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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.11.2003
Aktenzeichen: 12 B 11882/03.OVG
Rechtsgebiete: GG, VersammlG


Vorschriften:

GG Art. 8
GG Art. 8 Abs. 1
VersammlG § 15
VersammlG § 15 Abs. 1
Bei begrenzt zur Verfügung stehenden Örtlichkeiten kann eine räumliche Kollision einer Demonstration und einer Gegenveranstaltung durch Auflagen unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen vermieden werden. Insofern gibt es kein "Erstanmelderprivileg".
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

12 B 11882/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Versammlungsrechts

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 21. November 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Geis Richterin am Verwaltungsgericht Verheul

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. November 2003 - 2 L 3644/03.KO - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Das Interesse des Antragstellers, die von ihm angemeldete Versammlung nach Maßgabe der im Bescheid vom 17. November 2003 festgelegten Wegstrecke durchführen zu können, ist geringer zu bewerten als die mit dem Änderungsbescheid vom 20. November 2003 verfolgten Interessen der Antragsgegnerin. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Änderung der Wegstrecke ist rechtmäßig.

Nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug unter anderem von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Nach der sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Erkenntnislage ist am Samstag, dem 22. November 2003, während des von dem Antragsteller angemeldeten Aufzuges mit einer Gegendemonstration zu rechnen, bei der Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten zu befürchten sind. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf eine Mitteilung vom 8. November 2003 ausgeführt. Auch der Antragsteller selbst geht von gewalttätigen Ausschreitungen aus. Insoweit hat die zuständige Versammlungsbehörde alles zu tun, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Hierfür ist die Änderung der Wegstrecke des von dem Antragsteller angemeldeten Aufzuges geeignet, erforderlich und angemessen. Die räumliche Trennung beider Versammlungen stellt nach der nachvollziehbaren und nicht zu beanstandenden Auffassung der Versammlungsbehörde einen friedlichen Verlauf sicher.

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg für die von ihm angemeldete Versammlung auf ein "Erstanmelderprivileg" berufen. Vor dem Hintergrund, dass der Schutz des Versammlungsgrundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG sowohl von den Teilnehmern der zuerst angemeldeten Versammlung als auch von denjenigen einer Gegenversammlung in Anspruch genommen werden kann, ist die räumliche Kollision der Veranstaltungen durch Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz zu vermeiden und ein schonender Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herbeizuführen. Dem Veranstalter einer Versammlung steht insoweit kein Bestimmungsrecht darüber zu, wie gewichtig seine Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Kollision der Interessen rechtlich aufgelöst werden kann. Insoweit bleibt ihm nur die Möglichkeit, seine Vorstellungen der zuständigen Verwaltungsbehörde mitzuteilen. Die Abwägung, ob und inwieweit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit rechtfertigen, obliegt der Versammlungsbehörde und den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2002 - 1 S 1050/02. -, m.w.N.). Diese Abwägung hat die Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen. Sie hat die gegenseitigen Interessen zu einem dem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG gerecht werdenden schonenden Ausgleich gebracht.

Der lediglich verkürzte Weg für den von dem Antragsteller angemeldeten Aufzug gewährleistet nach wie vor das Anliegen, für die Öffentlichkeit sichtbar für den Erhalt des Mahnmals in der Gemeinde Marienfels einzutreten. Der Aufzug kann zu dem gewünschten Termin und in der vorgesehen Zeit stattfinden. Die von dem Antragsteller geplante Kundgebung ist vor dem Amtssitz des Bürgermeisters möglich, der für die Demonstrationsteilnehmer symbolisch für den politischen Willen in der Ortsgemeinde Marienfels steht, das Mahnmal abzureißen. Darüber hinaus kann auch eine weitere Kundgebung am Friedhof und damit in unmittelbarer Nähe des Mahnmals stattfinden. Angesichts der erwarteten Teilnehmerzahl von etwa 500 Personen sowie der Größe des Ortes Marienfels mit 360 Einwohnern ist die von dem Antragsteller beabsichtigte Öffentlichkeitswirkung ohne Weiteres gewährleistet. Immerhin verläuft der Aufzug bis zum Gemeindehaus und damit in das Ortszentrum.

Auf diese Weise hat die Antragstellerin den widerstreitenden Interessen von Demonstranten und Gegendemonstranten hinreichend Rechnung getragen. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 GG kann die angemeldete Gegenversammlung weder verboten noch zeitlich verschoben werden. Es ist gerade das Anliegen der Gegendemonstranten, deutlich zu machen, dass sie die politische Entscheidung zum Abriss des Mahnmals befürworten; dem aus ihrer Sicht nationalsozialistischen Gedankengut soll in Marienfels nicht länger ein Forum geboten werden. Ohne die räumliche und zeitliche Nähe zur Versammlung des Antragstellers würde dieses Begehren aber nicht die beabsichtigte Wirkung entfalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13, 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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