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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 7 A 10028/07.OVG
Rechtsgebiete: GG, LStrG, KAG


Vorschriften:

GG Art. 3
GG Art. 3 Abs. 1
LStrG § 17
LStrG § 17 Abs. 3
LStrG § 17 Abs. 3 S. 2
KAG § 7
KAG § 7 Abs. 1
KAG § 7 Abs. 1 S. 3
1. An der für die Heranziehung eines angrenzenden Grundstücks zur Straßenreinigungsgebühr erforderlichen vorteilhaften Beziehung des Grundstücks zur Straße fehlt es nicht bereits dann, wenn trotz objektiv die Schaffung einer Zufahrt oder eines Zugangs ermöglichender Grundstücksverhältnisse die vom Eigentümer vorgenommene bauliche Gestaltung die Eröffnung einer solchen Möglichkeit nur unter erheblichem Bauaufwand zulässt.

2. Die entsprechend vorteilhafte Beziehung des Grundstücks zur Straße kann auch ohne Eröffnung eines solchen Zugangs oder einer solchen Zufahrt dann bestehen, wenn sich das Angrenzen an die Straße für die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks als vorteilhaft erweist (hier für die Nutzung eines Grundstücks zur Aufstellung von Plakattafeln als Werbeflächen bejaht).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

7 A 10028/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Straßenreinigungsgebühren hier: Zulassung der Berufung

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 1. August 2007, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 23. November 2006 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 345,24 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der hier einzig geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO) greift nicht durch.

Das Verwaltungsgericht hat die Veranlagung des Grundstücks des Klägers zu Straßenreinigungsgebühren wegen der vorliegenden Mehrfacherschließung auch im Hinblick auf die Straße P. als rechtmäßig angesehen und dabei den Einwand des Klägers zurückgewiesen, an einem entsprechenden Vorteil fehle es bereits deshalb, weil das Grundstück zu dieser Straße hin keinen Zugang oder keine Zufahrt aufweise. Das Verwaltungsgericht hat dabei unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar angenommen, der die Gebühr nach der Straßenreinigungssatzung der Stadt Trier vom 16. Dezember 1993 in der hier maßgeblichen Fassung der Änderungssatzung vom 28. Oktober 1999 - SRS - auslösende Tatbestand des Angrenzens an die reinigungspflichtige Straße (§ 9 Abs. 1 SRS; vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG) sei zwar zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Willkürverbot dahin einzuschränken, dass das alleinige Angrenzen nicht genüge, wenn keinerlei vorteilhafte Auswirkung der Straßenreinigung mit diesem Tatbestand verbunden sei. Einen solchen Vorteil hat das Verwaltungsgericht hier indessen darin gesehen, dass weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht die Schaffung eines Zugangs vom Grundstück her zu der Straße ausgeschlossen sei. In tatsächlicher Hinsicht insbesondere ergäben sich keine Hindernisse für die Schaffung eines Zugangs, "da das Grundstück des Klägers und die Straße P. auf einer Eben liegen würden und deshalb nennenswerte bauliche Maßnahmen nicht erforderlich seien".

Die insoweit vom Antrag zur Begründung der ernstlichen Zweifel geltend gemachten Bedenken gegen die Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts mögen zwar berechtigt sein; indessen sind sie unerheblich, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung davon nicht abhängt. Eine Berufungszulassung kommt nicht in Betracht, wenn sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts offenkundig im Ergebnis als richtig darstellt (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO § 124 Rn. 143 m.w.N.; OVG Niedersachsen, NVwZ 1997, 1225; HessVGH, NVwZ 1998, 645). Soweit sich über die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts hinaus weitere rechtliche Aspekte ergeben, ist der Kläger dazu im Zulassungsverfahren gehört worden.

Im Falle seines Grundstücks liegt kein Ausnahmefall vor, bei dem trotz des Tatbestandes des Angrenzens an die zu reinigende Straße zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip (Art. 3 Abs. 1 GG) und letztlich auch das sich aus dem Landesrecht ergebende Verbot eines offensichtlichen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gebühr (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) geboten wäre, von der Gebührenerhebung abzusehen, weil es an dem erforderlichen durch die Gebühr abzugeltenden Vorteil fehlen würde (zur Zulässigkeit einer einschränkenden Auslegung insoweit BVerG, KStZ 1970, 92).

a) Zur Wahrung der genannten rechtlichen Grundsätze ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, a.a.O.) erforderlich, dass eine objektive Beziehung des Grundstücks zur Straße besteht, die die Inanspruchnahme als willkürfrei erscheinen lässt. Danach wird eine solche Beziehung grundsätzlich durch das Angrenzen geschaffen, weil das Angrenzen in aller Regel die durch die Straße gegebene Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks mit sich bringt. An einer solchen Möglichkeit fehlt es hier in objektiver Hinsicht nicht. Der Kläger verkennt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle des Angrenzens eine solche Möglichkeit nur in besonderen Ausnahmefällen verneint - etwa wenn die Geländeverhältnisse im Bereich des Angrenzens so beschaffen sind, dass zum Beispiel bei einer hohen Böschung die Möglichkeit der Schaffung eines Zugangs nur unter unverhältnismäßigem Aufwand realisiert werden könnte.

Die angesichts der bestehenden Grundstücksverhältnisse objektiv gegebene "Möglichkeit der Schaffung eines solchen Zugangs" kann nicht allein dadurch in Frage gestellt sein, dass der Grundstückseigentümer selbst in Verfolgung seiner subjektiv berechtigt erscheinenden Ziele das Grundstück von der Straße abschließt, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist. Der Kläger kann sich zur Verneinung der hier in Frage stehenden "Möglichkeit" nicht darauf berufen, dass er infolge der Bebauung der gesamten Grundstücksgrenze mit dem Wohngebäude und zugleich dessen architektonischer Gestaltung - wobei mit einer Schließung der Fassade zur verkehrlich sehr belebten Straße P. hin gleichsam eine gegenüber den auftretenden Immissionen bedeutsame architektonische Selbsthilfe ergriffen wird - nunmehr ein Zugang nur noch unter erheblichem Bauaufwand geschaffen werden könne und dieser sich aus seiner Sicht zudem in keiner Weise als vorteilhaft für das Grundstück darstellen würde (vgl. dazu auch HessVGH, NVwZ-RR 1998, 133). Für die Beurteilung der objektiven Beziehung des Grundstücks zur Straße sind diese selbst geschaffenen Umstände nicht erheblich. Dies hat auch bereits das Verwaltungsgericht angedeutet, wenn es ausführt, auf die Absicht des Klägers, einen Zugang herzustellen - wenn dieser schon die Grenze in voller Frontlänge bebaut habe - könne es nicht ankommen.

b) An der erforderlichen vorteilhaften Beziehung des Grundstücks zu der Straße fehlt es indessen auch aus einem weiteren selbständigen Grunde nicht: Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. auch BVerwG, NJW 1974, 1915 sowie BVerwGE 81, 371) besteht die insoweit vorteilhafte objektive Beziehung des Grundstücks zur Straße in der gegebenen Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks, "insbesondere in der Möglichkeit der Schaffung eines Zugangs oder einer Zufahrt". Dass es dieser Schaffung eines Zugangs oder einer Zufahrt für die verkehrliche Nutzung bedarf, versteht sich von selbst. Nach der höchstrichterlichen Definition können aber ersichtlich auch andere Umstände als ein verkehrlicher Zugang zu der Straße die Möglichkeit seiner wirtschaftlichen Nutzung eröffnen. Dementsprechend sind an den Erschließungsbegriff im Straßenreinigungsrecht nur geringere Anforderungen zu stellen als an die Erschließung im Sinne etwa des Erschließungsbeitragsrechts. Der Vorteilsbezug ist insoweit gelockert, einerseits was die Art der Nutzung des Grundstücks, andererseits allerdings auch was die Beziehung des Grundstücks zur Straße angeht. Der Senat hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 7. März 2006, 7 A 11436/05.OVG (AS 33, 121; ESOVGRP) ausgeführt, dass es auf eine bauliche oder gewerbliche Nutzung des Grundstücks nicht ankomme, die etwa durch eine Zuwegung eröffnet ist, sondern dass eine nach den innerörtlichen Gegebenheiten sich anbietende irgendwie geartete wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ausreichend ist, gegebenenfalls zum Beispiel auch ein innerörtliches Gartengrundstück straßenreinigungsrechtlich "erschlossen" ist. Entscheidend ist letztlich die Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung, die durch die Beziehung zur Straße, an die das Grundstück angrenzt, in irgendeinem vorteilhaften Sinne unterstützt wird. Vorliegend kommt es nicht darauf an, dass für die bauliche Nutzung des Grundstücks mit den aufstehenden Wohngebäuden eine geeignete Zugangsmöglichkeit erforderlich wäre, weil auch ohne einen solchen Zugang eine sonstige im Grundstück angelegte wirtschaftliche Nutzung durch die Beziehung zur Straße eine entsprechende Förderung erfährt. Das ist hier der Fall - worauf schon die Beklagte im Widerspruchsverfahren hingewiesen hat -, weil das Grundstück zum Aufstellen von Werbetafeln genutzt wird, die an der Hauswand zur Straße P. hin angebracht sind. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Beziehung zur Straße insoweit vorteilhaft ist und die geforderte "objektive Beziehung" vorhanden ist, die die Gebührenerhebung als nicht willkürlich erscheinen lässt. Die Werbetafeln erzielen ihre Wirkung durch den auf der Straße P. ermöglichten Verkehr. Die für diesen Verkehr erbrachte Reinigungsleistung stellt den Gegenstand der Straßenreinigungsgebühr dar. Es kommt nicht darauf an, ob - wie der Kläger annehmen will - eine verkehrliche Benutzung der Straße von seinem Grundstück aus stattfindet und damit ein Beitrag zur Verschmutzung dieser Straße geleistet würde.

Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe der Straßenreinigungsgebühr im Allgemeinen brauchte der Satzungsgeber im Hinblick auf den Gebührenmaßstab und den diesen prägenden Vorteil keine weitergehenden Differenzierungen wegen der verschiedenen Nutzungsarten treffen (vgl. BVerwG, KStZ 1994, 152).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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