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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: 7 A 11261/08.OVG
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 15
BAföG § 15 Abs. 1
BAföG § 15 b
BAföG § 15 b Abs. 1
Zur Frage, ob eine Ausbildung (hier Studium an einer Fachhochschule) bereits mit dem Besuch eines Vorkurses (hier in Mathematik) aufgenommen worden ist und für diesen Monat ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz besteht, wenn der Vorkurs im Monat vor dem von der Ausbildungsstätte ausgewiesenen Beginn der Lehrveranstaltungen stattfindet.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 A 11261/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Ausbildungsförderung

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2009, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker Richter am Landgericht Hildner ehrenamtliche Richterin Hausfrau Hagedorn ehrenamtliche Richterin Hauswirtschaftsmeisterin Kämmerer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. März 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt, ab welchem dem Kläger ein Anspruch auf die Bewilligung von Ausbildungsförderung zusteht.

Der Kläger studiert seit dem Wintersemester 2007/2008 "Mittelstandsökonomie (Bachelor)" an der Fachhochschule Kaiserslautern, Standort Zweibrücken. Der Zeitplan der Fachhochschule wies als Beginn der Lehrveranstaltungen den 1. Oktober 2007 aus. Bereits vom 17. bis zum 28. September 2007 nahm der Kläger an einem Mathematik-Vorkurs teil. Dieser regelmäßig stattfindende Kurs richtet sich an die Studienanfänger des Fachbereichs und zielt darauf ab, Vorbildungsunterschiede hinsichtlich der Mathematik-Kenntnisse auszugleichen. Tutoren sind Studierende höherer Semester, die diese Aufgabe auf Anfrage eines Hochschullehrers gegen eine Entlohnung durch die Fachhochschule wahrnehmen.

Die Studienanfänger werden auf den Kurs in ihrem Zulassungsbescheid aufmerksam gemacht. Auf Nachfrage wird der Kurs durch einen Hochschulmitarbeiter denjenigen empfohlen, die an der Schule keinen Mathematik-Leistungskurs besucht haben.

Mit Bescheid vom 28. September 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 530,00 € für den Zeitraum Oktober 2007 bis August 2008. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, das Semester habe bereits am 1. September 2007 begonnen, und berief sich daneben auf seine Teilnahme an dem Vorkurs. Zum Besuch der Ausbildungsstätte gehörten auch vor dem allgemeinen Vorlesungsbeginn von der Hochschule angebotene Kurse. Die Teilnahme sei für ihn unerlässlich gewesen, weil er keine gymnasiale Oberstufe besucht habe und durch eine kaufmännische Ausbildung ein Abstand zum früheren Mathematik-Unterricht entstanden sei. Seine Arbeitskraft sei dadurch in einem Umfange in Anspruch genommen worden, dass er dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden und deshalb ab September 2007 keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld gehabt habe.

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 zurück. Dem Kläger stehe keine Ausbildungsförderung für den Monat September 2007 zu. Ausweislich des verbindlichen Zeitplans der Fachhochschule hätten die Lehrveranstaltungen am 1. Oktober 2007 begonnen. Der Mathematik-Vorkurs werde demgegenüber offiziell nicht als Vorlesung bezeichnet und sei auch keine verbindliche Pflichtveranstaltung für den Studiengang "Mittelstandsökonomie", sondern werde den Studienanfängern aller Fachrichtungen angeboten und zudem lediglich empfohlen. Auf den verwaltungsmäßigen Beginn des Wintersemesters 2007/2008 am 1. September 2007 komme es nicht an.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Mathematik-Vorkurs zähle nicht zum Ausbildungsgang "Mittelstandsökonomie", er sei weder eine offizielle Vorlesung noch sonst ein Teil der Ausbildung, sondern diene - als Serviceleistung der Fachhochschule - der individuellen Vorbereitung auf das Studium.

Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 19. November 2008 zugelassenen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. März 2008 den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 12. Dezember 2007 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm auch für den Monat September 2007 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 530,00 € zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und hält an ihrer Auffassung fest, dass der vom Kläger besuchte Mathematik-Vorkurs keinen Bestandteil des Studiums der Mittelstandsökonomie darstelle. Es handele sich um einen Kurs von Studierenden für Studierende.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Organisation, den Inhalt und den Zweck des Mathematik-Vorkurses an der Fachhochschule Kaiserslautern - Standort Zweibrücken - im September 2007 durch Vernehmung der Zeugin Dipl. Betriebswirtin R.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2009 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Monat September 2007 hat.

Gemäß § 15 Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - BAföG - wird Ausbildungsförderung vom Beginn des Monats geleistet, in dem die Ausbildung aufgenommen wird. Dies beurteilt sich im vorliegenden Fall des Beginns eines Ausbildungsabschnitts nach der Legaldefinition des § 15 b Abs. 1 BAföG. Danach gilt die Ausbildung im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes als mit dem Anfang des Monats aufgenommen, in dem Unterricht oder Vorlesungen tatsächlich begonnen werden.

Die vorgenannte Vorschrift hat ihre Fassung - als § 15 a Abs. 1 BAföG - durch das Siebente Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 13. Juli 1981 (BGBl. I S. 625) gefunden. Ausbildungsförderung wird seit ihrem Inkrafttreten nicht mehr vom verwaltungsmäßigen, sondern frühestens vom tatsächlichen Beginn des Unterrichts bzw. der Vorlesungen an geleistet. Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass der Auszubildende erst von diesem Zeitpunkt an seine Arbeitskraft für die Ausbildung einsetzt (BT-Drs. 9/410, S. 13).

Die Bestimmung bewirkt somit einen Einklang mit § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG, wonach Ausbildungsförderung nur geleistet wird, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Es kommt demnach vorliegend nicht darauf an, dass das Wintersemester 2007/2008 verwaltungsmäßig bereits am 1. September 2007 anfing.

Für die Feststellung des tatsächlichen Beginns im Sinne des § 15 b Abs. 1 BAföG ist auf den jeweiligen konkreten Ausbildungsgang abzustellen (Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Loseblatt, § 15 b Rn. 4.1 [Stand Dezember 2000]). Ein wesentlicher Anhaltspunkt für den Beginn ergibt sich aus dem Datum, zu dem die Ausbildungsstätte Unterricht bzw. Vorlesungen erstmals anbietet. Als "Unterricht" - dieser betrifft in erster Linie den Besuch von Schulen - und "Vorlesungen" - diese beziehen sich in erster Linie auf den Besuch von Hochschulen - sind solche Veranstaltungen zu verstehen, in denen planmäßig und geordnet die für den jeweiligen Ausbildungsgang maßgeblichen Kenntnisse oder Fertigkeiten vermittelt werden (OVG NRW, FamRZ 1994, 1359 [1360] unter Hinweis auf Tz. 7.1.1 BAföGVwV [GMBl. 1991, S. 770]; ebenso Rothe/Blanke, a.a.O.).

Wesentliche Indizien hierfür sind die Bezeichnung der Veranstaltung als Unterricht oder Vorlesung sowie eine Teilnahmeempfehlung durch die Ausbildungsstätte selbst. Dies ergibt sich aus Folgendem: Das Bundesausbildungsförderungsgesetz dient der Verwirklichung der Chancengleichheit im Bildungswesen, indem es nach seinem § 1 dem Auszubildenden individuelle Ausbildungsförderung gewährt, wenn ihm die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (BVerwG, FamRZ 1993, 1376 [1377]; vgl. auch BVerfGE 96, 330 [331]). Es zielt nicht auf eine Begabtenförderung ab, es ist vielmehr als Sozialleistung zum Ausgleich einer mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu begreifen. Vor diesem Hintergrund soll es nicht auf das Bildungssystem einwirken, sondern ihm neutral gegenüberstehen (Rothe/Blanke, a.a.O., Einführung Rn. 2.2 [Stand April 2000]). Mit dieser Vorgabe wäre es grundsätzlich unvereinbar, wenn das Amt für Ausbildungsförderung seine Einschätzung über die Qualifizierung und den Inhalt einer Veranstaltung an die Stelle der hierfür verantwortlichen Ausbildungsstätte setzte.

Von geringerer Bedeutung wird demgegenüber in der Regel sein, ob die Teilnahme an einer Veranstaltung der Ausbildungsstätte verpflichtend ist. Zwar legt eine Teilnahmepflicht die Annahme nahe, dass es sich um Unterricht bzw. Vorlesungen im Sinne des § 15 b Abs. 1 BAföG handelt. Die Freiwilligkeit schließt indessen das Vorliegen einer solchen Veranstaltung nicht aus. Denn gerade im Hochschulbereich ist es üblich, dass der Besuch bestimmter Lehrveranstaltungen nicht verpflichtend ist, obwohl dort unzweifelhaft für die Ausbildung wichtige oder zumindest nützliche Inhalte vermittelt werden (OVG NRW, a.a.O.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze begannen für die Studienanfänger die Lehrveranstaltungen im Studiengang "Mittelstandsökonomie" nach § 15 b Abs. 1 BAföG nicht bereits mit dem Mathematik-Vorkurs im September 2007, sondern - entsprechend dem Zeitplan der Fachhochschule - erst am 1. Oktober 2007.

Gegen eine Einordnung des Vorkurses als Unterricht bzw. Vorlesung im Sinne des § 15 b Abs. 1 BAföG spricht zunächst in formaler Hinsicht, dass die Fachhochschule ihn nicht entsprechend bezeichnet. Sie begreift ihn aber auch der Sache nach nicht als offizielle Lehrveranstaltung des Studiengangs "Mittelstandsökonomie". Sie übernimmt lediglich die Verantwortung für den äußeren Rahmen des Kurses, indem sie die Studienanfänger in den Zulassungsbescheiden auf ihn hinweist, die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, ein Skript druckt, das von den Kursteilnehmern erworben werden kann, und die Tutoren entlohnt. Der Mathematik-Vorkurs geht insoweit zwar über eine rein private gemeinschaftliche Vorbereitung von Studierenden auf ihr Studium hinaus. Die Fachhochschule nimmt jedoch - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - keinen maßgeblichen Einfluss auf die Kursinhalte, wie es jedoch erforderlich wäre, damit der Kurs als Veranstaltung gemäß § 15 b Abs. 1 BAföG verstanden werden könnte. Wie die Zeugin Dipl. Betriebswirtin R., die mehrere Jahre bis zum Sommersemester 2007 für die Organisation des Vorkurses verantwortlich war, angegeben hat, beschränkt sich die Verantwortung der Fachhochschule bezüglich des Kursinhalts auf die Auswahl der Tutoren. Hierbei handelt es sich um leistungsstarke Studierende höheren Semesters, welche die Kursleitung auf Anfrage eines Hochschullehrers übernehmen. Besondere Vorgaben erhalten sie hierfür nicht. Eine Überprüfung des Kursinhalts und seiner Qualität findet anders als bei den übrigen Veranstaltungen der Fachhochschule nicht statt. Selbst das Skript, das die Kursteilnehmer erwerben können, stammt nicht von einem Hochschullehrer, sondern von einem ehemaligen Tutor. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung aus eigener Anschauung bestätigen konnte, wird es von den Tutoren nicht einmal als verbindliche Vorgabe für den Vorkursinhalt angesehen. Auch indem die Fachhochschule die Teilnahme nicht allgemein offiziell empfiehlt, bringt sie zum Ausdruck, dass sie den Mathematik-Vorkurs nicht als Teil ihrer Lehrveranstaltungen verstanden wissen will. Sie weist lediglich auf seine Existenz in den Zulassungsbescheiden hin. Der Rat, am Kurs teilzunehmen, wird nur auf ausdrückliches Nachfragen bestimmten Studienanfängern erteilt, nämlich denjenigen, die keinen Mathematik-Leistungskurs in der Schule besucht haben. Aus dem vom Fachbereich Informatik durchgeführten Mathematik-Vorkurs kann der Kläger schließlich nichts für seine Position herleiten. Dieser Kurs unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Vorkurs des Fachbereichs Betriebswirtschaft. Er wird von Hochschullehrern gehalten und auf den Internetseiten des Fachbereichs Informatik ausdrücklich beworben. Auch in Abgrenzung hierzu erweist sich der vom Kläger besuchte Mathematik-Vorkurs vornehmlich als Hilfsangebot von Studierenden für Studierende und somit nicht als Lehrveranstaltung der Ausbildungsstätte, die den Anforderungen des § 15 b Abs. 1 BAföG entspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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