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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 7 A 10165/09.OVG
Rechtsgebiete: GG, EMRK, AufenthG


Vorschriften:

GG Art. 6
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8
AufenthG § 54
AufenthG § 54 Nr. 5
AufenthG § 54 Nr. 5a
AufenthG § 55
AufenthG § 55 Abs. 2
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 8a
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 8b
AufenthG § 56
AufenthG § 56 Abs. 1
AufenthG § 56 Abs. 1 S. 2
1. Die Tablighi Jamaat sind keine Vereinigung im Sinne des Regelausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG, die den Terrorismus unterstützt.

2. Zu den Ausweisungsgründen nach §§ 54 Nr. 5a, 55 Abs. 2 Nr. 8a, 8b AufenthG im Falle eines sogenannten Hasspredigers.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 A 10165/09.OVG

Verkündet am: 08.10.2009 In dem Verwaltungsrechtsstreit

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2009, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff ehrenamtlicher Richter Kaufmann Schäfer ehrenamtliche Richterin Hausfrau Bastian

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 10. November 2008 werden der Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2007 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 6. Februar 2008 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine ihm gegenüber verfügte Ausweisung und Abschiebungsandrohung. Er ist am 16. Oktober 1960 geboren und ägyptischer Staatsangehöriger. Im Februar 1995 reiste er mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum zum Zwecke der Ausübung der Tätigkeit als Imam bei dem Moslim Community Center e.V. in I. in das Bundesgebiet ein. In der Folgezeit wurde dem Kläger für seine Beschäftigung am 20. September 1995 eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt, die im Anschluss verlängert wurde. Nach Durchführung des erforderlichen Visumverfahrens zum Zwecke der Familienzusammenführung reiste die Ehefrau des Klägers im September 1996 in das Bundesgebiet ein. Die Kinder des Klägers sind am 10. April 1996 (F.), am 17. Mai 1997 (A.) und 12. Dezember 1998 (B.) in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Mit Bescheid vom 9. Mai 2000 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Die Ehefrau des Klägers erhielt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 12. April 2001.

Am 25. Oktober 2003 trennte sich der Kläger von seiner Ehefrau und meldete sich ohne Familienangehörige nach T. ab, wo er ebenfalls als Imam arbeitete. Nach über zweijähriger Trennung nahm er dann zum 1. April 2006 seinen Wohnsitz wieder in I.. Am 1. November 2006 beendete er erneut die familiäre Lebensgemeinschaft und meldete sich mit alleiniger Wohnung in S. an. Dort erhielt er einen Anstellungsvertrag als Imam beim Islamischen Bund e.V. Am 1. April 2007 meldete er sich wieder in dem von seinen Familienangehörigen nach wie vor bewohnten Anwesen in I. an, bezog indessen ein von der Familienwohnung getrenntes Appartement in diesem Haus. Er gab auch gegenüber der Meldebehörde in I. insoweit an, dauernd getrennt zu leben. Nach seiner Rückkehr nach I. bezieht der Kläger seit dem 1. Juni 2007 nur noch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2007 wies der Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Er forderte ihn darüber hinaus auf, die Bundesrepublik Deutschland spätestens einen Monat nach Eintritt der Bestandskraft des Ausweisungsbescheides zu verlassen, andernfalls werde er nach Ägypten abgeschoben. Die Ausweisung war zunächst auf die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Es lägen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre, die den Terrorismus unterstütze. Er sei aktives Mitglied der Tablighi Jamaat (TJ). Dies folge daraus, dass er zum Zwecke der Verbreitung der Lehre der TJ regelmäßig an deren Treffen und sonstigen Veranstaltungen teilgenommen habe. Er werde auch als Ansprechpartner der TJ in einer sogenannten Bruderliste der TJ geführt. Die TJ unterstütze den internationalen Terrorismus, was daraus folge, dass eine Vielzahl von terroristischen Anschlägen in aller Welt auf Mitglieder der TJ zurückzuführen sei. Mit seiner aktiven Betätigung für die TJ erfülle er auch den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG, weil er damit die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Er habe darüber hinaus im Rahmen seiner Tätigkeit als Imam Predigten gehalten, deren fundamentalistische Inhalte mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren seien und zudem die Ausweisungstatbestände des § 55 Abs. 2 Nr. 8a und 8b AufenthG erfüllten, weil er zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt und die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen habe, dass Teile der Bevölkerung verächtlich gemacht worden seien. So habe er etwa in einer Predigt am 16. Juli 2004 vor ca. 60 Teilnehmern in T. ausgeführt, dass der Jihad im Islam als einzig wahre Bedeutung den Krieg beinhalte - dies bedeute ohne "Wenn und Aber". Die Ungläubigen müsse man vernichten, wo man sie antreffe. Alle anderen Auslegungen durch "bezahlte Scheichs" seien falsch und diese Verräter interpretierten den Koran im Sinne der Ungläubigen, um deren Wohlwollen zu erlangen. In der Freitagspredigt am 19. November 2004 in T. wiederum vor ca. 60 Teilnehmern habe er geäußert, dass die im Islam vorgesehene Steinigung der Ehefrau nach einem Ehebruch zu verteidigen sei. Schlimmer als nach dem Ehebruch gesteinigt zu werden, sei, wenn der Mann nach vielen Jahren erfahren müsse, dass man einen "Bastard" großgezogen habe. Da der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei, die mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Niederlassungserlaubnis fortgelte, stehe ihm zwar der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zur Seite. Eine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und nur im Ermessenswege zulässig. Diese Voraussetzungen lägen in seiner Person mit den aufgezeigten Ausweisungstatbeständen indessen vor. Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens erfolge die Ausweisung zur Wahrung hochrangiger Rechtsgüter der Bundesrepublik Deutschland und zur Abschreckung anderer Ausländer wie auch zur Gefahrenabwehr. Bei der geforderten Ermessensentscheidung seien die privaten Interessen des Klägers einbezogen und mit abgewogen worden, müssten aber zurücktreten. Für den Kläger spreche zwar, dass er sich nun seit zwölf Jahren im Bundesgebiet aufhalte, im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei, aufgrund der Dauer seines Aufenthalts nicht unerhebliche persönliche Bindungen aufgebaut habe und vor allem seine Familie hier lebe. Gegenüber dem erheblichen öffentlichen Ausweisungsinteresse müssten diese auch aufgrund des Art. 6 Abs. 1 GG sowie Art. 8 EMRK geschützten privaten Belange indessen als nachrangig eingestuft werden. Eine Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau, von der er getrennt lebe, bestehe nicht mehr. Hierauf bezogen könne er sich nicht mehr mit Erfolg auf den Schutz des Art. 6 GG berufen. Eine Trennung von seinen Kindern, zu denen er Kontakt habe, sei vorliegend hinzunehmen. Vor dem Hintergrund der hohen öffentlichen Interessen sei es dem Kläger zuzumuten, den Kontakt mit seinen Kindern aus dem Heimatland aufrechtzuerhalten. Auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könne mit einem Befristungsantrag Rechnung getragen werden. Es könne schließlich davon ausgegangen werden, dass er nach wie vor Verbindungen zu seinem Heimatland habe. Dies folge insbesondere daraus, dass er regelmäßige Besuchsaufenthalte in Ägypten durchgeführt habe. Da er darüber hinaus bereits die ersten 34 Lebensjahre in Ägypten verbracht habe, könne er sich ohne weiteres in seinem Heimatland wieder zurechtfinden.

Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurückgewiesen.

Mit der dagegen gerichteten Klage ist geltend gemacht worden: Die Ausweisung sei fehlerhaft, schon weil nicht der Nachweis geführt worden sei, dass die Tablighi Jamaat den Terrorismus unterstütze. Zwar weise der Gesetzeswortlaut des Ausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 5 AufenthG darauf hin, dass die Darlegungsanforderungen gelockert seien, was den Nachweis der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppierung angehe; indessen gehe auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, es müsse festgestellt sein, dass die Gruppierung ihrerseits den Terrorismus unterstütze. Davon könne indessen keine Rede sein; es handele sich bei der TJ um eine religiöse Bewegung, die aus dem indischen Subkontinent stamme und weltweit mehrere Millionen Mitglieder habe. Die religiöse Bewegung selbst lehne Gewalt grundsätzlich ab und beabsichtige hauptsächlich Missionierung und religiöse Erziehung. Wenn in dieser Situation darauf abgestellt werde, dass einzelne Attentate von Tätern begangen worden seien, die auch TJ-Anhänger gewesen seien, reiche dies nicht für eine Zurechnung an die religiöse Bewegung als solche aus, zumal bezeichnenderweise die TJ auch nicht auf der Terrorliste der Europäischen Union aufgeführt sei. Im Übrigen sei der Kläger weder Mitglied noch ein Anhänger der TJ; er habe lediglich aus seinem religiösen Informationsinteresse als Imam heraus gelegentlich Versammlungen oder Treffen der TJ besucht, sodass er in diesem Zusammenhang keine aktive Rolle in der Bewegung gespielt habe. Wie es dazu gekommen sei, dass er auf einer sogenannten Bruderliste geführt worden sei, vermöge er nicht zu erklären. Im Übrigen bestreite er, dass er in den Predigten die Aussagen gemacht habe, die in dem angegriffenen Bescheid angeführt seien. Er habe keine islamistisch-fundamentalistischen Ansichten vertreten noch für den sogenannten Heiligen Krieg geworben. Seine Tätigkeit sei im Gegenteil dadurch gekennzeichnet, dass er sich auch öffentlich um eine Verständigung der Religionen untereinander bemüht habe, etwa im Rahmen des "Tages der offenen Moschee" oder interreligiöser Veranstaltungen. Der Beklagte müsse seine Erkenntnisquellen benennen, insbesondere auch im Hinblick auf die Übermittlung des Wortlauts der Äußerungen, die ihm vorgehalten würden, in die deutsche Sprache. Das Erinnerungsvermögen einer Vertrauensperson müsse angezweifelt werden. Schließlich sei dem besonderen Ausweisungsschutz nicht hinreichend Rechnung getragen worden und das Verhältnis zu seinen Kindern nicht hinreichend gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK berücksichtigt worden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2008 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die ergangenen Bescheide bezogen. Ergänzend hat er ausgeführt: In der Rechtsprechung sei mehrfach festgestellt worden, dass die TJ den internationalen Terrorismus unterstützt habe. So sei auch noch jüngst festgestellt worden, dass an den Anschlagsplanungen betreffend die U-Bahn in Barcelona Anfang 2008 der TJ angehörige Pakistaner beteiligt gewesen seien. In dem sogenannten Khalil-Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf habe sich herausgestellt, auf welche Weise die TJ im Jahr 2000 und 2001 im Umfeld der Al Qaida in Pakistan durch Gelegenheit zum Aufenthalt, Eröffnung von Reisemöglichkeiten und insgesamt logistische Unterstützung den Nährboden für die terroristische Betätigung geboten habe, ohne dass die Organisation sich in irgendeiner Weise davon distanziert oder Bestrebungen gezeigt habe, dem zu begegnen. Die TJ stelle sich nach alledem als Durchlauferhitzer für fehlgeleitete Gläubige auf dem Weg in den Terror dar, woraus sich die Gefährlichkeit entsprechender Unterstützungshandlungen ergebe. An einer Zugehörigkeit des Klägers zu den Aktivisten in der TJ könne aufgrund verschiedener Anhaltspunkte keinerlei Zweifel bestehen, da er auf der Bruderliste geführt werde und vielfältige Kontakte mit anderen Aktivisten der Bewegung nachgewiesen seien. Bei den Deutschlandtreffen würden keine Außenstehenden eingeladen, sondern die Einladung beruhe auf Face-to-Face-Beziehungen. Der Kläger habe auch in engen Beziehungen zur Al-Hijra Moschee C. gestanden, bei der es sich um einen Schwerpunkt der TJ Bewegung handele. Die beanstandeten Predigtinhalte könnten durch die Aussagen von Vertrauenspersonen des Landeskriminalamtes bzw. Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörden belegt werden.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 10. November 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Ausweisung des Klägers sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt und die deshalb vorliegenden schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit seien geeignet gewesen, den besonderen Ausweisungsschutz des Klägers als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung zu überwinden. Der Kläger habe als Anhänger der TJ eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze. Zwar sei die TJ-Bewegung nach ihrem Selbstverständnis an sich eine religiöse Massenbewegung, die eher puritanisch denn politisch sei. Auch die Sicherheitsbehörden selbst gingen davon aus, dass sie nicht selbst eine terroristische Organisation sei. Indessen sei aber nachweisbar, dass sie in einer Vielzahl von Einzelfällen in Verbindung mit dem internationalen Terrorismus gestanden habe, weil sich in diesen Fällen herausgestellt habe, dass die Attentäter der TJ angehört hätten. Der Begriff der Unterstützung sei nicht eng auszulegen. Die TJ bereite die geistigen Grundlagen für die Radikalen und stehe diesen zur Tarnung und als logistische Unterstützung zur Verfügung. In Kenntnis dieser Umstände habe die Führung der TJ bisher keine Anstrengungen unternommen, dem zu begegnen und sich davon zu distanzieren. Dies reiche für eine Zurechnung im Sinne des Tatbestandes des § 54 Nr. 5 AufenthG aus. Der Kläger gehöre dieser Vereinigung auch an; dies ergebe sich aus seiner Anführung in der sogenannten Bruderliste, seiner Einbeziehung in das persönliche Netzwerk mit vielen TJ-Anhängern, wie sich dies durch Telefonverbindungsnachweise erwiesen habe, sowie aus Aktivitäten etwa in Form der Teilnahme an Deutschlandtreffen der TJ. Der Kläger sei immer wieder auch in seiner Funktion als Imam mit TJ-Anhängern in Kontakt getreten. Die Erfüllung des Tatbestandes des Ausweisungsgrundes stelle nach der ausdrücklichen Regelung in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel - von der hier keine Ausnahme vorliege - einen schwerwiegenden Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG dar. Die Ausweisung sei hier auch ermessensfehlerfrei vorgenommen worden, weil die betroffenen öffentlichen Rechtsgüter in ermessensgerechter Weise als gegenüber den privaten Belangen des Klägers überwiegend angesehen worden seien. Den Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG könne der Kläger nach der Trennung und Scheidung von seiner Ehefrau nicht mehr genießen; zwar habe er schützenswerte Kontakte zu seinen in Deutschland verbleibenden Kindern, indessen sei auch unter Berücksichtigung dieser Kontakte und deren Schutz nach Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK das Sicherheitsinteresse hier überwiegend und die Ausweisungsentscheidung nicht unverhältnismäßig, weil der Kontakt durch Briefe und Telefonate aufrechterhalten werden könne und gegebenenfalls auf Antrag hin die Ausweisungswirkungen auch befristet werden könnten.

Dagegen hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er an seinem erstinstanzlichen Vorbringen festhält. Das Verwaltungsgericht habe eine Unterstützungsfunktion der TJ für den internationalen Terrorismus fehlerhaft festgestellt. Eine Beweiserleichterung komme insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Betracht, vielmehr müssten diese Unterstützungsfunktionen der Vereinigung ihrerseits feststehen. Daran fehle es hier. Einzelfälle einer Verbindung von TJ-Mitgliedern oder -Anhängern zu Attentaten reichten angesichts der nach Millionen zählenden Anhängerschaft der Vereinigung für den Vorwurf einer Unterstützung nicht aus, ebenso wenig der vage Vorwurf, die TJ bereite für den Terrorismus eine geistige Grundlage.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 10. November 2008 den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 6. Februar 2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu Eigen und ist im Übrigen der Auffassung, selbst wenn man den Standpunkt des Klägers zu § 54 Nr. 5 AufenthG teilen wolle, bleibe es dabei, dass er weitere Ausweisungstatbestände erfüllt habe. Das Verwaltungsgericht habe insoweit den Sachverhalt nicht umfassend ermittelt und es sei angezeigt, insoweit die Beweisaufnahme fortzusetzen. Mit den genannten Predigtinhalten seien die Ermessensausweisungstatbestände nach § 55 Abs. 2 Nr. 8a und 8b AufenthG wie auch der Regelausweisungstatbestand nach § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllt. Die islamistischen Ansichten des Klägers zeigten Bestrebungen auf, die - etwa im Blick auf die Befürwortung der Standpunkte der Scharia - die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdeten. Es lägen auch insoweit schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für die Ausweisung vor, der der besondere Ausweisungsschutz des Klägers als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis nicht entgegenstehe. Dass der Kläger sich in der jüngeren Vergangenheit mit Äußerungen zurückgehalten habe, weise nicht auf eine Verminderung seiner Gefährlichkeit hin, sondern sei verfahrenstaktischem Verhalten zuzuschreiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung des Senats sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid vom 12. Oktober 2007 aufheben müssen, denn dieser erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers auf der Grundlage der Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG sind nicht gegeben. Auch die Ermessenausweisungstatbestände nach § 55 Abs. 2 Nr. 8a und Nr. 8b AufenthG werden nach Auffassung des Senats vom Verhalten des Klägers wohl kaum erfüllt; jedenfalls stellen sie sich hier nicht als schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG dar, die in der Lage wären, den Ausweisungsschutz, den der Kläger als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis genießt, zu überwinden. Schließlich vermögen insofern die Ermessenserwägungen der Behörde für die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standzuhalten, weil sie maßgeblich von der Annahme getragen sind, der Kläger habe zudem die Regelausweisungstatbestände nach § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt.

1. Die Ausweisung des Klägers kann nicht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt werden. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört und angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Der Vorwurf, der Kläger gehöre der Tablighi Jamaat (TJ) an und diese sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, kann die Ausweisung nicht tragen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger dieser Vereinigung angehört oder sie unterstützt oder unterstützt hat. Die TJ stellt sich nämlich nicht als eine Vereinigung dar, die den Terrorismus unterstützt. Dabei erkennt auch der Beklagte nach der Einlassung des Mitarbeiters des Ministeriums des Innern und für Sport in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat an, dass die TJ als eine religiöse Großorganisation mit nach Millionen zählenden Anhängern als solche nicht als eine Vereinigung bezeichnet werden kann, die den Terrorismus unterstützt. Für die Annahme der Terrorismusunterstützung reicht es zur Zurechnung nicht aus, dass bei einer Vielzahl von terroristischen Anschlägen in aller Welt (vgl. insoweit im Einzelnen die vom Beklagten in Bezug genommene Aufzählung in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Januar 2008 AN 19 K 05.02681, S. 16 - 19 = Bl. 337 - 339 d. GA) insoweit eine Verbindung zur TJ hergestellt werden konnte, als sich bei den Ermittlungen herausstellte, dass die Täter häufig sämtlich oder zu Teilen Anhänger (auch) der TJ waren. Es ergeben sich keine genügenden Anhaltspunkte aus den vom Beklagten herangezogenen Erkenntnissen, dass die TJ als solche auf die Begehung der Taten abgezielt, sie wissentlich unterstützt bzw. sie auch nur - um ihre Unterstützungsfunktion wissend - billigend in Kauf genommen hätte. Eine entsprechende mangelnde Feststellbarkeit geht zu Lasten des Beklagten, der insoweit die Beweislast trägt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob gewisse Beweiserleichterungen, die der Gesetzgeber im Hinblick auf den Nachweis der Zugehörigkeit oder Anhängerschaft des Betreffenden mit der Formulierung eingeräumt hat, dass bloß "Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen" müssen, auch für die Frage gelten, ob die Vereinigung den Terrorismus unterstützt, oder ob für letztere Frage strengere Beweisanforderungen gelten, die Umstände mit anderen Worten "feststehen" müssen (vgl. u.U. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 15. März 2005, 1 C 26.03 = BVerwGE 123, 114, 129; BayVGH, Beschluss vom 19. Februar 2009, 19 CS 08.1175; juris Rn. 56; anderer Ansicht Discher, GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rn. 533 f.). Denn es gibt auch keine hinreichenden Tatsachen, die den hier fraglichen Schluss rechtfertigen könnten. Der Senat kann sich wegen des Charakters der Organisation auf die Ausführungen von Reetz (Redefassung der Rede bei der Konferenz "Islam in Europa", Diplomatische Akademie Wien, 23. März 2007), wie sie auch vom Beklagten in das vorliegende Verfahren eingeführt worden sind, Bezug nehmen. Diese Ausführungen werden im Übrigen in den Grundzügen auch vom Beklagten selbst nicht in Abrede gestellt. Die TJ ist danach eine der vielfältigen Gruppen, die das islamische Konzept "Da'wa", das heißt so viel wie Einladung oder Ruf Gottes, umsetzen. Einer unter den Tablighis verbreiteten Auffassung zufolge ist nach dem Ableben Mohammeds, des letzten Propheten als "Siegel der Propheten", die Aufgabe der Propagierung des Wortes Gottes auf die Umma, die islamische Weltgemeinde übergegangen. Vor diesem Hintergrund stellt die TJ eine 1926 in Indien gegründete islamische Missionsbewegung dar, die heute mit ca. 12 bis 15 Millionen Anhängern zu den weltweit größten lebenden Bewegungen des Islam gehört. Die Bewegung entstand in der Auseinandersetzung mit hinduistischen Missionaren und sollte die islamische Identität der Stammesangehörigen stärken, wozu ihre Gewinnung als Laienprediger zählte. Charakteristisch sind Predigerreisen in erster Linie zur inneren Einkehr und zur religiösen Stärkung anderer Muslime, wobei eine drei Tage währende Missionsreise die Grundeinheit der Tätigkeit bildet und darauf jährliche längere Reisen oder gar langandauernde Welttreffen aufbauen. So ziehen z.B. die Welttreffen in Indien, Bangladesch und Pakistan jeweils bis zu zwei Millionen Teilnehmer an und sollen zu den größten Muslimkongregationen nach der Pilgerreise der Hadj gehören. Danach sind Politik und Ausrichtung auf militanten Islamismus nicht das Leitbild der Tablighis. Dementsprechend besteht auch in den Analysen der Verfassungsschutzbehörden nicht die Auffassung, dass die TJ als solche eine Vereinigung ist, die den Terrorismus unterstützt. Auch wird danach festgestellt, nur von einem sehr kleinen Teil der Anhänger sei bekannt, dass sie an terroristischen Handlungen beteiligt gewesen seien, und nur einzelne radikalisierte TJ-Angehörige schlössen sich terroristischen Netzwerken an (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 71 unter Bezugnahme auf eine Ausarbeitung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stand Juni 2007).

Die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden aus Anlass einzelner Attentate aus dem Umfeld von TJ-Anhängern, dass sich diese etwa bei Aufenthalten in Pakistan der Infrastruktur der TJ-Zentralen bedient und objektiv eine logistische Hilfe bei der Verwirklichung ihrer militanten Planungen gefunden haben (vgl. etwa die mitgeteilten Erkenntnisse aus dem sogenannten Al Qaida-Verfahren gegen den Angeklagten K. vor dem 6. Strafsenat des OLG Düsseldorf - Bl. 82 GA; ebenso die in der schriftlichen Urteilsbegründung des OLG Düsseldorf in diesem Verfahren vom 5. Dezember 2007 zitierten Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung - Bl. 135 f. GA), belegen keine irgendwie geartete Veranlassung, Förderung oder Befürwortung im Sinne des Unterstützungsbegriffs nach § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern lediglich, dass sich die radikalen islamischen Kräfte der genannten Organisation bedient haben. Eine solche Handlungsweise ist seitens der "Vereinigung" nicht auf die Unterstützung der Terroristen "gerichtet" (vgl. zu diesem tatbestandlichen Erfordernis Discher, GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rn. 463). Für eine Zurechnung im hier erforderlichen Sinne kann es - anders als das Verwaltungsgericht annehmen will - nicht ausreichen, dass die Terrorverdächtigen die objektiv gegebenen Hilfsmöglichkeiten im Rahmen der TJ-Zentren bloß genutzt haben, weil sich für die TJ als (Groß-)Organisation vor dem Hintergrund ihrer Lehre - die auf Gewaltlosigkeit ausgerichtet ist - und den Verlautbarungen ihrer Führer, aus denen sich Aufrufe zur Militanz nicht erschließen lassen, keine Garantenpflicht gleichsam dahin ableiten lässt, alles dafür zu tun, dass eine solche "Benutzung" ihres Organisationsrahmens nicht stattfindet. Da die Tablighis - wohl abgesehen von einem engeren Führungskern -auf nichtformalen Strukturen beruhen und keine Mitgliederlisten oder ähnliches bestehen, wäre es für sie dem Charakter als religiöser Bewegung entsprechend kaum zumutbar, insoweit - nur um eine Zurechnung des Verhaltens einiger militanter Kräfte zu vermeiden - bestimmte Vorkehrungen zu treffen, um im Einzelfall die logistische Unterstützung wie in den Beispielsfällen zu verhindern. Soweit die Verfassungsschutzbehörden annehmen, durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen (Anmerkung: gemeint ist wohl der Rückgriff auf traditionelle islamische Überzeugungen) bestehe die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden, geht die Initiative nicht von der TJ aus, sondern von eindeutig dem terroristischen Spektrum zuzurechnenden Organisationen, und ist die TJ selbst nur mittelbar betroffen. Der Senat schließt sich insoweit der Würdigung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 19. Februar 2009 an (a.a.O., Rn. 80). In diesem Sinne kann nicht davon die Rede sein, die TJ unterstütze als solche den Terrorismus, indem sie es terroristischen Organisationen "ermögliche", aus ihren Reihen ideologisierte "Kämpfer" zu gewinnen, wenn auch die bisherigen Erkenntnisse für das operative Handeln der Sicherheitsbehörden bei einer Beobachtung im Vorfeld einen sinnvollen Ansatz für ein Raster zur Ermittlung von Gefahrenstufen bieten.

Der fehlende Nachweis, dass die TJ als Großorganisation eine Vereinigung nach § 54 Nr. 5 AufenthG ist, lässt sich - anders als der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darzulegen versucht hat - nicht dadurch ausgleichen, dass der Kläger einem gefährlichen Kreis innerhalb der TJ-Anhänger deshalb zugerechnet werden soll, weil er anhand weiterer individueller Merkmale - hier der ihm nachgesagten Predigtinhalte - gezeigt haben soll, dass er die Militanz, gegebenenfalls in Form auch terroristischer Anschläge, befürworte. Eine solche Qualifikation würde im Blick auf den Begriff der "Vereinigung" den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG gleichsam auflösen. Vereinigung in diesem Sinne ist nämlich nur ein organisatorischer Zusammenschluss von Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Ziele verfolgen und untereinander derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen (vgl. dazu Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rn. 27). Dieses engere Verständnis des Begriffs einer Vereinigung gehört zum Kern des Tatbestandes, weil das Absehen von einer konkreten Gefährlichkeit des einzelnen Betroffenen und die Verlagerung des Ausweisungstatbestandes in das Vorfeld nur dadurch gerechtfertigt sind, dass schon die bloße Unterstützungshandlung geeignet ist, das von der Vereinigung ausgehende latente Gefährdungsrisiko potentiell zu erhöhen (vgl. BVerwGE, 123, 114, 129). Diese Elemente der Gefahrenvorsorge knüpfen indessen an die Gefährlichkeit der besonderen Organisationsform an, die nur bei einer festeren Struktur der Vereinigung gegeben ist, nicht aber bei einer bloßen Kategorisierung anhand gemeinsamer Merkmale - wie hier des Zusammentreffens einer "an sich ungefährlichen" Anhängerschaft zur TJ als solcher und einer im individuellen Fall gegebenen radikalen Gesinnung. Die vom Beklagten behaupteten Predigtinhalte sind deshalb nicht geeignet, die Zugehörigkeit des Klägers zu einer "gefährlichen" Vereinigung zu belegen. Die Feststellung, es gebe gleichsam einen "militanten" Arm der TJ als selbständige Organisation, hat auch der Beklagte nicht getroffen.

Dass der Kläger einer engeren Zelle einer terroristischen Vereinigung in Deutschland oder einer entsprechenden ausländischen Vereinigung als Netzwerkverbindung angehören würde, die aus TJ-Mitgliedern besteht, hat der Beklagte nicht dargetan.

Davon abgesehen setzt die tatbestandliche Erfüllung der Unterstützungshandlung auch voraus, dass der Betreffende - für ihn erkennbar - die innere Organisation und den Zusammenhalt der Organisation fördert, die den Terrorismus unterstützt. Die organisatorische Unterstützung der TJ selbst kann dazu nicht zählen, wenn sie als solche nicht erkennbar eine Organisation zur Unterstützung terroristischer Bestrebungen darstellt. Die dem Kläger unterstellten radikalen Predigtinhalte selbst, auch wenn sie einen Aufruf zum bewaffneten Jihad darstellten, haben wiederum keinen Bezug zu irgendeiner Organisation und sind nicht - zumal der Zuhörerkreis nicht entsprechend zusammengesetzt war - auf die Militarisierung einer bestimmten Personengruppe ausgerichtet.

2. Das Verhalten des Klägers erfüllt auch nicht den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG. Danach wird ein Ausländer unter anderem in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In beiden Tatbestandsalternativen muss der Ausländer persönlich und konkret eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit des Staates darstellen; eine Zugehörigkeit zu einer verbotenen Vereinigung als solche reicht nicht, soweit sich nicht der Verbotsgrund und die damit bekämpfte Gefahr in der Tätigkeit der Person selbst konkretisiert haben (vgl. BVerwGE 62, 36).

Zwar kann eine solche Gefährdung in der Unterstützung ausländischer Terrorhelfer liegen, wenn solche terroristischen Bestrebungen die Fähigkeit des Staates beeinträchtigen, sich gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen. Indessen lassen sich - wie angeführt - die dem Kläger unterstellten Predigtinhalte nicht in einem organisatorischen Zusammenhang mit der Bestärkung bestimmter terroristischer Organisationen sehen, sodass der angeführte Bereich der Sicherheit des Staates im engeren Sinne nicht als betroffen angesehen werden kann (vgl. zur engen Auslegung des Begriffes BVerwGE 96, 86, 91 f.).

Die freiheitliche demokratische Grundordnung ihrerseits erfasst die grundlegenden Verfassungsprinzipien wie die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit der politischen Parteien (BVerfGE 5, 85, 195). Eine Gefährdung kann nur angenommen werden, wenn die Handlungen einen konkreten Bezug zur Beseitigung dieser Prinzipien beinhalten. Bei Äußerungen im Rahmen einer Religionsgemeinschaft - wie hier bei den Predigten - ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 102, 370, 394; 2. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 2. Oktober 2003, 1 BvR 536/03 = NJW 2004, 47, 48; siehe auch OVG RP, AS 34, 342, 352), dass die bloße Überzeugung, Gottes Gebote gingen dem staatlichen Gesetz vor, keine Eingriffsmaßnahmen rechtfertigen; maßgeblich ist ausschließlich das äußere tatsächliche, nach weltlichen Kriterien zu beurteilende Verhalten der Akteure, nicht aber deren religiöse oder weltanschauliche Überzeugung, die zu bewerten dem Staat aufgrund seiner Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität verwehrt ist. Aufgrund dessen vermögen zwar sämtliche vom Beklagten zitierten Predigtinhalte des Klägers dessen Zugehörigkeit zu einem orthodoxen Islamverständnis zu belegen, zum Teil weisen sie auch militante fundamentalistische Inhalte auf. Außer den Äußerungen vom 16. Juli 2004 in T. und vom 19. November 2004 in T. verbleiben sie indessen inhaltlich im Rahmen der Darlegung religiöser Inhalte oder bloßer politischer Meinungsäußerungen. Das gilt z. B. für die Verurteilung der Tötung des Hamas-Führers Scheich Jassin durch Israel und die Bezeichnung der USA und ihrer Verbündeten als Terroristen am 26. März 2004 in T., für die Erklärung am 7. Mai 2004 in T., "dass Gott die Menschen zerstören werde, die 'uns erniedrigen'; die Welt solle sehen, was diejenigen tun, die angeblich für Demokratie und Freiheit in der Welt eintreten", für die Äußerung am 14. Mai 2004 in T., "dass der Jihad die Aufgabe eines jeden Moslems sei, man brauche keine Angst vor den Ungläubigen zu haben", für die Äußerung am 23. Juli 2005 in T., "dass Gott den Muslimen den Sieg über die Ungläubigen geben werde", für die Äußerung vom 17. Februar 2006 in der Moschee in G., "der Mensch sei nicht in der Lage, Gottes Willen und Macht zu brechen, auch mit Atomwaffen sei dies nicht möglich; die Muslime müssten weltweit zusammenhalten; täten sie es nicht, sei es eine große Schande gegenüber Gott; Gott schütze die Muslime und lasse sie über die Ungläubigen siegen", für die Befürwortung der unumschränkten Gültigkeit der Scharia auch außerhalb der muslimischen Stammländer in der Predigt am 26. Mai 2006 in Kaiserslautern und für die Erklärung, "dass für die Gläubigen, die sich aus welchen Gründen auch immer in Europa aufhalten würden, die Scharia das höchste Gesetz und die einzig gültige Rechtsordnung sei".

Soweit unterstellt wird, dass der Kläger sich am 16. Juli 2004 in einer Predigt vor ca. 60 Gläubigen in der Moschee in T. dahin geäußert hat, dass "der Jihad im Islam als einzig wahre Bedeutung den Krieg beinhaltet - dies bedeutet ohne Wenn und Aber -. Die Ungläubigen müsse man vernichten, wo man sie antreffe. Alle anderen Auslegungen durch bezahlte Scheichs seien falsch und die Verräter interpretierten den Koran im Sinne der Ungläubigen, um deren Wohlwollen zu erlangen", würde damit, sollte dieses "Programm" in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt werden, die freiheitliche demokratische Grundordnung abgeschafft, weil der Staat auf die unumschränkte Herrschaft des Islam im Sinne einer göttlichen und weltlichen Herrschaft hinauslaufen würde. Die Äußerung kann nach den aufgezeigten Grundsätzen indessen nur dann als konkrete Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung angesehen werden, wenn sie auf einen konkreten Aufruf zum Handeln - insbesondere mit Blick auf entsprechende gewaltbereite Zirkel in der Bundesrepublik Deutschland - hinauslaufen würden. Eine solche Gefährdung könnte zwar naheliegen, wenn man wie der Beklagte annehmen wollte, der Kläger habe Verbindung zu terroristischen Netzwerken und die Predigten dienten gezielt dem Aufruf dieser Kreise zu konkreten Aktivitäten. Ein solcher Zusammenhang lässt sich indessen aus der dem Kläger nachgesagten Zugehörigkeit zu TJ-Kreisen nicht herleiten. Vor allem ist nicht nachgewiesen, dass der Zuhörerkreis in der Moschee in T. geneigt gewesen wäre, für solche konkreten Bestrebungen eine fruchtbaren Boden zu bieten. Nur unter solchen Umständen aber könnten in der Predigt mit dem bezeichneten Inhalt die erforderlichen kämpferisch-aggressiven Elemente liegen, die für eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erforderlich sind (vgl. dazu im Hinblick auf ein Vereinsverbot BVerwG, Urteil vom 13. April 1999, 1 A 3/94 = DVBl. 1999, 1743).

Entsprechendes gilt für die Wirkung des Predigtinhaltes vom 19. November 2004 in T., sofern in der Verteidigung der Steinigung einer Ehefrau, die Ehebruch begangen hat, ein Angriff auf die durch die freiheitliche demokratische Grundordnung geschützten Menschenrechte liegt.

3. Ob die Predigtinhalte vom 16. Juli 2004 und vom 19. November 2004 die Ermessensausweisungstatbestände nach § 55 Abs. 2 Nr. 8a und Nr. 8b AufenthG erfüllen, ist fraglich, kann letztlich aber offen bleiben. Die Bestimmungen sollen nach den gesetzgeberischen Erwägungen eine Grundlage schaffen, sogenannte Hassprediger auszuweisen, und damit geistigen Brandstiftern das Handwerk zu legen, erfordern wegen der schwerwiegenden Folgen der Äußerung indessen in Bezug auf den komplexen Tatbestand belastbare Feststellungen und eine Aufarbeitung der tatbestandlichen Einzelelemente (vgl. BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 13. Juni 2005, 2 BvR 485/05 - juris -).

Zwar kommt im Hinblick auf den wiedergegebenen Predigtinhalt vom 16. Juli 2004 in Betracht, dass im Sinne des Tatbestandes der Nr. 8a terroristische Taten oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gebilligt werden bzw. dafür geworben wird, sollte der Inhalt der Worte so zu verstehen sein, dass im Hinblick auf die "Vernichtung der Ungläubigen, wo immer man sie antreffe", Pogrome und Vernichtungsmaßnahmen oder terroristische Anschläge gebilligt wurden oder gar dazu aufgerufen wurde. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich um bedeutsame völkerstrafrechtliche Verbrechen handelt und terroristische Taten, die gebilligt würden oder für die geworben würde, von vergleichbarem Gewicht sein müssten. Das Verhalten muss jedenfalls geeignet sein, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Die Äußerung muss insoweit von den Anwesenden, an die sie gerichtet ist, ernst genommen werden und geeignet sein, Wirksamkeit zu entfalten (vgl. Alexy, HK-AuslR, § 55 AufenthG Rn. 45). Ob dafür angesichts des Teilnehmerkreises von nur etwa 60 Personen in der Moschee, der nicht näher beschrieben ist und der nicht mit militanten Islamisten gleichgesetzt werden kann, ausreichende Anhaltspunkte bestehen, kann offen bleiben.

Vergleichbar liegt dies im Hinblick auf die dem Kläger zugeschriebene Äußerung im Freitagsgebet vom 19. November 2004 in T., wo der Kläger gesagt haben soll, die Steinigung der Frau, wie sie im Islam nach einem Ehebruch vorgesehen sei, sei gerechtfertigt; "schlimmer als nach einem Ehebruch gesteinigt zu werden sei, wenn der Mann nach vielen Jahren erfahren müsse, dass man einen Bastard großgezogen habe." Darin könnten zwar Elemente des Tatbestandes des § 55 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG verwirklicht sein, weil zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, nämlich Frauen und nichteheliche Kinder, aufgestachelt sein könnte, was gegebenenfalls die Menschenwürde dieser Gruppen angriffe, indem sie verächtlich gemacht würden. Auch insoweit muss die Handlung aber in einer Weise erfolgen, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören.

Selbst wenn die Voraussetzungen des Tatbestandes des § 55 Abs. 2 Nr. 8a und 8b AufenthG noch erfüllt sein sollten, können hier die Ausweisungsschranken nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht überwunden werden. Ein im Gesetz genannter Regelfall eines schwerwiegenden Grundes (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) liegt hier nicht vor. Ob sonstige Gründe nur im Ausnahmefall schwerwiegend sein können, bedarf keiner Entscheidung, weil in general- wie in spezialpräventiver Hinsicht ein Ausweisungsgrund eines Ermessensausweisungstatbestandes nur dann schwerwiegend ist, wenn dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommt. Dies ist hier - wie ausgeführt - bei der möglichen Verwirklichung der Tatbestände der § 55 Abs. 2 Nr. 8a und 8b schon wegen des äußeren Zusammenhangs und der kaum tauglichen Wirkung angesichts des Zuhörerkreises mit Blick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht der Fall. In diesem Zusammenhang würdigt der Senat die Gefahrenlage anders als der angegriffene Bescheid, schon weil nicht davon auszugehen ist, dass solche Äußerungen einen engeren Zusammenhang mit Gruppierungen aufweisen, die geneigt sind, terroristische Bestrebungen zu unterstützen. Im Hinblick auf die Teilnehmer an den religiösen Veranstaltungen in T. hat die Behörde keinerlei spezifische Erkenntnisse in dieser Hinsicht dargetan. Auf die ansonsten dem Kläger vorgeworfenen Zusammenhänge mit einer Tätigkeit für die TJ kann aus den oben herausgestellten Gründen nicht verstärkend abgestellt werden.

Schließlich sind die Ermessenserwägungen der Behörde in diesem Zusammenhang schon deshalb defizitär und fehlerhaft, weil bei der Abwägung der öffentlichen Interessen mit den persönlichen Belangen des Klägers deren größeres Gewicht darin auszumachen ist, dass die familiären Kontakte des Klägers mit seinen in Deutschland seit ihrer Geburt lebenden minderjährigen Kindern, wie sie durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützt sind, auch nach der Scheidung von seiner Ehefrau die soeben gekennzeichneten öffentlichen Interessen überwiegen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass diese beiden Äußerungen angesichts des vergangenen Zeitraums von etwa fünf Jahren erheblich verblasst sind, die Ermessenserwägungen der Behörde mit Blick auf die Gefahrenlage sich indessen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beziehen müssen. Nach den Erkenntnissen des Senats in der mündlichen Verhandlung werden die familiären Beziehungen des Klägers zu den Kindern auch nach der Scheidung von der Ehefrau regelmäßig "gelebt", etwa indem der Kläger die Kinder alle zwei Wochen abholt und bei sich an Wochenenden betreut, im Übrigen auch sonst bei Gelegenheit "einspringt". Dem Kläger wird im Übrigen auch durch die im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens eingeholten Begutachtungen ein gutes Verhältnis zu den Kindern bescheinigt, selbst wenn im Einzelfall auch mit diesen Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Das Verfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner Kinder hat lediglich mit einer Verwarnung geendet. Den Kindern, die in der Bundesrepublik Deutschland geboren und aufgewachsen sind, ist nicht zumutbar die familiären Beziehungen etwa in Ägypten fortzusetzen. Andererseits können telefonische und briefliche Kontakte das in Deutschland bestehende familiäre Zusammenleben selbstverständlich bei weitem nicht ersetzen.

Der Beklagte hat im Übrigen die öffentlichen Interessen an der Ausweisung mit einem Gewicht eingestellt, das ihnen nicht zukommt, weil er nämlich in diesem Zusammenhang davon ausgegangen ist, der Kläger habe zudem die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG erfüllt. Da dies indessen lediglich wegen der weniger schwerwiegenden Ermessensausweisungstatbestände des § 55 Abs. 2 Nr. 8a und 8b der Fall sein könnte, ist die Ausweisung dem Kläger auch wegen seiner langen Dauer des Aufenthalts, seines Alters und der damit verbundenen Aufgabe seiner familiären Verbindungen mit Rücksicht auf seine Rechte aus Art. 8 EMRK nicht zumutbar. Diese Gewichtung wird auch nicht durch den Einwand der Behörde in Frage gestellt, der Kläger habe sich aus verfahrenstaktischen Gründen einer weiteren Betätigung, wie diese bis zum Jahre 2004 behauptet wird, enthalten. Für eine entsprechende Mäßigung des Verhaltens hätte er aufgrund des Vorgehens der Behörde erst ab dem Jahre 2006 Veranlassung gehabt, weil erst zu diesem Zeitpunkt eine Anhörung im Blick auf die Absicht der Ausweisung stattfand. Im Übrigen ist der Kläger zuvor schon im interreligiösen Dialog öffentlich in einer Weise in Erscheinung getreten, die nicht zu dem Bild des Hasspredigers passt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO, die Abwendungsbefugnis auf § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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