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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: 3 B 10651/08.OVG
Rechtsgebiete: LDG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

LDG § 21
VwGO § 64
VwGO § 65
VwGO § 173
VwGO § 173 Satz 1
ZPO § 66
ZPO § 68
ZPO § 72
ZPO § 74
ZPO § 74 Abs. 3
Im disziplinargerichtlichen wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist eine Anwendung der Regeln über die Streitverkündung nach §§ 72 ff. ZPO über § 21 LDG bzw. § 173 Satz 1 VwGO ausgeschlossen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

3 B 10651/08.OVG

In der Disziplinarsache

wegen Disziplinarklage

hier: Zustellung einer Streitverkündungsschrift

hat der 3. Senat - Senat für Landesdisziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 3. Juli 2008, an der teilgenommen haben

Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner Richter am Oberverwaltungsgericht Steinkühler

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 4. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag des Beklagten, seinem früheren Bevollmächtigten eine Streitverkündungsschrift zuzustellen, ist unzulässig. Eine Streitverkündung findet nämlich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - im disziplinargerichtlichen Verfahren nicht statt.

Gemäß § 21 des Landesdisziplinargesetzes - LDG - sind im gerichtlichen Disziplinarverfahren zur Ergänzung die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen des Landesdisziplinargesetzes in Widerspruch stehen oder im Landesdisziplinargesetz etwas anderes bestimmt ist. Solche einschlägigen Regelungen zur Zulässigkeit einer Streitverkündung enthält das Landesdisziplinargesetz nicht, so dass grundsätzlich die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung zur Anwendung gelangen können. Jedoch sind im herkömmlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der §§ 72 ff. Zivilprozessordnung - ZPO - über die Streitverkündung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Anders nämlich als bei den Bestimmungen über die Streitgenossenschaft (§§ 59 bis 62 ZPO), für die mit § 64 VwGO eine spezielle Regelung besteht, fehlt diese hinsichtlich einer Streitverkündung und kann auch nicht in der generellen Verweisungsvorschrift des § 173 Satz 1 VwGO gefunden werden. Danach kommt eine entsprechende Anwendung der Zivilprozessordnung in Betracht, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthält. Eine solche Bestimmung stellt jedoch § 63 VwGO dar. Dort ist abschließend aufgeführt, wer Beteiligter am Verfahren sein kann. Der Streitverkündete zählt nicht dazu (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 2005, BeckRS 2006, 20302).

Die dargelegte Rechtsauffassung wird in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertreten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 9. April 2006 (BeckRS 2006, 23282) die Frage der Zulässigkeit einer Streitverkündung im Verwaltungsprozess offen gelassen. Jedoch entspricht es seiner ständigen Rechtsprechung, eine Nebenintervention gemäß §§ 66 ff. ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für unzulässig zu erachten (Urteile vom 15. März 1988, Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 31 S. 3 [6], und vom 22. Dezember 2005, a.a.O.). Die Funktionen des zivilprozessualen Instituts der Nebenintervention würden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weitgehend von den Bestimmungen über die Beiladung wahrgenommen. Deren Regelungen gewährleisteten eine Beteiligung solcher Dritter, die am Ausgang des Verfahrens ein rechtliches Interesse hätten und würden ihnen zugleich ausreichende prozessuale Rechte geben. Diese Überlegungen treffen in gleicher Weise auf das Institut der Streitverkündung zu, welches in seinen rechtlichen Konsequenzen gemäß § 74 Abs. 3 i.V.m. § 68 ZPO ausdrücklich der Streitverkündung gleichgestellt ist. Auch der Beklagte hat schriftsätzlich mehrfach ausgeführt, er beabsichtige mit der Streitverkündung in erster Linie die Herbeiführung der Interventionswirkung. Gerade sie wird aber aus den dargelegten Erwägungen im Verwaltungsprozess durch das Institut der Beiladung in entsprechender Form gewährleistet.

Auch die Rechtsprechung im Übrigen (HessVGH, NJW 1987, 1036; OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 1993 - 20 A 1821/91 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 12 C 01.2502 -, juris, Rn. 6) geht davon aus, eine Anwendung der Regeln über die Streitverkündung nach der Zivilprozessordnung über § 173 VwGO komme nicht in Betracht, da ihre Funktion durch das Institut der Beiladung nach § 65 VwGO erfüllt werde. Diese Auffassung wird von der einschlägigen Kommentarliteratur ausnahmslos geteilt (Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtordnung, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 65 Rn. 2; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 173 Rn. 122; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 65 Rn. 2; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2004, § 64 Rn. 1; Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 65 Rn. 4; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 64 Rn. 2).

Die dargelegte Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit der Streitverkündung in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten gilt erst recht in disziplinargerichtlichen Verfahren. Hier ist es bereits fraglich, ob überhaupt die Vorschriften der §§ 64 bis 66 VwGO zur Streitgenossenschaft sowie Beiladung Anwendung finden, da sie im gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgeschlossen sein könnten (so Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 3 Rn. 8). Das Verfahren ist nämlich auf die disziplinarische Ahndung von Beamten begangener Dienstvergehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG) ausgerichtet und nicht auf die Feststellung einer gemeinschaftlichen Berechtigung oder Verpflichtung mehrerer Personen bzw. die Berührung rechtlicher Interessen Dritter. Die aufgeworfene Frage bedarf keiner abschließenden Beantwortung, da der Beklagte eine Beiladung des Streitverkündeten ausdrücklich nicht anstrebt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 1 LDG.

Ende der Entscheidung

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