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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 12 F 11054/08.OVG
Rechtsgebiete: GG, VwGO, StPO, LUIG


Vorschriften:

GG Art. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 12
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14
GG Art. 14 Abs. 1
VwGO § 99
VwGO § 99 Abs. 1
VwGO § 99 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 99 Abs. 2
StPO § 96
LUIG § 10
LUIG § 10 Abs. 1
1. Das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO wird nicht dadurch gegenstandslos, dass auch im Hauptsacheverfahren über die Pflicht zur Vorlage der Akten - hier Zugang zu Umweltinformationen - gestritten wird (wie BVerwG, NvwZ 2008, 554 ff.).

2. Maßstab der im Zwischenstreit vorzunehmenden Rechtswidrigkeitsprüfung bleibt auch dann grundsätzlich das prozessuale Normprogramm des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO und nicht das für die Informationserteilung im Hauptsachestreit einschlägige materielle Recht.

3. Als Geheimhaltungsgrund für Umweltinformationen eignet sich innerhalb des Anwendungsbereichs des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO weniger der öffentliche Belang an der Vermeidung von Nachteilen für das Wohl des Landes als vielmehr das private Interesse an der Wahrung personenbezogener Daten und des Betriebsgeheimnisses.

4. Werden Umweltinformationen in objektivierter Form z.B. in Gestalt eines Untersuchungsberichts oder eines Sachverständigengutachtens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, unterliegt der dieser Informationserteilung vorausgehende innerbehördliche Abstimmungs- und Meinungsbildungsprozess nur bei Vorliegen eines speziellen hierauf gerichteten Auskunftsinteresses der Offenlegung (hier verneint).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

12 F 11054/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Umweltinformationsanspruchs

hier: Durchführung des Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 3. November 2008, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey

beschlossen:

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass die Weigerung des Antragsgegners, dem Verwaltungsgericht die Verwaltungsvorgänge im Ordner Nr. 4 auf den Seiten 1113 bis 1258 und auf den Seiten 1405 bis 1457 vorzulegen, in Bezug auf die Seiten 1437 bis 1457 rechtswidrig und im Übrigen rechtmäßig ist.

2. Es wird ferner festgestellt, dass der eingeschränkte Zugang, den der Antragsgegner der Antragstellerin zu dem Gutachten des Geologischen Landesamtes Rheinland-Pfalz im Ordner Nr. 4 (S. 1259 bis 1404 = Deckblatt bis S. 143 des Gutachtens) gewährt hat,

a) hinsichtlich der Schwärzungen auf dem Deckblatt, den Seiten 1, 3, 4, 5, der naturraumbezogenen Schwärzungen auf den Seiten 6 und 7, der Schwärzungen auf den Seiten 13, 110, 126, 130 bis 134, 136, 137 des Gutachtens sowie hinsichtlich der Auslassung der geologischen Übersichtskarte auf Seite 8 des Gutachtens mit Ausnahme des Verzeichnisses der Tonentnahmestellen rechtswidrig und

b) hinsichtlich der Schwärzungen auf den Seiten 22, 31, 39, 48, 57, 65, 74, 80, 88, 96, 105, 119 und 138 des Gutachtens rechtmäßig ist.

Die Kosten des Zwischenverfahrens haben die Beteiligten jeweils zur Hälfte zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenverfahren auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern, begehrt in dem dem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren von dem Antragsgegner weitergehenden Zugang zu Umweltinformationen über die im Jahre 1999 festgestellten Dioxinbelastungen in verschiedenen Tongruben und deren Auswirkungen. Hierzu verfügt der Antragsgegner über insgesamt vier Ordner Verwaltungsvorgänge, die er der Antragstellerin aber nur auszugsweise in Ablichtungen, die zudem mit Schwärzungen versehen sind, zur Kenntnis gab.

In dem anschließenden Klageverfahren - 3 K 53/07.MZ -, mit dem die Antragstellerin ihr Begehren weiterverfolgt, hat der Antragsgegner die fraglichen Verwaltungsvorgänge dem Gericht mit der Maßgabe zugeleitet, in Bezug auf den Inhalt des Ordners Nr. 4 Vertraulichkeit zu wahren. Dies veranlasste das Verwaltungsgericht, den Aktenordner an den Antragsgegner zurückzugeben.

Nachdem die Antragstellerin in die bei Gericht verbliebenen Verwaltungsvorgänge Einsicht genommen hatte, hat sie auf der Beiziehung der restlichen Verwaltungsvorgänge bestanden. Das Verwaltungsgericht hat sodann mit Beschluss vom 1. September 2008 dem Antragsgegner aufgegeben, den als entscheidungserheblich angesehenen Aktenordner binnen zwei Wochen vorzulegen. Dem ist der Antragsgegner mit seiner Sperrerklärung vom 15. September 2008 entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Aktenvorlage werde, soweit es um das ungeschwärzte geologische Gutachten gehe, dem Wohl des Landes Nachteile bereiten. Im Übrigen betreffe sie Vorgänge zur internen Entscheidungsfindung, die ihrem Wesen nach geheim zu halten seien.

Die Antragstellerin hat daraufhin einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung im Zwischenverfahren nach § 99 VwGO gestellt. Sie meint, dass nach dem einschlägigen Umweltinformationsrecht kein anerkennenswertes Geheimhaltungsinteresse bestehe. Der Antragsgegner hält an seiner Auffassung fest, die Aktenvorlage sei zu verweigern.

II.

Der Antrag führt in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang teilweise zum Erfolg. Hiernach kann die Antragstellerin verlangen, dass der von ihr im Hauptsacheverfahren nachgesuchte Zugang zu bestimmten Umweltinformationen nicht schon dadurch zunichte gemacht wird, dass ihr das die fraglichen Informationen beinhaltende Aktenmaterial in einem unverhältnismäßigen Umfang vorenthalten oder sonst wie verschlossen wird. Dieser rechtlichen Anforderung trägt die Sperrerklärung des Antragsgegners nicht hinreichend Rechnung. Sie ist deshalb in Teilen zu beanstanden.

Maßstab der im Zwischenverfahren vorzunehmenden Rechtswidrigkeitsprüfung ist die prozessrechtliche Vorschrift des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. In deren Anwendungsbereich ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem privaten Interesse am effektiven Rechtsschutz sowie dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung einerseits und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse an Geheimnisschutz andererseits anzustreben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07 -, NVwZ 2008, 554 ff. [556 m.w.N.]). Im Vordergrund der rechtlichen Betrachtung steht mithin die Frage, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Weigerung der Aktenvorlage im Prozess für den Betroffenen haben kann.

An diesem rechtlichen Maßstab ändert sich im Grundsatz selbst dann nichts, wenn, so wie hier, die Aktenvorlage Gegenstand des Rechtsstreites in der Hauptsache ist. Auch unter dieser Voraussetzung findet kein Durchgriff auf das Fachrecht statt (a.A. OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2008 - 13 aF 11/08 -), weil die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von den Gründen zu unterscheiden sind, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Lediglich in der Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nähert sich bei Rechtsstreitigkeiten, die einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache faktisch an (so BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008, a.a.O., S. 557). Demnach geht die Sperrerklärung des Antragsgegners hier nicht nur in Bezug auf die dort angesprochenen Geheimhaltungsgegenstände als solche, sondern auch in Bezug auf die Reichweite des Geheimhaltungsvorranges zu weit.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt beispielsweise als Gegenstand der Geheimhaltung der Eintritt eines Nachteiles für das Wohl des Landes bei Bekanntgabe der nachgesuchten Informationen von vornherein nicht in Betracht. Ähnlich wie in § 96 StPO setzt nämlich dieses Schutzgut begrifflich Beeinträchtigungen oder Gefährdungen des Bestandes oder der Funktionsfähigkeit des Landes, seiner äußeren oder inneren Sicherheit oder massive Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung voraus (so Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 99 Rn. 16 m.w.N.), die hier ersichtlich nicht vorliegen. Die vom Antragsgegner befürchtete Trübung des Vertrauensverhältnisses zu den kooperationsbereiten Tongrubenbetreibern für den Fall der Offenbarung der verlangten Umweltinformationen, unterfällt nicht dem Schutzzweck des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO und dem dort vorausgesetzten Nachteilsbegriff. Ein dahingehender Geheimhaltungsbedarf findet auch in den anderen in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abschließend geregelten Weigerungsgründen keine Stütze. Die in der Sperrerklärung bezeichneten Geheimhaltungsgründe sind mithin hier nur insoweit erheblich, als sie Tatbestände betreffen, die ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. Dazu zählen u.a. die mehrfach in dem Ordner Nr. 4 zur Sprache gebrachten Betriebsgeheimnisse der betroffenen Tongrubenbetreiber. Hiervon erfasst werden ferner die personenbezogenen Daten der mit der Dioxinaffäre befassten Mitarbeiter der verschiedenen Dienststellen des Antragsgegners einschließlich die der Vertreter des extern beigezogenen Sachverstandes.

Das Gewicht der damit verbliebenen Geheimhaltungsgründe, das durch deren grundrechtlichen Schutz in den Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG bestimmt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2006 - 20 F 12.04 -, BVerwGE 125, 40 ff.), ist nach dem weiteren Normprogramm des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit dem ihm widerstreitenden Offenbarungsinteresse in Beziehung zu setzen und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei schlagen in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem in der Hauptsache um Umweltinformationen gestritten wird, zu Gunsten des Informationsinteresses im Zwischenverfahren nicht allein die prozessualen Belange an der Wahrheitsfindung und am effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 -, BVerfGE 115, 205 [240 f.]) zu Buche. Sie werden vielmehr noch dadurch verstärkt, dass die Antragstellerin mit der Verfolgung ihres Hauptsachebegehrens zugleich als Sachwalterin der Allgemeinheit tätig wird, soweit ihrem privaten Rechtsschutzziel ein gleichgerichtetes öffentliches Interesse an der Verbesserung des Umweltschutzes entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008, a.a.O., S. 557).

Dieser spezifischen Interessenlage ist der Antragsgegner mit seiner Sperrerklärung nur unzureichend gerecht geworden. Die Entscheidung erweist sich insbesondere in ihrer Begründungsstruktur als fehlerhaft. Denn darin werden die als einschlägig erachteten Geheimhaltungsgründe lediglich mitgeteilt, ohne sie in der gebotenen Weise mit dem entgegenstehenden Informationsinteresse abzuwägen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133 ff.). Unabhängig davon ist die Sperrerklärung auch in der Sache selbst teilweise zu beanstanden. Die damit verlautbarte Entscheidung, den Inhalt des Aktenordners Nr. 4 mit Ausnahme des Gutachtens des Geologischen Landesamtes (S. 1259 bis 1404) unter Verschluss zu halten (1.) entspricht nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgebotes. Dieser rechtliche Mangel trifft im Ergebnis auch auf die ausgelassene geologische Übersichtskarte auf Seite 8 des Gutachtens sowie auf einen Teil der Schwärzungen zu, die der Antragsgegner in dem der Antragstellerin in Ablichtung überlassenen Exemplar des fraglichen Gutachtens vorgenommen hat (2.).

1. a) Die Weigerung des Antragsgegners, der Antragstellerin den Inhalt des Ordners Nr. 4, mit Ausnahme des bereits erwähnten geologischen Gutachtens, zugänglich zu machen, erweist sich in Bezug auf die Seiten 1437 bis 1457 als rechtswidrig. Auf diesen Seiten der Verwaltungsakte befindet sich der von verschiedenen Funktionsträgern des Antragsgegners erstellte Abschlussbericht zum Thema Dioxine in Tonen in Rheinland-Pfalz in seiner Endfassung vom 10. März 2000 (S. 1437 bis 1452) sowie ein Kurzgutachten von Mitarbeitern des Geologischen Landesamtes vom 30. Mai 2000 über Dioxine in Tonen aus Rheinland-Pfalz (S. 1453 bis 1458). Beide Dokumente unterliegen keinem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse. Zwar besteht ein Bedürfnis an der Geheimhaltung dieser Unterlagen, soweit sie über die Namen und die Dienststellen des beteiligten Personenkreises Auskunft geben. Doch ist das Gewicht seiner persönlichen Betroffenheit im Falle der Informationspreisgabe nicht erheblich. Gutachten und Abschlussbericht betreffen nämlich jeweils in amtlicher Funktion verfasste Dokumente. Sie gehören damit einer Sphäre an, die, anders als der Privatbereich, dem Grundsatz nach der Allgemeinheit zugänglich ist. Für das geologische Kurzgutachten folgt dessen herabgesetzte Geheimhaltungsbedürftigkeit überdies daraus, dass es sich hierbei um eine sachlich identische, lediglich in der Darstellung konzentrierte Fassung des auf den gleichen Untersuchungsgegenstand bezogenen Großgutachtens vom Dezember 1999 handelt, das der Antragstellerin bereits zur Verfügung steht.

Im Vergleich zu dem vorstehend gekennzeichneten herabgesetzten Geheimhaltungsbedürfnis gebührt dem Informationsinteresse der Antragstellerin ohne Weiteres der Vorrang. Dies hat der Antragsgegner mit der Herausgabe des geologischen Großgutachtens vom Dezember 1999 sowohl unter Rechtsschutz- als auch unter Umweltschutzgesichtspunkten selbst anerkannt. Unter diesen Umständen ist kein einleuchtender Grund ersichtlich, weswegen der Antragstellerin die Kurzversion des Gutachtens vorenthalten bleiben sollte. Auch der Abschlussbericht, in dem aus unterschiedlicher Perspektive die Ursachen des Dioxinvorkommens erörtert, seine Gefahren für die Gesundheit und die Nahrungsmittelkette beleuchtet und die vielfältigen Weiterungen dieses Ereignisses auf den Produktionsprozess mit der Materie Ton dargestellt werden, unterfällt einem überwiegenden Informationsinteresse. Nur bei Kenntnis all dessen erhält die Antragstellerin eine für ihre Zwecke brauchbare Antwort auf die mit der Klage u.a aufgeworfene Frage nach den Auswirkungen der festgestellten Dioxinbelastungen in Tonen. Der nachgesuchten Information kommt deshalb eine zentrale rechtsschutzerhebliche Bedeutung zu; überdies wird sie hier auch wegen des gleichgerichteten Umweltschutzinteresses benötigt. Die fachgesetzlich bezweckte Schärfung des allgemeinen Umweltbewusstseins ist nämlich auf umweltbezogene Informationen in einem angemessenen Umfang angewiesen. Folgerichtig gibt § 10 Abs. 1 Landesumweltinformationsgesetz - LUIG - deren aktive und systematische Verbreitung den informationspflichtigen Stellen auf. Daten oder Zusammenfassungen von Daten aus der Umweltüberwachung, wie der hier in Rede stehende Abschlussbericht, gehören mithin zu den Mindestbestandteilen der zu verbreitenden Umweltinformationen (so jetzt § 10 Abs. 2 Nr. 4 LUIG und schon früher Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der EG-Umweltinformationsrichtlinie vom 7. Juni 1990, ABl.EG 1990, Nr. L 158, S. 56). In Anbetracht dieser rechtlichen Wertung unterliegt es bei dem oben festgestellten herabgesetzten Geheimhaltungsbedürfnis keinem Zweifel, dass der Abschlussbericht wegen des hohen Stellenwertes der dort vorhandenen Informationen für das Prozess- und materielle Recht offenbarungsbedürftig ist.

b) Dies trifft auf den restlichen Inhalt des Ordners Nr. 4 allerdings nicht in gleicher Weise zu. Insoweit stellt sich die Vorlageverweigerung hinsichtlich der Seiten 1113 bis 1258 und hinsichtlich der Seiten 1405 bis 1436 insgesamt als rechtmäßig dar.

Innerhalb der durch diese Seitenangaben gekennzeichneten Verwaltungsvorgänge befindet sich eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Dokumenten, deren Vorenthaltung für die Antragstellerin ohne jede rechtsschutzverkürzende Wirkung (so BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008, a.a.O., S. 556) bleibt. Dies hängt vornehmlich damit zusammen, dass die fraglichen Schriftstücke keine Umweltinformationen zum Gegenstand haben, durch deren begriffliche Reichweite die Rechtsschutzziele der Antragstellerin sowohl im Hauptsache- als auch in dem ihm dienend zugeordneten Zwischenverfahren gekennzeichnet werden. Schreiben, die sich in einer auf das Behördeninternum bezogenen rein verwaltungstechnischen Funktion erschöpfen, werden daher in einem Umweltinformationsprozess grundsätzlich von keinem schützenswerten Auskunftsinteresse umfasst. Dies gilt hier insbesondere für die diversen E-Mail-Abdrucke, Fax-Schreiben und sonstigen Zuleitungsschreiben innerhalb und zwischen den beteiligten Dienststellen auf den Seiten 1127, 1133, 1156 bis 1161, 1170, 1173 bis 1177, 1190, 1195, 1204, 1205, 1208, 1217, 1222, 1232, 1233, 1236, 1239 bis 1253, 1405, 1406, 1418 bis 1420 sowie für die haushaltswirtschaftlichen Vorgänge auf den Seiten 1197, 1198 bzw. 1415 bis 1417. Kein schützenswertes Auskunftsinteresse besteht ferner für solche Verwaltungsvorgänge, deren Inhalt schon anderweitig offengelegt werden muss. So liegen die Dinge bei der Erst- und Zweitfassung des Abschlussberichtes (S. 1407 bis 1414 bzw. 1421 bis 1436) mit Rücksicht darauf, dass dem Antragsgegner die Bekanntgabe der Endfassung gerichtlich aufgegeben worden ist. Schließlich sind aus dem Akteninhalt all die Verwaltungsvorgänge von der Offenbarungspflicht auszunehmen, bei denen es sich lediglich um Abschriften oder Mehrfertigungen an sich umwelterheblicher Dokumente handelt (so S. 1165 bis 1167, 1178 bis 1180, 1218 bis 1220, 1223 bis 1228, 1234, 1235, 1237, 1238). Denn insoweit konzentriert sich das anerkennenswerte Informationsinteresse auf die Originale dieser Vorgänge.

Allerdings kann der Antragstellerin ein umweltspezifisches Auskunftsinteresse nicht abgesprochen werden, soweit es sich auf die Aktenvermerke der mit der Dioxinproblematik befassten Ministerialbeamten (S. 1113 bis 1124, 1128 bis 1132, 1134 bis 1139, 1188, 1189) sowie auf die Ergebnisprotokolle der beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau damals gebildeten Arbeitsgruppe Dioxin (S. 1125, 1126, 1140, 1141, 1162 bis 1164, 1171, 1172, 1199 bis 1201, 1206, 1207, 1229, 1230, 1254 bis 1258) bezieht; darin eingeschlossen ist auch der anlassbezogene Informationsaustausch mit Vertretern von externem Sachverstand (S. 1146 bis 1150, 1186, 1187, 1209 bis 1216). Dieses Auskunftsinteresse erweist sich jedoch bei der gebotenen Abwägung als nachrangig. Denn im Widerstreit mit dem insoweit bestehenden Offenbarungsinteresse setzen sich das private Interesse der Grubenbetreiber an der Wahrung ihrer Betriebsgeheimnisse sowie die Belange der Mitarbeiter des Antragsgegners am Schutz ihrer personenbezogenen Daten durch.

Über diese grundrechtlich abgesicherten privaten Belange müsste der Antragsgegner sich jeweils hinwegsetzen, wenn er dem Auskunftsbegehren der Antragstellerin entsprechen wollte. Denn das in Rede stehende Aktenmaterial legt an verschiedenen Stellen die Namen einiger Westerwälder Tongruben, ihrer Betreiber einschließlich der Dioxinkontamination der dort gegrabenen Tone offen, die bisher der Allgemeinheit noch nicht bekannt sind. Es dokumentiert ferner über den Zeitraum von gut einem halben Jahr den innerbehördlichen Diskussionsprozess vom erstmaligen Auftauchen der Dioxinproblematik bis zu deren Bewältigung in allen Einzelheiten unter namentlicher Benennung all derjenigen, die sich an diesem Verfahren aktiv beteiligt haben. Auf diese Weise vermittelt der Akteninhalt ein stark personalisiertes Bild von Strategie und Taktik der mit einer bislang in Deutschland einmaligen Umweltstörung befassten Akteure.

Eine Kenntnis dieses persönlichen Einschlages des Akteninhaltes ist indessen weder aus Gründen des Umweltschutzes noch des effektiven Rechtsschutzes erforderlich. Die mit der Dioxinbelastung verbundene Umweltstörung ist nach dem Urteil der Sachkenner rein geogener Natur, d.h. sie beruht auf keinem menschlichen Fehlverhalten. Bis zur Mitte des Jahres 1999 war auch niemandem bekannt, dass das Material Ton eine derartige natürliche Disposition aufweist, so dass auch niemand ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass dioxinbelasteter Ton als Futtermittelzusatz in Verkehr gebracht worden ist. Das umweltrechtliche Informationsinteresse hat sonach einen naturgegebenen, mithin nicht reproduzierbaren Dauertatbestand zum Gegenstand, auf den man sich seither eingestellt hat. Soweit zur Gefahrenabwehr erforderlich, wurden bereits im Jahre 1999 die nach dem Stand der Wissenschaft angemessenen Maßnahmen getroffen. Um nach einem Zeitraum von acht Jahren deren Schutzwirkung bei fortschreitendem Wissensstand unter Kontrolle halten zu können, genügt es, dass der Antragstellerin heute der Abschlussbericht zugänglich gemacht wird, aus dem der Erkenntnisstand und das damals Veranlasste in objektivierter Form hervorgehen. Die personalisierten Zusammenhänge, über die die Verwaltungsvorgänge durch Nachzeichnung des fortschreitenden Erkenntnisprozesses Auskunft geben, muss die Antragstellerin nicht bis in alle Einzelheiten hinein nachvollziehen können, so dass auch ihrem Rechtsschutz hinreichend gedient ist, wenn sie in den Besitz des Abschlussberichts gelangt.

2. Teilweise zu beanstanden ist die Sperrerklärung indessen wiederum insoweit, als dadurch der Zugang zu dem Gutachten des Geologischen Landesamtes Rheinland-Pfalz (S. 1259 bis 1404 der Verwaltungsakte) über Gebühr beschränkt worden ist. Die Ablichtung des der Antragstellerin überlassenen Gutachtensexemplares weist nämlich nicht nur vielfältige Informationseinschränkungen in Form von Schwärzungen auf, sondern sie hält die geologische Übersichtskarte auf Seite 8 des Gutachtens der Öffentlichkeit gänzlich vor. Beide Maßnahmen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur in dem aus dem Beschlusstenor unter 2. b) ersichtlichen Umfang.

a) Die unter 2. a) verzeichneten Anonymisierungsmaßnahmen sind hingegen rechtswidrig, weil das umweltschutzrechtliche Informationsinteresse, das an den auf diesen Seiten dokumentierten Untersuchungsgegenständen anknüpft, von größerem Gewicht ist, als die ihm von Fall zu Fall zuwiderlaufenden personenbezogenen Daten der Mitarbeiter des Geologischen Landesamtes oder die Betriebsgeheimnisse der Tongrubenbetreiber. Im Einzelnen ergibt sich dies aus dem Nachstehenden:

aa) Der Zweck der auf dem Deckblatt und auf Seite 1 des Gutachtens angebrachten Schwärzungen besteht ersichtlich darin, die mit der Ausarbeitung des Gutachtens befassten Mitarbeiter einschließlich des Leiters des Geologischen Landesamtes nicht öffentlich in Erscheinung treten zu lassen. Dass und aus welchen Erwägungen ein solches Anliegen bei einem im amtlichen Auftrag von staatlichen Bediensteten verfassten Gutachten keinem vorrangigen Geheimhaltungsschutz unterfällt, ist oben (1. a) bereits ausgeführt worden. Hierauf kann Bezug genommen werden.

bb) Die Anonymisierungen auf den Seiten 3 und 4 des Gutachtens konzentrieren sich auf die regionale Verortung der sechs Tongruben sowie der beiden Bohrungen in Rheinland-Pfalz außerhalb des Bereiches des Westerwaldes. Durch die Offenlegung dieser sehr allgemein gehaltenen großräumigen Informationen kann in Anbetracht der Vielzahl der Tonförderstellen in den Regionen des Landes nicht auf den als Betriebsgeheimnis geschützten genauen Standort der in die geologische Untersuchung einbezogenen Tongruben geschlossen werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Antragsgegner diese regionalspezifischen Informationen im Zusammenhang mit dem Schaubild über die zeitliche Einordnung der untersuchten Tonvorkommen auf Seite 4 des Gutachtens selbst von der Anonymisierung ausgenommen hat.

cc) Ein anerkennenswertes Geheimhaltungsbedürfnis gibt es auch nicht in Bezug auf die auf Seite 5 befindlichen Schwärzungen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein schützenswertes Betriebsgeheimnis der Tongrubenbetreiber Nrn. 6, 10 und 13 offengelegt wird, wenn die Einordnung ihres Betriebes in einen bestimmten erdentstehungsgeschichtlichen Zeitraum aufgrund der Nummer einer bestimmten Bodenprobe möglich wird.

dd) Soweit auf den Seiten 6 und 7 des Gutachtens die naturraumbezogene Zugehörigkeit der Tonvorkommen in den Gruben Nrn. 1 bis 11 und 13 sowie in den Bohrungen Nrn. 12 und 14 unkenntlich gemacht worden ist, gelten für das Übermaß an Schwärzungen die Darlegungen unter 2. a) Buchstabe bb) entsprechend.

ee) Dass der Antragsgegner die auf Seite 8 des Gutachtens befindliche Übersichtskarte mit den dazu gehörenden Legenden dem allgemeinen Zugang insgesamt gesperrt hat, stellt gleichfalls ein Übermaß an Geheimhaltung dar. In Anbetracht dessen, dass die geologischen Strukturen des Landes Rheinland-Pfalz längst allgemein zugängliche Fakten darstellen und die über mehrere Regionen des Landes verteilten 14 Tonentnahmestellen jedenfalls ihrer regionalen Zuordnung nach schon anderweitig aus dem Gutachten entnommen werden können, ist nicht einsichtig, warum die Übersichtskarte zur Gänze der Allgemeinheit vorenthalten werden soll. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich die Legende über die Tonentnahmestellen mit dem Namensverzeichnis der beteiligten Tongruben. Letzteres ermöglicht nämlich im Zusammenspiel mit den Nummerneintragungen auf der Karte selbst die Individualisierung der betroffenen Tongrubenbetreiber, wofür kein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse streitet.

ff) Als rechtswidrig zu beurteilen ist auch die Anonymisierung der mit der Dioxinanalyse betrauten Dienststelle des Landes sowie der von ihr verwendeten Analysemethode auf Seite 13 des Gutachtens. Denn an diesen Daten knüpfen keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen an.

gg) Im Ergebnis trifft dies auch auf die Schwärzungen auf den Seiten 110 und 126 des Gutachtens zu, mit denen die mineralische Zusammensetzung der diversen Tone aus den in freier Natur ausgebrachten Bohrungen Nrn. 12 und 14 unkenntlich gemacht worden ist. Auf diese Daten hat sich zwar das Auskunftsinteresse der Antragstellerin nicht bezogen, doch können sie auch nicht als ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftige Informationen eingestuft werden.

hh) Die auf den Seiten 130 bis 134 und 136 verzeichneten Anonymisierungen haben den Zweck, die Region nicht zu offenbaren, in der außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz im Zuge der Dioxinproblematik Tonproben gezogen und untersucht worden sind. Diese Maßnahme unterliegt mit Rücksicht darauf, dass die geschwärzten Daten lediglich auf eine große Region Ostdeutschlands hindeuten und keine Rückschlüsse auf konkrete Gruben sowie deren Betreiber erlauben, keinem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse.

ii) Nicht einzusehen ist schließlich der Sinn und Zweck der Schwärzung auf Seite 137 des Gutachtens. Diese Maßnahme ist offenkundig ungeeignet, denn der Gegenstand der Anonymisierung erschließt sich ohne Weiteres aus den übrigen Daten und dem Sinnzusammenhang, in den er hineingestellt worden ist.

b) In Bezug auf die Anonymisierung von bestimmten anderen Gutachtensbestandteilen wird die Sperrerklärung des Antragsgegners hingegen durch ein vorrangiges Geheimhaltungsinteresse der Tongrubenbetreiber gerechtfertigt.

aa) Dies zeigt sich anhand der Schwärzungen auf den Seiten 22, 31, 39, 48, 57, 65, 74, 80, 88, 96, 105 und 119, durch die mit Ausnahme der Dioxinbestandteile die gesamte mineralogische Zusammensetzung der Bodenproben, die in den zwölf Tongruben im Land Rheinland-Pfalz gezogen worden sind, unkenntlich gemacht wurden. Dieser Eingriff dient ersichtlich dem grundrechtlich geschützten Betreiberinteresse, weil die Eignung des Tones für den Produktionsprozess von der Zusammensetzung seiner mineralischen Elemente wesentlich abhängt, deren Kenntnis aus diesem Grund nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Zudem geht bei der Abwägung dieses Belanges mit dem öffentlichen Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse auch deshalb vor, weil der Gegenstand des umweltschutzrechtlichen Auskunftsverlangens sich ausschließlich auf die Dioxinbelastungen in Tonen und nicht auf andere Komponenten bezieht.

bb) Die für den Vorrang des Geheimhaltungsinteresses unter 2. b) aa) maßgeblichen Gründe treffen schließlich der Sache nach auch auf die Schwärzungen im Bereich des Schaubildes auf Seite 138 des Gutachtens zu. Welche nicht dioxinspezifische Elementverteilung in den untersuchten kohligen Lagen der Gruben 6 und 10 sowie der Bohrung Nr. 15 vorherrscht, ist nicht Gegenstand des Auskunftsbegehrens der Antragstellerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die Wertfestsetzung stützt sich auf § 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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