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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 7 A 10142/08.OVG
Rechtsgebiete: AltZertG, EStG, SGB II, SGB VIII, VVG, ZPO


Vorschriften:

AltZertG § 1
AltZertG § 1 Abs. 1
AltZertG § 1 Abs. 1 Nr. 2
AltZertG § 1 Abs. 1 Nr. 4
EStG § 82
EStG § 82 Abs. 1
EStG § 92a
EStG § 92a Abs. 1
SGB II § 12
SGB II § 12 Abs. 2
SGB II § 12 Abs. 2 Nr. 3
SGB VIII § 23
SGB VIII § 23 Abs. 2
SGB VIII § 23 Abs. 2 Satz 1
SGB VIII § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
SGB VIII § 39
SGB VIII § 39 Abs. 4
SGB VIII § 39 Abs. 4 Satz 2
SGB VIII § 39 Abs. 4 Satz 2
VVG § 168
VVG § 168 Abs. 3
ZPO § 851c
1) Eine kapitalbildende Lebensversicherung ist zur angemessenen Altersicherung i.S.v. § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nicht von vorneherein und ausnahmslos objektiv ungeeignet. Als angemessene Alterssicherung stellt sich eine solche grundsätzlich aber nur dann dar, wenn ihre Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand vertraglich ausgeschlossen ist.

2) Vom Eintritt in den Ruhestand kann bei Frauen wie Männern frühestens mit der Vollendung des 60. Lebensjahres ausgegangen werden, sofern nicht im konkreten Einzelfall kraft Gesetzes, tarifvertraglich oder aufgrund objektiver persönlicher Umstände ausnahmsweise etwas anderes gilt.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

7 A 10142/08.OVG

5 K 844/07.KO

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Jugendhilferechts

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch

Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff

Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker

ehrenamtlicher Richter Schlossermeister Pauls

ehrenamtlicher Richter Rentner Schneider

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die am 14. November 1964 geborene Klägerin begehrt vom Beklagten die hälftige Erstattung ihrer nachgewiesenen Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ab dem 1. Oktober 2005.

Im Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes lebt seit dem 12. August 1998 auch das Kind S., für das der Beklagte Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gewährt. Mit einem am 15. November 2005 versandten Schreiben wies dieser die Klägerin darauf hin, dass ihr deshalb im Falle einer entsprechenden Antragstellung bis zum 30. November 2005 aufgrund einer zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Gesetzesänderung rückwirkend ab diesem Tag ihre Aufwendungen für eine Unfallversicherung ganz und für eine angemessene Altersicherung hälftig erstattet würden. Daraufhin stellte die Klägerin am 28. November 2005 einen dahingehenden Antrag und fügte die Kopien eines eine Unfallversicherung betreffenden Versicherungsscheines sowie eines Versicherungsscheines vom 21. Mai 1996 über eine Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall bei. Danach sind vom 1. Juni 1996 bis zum 1. Juni 2020 bzw. bis zu einem etwaigen vorherigen Tod der Klägerin monatliche Raten in Höhe von 155,80 DM = 79,66 € zu zahlen, die Versicherungssumme in Höhe von 60.279,00 DM = 30.820,16 € ist im Erlebensfall am 1. Juni 2020 an die Klägerin und im Falle ihres vorherigen Todes an ihren Ehemann auszuzahlen.

Nach Mitteilung des Beklagten erfolgte wegen Schwierigkeiten bei der Anwendung der neuen Regelung zunächst keine Antragsbearbeitung. Nachdem auf seine Bitte vom 14. November 2006 hin die Klägerin aktuelle Nachweise für ihre Beitragszahlungen vorgelegt hatte, bewilligte ihr der Beklagten mit Bescheid vom 17. Januar 2007 die Erstattung von Aufwendungen für ihre Unfallversicherung in Höhe von 6,62 €/M, lehnte jedoch die Erstattung von Aufwendungen für ihre Kapitallebensversicherung ab. Zur Begründung führte er aus, als Alterssicherung könnten nur Modelle anerkannt werden, durch die eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Alterssicherung erreicht werde. Beiträge zu einer privaten Lebensversicherung könnten deshalb nur dann erstattet werden, wenn diese eine Rente garantiere, nicht aber als Kapitallebensversicherung abgeschlossen worden sei.

Über den hiergegen am 23. Januar 2007 erhobenen Widerspruch der Klägerin ist bislang nicht entschieden worden.

Am 30. April 2007 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben und geltend gemacht, der Wortlaut des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII schließe die Anerkennung von Kapitallebensversicherungen als angemessene Alterssicherung nicht aus. Dies habe ihr auch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung bestätigt. Zwar habe das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht in einem Rechtsgutachten vom 16. Januar 2006 zunächst gegenteiliges geäußert, vertrete in einem Rechtsgutachten vom 18. Januar 2007 jedoch nunmehr die Auffassung, dass Altersicherung durch eine Vielzahl von Maßnahmen und Anlageformen betrieben werden könne, dass § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII dem Jugendamt nicht die Befugnis einräume, diesbezüglich in die Selbstverantwortlichkeit der Pflegeeltern einzugreifen, und dass daher die von jenen gewählte Anlageform, wenn deren grundsätzliche Eignung als Alterssicherung nicht fern liege, vom Jugendamt zu akzeptieren sei.

Mit Urteil vom 29. August 2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Kapitallebensversicherung stelle keine "angemessene Alterssicherung" im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII dar. Eine Alterssicherung müsse nämlich nicht nur in betragsmäßiger Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die Art der Vorsorgemaßnahme "angemessen" sein. Es sei aber ein anerkannter Grundsatz des sozialen Leistungsrechts, dass dieses beim Leistungsempfänger nicht zur Vermögensbildung führen dürfe. Deshalb könnten Aufwendungen zur Alterssicherung - ungeachtet der Selbstverantwortung bei deren Ausgestaltung - nur erstattet werden, wenn diese der Form nach der gesetzlichen Rentenversicherung entspreche. So komme auch eine auf privater Basis beruhende Alterssicherung in Betracht, solange nur im Alter eine regelmäßig erfolgende rentengleiche Dauerleistung erfolge. Dies sei bei einer in einem Betrag fällig werdenden Kapitallebensversicherung aber gerade nicht der Fall, die eine Alterssicherung mithin nicht sicherstelle. Deshalb gingen auch die Empfehlungen des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 2. Juli 2007 zur vergleichbaren Bestimmung in § 23 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII dahin, Aufwendungen für kapitalbildende und drittbegünstigende Versicherungen anders als für private Rentenversicherungen nicht zu erstatten. Diese Auffassung habe in einem Rechtsgutachten vom 16. Januar 2006 auch das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht vertreten. Dessen davon nunmehr abweichende Auffassung im Rechtsgutachten vom 18. Januar 2007 treffe aus den aufgezeigten Gründen nicht zu und sei auch noch nicht umgesetzt worden.

Mit Schreiben ebenfalls vom 29. August 2007 beantragte die Klägerin vorsorglich die Erstattung ihrer Aufwendungen für eine private Rentenversicherung in Höhe von nunmehr 200 €/M. Nachdem sie dem Beklagten den entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein per 1. August 2007 nachgereicht hatte, bewilligte ihr dieser mit Bescheid vom 18. Oktober 2007 rückwirkend ab dem 29. August 2007 die Erstattung des monatlichen Höchstbetrages von 39,80 €.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 1. Februar 2008 zugelassenen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts macht die Klägerin geltend: Da sie nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei, habe sie die Kapitallebensversicherung bewusst zur Altersvorsorge abgeschlossen. Diese stelle auch eine "angemessene Altersicherung" im Sinne von § 39 Abs. 4 SGB VIII dar. Sie werde steuerlich gefördert, sei also staatlich gewünscht. Dass die Auszahlung nicht in Form einer Rente erfolge, ändere nichts an ihrer Zweckbestimmung zur Altersvorsorge. Wie sich etwa aus einem Schreiben des Bayerischen Landesjugendamtes vom 1. Juni 2006 sowie aus einer Empfehlung des Hessischen Landkreistages vom 15. Juli 2006 ergebe, würden Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung in anderen Bundesländern nach § 39 Abs. 4 SGB VIII anteilig erstattet. Die Verfahrensweise des Beklagten bedeute somit eine Ungleichbehandlung und sei deshalb ermessensfehlerhaft, stelle aber auch einen eklatanten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Pflegeeltern sowie eine rechtswidrige Einschränkung der Vertragsfreiheit dar. Diese Ansicht sei mittlerweile auch in einem Rundschreiben des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 28. September 2007 sowie in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Dezember 2007 vertreten worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 29. August 2007 den Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2007 teilweise aufzuheben und diesen zu verpflichten, die monatlichen Beiträge zu ihrer Kapitallebensversicherung für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 in Höhe der Hälfte der Mindestbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass eine Kapitallebensversicherung jederzeit gekündigt und der Rückkaufswert schon vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit wirtschaftlich genutzt werden könne. Insoweit unterscheide sich eine Kapitallebensversicherung nicht von einem Sparguthaben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf zwei Hefte Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2007 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für ihre Kapitallebensversicherung gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Nach dieser Bestimmung umfassen zwar die laufenden Leistungen, durch die gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII der regelmäßig wiederkehrende Bedarf für den Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sowie für die Kosten seiner Erziehung gedeckt werden sollen, unter anderem auch die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Die von der Klägerin am 21. Mai 1996 abgeschlossene Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall stellt jedoch auch nach Auffassung des Senats keine "angemessene Alterssicherung" im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII dar.

Wie diesbezüglich schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich das Kriterium der "Angemessenheit" nicht nur auf die Höhe des derzeit zu zahlenden Beitrages zur Alterssicherung bzw. auf den später zur Alterssicherung zur Verfügung stehenden Betrag, sondern auch auf die Art der nachzuweisenden Alterssicherung einschließlich der die Alterssicherung garantierenden Institution (vgl. auch Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 39 Rn. 22 sowie Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 39 Rn. 32e). Ferner hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt, dass es sich bei der gesetzlichen Voraussetzung der "angemessenen Alterssicherung" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, dessen Ausfüllung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt; diesem steht mithin bei der Auslegung und Anwendung dieses Gesetzesmerkmals kein verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu (so auch Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Loseblatt, Stand Februar 2008, § 39 Rn. 20d sowie Wiesner, a.a.O. Rn. 32b; so ferner BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2002 - 5 C 43.01 - BVerwGE 116, 342 [343] = FEVS 54, 5 [6] m.w.N. sowie VGH BW, Urteil vom 22. November 1995 - 6 S 971/93 - juris und BayVGH, Beschluss vom 8. September 1980 - 111 XII 78 - FEVS 31, 464 [467], alle zu § 14 BSHG). Entgegen der Annahme der Klägerin kann der Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2007 deshalb nicht ermessensfehlerhaft sein oder wegen einer von der in anderen Bundesländern abweichenden Verwaltungspraxis gegen den Gleichheitssatz verstoßen.

Zu Unrecht gehen allerdings der Beklagte und das Verwaltungsgericht davon aus, die von der Klägerin abgeschlossene Kapitallebensversicherung stelle deshalb keine "angemessene Alterssicherung" im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII dar, weil diese zu einer Vermögensbildung führe. Denn dies gilt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ebenso für der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende Formen der Alterssicherung, bei denen es etwa durch Altersvorsorgebeiträge zur Erfüllung eines Altersvorsorgevertrages im Sinne von § 1 Abs. 1 AltZertG bzw. von § 82 Abs. 1 EStG zu Kapitalansammelungen kommt, um zur Altersversorgung daraus lebenslänglich eine monatliche Leibrente oder eine Ratenzahlung aufgrund eines Auszahlungsplanes ("Riesterrente") zu erhalten. Deshalb ist dieses Kapital beispielsweise gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II vom Vermögen abzusetzen bzw. darf die Gewährung von Sozialhilfe gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII (früher: § 88 Abs. 2 Nr. 1a BSHG) - anders als bei sonstigem Vermögen - nicht von der Verwertung eines solchen Kapitals abhängig gemacht werden. Für Beiträge zu einer herkömmlichen privaten Rentenversicherung gilt je nach den Umständen des Einzelfalles gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 SBG II und § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII (früher: § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG) entsprechendes.

Es gibt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch keinen anerkannten Grundsatz des Sozialleistungsrechts, dass dieses generell nicht zu einer Vermögensbildung bei den Leistungsempfängern führen dürfe. Solange nämlich beispielsweise geförderte Altersvorsorgebeiträge gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 4 SGB II und gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 SGB XII (früher: § 76 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 BSHG) vom Einkommen abzusetzen sind, ermöglicht es der dementsprechend höhere Sozialleistungsbezug dem Hilfeempfänger, aus seinem Einkommen auch weiterhin Altersvorsorgebeiträge zu erbringen, damit aber Kapital anzusammeln und so Vermögen zu bilden; gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 33 SGB XII (früher: § 14 BSHG) können Altersvorsorgebeiträge unter Umständen sogar unmittelbar aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitssuchende bzw. der Sozialhilfe übernommen werden. Auch dies alles gilt etwa für eine herkömmliche private Rentenversicherung gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3b und § 26 SGB II sowie gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 und § 33 SGB XII (früher: § 76 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 und § 14 BSHG) entsprechend.

Zwar weist das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hin, dass bei einer Kapitallebensversicherung die Versicherungssumme bei Ablauf der Versicherungsdauer in einem Betrag fällig wird und deshalb die Funktion der Alterssicherung nicht in gleicher Weise sichergestellt ist wie bei der regelmäßig erfolgenden Zahlung einer Rente oder einer rentengleichen Dauerleistung ab einem bestimmten erreichten Lebensalter. Auch hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 C 3.03 - BVerwGE 121, 34 [36 f.] = FEVS 56, 490 [491 f.] geäußert, die Auffassung des VGH Baden-Württemberg, eine Kapitallebensversicherung sei "objektiv zur langfristigen Alterssicherung nicht geeignet", stehe in Übereinstimmung mit seinen Erwägungen im Urteil vom 19. Dezember 1997 - 5 C 7.96 -FEVS 48, 145 [147] zur Bewertung von Sparguthaben im Zusammenhang mit § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG, wonach der Schutz dieser Härtevorschrift nur denjenigen zuteil werden könne, die ihr Vermögen auch nachweisbar für den Zweck der Alterssicherung verwenden, weil bei der Kapitallebensversicherung die Versicherungssumme ohne jede Zweckbindung zur Verfügung stehe und sich insofern nicht von einem Sparguthaben unterscheide. Gleichwohl vermag der Senat nicht davon auszugehen, eine Kapitallebensversicherung sei zur "angemessenen Alterssicherung" im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII von vorneherein und ausnahmslos objektiv ungeeignet.

Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts erfolgten nämlich im Zusammenhang mit der Härtevorschrift in § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG und stellten dabei auf eine Eignung zur "langfristigen" Altersicherung sowie darauf ab, dass im Zusammenhang damit bloße Absichten oder unverbindliche Erwägungen nicht "ohne weiteres" zur Herausnahme aus dem zu verwertenden Vermögen führen könnten und dass angesichts des Schutzes von angemessenen Hausgrundstücken und von "Riesterrenten" zur Altersvorsorge im Rahmen dieser Härteregelung bei einer Kapitallebensversicherung kein atypischer Lebenssachverhalt vorliege, der es rechtfertige, das hierdurch erworbene frei verfügbare Kapital ebenfalls von der vorrangigen Verwertungspflicht auszunehmen. Um die Anwendung einer solchen Härtefallregelung geht es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht. Vor allem aber hat der Gesetzgeber in der am 24. Dezember 2003 ausgefertigten und am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bestimmt, dass von dem vor einer Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu verwertenden Vermögen "geldwerte Ansprüche", also auch Ansprüche aus kapitalbildenden Lebensversicherungen (vgl. nur BT-Drucks. 15/1749 S. 31) abzusetzen sind, "die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann" und soweit deren Wert eine bestimmte einzelfallabhängige Höhe nicht übersteigt. Ist aber der Sozialgesetzbuchgeber in dieser Bestimmung davon ausgegangen, dass geldwerte Ansprüche, die zwar nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand, mithin aber bei Eintritt in den Ruhestand - vollständig - verwertbar sind, gleichwohl der Altersvorsorge dienen können, so verbietet sich nach Auffassung des Senats die Annahme, als "angemessene Alterssicherung" im Sinne der am 27. Dezember 2004 ausgefertigten und ebenfalls am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Regelung in § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, die unter gleichzeitiger Anpassung des Wortlautes in die am 8. September 2005 ausgefertigte und am 1. Oktober 2005 in Kraft getretene Bestimmung des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII übernommen wurde, scheide eine Kapitallebensversicherung weiterhin aus, nur weil die Versicherungssumme nach ihrer Fälligkeit verwertet werden kann. Dies gilt umso mehr deswegen, weil gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG bei Altersvorsorgeverträgen nur mindestens 70 Prozent des angesammelten Kapitals zur lebenslangen Zahlung einer monatlichen "Riesterrente" verwendet werden müssen, bis zu 30 Prozent aber bei Beginn der Auszahlungsphase davon unabhängig ausgezahlt werden dürfen und weil eine durch Altersvorsorgebeiträge erworbene oder entschuldete selbst genutzte Wohnung im Sinne von § 92a Abs. 1 EStG in der am 1. August 2008 in Kraft getretenen Fassung sogar vollständig verwertet werden kann.

Indessen ist ein bestehendes bzw. noch oder weiter zu schaffendes Vermögen zu einer Altersversorgung im Ruhestand nur dann geeignet, wenn es jedenfalls beim Eintritt in den Ruhestand noch vorhanden ist. Dies ist jedoch nur dann sichergestellt, wenn es nicht schon vor dem Eintritt in den Ruhestand anderweitig verwertet werden kann. Ein solcher Verwertungsausschluss besteht bei allen zertifizierten Altersvorsorgeverträgen im Sinne von § 1 Abs. 1 AltZertG bzw. von § 82 Abs. 1 EStG. Ferner gewährt § 851 c ZPO nur bei einem solchen Verwertungsausschluss einen gewissen Pfändungsschutz. Einen solchen Verwertungsausschluss verlangt des Weiteren - wie oben bereits erwähnt - die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Die Vereinbarung eines solchen Verwertungsausschlusses ermöglicht § 168 Abs. 3 Satz 1 VVG in seiner am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung (früher: § 165 Abs. 3 VVG). Angesichts von alledem geht der Senat, auch wenn § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II einen solchen Verwertungsausschluss von Vermögensgegenständen, die bei Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet sind, nicht verlangt - bei Sachen ist ein rechtswirksamer Verwertungsausschluss wohl auch gar nicht möglich -, gleichwohl davon aus, dass jedenfalls bei Personen, die bzw. deren Partner nicht förmlich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, nur dann Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII vorliegen, wenn deren Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht möglich ist. Dies ist bei der Kapitallebensversicherung der Klägerin gleich aus zwei Gründen nicht der Fall.

Zum einen wird die Kapitallebensversicherung der Klägerin bereits am 1. Juni 2020 fällig werden. Dann wird die am 14. November 1964 geborene Klägerin mithin noch nicht einmal das 56. Lebensjahr vollendet haben. Nach Auffassung des Senats kann jedoch grundsätzlich von einem Eintritt in den Ruhestand bei Frauen wie Männern frühestens ab der Vollendung des 60. Lebensjahres ausgegangen werden.

Gemäß § 35 SGB VI in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung setzt ein Anspruch von in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten auf Regelaltersrente unter anderem voraus, dass sie das 67. Lebensjahr vollendet haben; zuvor wurde nach dieser Vorschrift die (Regel-)Altersgrenze schon mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Zwar haben und hatten in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Rentenansprüche auch schon vor Vollendung des 67. bzw. 65 Lebensjahres, wenn auch zum Teil nur in geringerer Höhe. So genügte bei schwerbehinderten Menschen gemäß § 37 SGB VI früher die Vollendung des 63. und genügt heute die Vollendung des 65. Lebensjahres, doch konnten bzw. können diese früher bereits ab Vollendung des 60. und heute ab Vollendung des 62. Lebensjahres Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen. Ferner mussten gemäß § 36 SGB VI langjährig Versicherte früher nur das 62. Lebensjahr vollendet haben und können heute ab Vollendung des 63. Lebensjahres vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen. Des Weiteren mussten bzw. müssen gemäß § 40 SGB VI langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute früher nur das 60. und heute nur das 62. Lebensjahr vollendet haben; lediglich das 60. Lebensjahr vollendet haben mussten früher gemäß § 38 und § 39 SGB VI auch Arbeitslose, Altersteilzeitarbeiter und Frauen. Damit ergab sich jedenfalls früher - in Ausnahmefällen - als Untergrenze für die Inanspruchnahme von Altersrente die Vollendung des 60. Lebensjahres. Darüber hinaus werden Bezieher von Arbeitslosengeld II unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 1 b Nr. 2 SGB VI von der Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, wenn sie einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, der so ausgestaltet ist, dass Leistungen für den Fall des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres erbracht werden. Ferner gilt gemäß § 92a Abs. 2 Satz 5 Teilsatz 2 EStG in der seit dem 1. August 2008 geltenden Fassung bei der Berechnung des sich aus dem Wohnförderkonto ergebenden Gesamtbetrages als Beginn der Auszahlungsphase ein vereinbarter Zeitpunkt, der nicht vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Zulageberechtigten liegen darf. Schließlich darf gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 AltZertG aufgrund eines Altersvorsorgevertrages Altersversorgung nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres geleistet werden, sofern nicht schon zuvor Leistungen aus einem gesetzlichen Altersicherungssystem beginnen.

Dem allen entnimmt der Senat, dass vom Eintritt in den Ruhestand bei Frauen wie Männern frühestens mit der Vollendung des 60. Lebensjahres die Rede sein kann, sofern nicht etwa im konkreten Einzelfall kraft Gesetzes (vgl. etwa die besonderen Altersgrenzen für Berufssoldaten in § 45 Abs. 2 SG), tarifvertraglich (wie etwa für Piloten verschiedener Fluggesellschaften) oder aufgrund persönlicher Umstände (wie etwa bei vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit) etwas anderes gilt. Etwas derartig anderes gilt im Fall der Klägerin jedoch nicht. Ob es grundsätzlich ausreicht, wenn die Fälligkeit einer Kapitallebensversicherung lediglich "in etwa auf den Zeitpunkt des 60. bis 65. Lebensjahres datiert ist" (so BSG, Urteil vom 17. März 2005 - B 7a/7 AL 68/04 R - juris Rn. 18), und deshalb beispielsweise eine "Fälligkeit von fünf Monaten vor Vollendung des 60. Lebensjahres" genügt (so LSG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2005 - L 9 B 90/05 AS ER - juris Rn. 2 a.E.), kann offen bleiben. Denn im Erlebensfalle wird die Kapitallebensversicherung der Klägerin zu einem Zeitpunkt fällig werden, zu dem diese noch nicht einmal das 56. Lebensjahr vollendet haben wird.

Zum anderen und unabhängig davon kann die Klägerin ihre Kapitallebensversicherung auch schon vor der Fälligkeit der Versicherungssumme und damit lange vor dem Eintritt in den Ruhestand jederzeit verwerten. Einen Verwertungsausschluss etwa im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II hat sie mit dem betreffenden Versicherungsunternehmen nämlich nicht, auch nicht etwa nach Inkrafttreten von § 165 Abs. 3 VVG (jetzt: § 168 Abs. 3 Satz 1 VVG) nachträglich vereinbart. Zumindest deshalb kann nach Auffassung des Senates nicht davon ausgegangen werden, dass sich die von ihr auf ihre Kapitallebensversicherung zu leistenden Beiträge als "Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung" im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII darstellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 Abs. 2 und Abs. 1 i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung mit Blick auf die Fragen zukommt, ob eine kapitalbildende Lebensversicherung eine angemessene Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII darstellt und ob dies auch dann gilt, wenn die Versicherungssumme bereits - deutlich - vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherungsnehmers fällig wird bzw. wenn dieser seine Kapitallebensversicherung jederzeit wirtschaftlich verwerten kann.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.

Die Revision ist bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen. Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) zu übermitteln ist.

Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) eingelegt wird. Die Revision muss das angefochtene Urteil angeben.

Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig / Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig) schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Die Einlegung und die Begründung der Revision müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt erfolgen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.



Ende der Entscheidung

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