grad der dienstlichen Inanspruchnahme während der Reisezeiten (vgl. die Urteile des erkennenden Senats vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 26.79 und 27. 79 - mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch dann, wenn die Fahrten mit einem dienstlich zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeug ausgeführt worden sind und während ihrer Dauer durch Einschaltung des Funkgeräts einfache Funkbereitschaft zu halten war, so dass jederzeit Einsatzbefehle des Dienstherrn an den Kläger erteilt werden konnten. Hierin kommt allenfalls eine Rufbereitschaft zum Ausdruck, die aber keine Arbeitszeit darstellt (vgl. Urteile vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 26.79 und 27. 79 - unter Hinweis auf BVerwGE 59, 45 (46)). Unerheblich für die Bewertung als Mehrarbeit ist ferner, ob der Kläger das Dienstfahrzeug selbst gesteuert hat oder gefahren worden ist. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang der Kläger während der geltend gemachten 11 1/2 Stunden Fahrtzeit selbst gefahren ist.

Eine andere rechtliche Bewertung greift hier auch nicht deshalb Platz, weil vergleichbare Fahrtzeiten, soweit sie während der regelmäßigen Dienstzeit anfallen, auf die Arbeitszeit voll angerechnet werden. Insoweit lässt der Dienstherr - aus Praktikabilitätserwägungen - allerdings pauschalierend alle Tätigkeiten, die mit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben im Zusammenhang stehen, insbesondere auch bloße Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten und deshalb auch Reisezeiten, als volle Erfüllung der geschuldeten Arbeitszeit gelten, soweit sie innerhalb der allgemeinen Dienstzeit liegen (vgl. auch Nr. 4.1.2 Abs. 2 zu § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsentschädigung für Beamte - MArbEVwV - vom 6. August 1974, GMBl. S. 386). Hieraus folgt jedoch nicht, dass solche Tätigkeiten zu Aufgaben des dem Beamten übertragenen Amtes werden und deshalb - soweit sie außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit anfallen - als Mehrarbeit angerechnet werden müssen (vgl. auch Nr. 4.1.2 Abs. 1 zu § 2 MArbEVwV und OVG Koblenz, DÖD 1981, 111 (112)). Es ist deshalb keinesfalls willkürlich, wenn als abgeltungsfähige Mehrarbeit nur eine solche außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit liegende dienstlich verursachte Inanspruchnahme zählt, die zum Kernbereich der vorgeschriebenen Dienstpflichten gehört oder den Beamten in einer inhaltlich der Dienstverrichtung gleich zu achtenden Weise belastet. Bei Fahrten eines Kriminalbeamten zu Orten, an denen er dienstliche Aufgaben zu erfüllen hat, handelt es sich generell weder um Verrichtungen, die unmittelbar zum Inhalt des ihm übertragenen Amtes gehören noch um eine sonstige Inanspruchnahme, die nach ihrer Nähe zum Dienst und dem Grad der Belastung, die von ihr auf den Beamten ausgeht, als Dienst und damit als Mehrarbeit gewertet werden können.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat der Kläger für die Zeiten, die er nach dem Ende der Regelarbeitszeit für die Rückreise von den Dienstgeschäften nach Koblenz verwenden musste, keinen Anspruch auf Dienstbefreiung. Denn - anders als ein Berufskraftfahrer - gehört für ihn als Technischer Regierungsamtmann das Führen eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr nicht zu den wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes. Ebenso wenig ist die zweite, alternativ vom Bundesverwaltungsgericht als erforderlich angesehene Voraussetzung gegeben, dass er im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch genommen wird, dass die Fahrten den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleich zu achten sind. Das gilt gerade auch mit Blick auf den Umstand, dass der Kläger die Dienstreise als Selbstfahrer unternommen hat. Denn darin unterscheidet er sich nicht von dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall. Im Gegenteil war der Kläger jenes Verfahrens in noch erheblich größerem Umfang in seiner Aufmerksamkeit in Anspruch genommen als der Kläger bei seinen beiden in Rede stehenden Dienstreisen. Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt sich der Senat jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art an, zumal der Kläger keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die eine andere Bewertung gebieten könnten.

Schließlich ergibt sich entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung keine andere Beurteilung aus europarechtlichen Regelungen. Aktuell einschlägig für diese Prüfung ist dabei die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Amtsblatt der Europäischen Union L 299 vom 18. November 2003, S. 9). Diese - und nicht die seinerzeit erlassene Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18), zu der die vom Kläger erwähnten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs über den Bereitschaftsdienst ergangen sind - ist maßgeblich, weil bis zu dem hier bedeutsamen Monat Januar 2004 die frühere Richtlinie wesentlich geändert wurde und diese Änderungen in der neuen Richtlinie kodifiziert wurden (vgl. Erwägung 1 der Richtlinie 2003/88/EG).

Die Richtlinie 2003/88/EG steht im Fall des Klägers - und nur soweit die Umstände des Klägers in Rede stehen, ist die Richtlinie hier zu berücksichtigen - einer nationalen Regelung wie sie § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfahren hat, nicht entgegen. Das ist schon deshalb der Fall, weil die vom Kläger im Monat Januar 2004 geleistete Arbeitszeit einschließlich der Reisezeiten die durch die Richtlinie festgelegte durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschreitet.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ([Große Kammer] Urteil vom 5. Oktober 2004, NJW 2004, S. 3547) gibt Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG (entsprechendes gilt für die insoweit gleiche Regelung in der Nachfolgerichtlinie 2003/88/EG) den Mitgliedsstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Sieben-Tages-Zeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Damit und mit den anderen Regelungen der Richtlinie sollen Mindestvorschriften festgelegt werden, die dazu bestimmt sind, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch die Angleichung namentlich der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften zu verbessern. Die gemeinschaftsweite Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung soll einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Gewährung von - unter anderem täglichen und wöchentlichen - Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen gewährleisten. Dazu legt die Richtlinie 93/104/EG - wie auch ihre Nachfolgerichtlinie 2003/88/EG - eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden fest. Diese Obergrenze für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit einschließlich der Überstunden beinhaltet eine besonders wichtige Regel des Sozialrechts der Gemeinschaft, die jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugute kommen muss (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2005, a.a.O., S. 3548).

Dieser Mindestanspruch, der allerdings unmittelbare Wirkungen entfaltet (vgl. EuGH, a.a.O., S. 3549) und auch für Beamte gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004, DöD 2005, S. 223 [225]), hat indessen für den Kläger keine ihm günstige Konsequenzen. Denn der danach gebotene Mindeststandard einer durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden ist ihm gegenüber auf jeden Fall gewahrt und muss deshalb nicht erst noch durch die Anwendung der Richtlinie gewährleistet werden.

Im hier maßgeblichen Monat Januar 2004 galt für den Kläger noch die 38,5 Stunden-Woche (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes [Arbeitszeitverordnung - AZV] in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1999 [BGBl. I S. 1745]) - die 40 Stunden-Woche wurde erst durch die 13. VO zur Änderung der AZV vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2373) mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 eingeführt. Damit betrug die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 38,5 Stunden. Rechnet man dieser Arbeitszeit die hier geltend gemachten Zeiträume für die Reisezeiten an den beiden Freitagen hinzu, so erreichte er in keiner der beiden Wochen die nach der Richtlinie 2003/88/EG festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. In der Woche vom 19. bis 23. Januar 2004 betrug die Arbeitszeit des Klägers insgesamt 41,5 Stunden (38,5 Stunden + 3 Stunden [12.30 Uhr - 15.30 Uhr = 3 Stunden]) und in der Woche vom 26. bis 30 Januar 2004 waren das insgesamt 43,5 Stunden (38,5 Stunden + 5 Stunden [12.30 Uhr - 17.30 Uhr = 5 Stunden]). In beiden Fällen wurde die wöchentliche Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 2004/88/EG nicht überschritten, ganz abgesehen davon, dass nach Art. 16 b der Richtlinie die Mitgliedstaaten für die wöchentliche Höchstarbeitszeit ohnehin einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten festlegen können.

Hieraus folgt, dass der Schutz der Sicherheit und Gesundheit durch die Gewährung von Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen vorliegend schon hinreichend durch die Umstände gewährleistet war. Von daher bedarf der Kläger keines Schutzes, der sich aus der Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ergibt. Der Schutz der Richtlinie setzt erst unter für den Arbeitnehmer unangenehmeren Bedingungen ein, die beim Kläger von vornherein nicht vorlagen.

Überdies - und das soll nicht unerwähnt bleiben - lassen sich die Grundsätze, die der Europäische Gerichtshof in seinen neueren Entscheidungen zum Bereitschaftsdienst bei Ärzten (und auch im Rettungsdienst) aufgestellt hat (vgl. vor allem: Urteil vom 3. Oktober 2000, NZA 2000, S. 1227 - Simap -; [Plenum] Urteil vom 9. September 2003, NJW 2003, S. 2971 - Jaeger -; [Große Kammer] Urteil vom 5. Oktober 2004, NJW 2004, S. 3547 - Pfeiffer -) nicht auf die Reisezeiten des Klägers übertragen. Denn zu Unrecht meint der Kläger, dass es bei der Anerkennung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit für den Europäischen Gerichtshof allein und entscheidend darauf ankam, ob sich der Arbeitnehmer außerhalb seines familiären und sozialen Umfeldes aufhalten müsse und über die Zeit, in der er nicht in Anspruch genommen werde, frei verfügen könne oder nicht. Vielmehr ist der Bereitschaftsdienst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (wie er in seinem Urteil vom 9. September 2003 - Jaeger -, ausdrücklich in Randnummer 63 [NJW 2003, S. 2973 rechte Spalte] festgestellt hat) durch folgende Situation geprägt:

Entscheidend für die Annahme, dass der von den Ärzten im Krankenhaus geleistete Bereitschaftsdienst die charakteristischen Merkmale des Begriffs Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 93/104/EG aufweist, ist nach Auffassung des EuGH, dass sie sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müssen, um gegebenenfalls sofort ihre Leistungen erbringen zu können. Wie sich nämlich aus Rdnr. 48 des Urteils Simap ergibt, sind diese Verpflichtungen, auf Grund deren die betroffenen Ärzte ihren Aufenthaltsort während der Wartezeiten nicht frei bestimmen können, als Bestandteil der Wahrnehmung ihrer Aufgaben anzusehen.

Das Typische des Bereitschaftsdienstes ist danach (auch) seine Zweckbindung. Er wird von Arbeitnehmern verrichtet, "um gegebenenfalls sofort ihre Leistungen erbringen zu können". Diese Zweckbindung ergibt sich zudem aus der Wahl des Wortes "Wartezeit". Auch daraus wird deutlich, dass der Bereitschaftsdienst mit der eigentlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers eng verknüpft ist. Die "Vollarbeitszeit" steht letztlich "hinter" dieser "Wartezeit", sie kann und soll sich beim Bereitschaftsdienst bestimmungsgemäß aktualisieren. Eine solche enge Verknüpfung mit der eigentlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers besteht im Falle des Klägers, in der es um die Berücksichtigung von Fahrtzeiten als Dienstzeiten geht, nicht. In keinem Fall kann bei seinen Reisen vom Ort der auswärtigen Dienstverrichtung zu seinem Dienstort die Vollarbeitszeit aktualisiert werden. Die Fahrtzeiten behalten ihren Charakter und dienen nicht - wie der Bereitschaftsdienst - dazu, um gegebenenfalls sofort (die Vollarbeits-)Leistungen erbringen zu können". Stattdessen erschöpft sich der Charakter der Reisen in diesen selbst und sie sind nicht - wie im Bereitschaftsdienst - Mittel zu einem weitergehenden Zweck, nämlich dem der Erbringung der vollen Arbeitsleistung.

Von daher hat der Senat auch keinen Anlass, die hier aufgeworfene Frage der Reisezeiten als Dienstzeit dem Europäischen Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV vorzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 RRG i.V.m. § 172 BBG bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 129,20 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 KostRMoG).

Ende der Entscheidung

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