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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 8 A 10334/04.OVG
Rechtsgebiete: AuslG, GFK, AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 51
AuslG § 51 Abs 1
GFK Art 1 A
AuslG § 53
AuslG § 53 Abs 6
AuslG § 53 Abs 6 S 1
AuslG § 53 Abs 6 S 2
AuslG § 54
AsylVfG § 78
AsylVfG § 78 Abs 3
AsylVfG § 78 Abs 3 Nr 1
Die Frage, ob zugunsten aller im Ausland lebenden Iraker derzeit wegen der Sicherheitslage im Irak ein Abschiebungshindernis eingreift, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie sowohl hinsichtlich des § 51 Abs. 1 AuslG als auch hinsichtlich des § 53 Abs. 6 AuslG bereits auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und der vorhandenen Rechtsprechung ohne weiteres zu verneinen ist.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10334/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Asylrechts und Abschiebungsandrohung (Irak)

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 26. Februar 2004, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Januar 2004 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 AsylVfG liegen nicht vor.

Der Frage,

"ob zum jetzigen Zeitpunkt rechtskräftig darüber entschieden werden kann, dass irakische Staatsangehörige, die im Ausland um Schutz nachsuchen, zum jetzigen Zeitpunkt in ihre Heimat zurückgeschickt werden können"

kommt nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Sollte sie schon die Möglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungshindernissen für im Ausland befindliche Iraker angesichts der derzeitigen Verhältnisse im Irak in Frage stellen wollen (s. dazu S. 3, 3. Absatz des Zulassungsantrages), würde sie sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Denn dieses Verfahren dient ausschließlich dazu, eine solche Entscheidung zu treffen und ermöglicht es nicht, wegen unklarer Verhältnisse von jeglicher Entscheidung abzusehen.

Sollte die Frage darauf abzielen, ob hinsichtlich sämtlicher in Deutschland weilender Iraker angesichts der derzeitigen Verhältnisse im Irak ein vom Gericht zu berücksichtigendes Abschiebungshindernis besteht, bedürfte es zu ihrer Beantwortung nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Denn eine solche Frage lässt sich ohne weiteres aufgrund des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung beantworten.

Ein Abschiebungshindernis wegen drohender politischer Verfolgung gemäß § 51 Abs. 1 AuslG bestünde hinsichtlich aller im Ausland weilenden irakischen Staatsbürger auch dann nicht, wenn es derzeit im Irak eine Staatsgewalt gäbe und diese - wie der Kläger meint - schutzunfähig wäre. Schutzunfähigkeit des Staates begründet nur dann die Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung, wenn sie sich auf Verfolgungsmaßnahmen Dritter bezieht, die ihrerseits politischen Charakter im Rechtssinne aufweisen (s. schon BVerwG, Urteil vom 2. August 1983, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 12). Daran fehlt es bei den vom Kläger in Bezug genommenen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Bombenattentate und schwere Übergriffe, die seiner Ansicht nach zu einem rechtsfreien Raum geführt haben, in dem sich der einzelne Bürger auf der Straße nicht mehr sicher fühlen kann (S. 4 des Zulassungsantrages). Zwar wirkt sich die Unfähigkeit der Besatzungsverwaltung sowie der irakischen Übergangsregierung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausreichend zu garantieren, potentiell auf jeden zurückkehrenden Iraker aus; die Betroffenheit hiervon findet ihren Grund indessen nicht in für eine politische Verfolgung relevanten persönlichen Merkmalen des Rückkehrers. Ob ein Rückkehrer aus politischen Gründen im Irak einer Verfolgung durch Dritte ausgesetzt ist, kann daher nicht generell geklärt werden, sondern hängt vielmehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, es komme nach Art. 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention für die Annahme politischer Verfolgung nicht auf deren Zurechenbarkeit zum Staat an (s. S. 5 f. des Zulassungsantrages), ist eine grundsätzliche Bedeutung ebenfalls nicht erkennbar. Die Frage ist bereits höchstrichterlich (s. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1994, BVerwGE 95, 42) dahingehend geklärt, dass diese Vorschrift der Genfer Flüchtlingskonvention nach dem im Jahre 1953 von Deutschland ratifizierten und in innerstaatliches Recht transformierten Rechtsstand lediglich vor staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Verfolgung, nicht aber vor Beeinträchtigungen im Zustand faktischer Anarchie schützt.

Die Gefahren, die für alle Rückkehrer von der allgemeinen Unsicherheit im Irak ausgehen, erfüllen auch nicht den Tatbestand eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 AuslG. Schon aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass insoweit allenfalls ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG in Betracht zu ziehen wäre. Die Frage, ob wegen der gefährdeten inneren Sicherheit im Irak Abschiebungen dorthin zu unterbleiben haben, unterliegt jedoch nicht der Entscheidung des Gerichts, da es sich dabei um eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG handelt, die nur Gegenstand einer politischen Entscheidung über einen Abschiebestopp nach § 54 AuslG sein kann. Nach der bisher ergangenen und veröffentlichten, einhelligen Rechtsprechung (s. VG Ansbach, Urteil vom 26. Januar 2004 - AN 4 K 03.31924 -; Bay. VGH, Urteile vom 13. November 2003 - 15 B 02.31751 - und - 15 B 01.30114 -; OVG Schleswig, Urteil vom 30. Oktober 2003 - 1 LB 39/03 -, S. 6f. UA) erreichen die Gefahren, die von der derzeitigen Sicherheitslage im Irak für Rückkehrer ausgehen, auch nicht ein Ausmaß, in dem jede Abschiebung den Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde. Nur dann aber wäre diese allgemeine Gefahr aus verfassungsrechtlichen Gründen durch die Gerichte bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses zu berücksichtigen (s. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001, DVBl. 2001, 1531 m.w.N.; st. Rspr.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG.



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