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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: 11 A 11152/07.OVG
Rechtsgebiete: GG, BBG, BDG, PostG, BPersVG, PostPersRG, StGB


Vorschriften:

GG Art. 10 Abs. 1
GG Art. 10
BBG § 54 Satz 2
BBG § 54 Satz 3
BBG § 54
BBG § 55 Satz 2
BBG § 55
BBG § 77 Abs. 1 Satz 1
BBG § 77 Abs. 1
BBG § 77
BDG § 5 Abs. 1 Nr. 5
BDG § 5 Abs. 1
BDG § 5
BDG § 10 Abs. 1
BDG § 10
BDG § 13 Abs. 1 Satz 3
BDG § 13 Abs. 2 Satz 1
BDG § 13 Abs. 1
BDG § 13 Abs. 2
BDG § 13
BDG § 57 Abs. 1 Satz 1
BDG § 57 Abs. 1
BDG § 57
PostG § 39
BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 3
BPersVG § 78 Abs. 1
BPersVG § 78
PostPersRG § 29 Abs. 5 Satz 1
PostPersRG § 29 Abs. 5
PostPersRG § 29
StGB § 206 Abs. 2 Nr. 1
StGB § 206 Abs. 2
StGB § 206
StGB § 246 Abs. 1
StGB § 246
1. Ein bei der Deutschen Post AG eingesetzter Bundesbeamter, der Briefsendungen öffnet, um sich das darin befindliche Bargeld rechtswidrig zuzueignen, verletzt durch diese Straftaten seine Kernpflichten in so erheblichem Maße, dass er wegen des hiermit einhergehenden endgültigen Vertrauens- und Ansehensverlustes in der Regel aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen ist.

2. Bei derart schwer wiegenden Zugriffsdelikten muss das Gewicht entlastender Milderungsgründe die belastenden Gesichtspunkte erheblich überwiegen; eine langjährige tadelfreie Dienstverrichtung und strafrechtliche Unbescholtenheit des Beamten reichen hierfür allein nicht aus.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

11 A 11152/07.OVG

In der Disziplinarsache

wegen Disziplinarklage

hat der 11. Senat - Senat für Bundesdisziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2007, an der teilgenommen haben Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski ehrenamtliche Richterin Postbetriebsinspektorin Malezki ehrenamtlicher Richter Bundesbahnbetriebsassistent Cieslak

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen seine Entfernung aus dem Dienst.

Der im Jahre 1968 geborene Beklagte trat im Jahre 1984 als Auszubildender zur Dienstleistungsfachkraft in den Postdienst ein. Im Jahre 1986 wurde er zum Beamten auf Probe und im Jahre 1995 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Zum 1. Januar 1996 wurde der Beklagte zur Deutschen Post AG übergeleitet und zur Niederlassung Briefpost versetzt. Seit dieser Zeit wird er als Stammzusteller im Zustellbezirk K. eingesetzt. Mit Wirkung zum 30. September 2000 wurde er zum Postbetriebsassistenten befördert. In der über ihn unter dem 7. Juni 2006 erstellten Beurteilung wird er als zuverlässiger, belastbarer und ordentlicher Mitarbeiter mit angepasstem Arbeitstempo beschrieben. Aus seinem Bezirk erreichten den Zustellstützpunkt wenige Kundenreklamationen. Bei seinen Kunden und den Kollegen sei er sehr beliebt und auch sein Verhältnis zur Stellenleitung sei einwandfrei.

Der disziplinarisch nicht vorbelastete Beklagte ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder.

Am 21. Dezember 2005 fand der Beklagte beim Stellen von Postsendungen in seinem Briefzentrum in K. mehrere Weihnachts- bzw. Trauerkarten, die nicht alle für seinen Bezirk bestimmt waren. Bei einer dieser Sendungen konnte er durch den Umschlag hindurch erkennen, dass sich in dem Brief Bargeld befand. Der Beklagte öffnete den Brief und nahm das vorgefundene Bargeld an sich. In unmittelbarem Anschluss hieran öffnete er weitere 31 Postsendungen und nahm auch deren Inhalt an sich. Die Briefe entsorgte er anschließend in einem Altpapiercontainer. Dabei wurde er von Personen beobachtet, die sich beim Polizeipräsidium in K. als Zeugen meldeten und den Polizeibeamten die von ihnen aus dem Altpapiercontainer wieder herausgenommenen Briefe übergaben. In dem daraufhin eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren klagte ihn die Staatsanwaltschaft K. wegen Verletzung des Postgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl geringwertiger Sachen an.

Nachdem die Klägerin von der Anklage Kenntnis erhielt, hörte sie den Beklagten am 8. Juni 2006 an. Bei dieser Befragung gab er zu, die Briefe am 21. Dezember 2005 geöffnet und das darin vorgefundene Bargeld in Höhe von ca. 100 € an sich genommen zu haben. Zu den Beweggründen führte er aus, die Versuchung sei einfach zu groß gewesen. Er habe noch nie zuvor Sendungen unterdrückt oder gar geöffnet. Er habe keine finanziellen Probleme. Er sei bereit, den entstandenen Schaden der Kunden zu ersetzen und ihm tue die Sache sehr leid. Er wisse nicht, was für ein Teufel ihn geritten habe.

Daraufhin leitete die Klägerin gegen den Beklagten das vorliegende Disziplinarverfahren ein und enthob ihn vorläufig des Dienstes.

Das Amtsgericht K. verurteilte den Beklagten am 26. Januar 2007 wegen Verletzung des Postgeheimnisses in Tateinheit mit Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 35,-- €. Das Gericht berücksichtigte in den Entscheidungsgründen die aus seinem strafbaren Verhalten auf ihn zukommenden beamtenrechtlichen Konsequenzen als Milderungsgrund.

Nach Rechtskraft dieses Urteils wurde das Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Dienstentfernung weitergeführt. Der vor Erhebung der Disziplinarklage auf Antrag des Beklagten beteiligte Betriebsrat der Niederlassung K. nahm diese zur Kenntnis, schlug allerdings eine Zurückstufung als angemessene Disziplinarmaßnahme vor. Wegen des ihrer Auffassung nach endgültigen Vertrauensverlustes hat die Klägerin gleichwohl beantragt,

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Der Beklagte hat beantragt,

eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

Seine gesamte Persönlichkeit sei zu berücksichtigen. Dies sowie der Umstand, dass er sich in den vergangenen mehr als 20 Dienstjahren nichts habe zu schulden kommen lassen und überdurchschnittlich beurteilt worden sei, führten dazu, ihm noch ein Rest an Vertrauen entgegenzubringen.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 27. September 2007 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dieser habe sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem der Beamte seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt habe sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes zu einem endgültigen Vertrauensverlust führe. Durch seine innerdienstlich begangene Verletzung des Postgeheimnisses in Verbindung mit einer Unterschlagung habe der Beklagte vorsätzlich gegen seine Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung, die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb des Dienstes und die Pflicht zur Beachtung dienstlicher Vorschriften verstoßen. Zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigende Gesichtspunkte, die auch bei dem gegebenen Zugriffsdelikt zu berücksichtigen seien, führten hier nicht zu einer positiven Prognose. Mildernd sei allenfalls seine disziplinarische Unbelastetheit, seine überdurchschnittlichen Leistungen und seine Mitwirkung bei der Aufklärung der Tat zu berücksichtigen. Darüber hinaus bereue er seine Tat aufrichtig. Trotz dieser zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sei jedoch angesichts des äußerst schwerwiegenden Versagens des Beklagten im Kernbereich seiner Dienstpflichten davon auszugehen, dass die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gut zu machen wäre. Würde der Beklagte trotz seiner Verfehlung im Beamtenverhältnis belassen, würde sich der Eindruck aufdrängen, solche Verfehlungen würden verharmlost bzw. ihnen nicht mit aller nötigen Entschiedenheit begegnet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er unter Ergänzung und Wiederholung seiner bereits erstinstanzlich geltend gemachten Gründe eine mildere Disziplinarmaßnahme begehrt. Es habe sich bei dem Vorfall um ein einmaliges Versagen gehandelt. Zu berücksichtigen seien zudem die freiwillige Offenbarung von mehr als ihm nachweisbaren Diebstählen, seine über 20 Jahre unbeanstandete Dienstverrichtung und seine überdurchschnittliche Beurteilung. Im Übrigen würde eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis schwerwiegende persönliche und familiäre Folgen nach sich ziehen. Schließlich sei er bereits durch das Strafgericht zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt worden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2007 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus dem Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, den vorgelegten Personal- und Disziplinarakten der Klägerin (4 Hefter) sowie der Strafakte der Staatsanwaltschaft K. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die mit dem Ziel der Dienstentfernung erhobene Disziplinarklage leidet an keinem Verfahrensfehler. Zwar hat sich der auf Antrag des Beklagten beteiligte Betriebsrat für eine mildere Disziplinarmaßnahme ausgesprochen. Eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung wie die gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 Postpersonalrechtsgesetz, § 78 Abs. 1 Nr. 3 Bundespersonalvertretungsgesetz erforderliche Zustimmung des Betriebsrates bei der Erhebung einer Disziplinarklage bezieht sich jedoch nur auf die disziplinarbehördliche Abschlussentscheidung, nicht dagegen auf den vorgesehenen Klageantrag (vgl. BVerwGE 124, 252).

Im Übrigen ist das Rechtsmittel auf das Disziplinarmaß beschränkt. Der Senat ist daher an die Tat- und Schuldfeststellungen des Verwaltungsgerichts sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden. Zugleich ist er an der Feststellung möglicher Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe gehindert. Er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Die von der Vorinstanz auf der Grundlage des von ihr als erwiesen erachteten Sachverhalts verhängte Disziplinarmaßnahme hält in diesem Umfang einer rechtlichen Überprüfung stand.

Aufgrund des vom Verwaltungsgericht rechtskräftig festgestellten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangenen Dienstvergehens ist der Beklagte aus dem Dienst zu entfernen. Eine solche Rechtsfolge ist nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 Satz 1 Bundesdisziplinargesetz - BDG - zwingend auszusprechen, wenn ein Beamter nach der Schwere des Dienstvergehens und dem Gesamteindruck seiner Persönlichkeit das für ein Verbleiben im Amt notwendige Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in eine pflichtgemäße Amtsführung endgültig und unwiederbringlich verloren hat. Anders als bei den übrigen Disziplinarmaßnahmen besteht bei einer derart negativen Prognose hinsichtlich der weiteren Vertrauenswürdigkeit des Beamten kein Ermessen bezüglich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme. Vorliegend hat die Disziplinarkammer den Beklagten zu Recht gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 10 Abs. 1 BDG aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Denn dieser hat durch sein Verhalten vom 21. Dezember 2005 ein schwer wiegendes Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - begangen. Auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten und nach Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände (§ 13 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BDG) führt die Schwere seines an diesem Tag begangenen Dienstvergehens dazu, ihm das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig abzusprechen.

Wegen der Bindungswirkung der Entscheidung des Amtsgerichts K. vom 26. Januar 2007 (§ 57 Abs. 1 Satz 1 BDG) und aufgrund der in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts steht fest, dass der Beklagte während seines Dienstes am 21. Dezember 2005 insgesamt 32 Weihnachts- und Trauerkarten an sich nahm, diese Briefsendungen widerrechtlich öffnete und sich das dabei gefundene Bargeld in Höhe von insgesamt 100,-- € rechtswidrig zueignete. Durch dieses Verhalten, das die Straftatbestände der Verletzung des Postgeheimnisses gemäß § 206 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Strafgesetzbuch - StGB - und der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) erfüllt, hat der Beklagte in ganz erheblichem Maße gegen seine Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) verstoßen. Zugleich ist er seiner Verpflichtung zur Beachtung und Befolgung allgemeiner und dienstlicher Anweisungen (§ 55 Satz 2 BBG) im Hinblick auf die Wahrung des Postgeheimnisses nicht nachgekommen.

Von entscheidender Bedeutung für die eingetretene Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ist das objektive Gewicht des festgestellten Dienstvergehens. Aufgrund der Schwere seiner Dienstpflichtverletzung hat sich der Beklagte für ein weiteres Verbleiben im Dienst disqualifiziert. Das Schwergewicht des dem Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens liegt insofern nicht allein oder vorwiegend in den Briefberaubungen (Zugriffsdelikt), sondern mindestens gleichgewichtig in der darin enthaltenen Verletzung des Postgeheimnisses. Die Öffnung der ihm in seiner dienstlichen Stellung zur Verfügung stehenden Postsendungen wiegt seiner Art nach außerordentlich schwer, weil der Beklagte damit den Kernbereich seiner Dienstpflichten als Postbeamter verletzte. Denn zu den zentralen Pflichten eines Postbeamten gehört neben der ordnungsgemäßen Zustellung der ihm anvertrauten Postsendungen insbesondere die Beachtung und aktive Wahrung des durch Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz und § 39 Postgesetz geschützten Briefgeheimnisses. Die Missachtung dieser Kernpflicht stellt als solche bereits ein schweres Dienstvergehen dar, da von einem Postbeamten erwartet werden muss, dass er dieses grundrechtlich und einfachrechtlich geschützte Rechtsgut achtet und mit besonderer Sorgfalt wahrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2007, DokBer 2007, 295). Auf den Inhalt der geöffneten Sendungen - auch, soweit der Beklagte ihn sich angeeignet hat - kommt es in diesem Zusammenhang weniger an, zumal es eher vom Zufall abhing, ob es sich dabei um hohe oder niedrige Barbeträge handelte.

Verbunden mit dieser Kernpflichtverletzung sind ein endgültiger Vertrauensverlust sowie eine außerordentlich hohe Ansehensschädigung seines Dienstherrn. Die auch im wirtschaftlichen Wettbewerb mit konkurrierenden Anbietern im Bereich der Brief- und Paketzustellung stehende Deutsche Post AG ist auf absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten im Umgang mit den ihnen anvertrauten Postsendungen in höchstem Maße angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle aller Bediensteten ist der Deutschen Post AG nämlich schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Die fehlenden Kontrollmöglichkeiten müssen deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Auch die Allgemeinheit und nicht zuletzt die Absender von Brief- und Paketsendungen dürfen deshalb von den Bediensteten der Deutschen Post AG mit Recht erwarten, dass sie nicht die ihnen anvertrauten Postsendungen widerrechtlich öffnen und sich anschließend ggf. deren Inhalt zueignen. Indem der Beklagte gleichwohl die Briefe aus eigennützigen Beweggründen öffnete, ihren Inhalt entnahm und sie anschließend der Vernichtung als Altpapier zuführte, störte er das für einen geordneten Dienstbetrieb und ein ordnungsgemäßes Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn und der Allgemeinheit nachhaltig. Zugleich begründete er damit ernsthaft Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, Integrität und Treuebereitschaft.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte handelte, um sein Vermögen zu mehren. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat räumte er ausdrücklich ein, in dem Zugriff auf die vorgefundenen Beträge eine Möglichkeit gesehen zu haben, sich schnell und ohne weiteres Aufsehen Geld zu beschaffen. Die unterschlagenen Beträge überschritten mit rund 100,-- € auch deutlich die Grenze der Geringwertigkeit. Nach allem ist nicht zu erwarten, der Beklagte werde in Zukunft seiner Verpflichtung aus § 54 Satz 2 und 3 BBG nachkommen, sich bei der Ausübung seiner Dienstgeschäfte uneigennützig zu zeigen sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert. Der durch das schwer wiegende Dienstvergehen bewirkte Verlust des für die Berufsausübung benötigten Vertrauens der Öffentlichkeit und seiner Vorgesetzten ist vielmehr tiefgreifend und endgültig.

Zu Lasten des Beklagten sind weiterhin die konkreten Tatumstände einzubeziehen. So hat er dem Senat gegenüber eingeräumt, die Briefe geöffnet zu haben, weil sie nicht für seinen Zustellbezirk bestimmt waren. Ihm war insoweit also bewusst, dass der Verdacht bei Nachforschungen zunächst auf einen Kollegen gefallen wäre. Dies war, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bestätigte, ein wesentliches Motiv für seine Handlungen. Hier zeigt sich nicht nur ein bemerkenswert kriminelles Vorgehen des Beklagten, sondern zugleich eine außerordentliche Unempfindlichkeit für die Beachtung grundlegender kollegialer Beziehungen und dienstlicher Grundregeln, die zusammen mit den bereits dargestellten Gesichtspunkten gleichfalls nur eine negative Prognose für sein weiteres Verbleiben im Dienst rechtfertigen.

Eine mildere Bewertung des disziplinarrechtlich zu würdigenden Fehlverhaltens ist nicht etwa wegen des Votums des Betriebsrates angezeigt. Die Frage der weiteren Tragbarkeit des Beamten ist von den Verwaltungsgerichten nach objektiven Gesichtspunkten unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu beurteilen. Maßgeblich ist allein, ob dem Beamten bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens und Abwägung aller festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch zugetraut werden kann, seinen Dienst in Zukunft pflichtgemäß zu verrichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 11. Januar 2007 - 1 D 16/05 -, Juris) ist hierbei schon nicht entscheidend, wie der Dienstherr den Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauen einschätzt. Nichts anderes gilt aber hinsichtlich des im Rahmen seiner Beteiligungsrechte abgegebenen Vorschlags des Personal- oder Betriebsrates. Dieser kann für seine Einschätzung und Empfehlung im Übrigen durchaus weitere als die von den Disziplinargerichteten zu beachtende Kriterien, etwa sozialer oder betrieblicher Art, heranziehen. Sie geben dem Disziplinargericht zwar möglicherweise einen Anhalt für die von ihm zu treffende Entscheidung; die objektive Gewichtung der für und gegen den Beamten sprechenden Gesichtspunkte vermögen sie indes nicht maßgeblich zu beeinflussen.

Darüber hinaus sind auch im Persönlichkeitsbild des Beklagten begründete Umstände im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG, an denen ein neues dienstliches Vertrauen anknüpfen könnte, nicht erkennbar. Die anerkannten Milderungsgründe des Handelns in einer unverschuldeten, ausweglos erscheinenden finanziellen Notlage sowie einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation liegen nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden und erschöpfenden Gründe im Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 3 BDG i.V.m. § 130 b Satz 2 VwGO). Der Beklagte hat seine Pflichtverletzungen auch nicht vor ihrer Entdeckung von sich aus offenbart; seine Straftat kam - im Gegenteil - nur durch einen glücklichen Zufall ans Licht.

Schließlich ist ein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme bei einer über diese anerkannten Milderungsgründe hinausgehenden Würdigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten auch nicht gerechtfertigt, soweit dieser auf den fehlenden abschließenden Charakter dieser Milderungsgründe bei Zugriffsdelikten verweist und geltend macht, es müsse im konkreten Fall seine mehrjährige beanstandungsfreie Dienstverrichtung, die Einmaligkeit des Vorfalls sowie die bei einer Dienstentfernung eintretenden persönlichen und familiären Belastungen berücksichtigt werden. All diese geltend gemachten Milderungsgründe führen zu keiner für den Beklagten günstigeren Prognoseentscheidung.

Soweit der Beklagte seine straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit sowie die bis zu dem Vorfall beanstandungsfreie Dienstleistung ins Feld führt, verstehen sich diese in dienstrechtlicher Hinsicht zunächst von selbst. Im Übrigen sind die geltend gemachten Milderungsgründe für sich genommen nicht geeignet, der hier objektiv gebotenen Dienstentfernung ein erhebliches Gewicht entgegenzusetzen. Würde man eine langjährige tadelfreie Dienstverrichtung als erheblichen Milderungsgrund durchgreifen lassen, hätte das die nicht nachvollziehbare Folge, den Beamten auch bei sehr schwer wiegenden Dienstvergehen vor disziplinarrechtlichen Folgen zu verschonen, wenn - wie hier - der erforderlichen Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme das beschränkte Disziplinarmaßnahmeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG entgegensteht. Im Ergebnis müssten alle zuvor strafrechtlich verfolgten Dienstpflichtverletzungen, selbst schwerste Zugriffs- und Eigentumsdelikte, bei erstmaliger Begehung disziplinarrechtlich folgenlos bleiben. Die Untragbarkeit eines solchen Ergebnisses liegt auf der Hand. Unter Berücksichtigung einer der anerkannten Ziele des Disziplinarrechts, nämlich der Selbstreinigung der Beamtenschaft und Generalprävention, ist vielmehr bei einem solchen Delikt jedem Beamten die grundsätzlich fehlende Tragbarkeit im Amt bei Verfehlungen der vorliegenden Art deutlich zu machen.

Dabei verkennt der Senat nicht die sich aus einer solchen Entscheidung ergebenden sozialen, insbesondere familiären Probleme. Diese sind aber lediglich die gesetzlich in Kauf genommene Folge der zuvor vom Beklagten im vollen Bewusstsein seiner familiären und sozialen Verantwortlichkeit begangenen Dienstpflichtverletzungen. Sein Versagen in den 32 Fällen der Unterschlagung unter Verletzung des Postgeheimnisses rückt dadurch nicht in ein milderes Licht.

Die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst ist schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit sind auf der einen Seite die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat und - andererseits - die verhängte Disziplinarmaßnahme in Beziehung zu setzen. Unter diesem Blickwinkel begegnet die gegen den Beklagten verhängte Maßnahme keinen Bedenken. Ist ein Beamter, wie hier, durch ihm vorwerfbares Verhalten achtungsunwürdig geworden und fehlt damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, dann ist seine Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte ist für den Betroffenen - auch unter familiären und wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nicht unverhältnismäßig, weil sie auf zure-chenbarem Verhalten beruht und zudem, wie vorstehend dargelegt, der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit dient.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 3 BDG i.V.m. § 167 VwGO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 69 BDG in Verbindung mit § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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