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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 8 A 10279/07.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, LBauO, WEG


Vorschriften:

VwGO § 42
VwGO § 42 Abs. 2
LBauO § 70
LBauO § 70 Abs. 1
LBauO § 70 Abs. 1 Satz 2
WEG § 15
WEG § 15 Abs. 3
Ein Wohnungseigentümer kann öffentlich-rechtliche Abwehransprüche gegen eine auf das gemeinschaftliche Grundstück bezogene Baugenehmigung mangels eigener Rechtsverletzung nicht geltend machen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10279/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baurechts

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 10. Juli 2007, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richterin am Oberverwaltungsgericht Lang

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 13. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die an die beigeladene Bauträgerin gerichtete Nachtragsbaugenehmigung vom 22. Februar 2005 und den Bescheid über die Zulassung von Abweichungen und Befreiungen vom 23. September 2005 mit der Begründung abgewiesen, die Kläger könnten als Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht geltend machen, durch die das gemeinschaftliche Grundstück betreffenden Baubescheide in eigenen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO) verletzt zu sein. Rechtsverhältnisse unter Miteigentümern bzw. Abwehrrechte gegen Störungen durch Miteigentümer oder Dritte auf dem gemeinschaftlichen Grundstück seien nach der Rechtssprechung im Wohnungseigentumsgesetz besonders geregelt; hierdurch würden eventuelle öffentlich-rechtliche Abwehransprüche überlagert und verdrängt. Denn eine Baugenehmigung werde unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt. Dessen ungeachtet verletzten die angefochtenen Bescheide unter keinem denkbaren Gesichtspunkt subjektivöffentliche Rechte der Kläger.

An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen weder ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Denn es lässt sich bereits jetzt feststellen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts der rechtlichen Überprüfung standhält, ohne dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens - und sei es nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. hierzu Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 108) - erforderlich wäre.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, die Kläger könnten als Wohnungseigentümer nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die der beigeladenen Bauträgerin erteilten bauaufsichtlichen Genehmigungen betreffend das gemeinschaftliche Grundstück in eigenen Rechten verletzt zu sein. Gegenüber einem auf einem solchen Grundstück zu verwirklichenden baulichen Vorhaben ist für öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz einzelner Wohnungseigentümer kein Raum. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich Maßnahmen am Sondereigentum und auch am Gemeinschaftseigentum entschieden, unabhängig davon, ob die bauaufsichtliche Genehmigung einem Sondereigentümer, der Wohnungseigentümergemeinschaft oder einem dieser nicht angehörenden Dritten erteilt worden ist (vgl. insbesondere Urteil vom 04. Mai 1988, NJW 1988, 3279 und juris, Rn. 9; Urteil vom 12. März 1998, NVwZ 1998, 954 und juris, Rn. 18, 22 m.w.N.). Bezogen auf das gemeinschaftliche Grundstück stehen dem Miteigentümer danach keine öffentlichrechtlichen Abwehransprüche zu.

Ihren Grund findet diese - von dem Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich unbedenklich gehaltene - Rechtsprechung (vgl. Kammerbeschluss vom 07. Februar 2006, NVwZ-RR 2006, 726 und juris, Rn. 14 ff.) darin, dass der Sondereigentümer als Inhaber eines nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes besonders ausgestalteten Miteigentumsrechts in die Gemeinschaft der Eigentümer eingebunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998, a.a.O. und juris, Rn. 19). Juristisch steht dabei das Miteigentum im Vordergrund, das Sondereigentum bildet nur sein Anhängsel. Der Inhalt der sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten bestimmt sich grundsätzlich allein nach dem Wohnungseigentumsgesetz und demzufolge in erster Linie nach den zwischen den Wohungseigentümern geltenden besonderen Vereinbarungen und Beschlüssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998, a.a.O. und juris, Rn. 20). Konflikte zwischen Sondereigentümer und Eigentümergemeinschaft sowie zwischen einzelnen Sondereigentümern sind sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich anhand der im Wohnungseigentumsgesetz - insbesondere in § 43 - vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten zu lösen. Das Zivilrecht überlagert etwaige öffentlich-rechtliche Abwehransprüche. In die privatrechtlich ausgestaltete Rechtsbeziehung innerhalb der Miteigentümergemeinschaft greift die grundstücksbezogene Baugenehmigung nicht ein, da sie unbeschadet privater Rechte erteilt wird (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 2 LBauO) und gegenüber dem einzelnen Sondereigentümer keine öffentlich-rechtliche Wirkung entfaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Mai 1988, a.a.O. und juris, Rn. 12; Urteil vom 12. März 1998, a.a.O. und juris, Rn. 20). Der Miteigentümer kann ausschließlich zivilrechtlich Veränderungen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück verhindern, soweit er sie nicht nach den Sondervorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes hinzunehmen hat.

In der Versagung öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes liegt keine Verkürzung des Rechtsschutzes von Wohnungseigentümern, insbesondere bleibt der zivile Rechtsschutz inhaltlich nicht hinter dem Rechtsschutz zurück, der dem Wohnungseigentümer in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wäre es zulässig, gewährt werden könnte. Fehlen spezielle Vereinbarungen im Miteigentumsverhältnis, gelten im Zivilverfahren ergänzend auch die Normen des öffentlichen Baurechts, unabhängig davon, ob sie nachbarschützend sind oder nicht; aber auch dann besteht kein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998, a.a.O. und juris, Rn. 21, 25). Das öffentliche Recht beschränkendes Privatrecht kann jedoch bei der Prüfung der für das Grundstück geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften durch die Bauaufsichtsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht keine Berücksichtigung erfahren. Der Miteigentümer muss sich ggf. vor den Zivilgerichten zur Wehr setzen, wenn er der Auffassung ist, eine Beeinträchtigung seines Sonder- oder Miteigentums durch eine seiner Ansicht nach rechtswidrige Baugenehmigung habe zu unterbleiben. Gelingt es ihm nicht, seine Rechtsposition in der Miteigentümergemeinschaft durchzusetzen, bedeutet dies, dass der Miteigentümer auch eine baurechtswidrige Baugenehmigung hinnehmen muss. Dies hat seinen Grund in der Rechtsstellung als bloßer Miteigentümer des Grundstücks. Das Verhältnis der Miteigentümer untereinander wird vorrangig von privatrechtlichen Regelungen bestimmt, die einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch ausschließen, auch wenn das Sondereigentum mit in den Blick genommen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998, a.a.O. und juris, Rn. 23, 25). Entsprechendes gilt auch bei Miteigentümern von Grundstücken, bei denen kein Wohnungseigentum begründet wurde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 1988, NJW 1988, 2056 und juris, Rn. 3 f.; ebenso Urteil des Senats vom 08. Februar 1996 - 8 A 11238/96.OVG - zur Erbbauberechtigung).

Zur Begründung einer öffentlich-rechtlichen Abwehrposition können die Kläger auch nicht mit dem Vortrag Gehör finden, sie seien Rechtsnachfolger der beigeladenen Bauherrin - der ursprünglich alleinigen Grundstückseigentümerin - und hätten als Eigentümer für die erteilten Baugenehmigungen öffentlich-rechtlich einzustehen mit der Folge ihrer unmittelbaren Betroffenheit aus dem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Zunächst ist klarzustellen, dass nicht die Kläger, sondern die Miteigentümergemeinschaft durch Übertragung des Eigentums am Baugrundstück Rechtsnachfolgerin der Beigeladenen ist oder ggf. noch zu einem späteren Zeitpunkt werden wird; die Eigentumswohnung ist auch baurechtlich nicht als selbständiges Teilgrundstück anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998, a.a.O. und juris, Rn. 19). Es ist die Miteigentümergemeinschaft, auf die die Rechte und Pflichten aus den erteilten Genehmigungen übergehen (§ 70 Abs. 1 Satz 2 LBauO), wenngleich während der Errichtungsphase einer baulichen Anlage der Bauherr verantwortlich ist für die Einhaltung öffentlich-rechtlicher (Bau)Vorschriften (vgl. § 54 Abs. 1 LBauO). Die Rechtsnachfolge führt also rechtlich zu keiner anderen Situation, als wenn die angegriffenen Baugenehmigungen von Anfang an der Miteigentümergemeinschaft gegenüber ergangen wären. Den Ausschluss eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Abwehr der einer Wohnungseigentümergemeinschaft erteilten Baugenehmigung hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch, weil nur Miteigentumsrechte betroffen sein können, schon früher - wie dargestellt - angenommen (vgl. Urteil vom 04. Mai 1988, a.a.O. und juris, Rn. 9, 11 ff.). Eine solche Baugenehmigung entfaltet ihre öffentlichrechtliche Wirkung gegenüber der Miteigentümergemeinschaft - d.h. sie muss von ihr beachtet werden -, auch wenn der einzelne Miteigentümer sie nicht gegen sich gelten lassen muss (s.o., vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1990, NVwZ 1990, 655 und juris, Rn. 6). Gelingt es ihm jedoch nicht, innerhalb der Miteigentümergemeinschaft eine Klärung oder Lösung des Konflikts in seinem Sinne herbeizuführen (hier ggf. eine Entscheidung der Miteigentümergemeinschaft, bei der Baubehörde eine Abänderung der ergangenen Nachtrags-, Auflagen- und Befreiungsgenehmigungen zu erreichen), so bedeutet dies, dass die Miteigentümer auch eine baurechtswidrige Nutzung hinzunehmen haben (s.o.). Auf eine Verletzung des (Sonder)Eigentumsrechts können sie sich ebenfalls nicht berufen. Ggf. steht im vorliegenden Fall den Klägern als Sondereigentümern darüber hinaus der Weg offen, gegen den Bauträger vorzugehen, der ihnen eine Wohnung übertragen hat, bei der vertragswidrig Abstellräume kleiner ausfallen, Standorte von Stellplätzen und Müllbehältern ausgewechselt und barrierefreie Zugangsmöglichkeiten zum Haus verändert werden.

Steht den Klägern gegen die Baugenehmigungen kein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch zur Seite, sind sie auch nicht klagebefugt, soweit sie isoliert die Widerspruchsbescheide wegen gegenüber den angefochtenen Genehmigungen zusätzlicher selbständiger Beschwer anfechten (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen rechtfertigen auch keine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Aus vorstehenden Ausführungen sowie dem angegriffenen Urteil ergibt sich, dass es Fragen sind, deren Beantwortung sich entweder unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder höchstrichterlich geklärt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kläger auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese mit der Antragstellung selbst ein Kostenrisiko eingegangen sind (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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