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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 2 B 11956/02
Rechtsgebiete: LBG, VwGO


Vorschriften:

LBG § 61
LBG § 61 Abs. 1
LBG § 61 Abs. 4
LBG § 56
LBG § 56 Abs. 1
LBG § 56 Abs. 1 Satz 3
VwGO § 44 a
Die Aufforderung an einen Ruhestandsbeamten nach § 61 Abs. 4 LBG Rh-Pf, sich ärztlich untersuchen zu lassen, ist eine lediglich vorbereitende und nicht selbständig gerichtlich angreifbare Verfahrenshandlung (§ 44 a VwGO).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

2 B 11956/02.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Vorstellung zur amtsärztlichen Untersuchung

hier: einstweilige Anordnung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 23. Januar 2003, an der teilgenommen haben

Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 9. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeführers zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des im Ruhestand befindlichen Antragstellers, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen.

Der Antragsteller war bis Ende März 2000 als Beamter im höheren Dienst der Finanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz, zuletzt als Vorsteher des Finanzamts, tätig. Am 8. Dezember 1999 beantragte er unter Hinweis auf das amtsärztliche Gesundheitszeugnis vom 7. Dezember 1999 seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. In dem Gesundheitszeugnis war eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis attestiert worden. Diesem Antrag wurde durch Entscheidung des Ministers der Finanzen vom 14. Dezember 1999 für die Zeit ab April 2000 entsprochen. Im November 2000 stellte der Antragsteller den Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Aufforderung der Rechtsanwaltskammer an den Antragsteller, ein psychiatrisches Gutachten bezüglich seiner Berufsfähigkeit vorzulegen, hob der von dem Antragsteller nach § 8 a Abs. 2 BRAO angerufene Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Mai 2002 (BRAK-Mitt. 5/2002) auf. In der Begründung heißt es, das Gutachten sei nicht erforderlich, da begründete Zweifel an der Berufsfähigkeit des Antragstellers nicht bestünden. Zweifel ergäben sich insbesondere nicht aus dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 7. Dezember 1999. Dieses Zeugnis sei ohne ausreichende Untersuchung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers erstellt worden. Den von den ehemaligen Vorgesetzten des Antragstellers und der Amtsärztin im Rahmen der Beweisaufnahme geäußerten Hinweisen auf das Vorliegen einer "Alkoholproblematik" bei dem Antragsteller sei nach dem Bekunden der Ärztin bei der Untersuchung nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit nachgegangen worden.

Unter Bezugnahme auf diesen Beschluss forderte der Antragsgegner den Antragsteller im September 2002 auf, sich zum Zweck der Reaktivierung erneut einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem der Antragsteller im Wesentlichen geltend machte, dass sich die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit wesentlichen Tatsachen seit seiner Zurruhesetzung nicht geändert hätten und eine Reaktivierung keinen Sinn mache, weil er mit Vollendung seines 63. Lebensjahres Anfang März 2003 ohnehin einen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand nach § 59 LBG stellen werde, hatte ebenso wenig Erfolg wie der bei dem Verwaltungsgericht gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit der gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2002 erhobenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, von der Befolgung der Untersuchungsaufforderung vorläufig freigestellt zu werden.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Das Begehren des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist bereits unzulässig, da es sich gegen eine bloß vorbereitende und nicht selbständig angreifbare Verfahrenshandlung richtet ( § 44 a VwGO).

Die Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller vom 9. September 2002, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, dient lediglich der Erforschung des Sachverhalts, nämlich dazu, das Vorliegen der Dienstfähigkeit und damit der nach § 61 Abs. 1 Satz 1 LBG wesentlichen Voraussetzung für eine Wiederverwendung des Ruhestandsbeamten aufzuklären (vgl. in diesem Sinne - unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne von § 44 a VwGO -: HessVGH, Urteil vom 23. Februar 1994, NVwZ-RR 1995, 47; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 1997, NVwZ-RR 1998, 765; Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 13. Aufl., 2003, § 44 a Rn. 5; auch: Summer, in; GKÖD, K 45 Rn. 6; offengelassen, ob vorbereitende Verfahrenshandlung oder Weisung: BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2000, NVwZ 2001, 436; BayVGH, Urteil vom 9. März 1999, NVwZ-RR 2000, 35; vgl. ferner zum Fahrerlaubnisrecht - Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als unselbständige Verfahrenshandlung -: BVerwG, Urteil vom 28. November 1969, E 34, 248; Beschluss vom 17. Mai 1994, DAR 1994, 372).

Gemäß § 44 a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf geltend gemacht werden. Mit der Sachentscheidung ist hier das Reaktivierungsverlangen des Dienstherrn gemeint, d.h. konkret dessen Aufforderung an den Ruhestandsbeamten, sich zur Wiederberufung in das Beamtenverhältnis in der Behörde einzufinden. Hiergegen kann Rechtsschutz jedenfalls im Wege der Feststellungsklage, vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO, nachgesucht werden (vgl. zum fehlenden Verwaltungsaktscharakter dieser Dienstantrittsaufforderung: BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2000, a.a.O.; zur Statthaftigkeit der Feststellungsklage: Summer, a.a.O., K 45 Rn. 6; Plog/Wiedow, BBG-Kommentar, § 45 Rn. 9 a).

Ein selbständiger Rechtsbehelf ist gegen behördliche Verfahrenshandlungen gemäß § 44 a Satz 2 VwGO nur dann eröffnet, wenn sie selbst vollstreckbar sind. Ein solcher Fall liegt bei der Weisung an den Ruhestandsbeamten nach § 61 Abs. 4 Satz 1 LBG (i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 27.06.2002, GVBl. S. 301), sich ärztlich untersuchen zu lassen, nicht vor. Dies gilt selbst dann, wenn der Begriff der Vollstreckung weit verstanden und auch ein mittelbarer Zwang durch disziplinarrechtliche Ahndung der Zuwiderhandlung als ausreichend angesehen wird (hierzu: Kopp/Schenke, a.a.O., § 44 a Rn. 8). Denn die Weigerung des Ruhestandsbeamten, der Untersuchungsaufforderung nachzukommen, ist weder mit Zwangsmitteln vollstreckbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2000, a.a.O.) noch kann sie disziplinarisch geahndet werden. Ein Ruhestandsbeamter begeht ein Dienstvergehen nämlich nur in den in § 85 Abs. 2 LBG aufgeführten Fällen, gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 4 LBG also erst dann, wenn er entgegen § 53 Abs. 1 oder § 61 Abs. 1 LBG einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis schuldhaft nicht nachkommt (vgl. BVerwG, a.a.O.). Insofern ist die Pflichtbindung des Ruhestandsbeamten gegenüber dem aktiven Beamten gelockert (vgl. zur Anfechtbarkeit der - auf die Ruhestandsversetzung abzielenden - Untersuchungsaufforderung gegenüber einem aktiven Beamten: OVG Rh-Pf, Beschluss vom 21. August 1989, NVwZ-RR 1990, 154; OVG Nds. Beschluss vom 13. Juni 1990, NVwZ 1990, 1194 - wegen der disziplinarrechtlichen Folgen -; vgl. auch den Hinweis im Urteil des BVerwG vom 28. November 1969, E 34, 248 [250] - zwangsweise Durchsetzung mittels Disziplinarmaßnahme -). Schließlich hat der Ruhestandsbeamte auch einen Verlust seiner Versorgungsbezüge erst dann zu gewärtigen, wenn er sich einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis schuldhaft verweigert (vgl. § 60 Satz 1 BeamtVG).

Die fehlende Durchsetzbarkeit der Untersuchungsaufforderung bedeutet freilich nicht, dass der Ruhestandsbeamte nicht materiell-rechtlich gehalten ist, der Aufforderung nachzukommen, und aus der grundlosen Weigerung für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden können. Bestehen - aufgrund besonderer Umstände oder allein infolge Zeitablaufs - Anhaltspunkte dafür, dass die bei der Ruhestandsversetzung angenommene Dienstunfähigkeit nicht (mehr) gegeben ist, so darf die unberechtigte Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, als erhebliches Indiz für die Dienstfähigkeit des Beamten gewertet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2000, a.a.O.; zur Ermächtigung, durch die Reaktivierung auch Fehlentscheidungen hinsichtlich der Dienstunfähigkeit zu revidieren: Plog/Wiedow, a.a.O., § 45 Rn. 1 a). Der Ruhestandsbeamte ist daher grundsätzlich verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen (§ 61 Abs. 4 Satz 1 LBG n.F.). Auch im vorliegenden Fall bestand zunächst, schon aufgrund des von dem Antragsteller bekundeten Interesses an einer Tätigkeit als Rechtsanwalt, Anlass, an dem Fortbestehen der 1999 amtsärztlich attestierten Dienstunfähigkeit zu zweifeln. Ist der Ruhestandsbeamte hingegen aufgrund besonderer Umstände des Falles der Auffassung, die Untersuchungsaufforderung sei - etwa im Hinblick auf den Umfang des Untersuchungsauftrags - fürsorgepflichtwidrig oder deshalb unverhältnismäßig, weil ein Reaktivierungsinteresse erkennbar nicht mehr bestehe oder nicht mehr realisiert werden könne, so mag er die von ihm geforderte Mitwirkung an der Sachaufklärung verweigern. Unmittelbare Nachteile entstehen ihm hierdurch nicht.

Der Ausschluss eines isolierten Rechtsbehelfs gegen die Untersuchungsaufforderung führt auch nicht zu einer ungerechtfertigten Lücke im Rechtsschutz. Sollte der Dienstherr die Weigerung als grundlos werten und an seinem Reaktivierungsverlangen festhalten, so steht dem Ruhestandsbeamten - wie oben bereits dargelegt - Rechtsschutz, und zwar auch vorläufiger Rechtsschutz, gegen die Dienstantrittsaufforderung offen. Diese Verfahren bieten Gelegenheit, auch die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsaufforderung zu bewerten. Durch den Ausschluss einer isolierten Angreifbarkeit von unselbständigen Vorbereitungshandlungen wird die gerichtliche Auseinandersetzung lediglich auf die Entscheidung in der Sache selbst konzentriert und eine letztlich unnötige oder eine eventuell mehrfache Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in derselben Sache vermieden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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