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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 6 A 10211/06.OVG
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 14 a Abs. 2 S. 3
AsylVfG § 14 a Abs. 2 S. 1
AsylVfG § 14 a Abs. 2
AsylVfG § 14 a
Die Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG gilt auch für Kinder, die vor dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung ins Bundesgebiet eingereist sind oder hier geboren wurden.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 10211/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Asylrechts (Aserbaidschan) hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 25. April 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher ehrenamtlicher Richter EDV-Fachmann Hoffmann ehrenamtliche Richterin Angestellte Kerz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2005 - 7 K 1904/05.KO - wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen sind aserbaidschanische Staatsangehörige, die am 31. Dezember 2002 bzw. am 7. Juni 2004 in Deutschland als Kinder von Asylbewerbern geboren wurden.

Nachdem die zuständige Ausländerbehörde die Geburt der Klägerinnen der Beklagten mitgeteilt hatte, leitete diese Asylverfahren ein, die erfolglos blieben. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 2005 wurden die Asylanträge der Klägerinnen als offensichtlich unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - offensichtlich nicht und diejenigen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen; gleichzeitig wurde den Klägerinnen die Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage haben die Klägerinnen geltend gemacht, der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 2005 sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie keinen Asylantrag gestellt hätten und ein solcher auch nicht aufgrund der Regelung des § 14 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - fingiert werde.

Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts nimmt der Senat im Übrigen gemäß § 130 b Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Bescheid sei rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere fehle es nicht an einem Asylantrag. Ein solcher gelte gemäß § 14 a Abs. 2 AsylVfG als gestellt, weil diese am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Bestimmung auch auf bereits zuvor geborene Kinder anwendbar sei.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.

Die Klägerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte sowie der Verfahrensakte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerinnen, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, bleibt ohne Erfolg. Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 2005 die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt, obwohl sie keinen ausdrücklichen Asylantrag gestellt haben. Ein solcher gilt nämlich gemäß § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG mit dem Zugang der Anzeige über die Geburt der Klägerinnen als gestellt. Diese am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Bestimmung ist (auch) auf bereits zuvor geborene Kinder - wie die Klägerinnen - anwendbar. Zwar lässt sich dies nicht mit der wünschenswerten Eindeutigkeit aus dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen (1.), aber aus der systematischen und einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung (2.). Die Grundsätze des intertemporalen Verfahrensrechts bekräftigen dieses Ergebnis (3.), ohne dass das Rückwirkungsverbot dem entgegensteht (4.).

1. Nach § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG gilt mit dem Zugang der Anzeige über die Geburt des Kindes beim Bundesamt ein Asylantrag für das Kind als gestellt. Auf welches Kind sich diese Antragsfiktion bezieht, ergibt sich aus der vorangestellten Regelung des § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Danach ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen, wenn ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind eines Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet einreist oder hier geboren wird, soweit ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung besitzt oder sich nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel oder mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Bundesgebiet aufhält. Die Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG findet damit ohne Weiteres Anwendung auf alle nach dem In-Kraft-Treten der Vorschrift am 1. Januar 2005 (Art. 15 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz) eingereisten oder in Deutschland geborenen Kinder i. S. d. § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Dass sie ausschließlich für diese Gruppe von Kindern gilt, kann dem Wortlaut der Vorschrift aber nicht entnommen werden. Insbesondere lässt die Verwendung der Zeitform des Präsens einen solchen Schluss nicht zu. Denn trotz der Gegenwartsform beispielsweise in der Bestimmung des § 104 Abs. 3 AufenthG, die ebenso wie § 14 a Abs. 2 AsylVfG im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 in Kraft trat, setzt sie voraus, dass ein Ausländer sich schon vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig in Deutschland aufhielt und dessen Kind schon vor diesem Tag geboren wurde. Dem gegenüber wird in § 15 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG das Partizip des Perfekt ("eingereiste Ausländer") gebraucht, obwohl die Regelung nach § 15 a Abs. 6 AufenthG nicht für Personen gilt, die "nachweislich vor dem 1. Januar 2005 eingereist sind". Die Zeitformen der Vorschriften, die im Zuge des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt wurden, lassen mithin keinen sicheren Schluss auf den davon erfassten Personenkreis zu. Soweit das VG Göttingen (AuAS 2005, 117) meint, der Bundesgesetzgeber hätte eine andere Formulierung gewählt, wenn er gewollt hätte, dass von dem ab 1. Januar 2005 geltenden § 14 a Abs. 2 AsylVfG auch Kinder erfasst werden, die vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereist sind oder hier geboren wurden, folgt dem der Senat nicht. Der vom VG Göttingen in der Zeitform des Perfekt vorgeschlagene Wortlaut hätte zwar zum Ausdruck gebracht, dass § 14 a Abs. 2 AsylVfG für vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereiste oder hier geborene Kinder gilt. Diese Formulierung hätte allerdings dahin missverstanden werden können, die Bestimmung solle nur auf im Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens bereits eingereiste bzw. geborene Kinder, nicht aber auch auf künftig einreisende oder geboren werdende Kinder angewandt werden.

2. Trotz seines nicht eindeutigen Wortlauts gilt § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG aus systematischen und teleologischen Gründen auch für bereits vor dem 1. Januar 2005 geborene Kinder.

In systematischer Hinsicht ist festzustellen, dass der Anwendungsbereich der Bestimmung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG nicht auf nach ihrem In-Kraft-Treten eingereiste bzw. geborene Kinder beschränkt wurde, obwohl in vergleichbaren Normen, die im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes geschaffen wurden, solche Regelungen getroffen sind. § 15 a Abs. 6 AufenthG bestimmt - wie schon gesagt -, dass die vorangestellten Absätze nicht für Personen gelten, die nachweislich vor dem 1. Januar 2005 eingereist sind. Die bereits erwähnte Bestimmung des § 104 Abs. 3 AufenthG enthält eine ausdrückliche Regelung für Kinder, die vor dem 1. Januar 2005 geboren wurden. Diese Beispiele sprechen für die Annahme, der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes habe Ausnahmen für Kinder, die vor dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes eingereist oder geboren sind, ausdrücklich normiert, wenn er sie vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes hat ausnehmen wollen (vgl. VG Minden, AuAS 2005, 238).

Zu diesem Ergebnis führt auch eine an Sinn und Zweck des § 14 a Abs. 2 AsylVfG orientierte Auslegung. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/420, S. 108) dient § 14 a AsylVfG dem Zweck, durch die "Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr" zu verhindern, "dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen". Diese Folgen einer sukzessiven Asylantragstellung treten unabhängig davon auf, ob das Kind vor oder nach dem 1. Januar 2005 eingereist ist oder geboren wurde. Dem entsprechend enthält die Gesetzesbegründung keine Differenzierung nach dem Datum der Einreise bzw. der Geburt. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck würde also zum Teil verfehlt, wenn § 14 a Abs. 2 AsylVfG nur für Kinder gelten würde, die erst nach dem In-Kraft-Treten der Vorschrift einreisen oder in Deutschland geboren werden. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat, stützt ein weiterer Gesichtspunkt diese Auslegung: § 26 Abs. 2 AsylVfG setzt in der durch das Zuwanderungsgesetz geänderten Fassung - anders als § 26 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG 1997 - keine "unverzügliche" Antragstellung des Kindes eines Asylberechtigten mehr voraus, weil - wie es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/420, S. 109) heißt - die Antragstellung nunmehr durch die Fiktionswirkung des § 14 a AsylVfG sichergestellt sei. Wenn diese für Kinder nicht gelten würde, die vor dem 1. Januar 2005 eingereist oder in Deutschland geboren sind, hätten sie bis zu 18 Jahren Zeit für einen Antrag auf Familienasyl, was mit Sinn und Zweck des § 26 Abs. 2 AsylVfG kollidieren würde, der neben der raschen Integration der Familie auch der Vereinfachung des Verfahrens dient (vgl. BT-Drucks. 11/6960, S. 29, 30). Die Begründung des Zuwanderungsgesetzes (BT Drucks. 15/420, S. 109) weist in diesem Zusammenhang zusätzlich darauf hin, 16- bis 18-jährige ledige Kinder könnten künftig bis kurz vor Vollendung des 18. Lebensjahres mit der Asylantragstellung warten. Dieser Hinweis erwähnt vor dem 1. Januar 2005 eingereiste oder in Deutschland geborene Kinder nicht und spricht daher ebenfalls für die Geltung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auch für diese Kinder.

3. Dieses Ergebnis der Auslegung wird durch die Grundsätze des intertemporalen Verfahrensrechts bekräftigt. Sie greifen hier ein, weil die Frage, ob für die Klägerinnen ein Asylantrag gemäß § 14 a Abs. 2 AsylVfG fingiert wird, dem Verfahrensrecht zugehört. Diese Grundsätze, die auch in § 96 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz zum Ausdruck kommen, lassen sich dahin gehend zusammenfassen, dass bei Fehlen einer Übergangsregelung neues Verfahrensrecht grundsätzlich mit Sofortwirkung gilt, und zwar auch hinsichtlich bereits anhängiger, aber noch nicht abgeschlossener Verfahren. Daraus folgt erst recht die Anwendbarkeit des neuen Verfahrensrechts auf im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens noch nicht eingeleitete Verfahren. So liegen die Dinge hier. Denn vor dem 1. Januar 2005 war ein Asylverfahren der Klägerinnen (noch) nicht anhängig, weil sie keinen Asylantrag gestellt hatten. Dass sie seinerzeit bereits (in Deutschland) geboren waren, löste nach dem bis zum In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes geltenden Recht keine Antragsfiktion aus.

Eine Bestätigung erfahren diese Grundsätze durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 2005 (1 C 21/04, juris), wonach die ebenfalls im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes geschaffene Bestimmung des § 73 Abs. 2 a AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 durch Erlass eines Widerrufsbescheids abgeschlossene Verfahren nicht anwendbar ist.

Der Grundsatz der Sofortwirkung neuen Verfahrensrechts bedarf im vorliegenden Zusammenhang auch keiner Einschränkung, wie sie vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 87, 48 = NVwZ 1992, 1182) für die Bestimmung des (zeitlich-gegenständlichen) Anwendungsbereichs eines durch Gesetz angeordneten Rechtsmittelausschlusses festgelegt wurde; danach erfährt der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, für Rechtsmittelverfahren eine einschränkende Konkretisierung: Beim Fehlen abweichender Bestimmungen führt eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit bereits eingelegter Rechtsmittel. Auf einen solchen im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Schutz des Vertrauens können sich die Klägerinnen nicht berufen. Ihr Vertrauen darauf, den Zeitpunkt der Einleitung eines Asylverfahrens selbst und unabhängig von einer gesetzlichen Antragsfiktion bestimmen zu können, ist nicht vergleichbar mit dem Vertrauen, das ein Rechtsmittelführer in den Fortbestand eines nach altem Recht zulässiger Weise eingelegten Rechtsmittels setzen darf.

4. Schließlich stehen der Anwendung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf die Klägerinnen auch nicht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe der Rückwirkung bzw. der tatbestandlichen Rückanknüpfung von Gesetzen entgegen.

Eine Rechtsnorm entfaltet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109, 133 = NJW 2004, 739) dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist. Da der Asylantrag der Klägerinnen erst mit dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes als gestellt gilt, also nicht für die Vergangenheit, treten die Rechtsfolgen des § 14 a Abs. 2 AsylVfG nicht rückwirkend ein. Eine grundsätzlich unzulässige Rückbewirkung von Rechtsfolgen ("echte" Rückwirkung) liegt also nicht vor.

Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, ihr Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind. Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte und unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfGE 109, 133 = NJW 2004, 739). Die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis ergeben sich dabei aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (OVG RP, 6 A 10761/05.OVG, ESOVGRP). Zu einer Überschreitung dieser Grenzen kommt es freilich erst dann, wenn die gesetzlich angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszweckes nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Solche Ausnahmetatbestände greifen vorliegend nicht ein. Die hier in Rede stehende unechte Rückwirkung ist zur Erreichung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Zielsetzung ohne weiteres geeignet und erforderlich. Nach der bereits erwähnten Gesetzesbegründung soll die Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr verhindern, dass durch sukzessive Antragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen. Dies gilt - wie das Verwaltungsgericht schon ausgeführt hat - für Kinder, die vor dem 1. Januar 2005 eingereist oder in Deutschland geboren sind, ebenso wie für nach diesem Zeitpunkt geborene bzw. eingereiste Kinder. Stellt man den so gekennzeichneten Änderungsgründen des Gesetzgebers das Bestandsinteresse der Klägerinnen gegenüber, so erweist sich letzteres jedenfalls nicht als gewichtiger. Denn die Klägerinnen hatten vor der Verkündung des Zuwanderungsgesetzes nichts "ins Werk gesetzt", was durch § 14 a Abs. 2 AsylVfG gleichsam entwertet wurde. Sie hatten lediglich davon abgesehen, einen Asylantrag zu stellen, und ein solcher wurde auch nicht fingiert. Ihr Interesse am Fortbestand dieser verfahrensrechtlichen Situation kann nur darin bestehen, den Zeitpunkt der Einleitung eines Asylverfahrens selbst und unabhängig von einer gesetzlichen Antragsfiktion bestimmen zu können. Dieses Interesse ist aber schon deshalb nicht in besonderer Weise schützenswert, weil gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverfahrens verbindlich verzichtet werden kann. Dass ein solcher Verzicht wie die Rücknahme eines Asylantrages die nachteiligen Folgen des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (vgl. VG Göttingen, AuAS 2005, 117) auslöst, liegt nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eher fern. Ungeachtet dessen wäre es keine unmittelbare Konsequenz des § 14 a Abs. 2 AsylVfG und würde im Übrigen weniger schwer wiegen als das bezeichnete gesetzgeberische Anliegen, das mit der Neuregelung verfolgt wird.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO.

Da die Auslegung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG von grundsätzlicher Bedeutung ist, war die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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