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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 18.08.2008
Aktenzeichen: 6 B 10338/08.OVG
Rechtsgebiete: LGlüG, GlüStV


Vorschriften:

LGlüG § 5 Abs. 1
LGlüG § 7 Abs. 1
LGlüG § 11 Abs. 2
GlüStV § 1
GlüStV § 5
GlüStV § 10 Abs. 3
GlüStV § 25 Abs. 1
Solange die Zahl der Lotto-Annahmestellen nicht in einer dem Glücksspielstaatsvertrag genügenden Weise begrenzt wird und nicht sichergestellt ist, dass die Werbung für die monopolisierten öffentlichen Glücksspiele in Rheinland-Pfalz diesem Staatsvertrag entspricht, geht das Interesse privater Wettvermittler, die gewerbliche Vermittlung von Sportwetten EG-ausländischer Buchmacher einstweilen fortzusetzen, dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Einstellung dieser Wettvermittlung vor.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 B 10338/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Lotterierechts

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 18. August 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. März 2008 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 22. Februar 2008 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit folgenden Auflagen angeordnet:

1. Der Antragsteller darf keine Sportwetten von Minderjährigen annehmen oder vermitteln. Er hat diesbezüglich einen gut sichtbaren Hinweis an der Stelle des Geschäftslokals anzubringen, an der die Wetten entgegengenommen werden.

2. Der Antragsteller hat jegliche Werbung für die Vermittlung von Sportwetten zu unterlassen. Das gilt auch für den Innenbereich des Geschäftslokals. Dort ist lediglich ein Hinweis mit dem Inhalt "Sportwettenannahme hier" gestattet.

3. An der Stelle des Geschäftslokals, an der die Wetten entgegengenommen werden, ist außerdem der gut sichtbare Hinweis "Sportwetten können süchtig machen" anzubringen.

4. Der Antragsteller darf keine Wetten von solchen Personen annehmen oder vermitteln, die erkennbar spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind bzw. deren beabsichtigter Spieleinsatz in keinem Verhältnis zur erkennbaren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Spielers steht.

5. Der Antragsteller hat die Wettkunden über das Gewinn- bzw. Verlustrisiko der Sportwette aufzuklären.

6. Der Antragsteller darf während eines laufenden Sportereignisses keine sich auf dieses Ereignis beziehenden Sportwetten annehmen oder vermitteln.

7. Der Antragsteller darf im Geschäftslokal keine Internetsportwetten zulassen.

8. Der Antragsteller darf im Geschäftslokal, in dem Sportwetten entgegengenommen werden, weder eine Spielhalle noch ein ähnliches Unternehmen im Sinne des § 33i Gewerbeordnung betreiben.

9. Der Antragsteller hat unangekündigte Kontrollen der zuständigen Behörde zur Überprüfung auch der Einhaltung vorstehender Auflagen zu dulden.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist im Wesentlichen begründet. Sie führt zu einer von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Interessenabwägung. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Verfügung des Antragsgegners, mit der dem Antragsteller die gewerbliche Tätigkeit als Vermittler privater Sportwetten untersagt wurde, wiegt weniger schwer als das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung, weil aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage anzunehmen ist, dass die angefochtene Untersagungsverfügung der rechtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten wird (I.). Dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren bzw. der Begrenzung der Wettleidenschaft kann einstweilen durch die aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen Rechnung getragen werden (II.).

I.

Die angefochtene Verfügung, mit der der Antragsgegner nach seinem Ermessen eine ohne Erlaubnis durchgeführte Vermittlung von Sportwetten untersagt hat, kann nicht auf § 11 Abs. 2 und 3 Nr. 1 des Landesglücksspielgesetzes vom 3. Dezember 2007 (GVBl. S. 240 - LGlüG -) gestützt werden, soweit die organisatorischen und materiell-rechtlichen Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) für eine (dauerhafte) Beibehaltung des Sportwettmonopols für die Zeit nach dem 31. Dezember 2007, zu deren Umsetzung die Bundesländer den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV - geschlossen haben, nicht beachtet worden sind.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Veranstalter der Sportwette ODDSET in Rheinland-Pfalz nicht in einer den Anforderungen des in § 10 Abs. 3 GlüStV genügenden Weise verpflichtet (worden) ist, die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV zu begrenzen (1.). Außerdem ist nicht sichergestellt, dass sich die Werbung für die Sportwette ODDSET in Rheinland-Pfalz im Rahmen des nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV Zulässigen hält (2.). Weitere Bedenken, insbesondere wettbewerbs-, verfassungs- und gemeinschaftsrechtlicher Art müssen daher einstweilen nicht erörtert werden (3.).

1.

Die in § 10 Abs. 3 GlüStV festgelegte Aufgabe der Bundesländer, die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV zu begrenzen, beruht auf der Kritik des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) am seinerzeit in Bayern eingerichteten Vertriebssystem der Sportwette ODDSET: Die Ausgestaltung des Vertriebs über ein breites Netz von Annahmestellen, dem das Prinzip "weites Land - kurze Wege" zu Grunde liege, sei nicht auf eine Bekämpfung von Suchtgefahren bzw. auf eine Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet. Vielmehr finde der Vertrieb in einer Vielzahl von Annahmestellen in bewusster Nähe zum Kunden statt, so dass das Produkt zu einem allerorts verfügbaren normalen Gut des täglichen Lebens werde (BVerfG, 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, Rdnrn. 137 ff.). Die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vertriebsmodalitäten für die Sportwette ODDSET waren also durch den GlüStV und in dessen Umsetzung durch die Landesausführungs- bzw. Glücksspielgesetze neu zu justieren, und zwar auf die Zielsetzung der Bekämpfung von Suchtgefahren bzw. der Begrenzung der Wettleidenschaft.

Mit § 7 Abs. 1 LGlüG wird die Verpflichtung des Landes aus § 10 Abs. 3 GlüStV zur Begrenzung der Zahl der Annahmestellen jedenfalls solange nicht erfüllt, wie das Land weder unmittelbarer Veranstalter der öffentlichen Glücksspiele ist noch einen bestimmenden Einfluss auf die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, den derzeitigen unmittelbaren Veranstalter, hat (a). Auch in tatsächlicher Hinsicht ist der unmittelbare Veranstalter der Sportwette ODDSET in Rheinland-Pfalz nicht in einer den Anforderungen des in § 10 Abs. 3 GlüStV genügenden Weise verpflichtet worden, die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV zu begrenzen (b). Dass dies bis zum 31. Dezember 2008 erfolgen soll, ist nicht ausreichend (c).

a)

Nach § 7 Abs. 1 LGlüG hat das Land als unmittelbarer Veranstalter zur Sicherung der Ziele des § 1 GlüStV bis spätestens zum 30. Juni 2008 ein Konzept zur Begrenzung der Anzahl der Annahmestellen vorzulegen, dessen Prüfung dem für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen Ministerium obliegt.

aa)

Ob diese gesetzliche Regelung, die keine ausdrücklichen Kriterien für die Begrenzung nennt, schon den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes nicht genügt, kann (einstweilen) ebenso unerörtert bleiben wie die Zweifel an der Zulässigkeit der Fristbestimmung (30. Juni 2008), die als Verlängerung der vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) bis zum 31. Dezember 2007 eingeräumten Übergangsfrist zur Herstellung verfassungsgemäßer Verhältnisse betrachtet werden kann. Keiner Entscheidung im vorliegenden Verfahren bedarf auch die Frage nach der Vertretbarkeit des Grundansatzes des Gesetzgebers, der offenbar davon ausgegangen ist, dass die Zahl der am 1. Januar 2008 vorhandenen Annahmestellen nicht vermindert werden muss. Wie der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucks. 15/1454, S. 22) zu entnehmen ist, bindet § 7 Abs. 1 LGlüG "auch die Anzahl der vorhandenen Annahmestellen in das in sich konsistente Konzept des Landes zur Bekämpfung der Spielsucht ein". Diese gesetzgeberische Erwägung wird der Anforderung des § 10 Abs. 3 GlüStV nur gerecht, wenn eine Verminderung der Anzahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV nicht erforderlich ist. Dafür spricht wenig, wenn man berücksichtigt, in welcher Weise andere Bundesländer die Verpflichtung des § 10 Abs. 3 GlüStV zur Begrenzung der Zahl der Annahmestellen umgesetzt haben:

Einige Bundesländer haben die Bestimmung des § 10 Abs. 3 GlüStV zum Anlass genommen, eine Obergrenze der Zahl der Annahmestellen festzulegen: Sie beträgt in Berlin 1.100 (§ 8 Abs. 6 BerlAGGlüStV). In Thüringen darf die Gesamtzahl von 750 Annahmestellen nicht überschritten werden und ist regional ausgewogen zu verteilen (§ 2 Abs. 5 ThürGlüG). § 7 SächsGlüStVAG begrenzt die Anzahl der Annahmestellen auf eine Annahmestelle je 3200 Einwohner. In Bayern soll die Staatliche Lotterieverwaltung nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 BayAGGlüStV die Zahl der Annahmestellen bis zum 31. Dezember 2011 auf insgesamt 3700 verringern.

In Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind Zahl und Einzugsgebiet der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten; es dürfen nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebotes im Sinne von § 10 Abs. 1 GlüStV erforderlich sind (§ 7 Abs. 1 LottStVtrAG B-W, § 4 Abs. 4 LottG Bbg, § 7 Abs. 2 GlüStVAG M-V, § 5 Abs. 5 NdsGlüSpG, § 5 Abs. 5 GlüStVAG N-W).

§ 10 Abs. 1 HessGlüG schreibt vor, die Zahl der Annahmestellen in Hessen angemessen zu begrenzen. Gemäß § 5 Abs. 4 HmbGlüStVAG sind Anzahl und Einzugsgebiet der Annahmestellen in Hamburg an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten.

Das schleswig-holsteinische Innenministerium wird durch § 12 Nr. 5 GlüStVAG SH ermächtigt, durch Verordnung die Zahl der Annahmestellen und der Vertriebsstellen der gewerblichen Spielvermittler in Schleswig-Holstein zu begrenzen sowie ein Verfahren zur Vergabe der Annahmestellen und der Vertriebsstellen vorzusehen, das dem Grundsatz der Transparenz und dem fairen Verfahren entspricht.

Hinter diesen Regelungen zur Umsetzung der in § 10 Abs. 3 GlüStV vereinbarten Verpflichtung bleibt die rheinland-pfälzische Regelung des § 7 Abs. 1 LGlüG in erheblicher Weise zurück, wonach das Land als unmittelbarer Veranstalter zur Sicherung der Ziele des § 1 GlüStV bis spätestens zum 30. Juni 2008 (lediglich) ein Konzept zur Begrenzung der Anzahl der Annahmestellen vorzulegen hat, dessen Prüfung dem für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen Ministerium obliegt.

bb)

Mit § 7 Abs. 1 LGlüG wird die Verpflichtung des Landes aus § 10 Abs. 3 GlüStV zur Begrenzung der Zahl der Annahmestellen schon deshalb nicht erfüllt, weil er offen lässt, welcher Grad der Verbindlichkeit dem vorzulegenden Konzept nach Prüfung des für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen Ministeriums zukommt und wie die Umsetzung dieses Konzepts erfolgen soll, wenn das Land - wie derzeit - weder unmittelbarer Veranstalter der öffentlichen Glücksspiele ist noch einen bestimmenden Einfluss auf die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH hat.

Die in § 5 Abs. 1 LGlüG vorgesehene neue Konzeption des Glücksspielmonopols in Rheinland-Pfalz konnte nämlich nicht vollzogen werden. § 5 Abs. 1 Satz 1 LGlüG legt fest, dass die öffentlichen Glücksspiele - abgesehen von Klassenlotterien - vom Land selbst unmittelbar veranstaltet werden. Die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe obliegt dem für das Lotteriewesen zuständigen Ministerium, das sich zur Durchführung einer privatrechtlichen Gesellschaft, die vom Land beherrscht wird, bedienen kann (§ 5 Abs. 1 Satz 2 LGlüG). Dies beabsichtigt das Land zwar; die Übernahme der Mehrheit der Geschäftsanteile der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH ist ihm aber einstweilen untersagt. Denn das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 3. März 2008 - VI-Kart 19/07 (V) - den Antrag des Landes auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die vom Bundeskartellamt untersagte Übernahme der Mehrheit der Geschäftsanteile der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH vollziehen zu dürfen und damit einen beherrschenden Einfluss auf die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH zu erlangen. Das Land ist dadurch bis auf Weiteres gehindert, die neue Konzeption des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LGlüG umzusetzen, die beabsichtigte Beherrschung der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH zu erreichen und sich dieser Gesellschaft bei der Durchführung der öffentlichen Glücksspiele in Rheinland-Pfalz lediglich zu bedienen.

Vielmehr ist die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH derzeit unmittelbarer Veranstalter der öffentlichen Glücksspiele in Rheinland-Pfalz nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht, ohne dass das Land auf diesen Veranstalter einen bestimmenden Einfluss (genommen) hat.

Denn die durch Erteilung einer Konzession gemäß § 2 des Landesglücksspielgesetzes vom 14. Juni 2004 - LGlüG 2004 - erfolgte Betrauung der Lotto RheinlandPfalz GmbH mit der Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, gilt nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV bis zum 31. Dezember 2008 "als Erlaubnis mit der Maßgabe" fort, dass die Regelungen des GlüStV - abgesehen vom Erlaubniserfordernis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV - Anwendung finden. Mit dem Konzessionsbescheid für die "Oddset-Sportwette" vom 15. Dezember 2004 wurde der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH gemäß § 2 LGlüG 2004 die Aufgabe der Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots übertragen und damit die Veranstaltung der öffentlichen Glücksspiele, nicht aber lediglich deren Durchführung. Dies lässt § 3 Abs. 3 LGlüG 2004 deutlich werden, wonach die Konzession nach § 2 Abs. 2 LGlüG 2004 die Veranstaltung bezeichnen muss, für die sie vergeben wird. Diese Veranstalterkonzession gilt nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV zu Gunsten der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH als Erlaubnis zum Veranstalten öffentlicher Glücksspiele nach § 4 Abs. 1 GlüStV fort. Dass sie durch die Übergangsregelung zu einer bloßen Erlaubnis zur Durchführung von Glücksspielen (eines anderen Veranstalters) modifiziert wird, kann dem § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV nicht entnommen werden.

In dieser Situation, für die der Gesetzgeber keine Vorsorge getroffen hat, wirkt sich der Mangel, dass § 7 Abs. 1 LGlüG weder die Verbindlichkeit des Begrenzungskonzepts noch dessen Umsetzung normiert, in rechtlich erheblicher Weise aus. Denn dem Land fehlt ohne Weiteres die ihm durch § 5 Abs. 1 LGlüG eigentlich zugedachte Rechtsmacht zur Durchsetzung eines Begrenzungskonzepts. Einen bestimmenden Einfluss auf die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH hat sich das Land auch nicht im Wege einer mit entsprechenden Auflagen verbundenen Beleihung verschafft, die auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 LGlüG hätte ausgesprochen werden können, der das Land ermächtigt, einen geeigneten Dritten mit der Durchführung der unmittelbar vom Land veranstalteten öffentlichen Glücksspiele hoheitlich zu beleihen. Eine solche Beleihung sieht § 10 Abs. 2 GlüStV zwar nicht vor. Sie dürfte aber auf der Grundlage des § 25 Abs. 3 GlüStV unbedenklich sein, wonach das Land Rheinland-Pfalz seine Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, durch ein betrautes Unternehmen wahrnehmen kann.

Ob darüberhinaus der Normbefehl des § 7 Abs. 1 LGlüG, der an das Land als unmittelbaren Veranstalter (auch) der Sportwetten gerichtet ist, ins Leere geht, weil das Land derzeit weder Sportwetten noch andere öffentliche Glücksspiele veranstaltet, kann offen bleiben.

b)

Auch in tatsächlicher Hinsicht ist nach den Angaben des Antragsgegners die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH als Veranstalter der Sportwette ODDSET in RheinlandPfalz bisher nicht in rechtsverbindlicher Weise verpflichtet worden, die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV zu begrenzen. Dass sich die Zahl der Annahmestellen im Laufe des Jahres 2007 auf 1.252 und seit dem 1. Januar 2008 noch weiter vermindert hat, beruht nicht auf einem dem Senat zur Kenntnis gebrachten Begrenzungskonzept i.S.d. § 7 Abs. 1 LGlüG. Dem Vorbringen des Antragsgegners kann auch nicht entnommen werden, dieser Rückgang sei vom Land oder der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH zur Sicherung der Ziele des § 1 GlüStV gesteuert worden, zumal der Gesetzgeber - wie erwähnt - offenbar davon ausgegangen ist, dass die Zahl der am 1. Januar 2008 vorhandenen Annahmestellen nicht vermindert werden muss (vgl. Landtags-Drucks. 15/1454, S. 22). Sollte ein vom Ministerium der Finanzen gemäß § 7 Abs. 1 LGlüG erarbeitetes Begrenzungskonzept nach Prüfung und ggf. nach Modifikation durch das für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständige Ministerium von der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH (ggf. nach weiteren Änderungen) im Laufe der nächsten Wochen rechtsverbindlich angenommen werden, käme dies möglicherweise zu spät. Denn die vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) bis zum 31. Dezember 2007 eingeräumte Übergangsfrist zur Herstellung verfassungsgemäßer Verhältnisse ist längst abgelaufen. Selbst wenn der Landesgesetzgeber eine weitere Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2008 für die Vorlage eines Konzepts zur Begrenzung der Zahl der Annahmestellen einzuräumen befugt gewesen sein sollte, ist auch diese Frist des § 7 Abs. 1 LGlüG seit mehr als sechs Wochen verstrichen, ohne dass eine verbindliche Begrenzung der Zahl der Annahmestellen erfolgt ist.

c)

Dass das Land einen bestimmenden Einfluss auf die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen durch Auflagen im Rahmen einer hoheitlichen Beleihung der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH anstrebt, ist im vorliegenden Verfahren nicht von entscheidender Bedeutung. Denn diese Absicht steht nicht unmittelbar vor ihrer Verwirklichung, sondern soll - wie dem Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 10. Juli 2008 entnommen werden kann - nur umgesetzt werden, wenn bis zum 31. Dezember 2008, dem Zeitpunkt des Erlöschens der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV zu Gunsten der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH fortgeltenden Veranstaltererlaubnis, eine Ministererlaubnis gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zur Übernahme der Mehrheit der Geschäftsanteile der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH nicht erteilt wird. Eine solche Verlängerung der vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) bis zum 31. Dezember 2007 eingeräumten Übergangsfrist zur Herstellung verfassungsgemäßer Verhältnisse kommt nicht in Betracht.

2.

Außerdem ist trotz der diesbezüglichen Auflagen im Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 15. Februar 2008 an die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH nicht sichergestellt, dass sich die Werbung für die Sportwette ODDSET in Rheinland-Pfalz im Rahmen des nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV Zulässigen hält.

Werbung für öffentliches Glücksspiel hat sich gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken. § 5 Abs. 2 GlüStV bestimmt, dass Werbung für öffentliches Glücksspiel nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 GlüStV stehen darf, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern darf. Die Werbung darf sich außerdem nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten, nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten.

Schon die im April 2008 erfolgte Werbung für den sog. LIGA-Schein der Sportwette ODDSET enthielt neben dem Minderjährigen- und dem Suchthinweis mit Internetadresse und Hotline-Nummer lediglich den Text "Der LIGA-Schein: Noch näher an der Bundesliga!" sowie "Überall bei Lotto Rheinland-Pfalz". "Noch näher an der Bundesliga!" stellt weder eine Information oder Aufklärung über die Sportwettmöglichkeit dar, sondern reizt bzw. ermuntert i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 GlüStV gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel. Im Zusammenhang mit der FußballEuropameisterschaft im Juni 2008 warb die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH mit einer Anzeige, die einen mit einem "Heiligenschein" versehenen Fußball zeigte und auf die gemeinnützige Verwendung von Abgaben aus dem (monopolisierten) Glücksspielgeschäft hinwies, und zwar mit den Texten "Ehrlich wetten: Ein Gewinn für alle." sowie "Wer bei ODDSET wettet, beschert uns allen also einen Gewinn.". Dies war i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 GlüStV ebenfalls eine Ermunterung zur Teilnahme am Glücksspiel, die über eine Aufklärung i.S.d. § 5 GlüStV hinausging. Zwar darf auch über die Verwendung der Glücksspielerlöse informiert werden, nicht jedoch in einer Weise, die gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordert, anreizt oder ermuntert. Eine Ermunterung zum öffentlichen Glücksspiel durch einen "moralischen Appell" stellt auch die im "Sozialkonzept Lotto Rheinland-Pfalz" dokumentierte Kampagne "Spielend helfen!" dar. Diese Aufforderung zum öffentlichen Glücksspiel wird mit den Worten begründet: "Mit jedem Spieleinsatz bei Lotto Rheinland-Pfalz unterstützen Sie viele Aufgaben der Sportförderung, der Kulturförderung, der Denkmalpflege, der Wohlfahrtspflege und des Natur- und Umweltschutzes."

Da das Werbeverbot des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV der Bekämpfung von Suchtgefahren bzw. der Begrenzung der Wettleidenschaft (vgl. BVerfG, 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) dient, sind unter dem Begriff "Werbung" sämtliche Maßnahmen zur Akquisition von Glücksspielen zu verstehen, nicht lediglich Anzeigen, Werbespots, Flyer etc. Deshalb sind auch die Umstände der im August 2008 bekannt gemachten "Sponsoring-Aktion" zu Gunsten höherklassiger Amateur-Fußballvereine durch eine von der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH gegründete Stiftung zu beanstanden, die, wie in der Rhein-Zeitung vom 2. August 2008 berichtet wurde, dazu dienen soll "aus dem Diktat des Nichtstuns", also dem Werbeverbot des § 5 GlüStV, herauszukommen, um sich der Sympathie der potenziellen Tipper zu versichern. Der Hintergedanke der Vereinsförderung werde - so heißt es in der Rhein-Zeitung vom 2. August 2008 weiter - von den Verantwortlichen offen ausgesprochen: "Wer, wenn nicht die Fußballer selbst, soll die Umsätze der Fußballwetten steigern helfen?" Der Geschäftsführer der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH wird mit den Worten zitiert: "Wir erhoffen uns, dass die Vereine uns bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen und dass sie hinter uns stehen" (vgl. Rhein-Zeitung vom 2. August 2008).

Das Fehlen eines bestimmenden Einflusses des Landes auf den Veranstalter der öffentlichen Glücksspiele und insbesondere der Sportwette ODDSET in Rheinland-Pfalz macht sich auch im Bereich der Werbe- bzw. Informationsmaßnahmen als Hindernis bei der Herstellung solcher Umstände bemerkbar, die das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) für eine (dauerhafte) Beibehaltung des Sportwettmonopols für die Zeit nach dem 31. Dezember 2007 gefordert hat.

3.

Ob das Land auf Dauer, also insbesondere nach Erlöschen der Konzession der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH am 31. Dezember 2008, seine Aufgabe nach § 10 Abs. 2 GlüStV, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, in Übereinstimmung mit dem Wettbewerbsrecht zu erfüllen in der Lage sein wird, bedarf vorläufig ebenso wenig einer Erörterung wie die vorgetragenen (weiteren) verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken gegen die Aufrechterhaltung des Sportwettmonopols.

II.

Dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren bzw. der Begrenzung der Wettleidenschaft kann einstweilen durch die aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen Rechnung getragen werden.

Danach darf der private Sportwettvermittler keine Sportwetten von Minderjährigen annehmen oder vermitteln. Er hat hierauf gut sichtbar an der Stelle des Geschäftslokals hinzuweisen, an der die Wetten entgegengenommen werden. Des Weiteren hat er dort den Hinweis "Sportwetten können süchtig machen" anzubringen. Von Personen, die erkennbar spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind bzw. deren beabsichtigter Spieleinsatz in keinem Verhältnis zur erkennbaren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Spielers steht, dürfen keine Wetten angenommen oder vermittelt werden. Solche Umstände können beispielsweise durch sehr häufiges Abgeben von Sportwetten durch einzelne Kunden oder durch den Versuch eines Kunden erkennbar werden, sich den Wetteinsatz darlehensweise zu beschaffen. Der private Sportwettvermittler hat jegliche Werbung für die Vermittlung von Sportwetten auch im Innenbereich des Geschäftslokals zu unterlassen. Dort ist lediglich ein Hinweis mit dem Inhalt "Sportwettenannahme hier" gestattet. Außerdem sind die Wettkunden über das Gewinn- bzw. Verlustrisiko der Sportwette aufzuklären. Während eines laufenden Sportereignisses darf der private Sportwettvermittler keine sich auf dieses Ereignis beziehenden Sportwetten annehmen oder vermitteln.

Internetsportwetten dürfen nicht zugelassen werden. Das bedeutet nicht, dass es dem privaten Sportwettvermittler untersagt ist, die von ihm entgegen genommenen Sportwetten über eine Internetverbindung dem Sportwettenanbieter zu übermitteln. Der Vermittler darf aber nicht dulden, dass im Geschäftslokal über einen von ihm zur Verfügung gestellten Internetzugang Kunden unmittelbar Sportwetten abschließen.

Schließlich ist es dem privaten Sportwettvermittler untersagt, im Geschäftslokal, in dem Sportwetten entgegengenommen werden, eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen im Sinne des § 33i Gewerbeordnung zu betreiben.

Unangekündigte Kontrollen der zuständigen Behörde zur Überprüfung auch der Einhaltung dieser Auflagen sind von dem privaten Sportwettvermittler zu dulden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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