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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: 6 A 10271/06.OVG
Rechtsgebiete: GG, MPhG, HeilprG, HeilprGDV I, PhysTh-APrV


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
MPhG § 3
MPhG § 8
HeilprG § 1 Abs. 1
HeilprG § 1 Abs. 2
HeilprG § 1 Abs. 3
HeilprGDV I § 2 Abs. 1
PhysTh-APrV § 1 Abs. 1
1. Die nach § 1 Abs. 1 HeilprG erforderliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde darf auch gegenständlich beschränkt für bestimmte Fachgebiete erteilt werden, wenn und soweit dort mit gesetzlicher Billigung eine Ausdifferenzierung der Berufsbilder zu verzeichnen ist.

2. Die Eignungsüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Buchst. i HeilprGDV I entfällt, wenn die Heilpraktikererlaubnis sich auf ein Gebiet beschränkt, auf dem die heilkundliche Betätigung vom Bestehen einer speziellen berufseröffnenden Prüfung abhängig ist.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 10271/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Rechts der Heilberufe

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 21. November 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher ehrenamtlicher Richter Landwirt Gerdon ehrenamtlicher Richter Angestellter Hahl

für Recht erkannt:

Tenor:

Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz - 3 K 855/05.KO - wird abgeändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 15. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 dazu verpflichtet, ohne weitere Eignungsüberprüfungen den Klägern unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, die Erlaubnis zu erteilen, die Heilkunde nach Maßgabe von § 1 Heilpraktikergesetz selbständig auszuüben, und zwar bezogen und beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie im Sinne der §§ 3 und 8 des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie mit Ausnahme der Behandlungen zur Traktion der Wirbelsäule und der Durchführung von Thermalbädern als Vollbäder incl. Stangerbäder.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger streiten mit dem Beklagten um die Erteilung einer gegenständlich beschränkten Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz.

Sie sind staatlich geprüfte Masseure und Physiotherapeuten, die ihren Beruf in einer gemeinschaftlich betriebenen freien Praxis ausüben. Hier behandeln sie vorwiegend den Personenkreis der gesetzlich Versicherten, der die Leistungen der Kläger aufgrund ärztlicher Verordnung in Anspruch nimmt. Nachdem solche Überweisungen im Zuge von Maßnahmen der Gesundheitsreform strengeren Reglementierungen und Restriktionen unterworfen wurden und sich infolgedessen ein verstärktes Bedürfnis nach privat zu vergütenden Heilmittelleistungen ergab, suchten die Kläger mit Antrag vom 11. Juni 2004 um die Erteilung der Erlaubnis nach, die Heilkunde selbständig, und zwar bezogen und beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie im Sinne der §§ 3 und 8 des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie ausüben zu dürfen. Nicht erstrecken sollte sich die Erlaubnis auf Traktionen der Wirbelsäule sowie auf Thermalbäder als Vollbäder incl. Stangerbäder. Ferner war den Klägern daran gelegen, nicht die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" führen zu müssen und im Hinblick auf ihre berufsqualifizierenden Abschlüsse von der Ablegung der in § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz vorgesehenen Überprüfung freigestellt zu werden.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 15. Juli 2004 lehnte der Beklagte die Anträge ab, weil die angestrebten eingeschränkten Heilpraktikererlaubnisse dem Regelungszweck des Gesetzes zuwider liefen. Gegenstand des Erlaubnisvorbehaltes sei der Gesamtbereich der nicht ärztlichen Heilkundeausübung. Eine Einschränkung seines sachlichen Anwendungsbereiches sei dem Heilpraktikergesetz fremd. Die Rechtsprechung habe eine Ausnahme nur beim Berufsbild des Psychotherapeuten zugelassen. Ob die Kläger überdies von der Überprüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten dispensiert werden könnten, sei mithin nicht mehr entscheidungserheblich.

Nach erfolglosem Vorverfahren - ihre Widersprüche wurden durch Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung des Westerwaldkreises vom 7. April 2005 zurückgewiesen - haben die Kläger Klage erhoben. Damit haben sie geltend gemacht, Erlaubnisvorbehalt und Heilpraktikerprüfung würden jeweils durch den Aspekt der Gefahrenabwehr legitimiert. Leistungen der physikalischen Therapie, wie sie sie anbieten möchten, seien jedoch für die Volksgesundheit ohne Risiko. Die allenfalls mittelbare Gefahr, dass Patienten aufgrund der Dienste des Physiotherapeuten von einem an sich notwendigen Arztbesuch abgehalten werden könnten, stelle sich als vernachlässigbar gering dar. Aus dieser Gefahreneinschätzung folge zugleich, dass es in ihrem Falle unverhältnismäßig sei, auf einer speziellen Überprüfung der Befähigung für den Heilpraktikerberuf zu bestehen, weil der Eignungsnachweis bereits anderweitig in Gestalt der Staatsprüfung erbracht sei. Dies gelte erst recht, wenn das Genehmigungsbegehren, so wie hier, auf bestimmte Felder der physikalischen Therapie konzentriert bleibe, auf denen sie, die Kläger, schon bisher ihre Leistungen nicht ausschließlich auf Anordnung und unter Aufsicht eines Arztes oder Heilpraktikers, sondern selbständig und eigenverantwortlich erbracht hätten.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 15. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 zu verpflichten, ihnen die Erlaubnis nach § 1 Heilpraktikergesetz, die Heilkunde selbständig auszuüben, zu erteilen, und zwar bezogen und beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie im Sinne der §§ 3 und 8 des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie, verbunden mit folgenden Nebenbestimmungen:

- die Kläger sind nicht berechtigt und verpflichtet, den Titel "Heilpraktiker" zu führen,

- für die Erlaubnis gelten sämtliche Beschränkungen, denen Heilpraktiker insgesamt unterworfen sind,

- von der Erlaubnis sind ausgeschlossen Behandlungen zur Traktion der Wirbelsäule und die Durchführung von Thermalbädern als Vollbäder incl. Stangerbäder.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat daran festgehalten, dass auf die vorgesehene Kenntnis - und Befähigungsüberprüfung nach dem Heilpraktikergesetz nicht verzichtet werden könne, da die physiotherapeutische Tätigkeit der Kläger sich im Wesentlichen aufgrund von ärztlich verantworteten Diagnosen entfaltet habe. Die Angehörigen der Fachberufe übten nach zutreffender Beurteilung keine selbständige Heilkunde aus. Im Gegensatz dazu stelle der Heilpraktiker eigene Diagnosen und therapiere selbständig. Im Übrigen sei der Antrag der Kläger auch deshalb nicht genehmigungsfähig, weil die Heilpraktikererlaubnis grundsätzlich nicht gegenständlich einschränkbar sei.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2006 ergangenen Urteil die Klage abgewiesen. Den Klägern stehe kein Anspruch auf die nachgesuchten Genehmigungen zu, weil das Vorhaben auf Versagungsgründe stoße. Eine gegenständlich eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis komme auch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Art. 12 Abs. 1 GG nicht in Betracht, denn die Kläger seien auch ohne Heilpraktikererlaubnis an der Ausübung ihres erlernten Berufes keineswegs gehindert. Ihr verständlicher Wunsch, das angestammte Tätigkeitsfeld zu erweitern, dürfe mit Rücksicht auf das hohe Gut der Volksgesundheit nur erfüllt werden, wenn dies unbedenklich sei. Um dies festzustellen, bedürfe es entsprechender Überprüfungen der Gesundheitsbehörde. Da die Kläger solche Kontrollen verweigerten, müsse ihre Klage auch aus diesem Grund erfolglos bleiben, zumal eignungsspezifische Kontrollfeststellungen durch die von ihnen abgelegte Staatsprüfung nicht erübrigt würden.

Gegen diese Entscheidung haben die Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiterverfolgen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Dessen Ergebnis sei unabhängig vom Inhalt des Sachverständigengutachtens allein deshalb aufrecht zu erhalten, weil die Heilpraktikererlaubnis nur umfassend erteilbar sei.

Der Senat hat aufgrund seines Beweisbeschlusses vom 11. Juli 2006 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis über die Frage erhoben, ob ein auf der Grundlage der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung der Physiotherapeuten vom 21. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3786) ausgebildeter und geprüfter Physiotherapeut im Allgemeinen und die Kläger im Besonderen dadurch ohne weitere Überprüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz vom 18. Februar 1939 (RGBl. I S. 259) dazu befähigt werden, auf dem durch ihre Antragstellung näher gekennzeichneten Gebiet der physikalischen Therapie selbständig, d.h. ohne ärztliche Vordiagnose Patienten zu behandeln, ohne dass damit eine Gefahr für deren Gesundheit verbunden ist?

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Ausführungen des Medizinaloberrates Dr. L... (Bl. 313 - 333 GA) verwiesen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus dem Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze in der Gerichtsakte. Je ein Heft Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten lag dem Senat vor und wurde zum Gegenstand der Beratung gemacht. Auf diese Unterlagen wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach Maßgabe der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet.

Die Kläger haben einen Rechtsanspruch darauf, dass ihnen die beantragte Heilpraktikererlaubnis unter Freistellung von der Pflicht, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, ohne weitere Eignungsüberprüfung erteilt wird. Sie erfüllen nämlich bei der verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung die Erteilungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 bis 3 Heilpraktikergesetz vom 17. Februar 1939 - HeilprG - (RGBl. I S 251), zuletzt geändert durch EuroEG 8 vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702) i.V.m. § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 18. Februar 1939 - HeilprDV I - (RGBl. I S. 259). Nach § 1 Abs. 1 HeilprG bedarf jeder, der die Heilkunde (selbständig) ausüben will, dazu der Erlaubnis. Was begrifflich Ausübung der Heilkunde ist, regelt § 1 Abs. 2 HeilprG. § 1 Abs. 3 HeilprG bestimmt, dass jeder Ausübungswillige die Erlaubnis erhält, der keinen der in § 2 Abs. 1 HeilprGDV I normierten Versagungstatbestände erfüllt.

1. Nach diesen rechtlichen Maßstäben durfte sich der Beklagte zu Recht auf den Standpunkt stellen, dass die Kläger zur Ausübung der in ihrem Antragsschreiben vom 11. Juni 2004 näher bezeichneten physiotherapeutischen Tätigkeiten einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz bedürfen. Die in Rede stehenden Tätigkeiten haben nämlich die Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG zum Gegenstand. Als solche ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen zu verstehen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Das auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie bezogene Leistungsangebot der Kläger entspricht dieser gesetzlichen Definition, denn es bezieht sich auf den Körper des einzelnen Patienten und es geschieht zum Zwecke der Heilung von Erkrankungen, wie sich aus der Inbezugnahme der §§ 3 und 8 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie vom 26. Mai 1994 - MPhG - (BGBl. I S. 1084) ohne weiteres erkennen lässt. Dass die angemessene Versorgung ihrer Patienten mit physiotherapeutischen Leistungen das zentrale Anliegen darstellt, das die Kläger mit ihrem Erlaubnisantrag verfolgen, geht im Übrigen auch daraus hervor, dass sie nach eigenem Bekunden die beantragte Erlaubnis in erster Linie dazu benötigen, um die ihnen durch ärztliche Überweisung vermittelten Patienten in solchen Zeiträumen als Privatzahler weiterbehandeln zu können, in denen entsprechende Sachleistungen der gesetzlichen Krankenkassen aus Kostengründen einzustellen sind.

Bei der verfassungsrechtlich gebotenen einschränkenden Auslegung des Begriffes "Ausübung der Heilkunde" ist weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes, dass die betreffende Behandlung nach allgemeiner Auffassung medizinische (heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1983 - 3 C 21.82 - BVerwGE 66, 367 ff.; Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 45.91 - BVerwGE 94, 269 ff.) und dass sie gesundheitliche Schäden verursachen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1970 - 1 C 53.66 - BVerwGE 35, 308 ff.; Urteil vom 18. Dezember 1972 - 1 C 2.69 - NJW 1973, 579). Auch diese Voraussetzungen sind hier gegeben. So lässt sich aus der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten - PhysTh-APrV - vom 6. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3786), insbesondere aus dem Katalog der Ausbildungsgegenstände in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 unschwer entnehmen, dass ein staatlich geprüfter Physiotherapeut über vielfältige Kenntnisse, beispielsweise auf den Gebieten der Anatomie, der Physiologie, der Allgemeinen und Besonderen Krankheitslehre, der Hygiene und der Psychologie, verfügen muss. Da dieser Ausbildungsaufwand von grundsätzlich 2.900 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichtes sowie von 1.600 Stunden praktischer Ausbildung (vgl. § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV) keinen Selbstzweck darstellt, sondern im Interesse der Volksgesundheit betrieben wird, liegt bei typisierender und generalisierender Betrachtungsweise die Annahme nahe, dass die heilkundliche Betätigung auf dem Gebiet der Physiotherapie mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist, und sei es nur mit mittelbaren Gesundheitsgefahren, beispielsweise weil anderenfalls ein frühzeitiges Erkennen ernster Leiden verzögert würde (vgl. dazu BVerfG, 2. Kammer des 1. Senates, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 1 BvR 254/99 - NJW 2000, 2736 f. m.w.N.). Die Kläger unterliegen dem Erlaubniszwang auch deshalb, weil nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 HeilprG davon sämtliche heilkundlichen Aktivitäten erfasst werden, soweit sie nicht von approbierten Ärzten ausgeübt werden. Die Kläger gehören aber nicht zum Personenkreis der Ärzte.

Schließlich erübrigt sich eine Heilpraktikererlaubnis auch nicht im Hinblick darauf, dass die Kläger schon über eine Erlaubnis nach § 1 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie - MPhG - verfügen und der sachliche Anwendungsbereich der angestrebten Heilpraktikergenehmigung im Vergleich dazu in seiner Reichweite sogar dahinter zurückbleiben soll. Die innegehabte und die angestrebte Erlaubnis sind nämlich trotz ihrer partiellen gegenständlichen Übereinstimmung nicht teilidentisch, wie die Kläger anzunehmen scheinen, sondern weisen einen unterschiedlichen Charakter auf. So betrifft die Erlaubnis nach § 1 MPhG die Befugnis zur Erbringung von Leistungen eines Heilhilfsberufes (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1970 - I C 53.66 - BVerwGE 35, 308 ff.). Nach dem beruflichen Selbstverständnis, wie es in den §§ 3 und 8 MPhG zum Ausdruck kommt, geben nämlich die Masseure und Physiotherapeuten lediglich "Hilfen" bei bestimmten gesundheitlichen Problemlagen, wobei die "Hilfen" im Regelfall nach Maßgabe einer ärztlichen Diagnose und aufgrund einer ärztlichen Heilmittelverordnung entfaltet werden. Im Gegensatz dazu hat die Heilpraktikererlaubnis die selbständige und eigenverantwortliche Ausübung der Heilkunde zum Gegenstand. Diese berufliche Tätigkeit wird mithin in voller diagnostischer und therapeutischer Autonomie verrichtet und betrifft damit im Vergleich zur Masseur- und Physiotherapeutenerlaubnis auch genehmigungsrechtlich ein "Aliud".

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Erteilungsfähigkeit der Kontrollerlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz auch nicht entgegen, dass die Kläger ihre Befugnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde auf bestimmte physiotherapeutische Verrichtungen beschränkt haben möchten. Zwar sehen das Heilpraktikergesetz und seine Durchführungsverordnungen für Heilpraktiker verschiedene generell abstrakte Betätigungsausschlüsse, doch keine privatautonom beschränkbare Erlaubnis vor. Daraus folgt jedoch bei zweckentsprechender Auslegung des Gesetzes kein diesbezügliches Verbot, insbesondere nachdem das Bundesverwaltungsgericht seine dahingehende Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 21. Mai 1964 - I B 183.63 - Buchholz 418.4 Heilpraktiker Nr. 6; Urteil vom 25. Juni 1970 - I C 53.66 - BVerwGE 35, 306 [316]; Urteil vom 10. Februar 1983 - 3 C 21.82 - NJW 1984, 1414 [1415]) mit Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - NJW 1993, 2395 ff. [2397] ausdrücklich aufgegeben hat. Zwar betraf diese Entscheidung das Berufsbild des Psychotherapeuten, doch können die tragenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf dieses Tätigkeitsfeld konzentriert bleiben. Vielmehr weist das Gericht darauf hin, dass der maßgebliche Gesichtspunkt für die Korrektur seiner Rechtsprechung zur Universalität der Heilpraktikererlaubnis darin zusehen sei, dass sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe seit dem Erlass des Heilpraktikergesetzes in damals nicht voraussehbarer Weise ausdifferenziert hätten, so dass Anlass bestehe, die Vorschriften des vorkonstitutionellen Heilpraktikergesetzes im Wege der Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten anzupassen. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass eine Anpassungsnotwendigkeit in diesem Sinne nicht nur in dem gerichtlich entschiedenen Einzelfall anzunehmen ist, sondern überall dort besteht, wo der Anwendungsbereich des Heilpraktikergesetzes mit Normkomplexen in Beziehung zu setzen ist, durch die heilkundliche Berufe nachkonstitutionell verfasst worden sind.

Diese Voraussetzungen treffen auch auf das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie vom 26. Mai 1994 zu, durch das die Funktionen "Masseur und medizinischer Bademeister" sowie "Physiotherapeut" in einer den aktuellen beruflichen Notwendigkeiten gemäßen Weise strukturiert worden ist. Wer den Anforderungen dieses Gesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung genügt, hat damit Zutritt zu einem hinreichend definierten und abgegrenzten heilkundlichen Aufgabenfeld, das der Heilpraktikererlaubnis insgesamt aber auch in Teilen zugänglich ist, weil seine Materien sich dazu eignen, selbständig und eigenverantwortlich durch den Physiotherapeuten bearbeitet zu werden.

3. Die auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränkte Heilpraktikererlaubnis darf dem Physiotherapeuten freilich nur dann erteilt werden, wenn dem Anliegen keine Versagungsgründe nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 1. Halbsatz HeilprG i.V.m. § 2 Abs. 1 HeilprGDV I entgegenstehen. Dabei ist aus dem Katalog der Versagungsgründe des § 2 Abs. 1 HeilprGDV I in erster Linie auf dessen Buchstabe i abzustellen, wonach die Erlaubnis nicht erteilt wird, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Die rechtlichen Voraussetzungen dieses Versagungsgrundes liegen jedoch nicht vor. Dies kann der Senat feststellen, ohne dass die verordnungsrechtlich vorgesehene "Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Kläger durch das Gesundheitsamt" vorgenommen worden ist. Auf diese Art der Kontrollfeststellung kann nämlich bei verfassungskonformer Reduktion des Regelungsgehaltes der Vorschrift verzichtet werden, wenn für die Erteilungsbehörde aufgrund von anderweitigen Erkenntnisse die Überzeugungsgewissheit zu gewinnen ist, dass die Ausübung der Heilkunde durch die Kläger keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen wird. So liegen die Dinge hier.

Zunächst ist im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine verfassungskonforme Reduktion des Regelungsgehaltes des § 2 Abs. 1 Buchst. i HeilprGDV I schon deshalb angezeigt, weil die Kenntnisse und Fähigkeiten der Kläger auf den durch den Genehmigungsvorbehalt erfassten Gebieten bereits Gegenstand entsprechender Staatsprüfungen waren. Unter diesen Umständen ist ein Festhalten an der Eignungskontrolle durch das Gesundheitsamt, wie sie hier in Rede steht, nur dann verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn der Zweck dieser Überprüfung anderweitig nicht oder nicht vollständig erreichbar ist. Bei der von den Klägern angestrebten eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis ist eine solche Substituierbarkeit jedoch gegeben.

Dies folgt bereits aus der Rechtsnatur der in § 2 Abs. 1 Buchst. i HeilprGDV I angesprochenen Überprüfung. Sie stellt nach feststehender verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1995 - 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221 ff.) keine berufseröffnende Eignungskontrolle dar, sondern erfüllt lediglich die Funktion eines Negativattestes, wonach die Ausübung der Heilkunde durch den Prüfling keine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten darf. Über diesen spezifischen Erkenntniswert geht die von den Physiotherapeuten abzulegende Staatsprüfung indessen bei weitem hinaus. Ihr Bestehen dokumentiert, dass der Prüfungskandidat den beruflichen Anforderungen in Theorie und Praxis vollauf gewachsen ist. Dies schließt vom Grundsatz her die Feststellung ein, dass mit der Aufnahme von Heilbehandlungen durch einen examinierten Physiotherapeuten jedenfalls dann keine gesundheitlichen Risiken verbunden sind, wenn die Dienstleistungen, so wie hier, Materien betreffen, die Gegenstand der Eignungsprüfung gewesen sind. Für einen weitergehenden prüfungsrechtlichen Feststellungsbedarf bliebe mithin nur dann noch Raum, wenn die selbständige und eigenverantwortliche Wahrnehmung des Heilpraktikerberufes mit Anforderungen, beispielsweise auf diagnostischem Gebiet, verbunden wäre, die von der staatlichen Prüfung der Physiotherapeuten nicht erfasst werden.

Eine solche prüfungsrechtliche Lücke, aus der möglicherweise Gefahren für die Volksgesundheit erwachsen könnten, besteht bei einem geprüften Physiotherapeuten mit Rücksicht auf seine qualifizierte Aufbildung indessen nicht, wenn er lediglich auf seinem Fachgebiet oder einem Teil davon als Heilpraktiker tätig werden will. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden gutachterlichen Äußerungen des Medizinaloberrates Dr. L..., denen der Beklagte mit keinen Einwendungen entgegengetreten ist. So weist der Sachverständige im Einzelnen darauf hin, dass im Rahmen der Ausbildung zum Physiotherapeuten neben Kenntnissen und Fertigkeiten in der physikalischen Therapie auch diagnostische Verfahren zur Befunderhebung vermittelt werden, die den Auszubildenden befähigen, Behandlungsindikationen selbständig zu erkennen, ebenso wie Kontraindikationen. Ferner werde durch die Ausbildung sichergestellt, dass der Physiotherapeut seine notwendigen Befunde und Diagnosen selbständig erbringen könne. Diese therapievorbereitenden Untersuchungen seien notwendig, da der verschreibende Arzt auf seiner Heilmittelverordnung meist nur das Leitsymptom angebe. Aus diesen Begründungen zur Ausbildungs- und Prüfungswirklichkeit der Physiotherapeuten, denen der Sachverständige bezüglich der Heilpraktiker die aufschlussreiche Feststellung gegenüberstellt, dass diese zur Ausübung ihres Berufes keine geregelte Ausbildung und lediglich ein prüfungsrechtliches Negativattest benötigten, wird deutlich, dass es keinen rechtlich anerkennenswerten Grund dafür geben kann, von einem staatlich geprüften Physiotherapeuten, der erklärtermaßen außerhalb seines Fachgebiets nicht behandeln will, eine Befähigungsüberprüfung nach dem Heilpraktikergesetz zu verlangen. Allein aus dem Fehlen der speziellen Überprüfung kann damit nicht schon auf das Vorliegen eines Versagungsgrundes geschlossen werden.

Ein solcher greift hier zum Nachteil der Kläger auch in der Sache selbst nicht ein, denn die Ausübung der Heilkunde durch sie bedeutet keine Gefahr für die Volksgesundheit. Die Kläger gehören zu dem nach dem Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie ausgebildeten und examinierten Personenkreis, dem die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der Heilkunde allein aus diesem Grund zuzubilligen sind, wenn und solange er seine Behandlungsbemühungen auf dieses Gebiet begrenzt. Die Ausbildungsinhalte stellen nämlich bewährtes schulmedizinisch fundiertes Wissen dar, auf das auch Ärzte sich stützen und das nach der schlüssigen Bewertung der Sachlage durch den Sachverständigen ausreicht, um eine gesundheitliche Gefährdung von Patienten generell ausschließen zu können. Etwas anderes muss nach Ansicht des Sachverständigen nur dann angenommen werden, wenn im Einzelfall konkrete Verdachtsmomente bestehen, die geeignet sind, das Vorliegen der durchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Physiotherapeuten in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Negativabweichungen sind jedoch in Bezug auf die Kläger weder vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich, so dass es dabei bewendet, dass ihnen ein Rechtsanspruch auf die beantragte eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis zusteht.

4. Als künftigen Inhabern einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis obliegt den Klägern auch nicht die in § 1 Abs. 3 Satz 1, Halbsatz 2 HeilprG geregelte Pflicht, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen. Der sachliche Anwendungsbereich der Titelführungsvorschrift konzentriert sich nämlich bei ihrer verfassungskonformen Auslegung auf den Personenkreis der Heilpraktiker ohne spezielle heilkundliche Berufsausbildung, dem anders als den Klägern nur eine umfassende Heilpraktikererlaubnis zuteil werden kann. Einen sachlichen Grund, die Berufsbezeichnung ohne Ausnahme auf das gesamte Berufsfeld der nicht approbierten Heilbehandler anzuwenden, gibt es nicht (so BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 -, 1166/85 - NJW 1988, 2290 [2291]; BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - NJW 1993, 2395 [2396]). Mit der Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" verbinden sich nämlich Vorstellungen, deren Übertragung auf den Absolventen einer qualifizierten heilkundlichen Berufsausbildung diskriminierend sein kann, sodass es gerechtfertigt erscheint, den Titelführungszwang jedenfalls insoweit zu lockern. Dies kann auch aus Gründen des Verkehrsschutzes angezeigt sein, wenn der Berechtigte nur über eine eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis verfügt und dieser Umstand in der Berufsbezeichnung mangels geeigneter Zusätze keinen entsprechenden Niederschlag finden kann. In Anbetracht dieser Sachlage ist es den Klägern nicht zuzumuten, Irritationen über ihr berufliches Tätigkeitsfeld Vorschub zu leisten, indem sie die Berufsbezeichnung Heilpraktiker zu den schon bisher geführten Berufsbezeichnungen nach § 1 MPhG hinzufügen oder aber letztere gänzlich verschweigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 16.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. II Nr. 1.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Ende der Entscheidung

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