Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 7 B 11227/08.OVG
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 16
AufenthG § 16 Abs. 1
AufenthG § 16 Abs. 2
AufenthG § 16 Abs. 2 Satz 1
1. Der Inhalt des Aufenthaltszwecks des Studiums wird maßgeblich durch die Fachrichtung bestimmt. Bei einer Änderung der Fachrichtung liegt daher grundsätzlich ein Wechsel des Aufenthaltszwecks vor.

2. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist bei einem Fachrichtungswechsel nicht allein schon dann entgegen der Regel des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG möglich, wenn das Studium innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von 10 Jahren abgeschlossen werden kann.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

7 B 11227/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Aufenthaltserlaubnis (Weißrussland) hier: aufschiebende Wirkung

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 10. Dezember 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 20. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, das der Senat allein berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der angegriffene Widerruf der der Antragstellerin nach § 16 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis seine Rechtsgrundlage in der Bestimmung des § 52 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG findet. Danach kann eine nach § 16 Abs. 1 AufenthG zum Zweck des Studiums erteilte Aufenthaltserlaubnis widerrufen werden, wenn der Ausländer unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Studiendauer an der betreffenden Hochschule im jeweiligen Studiengang und seiner individuellen Situation keine ausreichenden Studienfortschritte macht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen vor. Die Antragstellerin ist seit dem Sommersemester 2003 als Studentin an der Fachhochschule K. im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen immatrikuliert und hat nach Auskunft der Fachhochschule bis einschließlich Sommersemester 2008, ihrem 11. Fach- und Hochschulsemester, keinerlei Leistungsnachweise erbracht. Der Senat teilt auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die von der Antragstellerin geltend gemachte Einschränkung durch ihre Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes am 8. November 2006 sowie die sich - nach der Freigabe des Kindes zur Adoption - anschließende Erkrankung wegen Depressionen und Kreuzschmerzen jedenfalls nicht erklärt, weshalb sie von 2003 bis 2006 keinerlei Studienfortschritte gemacht hat. Auf dessen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht hat sodann angenommen, Ermessensfehler der Widerrufsentscheidung seien nicht ersichtlich, insbesondere könne der Antragstellerin nach § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für ein anderes Studium keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Nach dieser Bestimmung soll während des Aufenthalts nach Absatz 1 in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht.

Diesbezüglich macht die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend: Ein Wechsel des Aufenthaltszwecks liege grundsätzlich dann nicht vor, wenn einer der Zwecke des § 16 Abs. 1 AufenthG weiterverfolgt werde. Dies sei bei einem Fachrichtungswechsel zu bejahen. Ein Fachrichtungswechsel sei zugelassen, wenn das Studium innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden könne. Sie beabsichtige, den Studiengang zu wechseln und zum 1. April 2009 ein Lehramtsstudium an der Universität L. aufzunehmen, dessen Regelstudienzeit sechs Semester betrage, sodass sie die Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht überschreiten würde. Für dieses Studium sei die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis daher durchaus möglich.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Inhalt des Aufenhaltszwecks des Studiums wird maßgeblich durch die Fachrichtung (Studiengang und gegebenenfalls Studienfächer) bestimmt. Bei einer Änderung der Fachrichtung liegt daher entgegen der Auffassung der Antragstellerin grundsätzlich ein Wechsel des Aufenthaltszwecks vor (vgl. Nr. 16.2.4 und 16.2.5 Satz 1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz - VAH -; BayVGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2007 - 24 CS 06.3454 -, juris, Rn. 13 und vom 15. Januar 2008 - 10 CS 07.3104 -, juris, Rn. 7; VGH BW, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 13 S 2774/07 -, juris; Hamb OVG, Beschluss vom 30. Mai 2007 - 3 Bs 390/05 -, juris, Rn. 7; Walther, in: GK-AufenthG, Stand August 2008, § 16 AufenthG Rn. 18; Renner, AuslR, 8. Auflage 2005, § 16 AufenthG Rn. 17).

Nicht als Zweckwechsel angesehen wird hingegen eine bloße Schwerpunktverlagerung, bei der die betroffenen Studiengänge bis zum Wechsel identisch sind oder die im zunächst durchgeführten Studiengang verbrachten Semester auf den anderen Studiengang voll oder überwiegend angerechnet werden (vgl. Nr. 16.2.6 VAH; BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2008, a.a.O.). Zugelassen wird in der Praxis auch ein Fachrichtungswechsel innerhalb der ersten 18 Monate nach Beginn des Studiums (vgl. Nr. 16.2.5 Satz 2 VAH). Die Gewährung einer solchen "Orientierungsphase" kann als Ausnahme von der Regelversagung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verstanden werden (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2008, § 16 AufenthG, Rn. 49). Gleiches gilt bei einem späteren Fachrichtungswechsel, wenn die bisherigen Studienleistungen soweit angerechnet werden, dass sich die Gesamtstudiendauer um nicht mehr als 18 Monate verlängert (vgl. Nr. 16.2.5 Sätze 3 und 4 VAH).

Danach stellt der beabsichtigte Studiengangwechsel der Antragstellerin eine Änderung des Aufenthaltszwecks dar. Eine bloße Schwerpunktverlagerung oder eine der genannten Ausnahmen liegt nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei einem Fachrichtungswechsel auch nicht allein schon dann entgegen der Regel des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG möglich, wenn das Studium innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden kann. Dem in Nr. 16.2.5 Satz 5 VAH enthaltenen Hinweis, dass ein (weiterer) Studiengang- oder Studienfachwechsel nur zugelassen ist, wenn das Studium innerhalb dieses Zeitraums abgeschlossen werden kann, lässt sich dies nicht entnehmen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2008, a.a.O.). Dafür spricht vor allem, dass es anderenfalls der differenzierenden Regelung in Nr. 16.2.5 Sätze 2 bis 4 VAH für die Fälle eines Fachrichtungswechsels innerhalb der ersten 18 Monate nach Beginn des Studiums und eines späteren Fachrichtungswechsels bei Verlängerung der Gesamtstudiendauer um nicht mehr als 18 Monate nicht bedurft hätte. Das Nichtüberschreiten der Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren ist daher nach Auffassung des Senats nicht ausreichend, um eine Ausnahme von der Regelversagung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Falle eines Fachrichtungswechsels zu begründen. Der Höchstaufenthaltsdauer von 10 Jahren ist vielmehr lediglich die Bedeutung eines grundsätzlich zusätzlich zu berücksichtigenden Kriteriums zuzumessen, sei es bei der Prüfung eines Ausnahmefalls, sei es im Rahmen des bei Bejahung eines Ausnahmefalls eröffneten Ermessens (vgl. Renner, a.a.O., Rn. 18).

Selbst wenn jedoch der Auffassung der Antragstellerin zu folgen sein sollte und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen der Regel des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG schon dann möglich wäre, wenn das Studium innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden kann, ergibt sich vorliegend im Ergebnis nichts anderes. Denn die Antragstellerin vermag mit der Beschwerdebegründung nicht hinreichend darzulegen, dass hier ein solcher Fall gegeben ist. Zwar würde die Antragstellerin, die sich seit Januar 2003 in Deutschland aufhält, die Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht überschreiten, wenn sie das zum 1. April 2009 beginnende Studium an der Universität L. tatsächlich innerhalb der von ihr angegebenen Regelstudienzeit von sechs Semestern abschließen kann. Bei der hier anzustellenden Prognose ist indes nicht allein die Regelstudienzeit zu berücksichtigen, sondern auch die bisherigen Studienleistungen und sonstige ausbildungsrelevante Umstände. Die Antragstellerin hält sich seit nahezu sechs Jahren im Bundesgebiet auf und ist seit dem Sommersemester 2003 als Studentin immatrikuliert, ohne einen einzigen Leistungsnachweis erbracht zu haben. Dieses Verhalten lässt, auch wenn man ihre Einschränkungen durch Schwangerschaft und Geburt im Jahre 2006 und die sich anschließende Erkrankung wegen Depressionen und Kreuzschmerzen berücksichtigt, auf den fehlenden Willen der Antragstellerin zur zügigen und planmäßigen Durchführung eines Studiums schließen. Darüber hinaus hat die Antragstellerin zwar behauptet, ihre psychische Verfassung habe sich verbessert, sie sei reifer geworden und motiviert, das nunmehr gewählte Studium erfolgreich abzuschließen. Nähere Angaben und ärztliche Atteste darüber, inwieweit sie heute nicht mehr an Depressionen leidet und ihre Studierfähigkeit nicht mehr eingeschränkt ist, fehlen jedoch. Angesichts des bislang gezeigten mangelnden Willens zur zielstrebigen Durchführung ihres Studiums und der seit Ende 2006 aufgetretenen Depressionen kann allein aufgrund der von der Antragstellerin behaupteten Verbesserung ihrer psychischen Verfassung und ihrer Motivation nicht davon ausgegangen werden, dass sie nunmehr willens und in der Lage ist, das beabsichtigte Studium zügig innerhalb der Regelstudienzeit abzuschließen.

Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe auch ein besonderes öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufes, wird von der Antragstellerin mit der Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogen.

Nach alledem zeigt die Beschwerdebegründung auch keine durchgreifenden Bedenken auf gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich der Abschiebungsandrohung sowie der hilfsweise beantragten einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Antragsgegnerin zur Unterlassung von Abschiebemaßnahmen zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück