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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: 8 A 10366/04.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, AGVwGO


Vorschriften:

VwGO § 42
VwGO § 42 Abs. 1
VwGO § 68
VwGO § 88
AGVwGO § 7
1. Der Kreis- oder Stadtrechtsausschuss als Widerspruchsbehörde (§ 7 Abs. 1 AGVwGO RhPf) ist zu einer reformatio in peius, also zu einer "Verböserung" des angegriffenen Ausgangsbescheides, grundsätzlich nicht befugt. Eine über die Rechtsschutzfunktion hinausgehende objektive Kontrollfunktion hat der Rechtsausschuss grundsätzlich nicht (im Anschluss an OVG RhPf, Urteil vom 8. Mai 1961, AS 8, 273 [279]).

2. Im Verfahren der Verpflichtungsklage ist das Verwaltungsgericht durch die Bindung an das Klagebegehren (§ 88 VwGO) an einer reformatio in peius regelmäßig ebenfalls gehindert.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 10366/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Ausstellung einer Bescheinigung über die Rückübertragung einer Milchreferenzmenge

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Oberstabsfeldwebel a.D. Stöß ehrenamtlicher Richter Fernmeldeoberamtsrat a.D. Trost

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2003 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier wird der Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2002 aufgehoben, soweit durch ihn die mit den Bescheiden vom 7. Februar 2001 und 21. Juni 2001 als am 1. April 2002 übergegangen bescheinigte Referenzmenge von 6.119 kg auf 5.077 kg verringert wird. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 7. Februar 2001 und 21. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2002 verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass bereits zum 1. November 2001 eine Milchreferenzmenge in Höhe von 4.023 kg mit einem Basisfettgehalt von 3,55 % vom Beigeladenen auf die Klägerin übergegangen ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten beider Rechtszüge haben die Klägerin 7/8 und der Beklagte und der Beigeladene jeweils 1/16 zu tragen. Der Beklagte und der Beigeladene tragen je 1/16 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin; diese trägt 7/8 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Bescheinigung für den Übergang einer Milchreferenzmenge.

Der Beigeladene war als Milcherzeuger seit Anfang der 1970er Jahre Pächter der Flurstücke Gemarkung Ü. - A. Flur ... Nr. ... mit 0,8444 ha, Flur ... Nr. ... mit 1,2434 ha, Flur ... Nr. ... mit 0,2175 ha, Flur ... Nr. ... mit 0,7710 ha, Flur ... Nr. ... mit 0,8763 ha und Flur ... Nr. ... mit 0,5947 ha, also von zusammen 4,4573 ha.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. September 1997 erwarb die Klägerin diese Grundstücke. Am 13. März 1999 beantragte sie die Bescheinigung des Übergangs der auf diesen Grundstücken ruhenden anteiligen Milchreferenzmenge vom Beigeladenen auf sie selbst. Sie teilte mit Schreiben vom 25.11.1998 mit, das Flurstück Flur ... Nr. ... bewirtschafte sie seit dem 1. November 1998 selbst, die übrigen Flurstücke würden weiter vom Beigeladenen bewirtschaftet. Dafür habe sie aber Tauschflächen erhalten, so dass sie 3,0614 ha bewirtschafte. Mit Schreiben vom 5. November 1999 kündigte die Klägerin den Pachtvertrag bezüglich der restlichen 5 Grundstücke zum 1. Oktober 2001. Zu diesem Termin wurde jedoch nur das Flurstück Flur ... Nr. ... zurückgegeben. Die übrigen Flurstücke wurden weiterhin von dem Beigeladenen genutzt

Am 21. September 2000 schloss die Klägerin einen notariellen Tauschvertrag, mit dem sie unter anderem die Flurstücke Flur ... Nr. ..., Flur ... Nr. ..., Flur ... Nr. ... und Flur ... Nr. ... an die Ortsgemeinde Ü. veräußerte. Es wurde vereinbart, dass ein auf diesen Grundstücken ruhendes Milchkontingent der Klägerin von der Ortsgemeinde Ü. unentgeltlich an den Ehemann der Klägerin abgetreten werde.

Mit Bescheinigung vom 7. Februar 2001 bestätigte der Beklagte, eine Referenzmenge von 6.754 kg sei vom Beigeladenen auf die Klägerin zum 1. April 2002 übergegangen. Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein. Sie machte geltend, Übertragungszeitpunkt sei der Zeitpunkt des Besitzwechsels. Überdies stehe dem Beigeladenen kein Pächterschutz zu, weil er die Flächen freiwillig zurückgewährt habe. Das Flurstück Flur ... Nr. ... bewirtschafte sie seit November 1998 selbst. Die übrigen 5 Flurstücke seien in einen Pflugtausch mit dem Beigeladenen eingebracht worden.

Mit Änderungsbescheid vom 21. Juni 2001 zur Übertragungsbescheinigung vom 7. Februar 2001 wurde die Referenzmenge auf 6.119 kg vermindert. Durch Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2002 verringerte der Kreisrechtsausschuss die übergegangene Referenzmenge weiter auf 5.077 kg und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Es sei von einer Milchreferenzmenge von 2744 kg/ha für die von der Klägerin gekündigte Fläche von 3,7029 ha auszugehen, also von 10153 kg, wovon der Klägerin wegen des Pächterschutzes nur die Hälfte zustehe.

Mit ihrer am 21. März 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei nicht nur Besitzerin des Flurstückes Flur ... Nr. ... gewesen, sondern auch der übrigen, in einen Pflugtausch einbezogenen 5 Flurstücke. Zumindest für eine "juristische Sekunde" sei damit der Besitz, an den der Übergang der Referenzmenge anknüpfe, auf sie übergegangen. Pächterschutz bestehe nicht, da der Beigeladene die Grundstücke freiwillig herausgegeben habe. Sie sei seit 1999 selbständige Milcherzeugerin und benötige die Referenzmenge zum Ausbau des Betriebes.

Sie hat beantragt,

unter teilweiser Aufhebung und Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 7. Februar 2001 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. Juni 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2002 den Beklagten zu verpflichten, ihr über die bescheinigten 5.077 kg hinaus die Übertragung einer Milchreferenzmenge von insgesamt 13.508 kg zum 1. November 1998, hilfsweise zum 1. November 2001, zu bescheinigen.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass zum 1. November 2001 eine Milchreferenzmenge in Höhe von 2.695,4 kg mit einem Basisfettgehalt von 3,55 % vom Beigeladenen auf die Klägerin übergegangen ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zum 1. November 1998 sei lediglich das Flurstück Flur ... Nr. ... mit 0,8444 ha an die Klägerin aufgrund des Pachtvertrages zurückgegeben worden. Damit sei kein Referenzmengenübergang eingetreten, weil diese Fläche kleiner als die Mindestfläche von 1 ha gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 MGV sei. Die übrigen Flurstücke seien im unmittelbaren Besitz des Beigeladenen verblieben. Daran ändere auch der vorgenommene Pflugtausch nichts, weil es allein auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse ankomme. Zum 1. November 2001 sei dagegen eine Referenzmenge von 2.695,4 kg mit einem Referenzfettgehalt von 3,55 % vom Beigeladenen auf die Klägerin übergegangen. Der Beigeladene habe zum 1. November 2001 das Flurstück Flur ... Nr. ... mit 1,2434 ha an die Klägerin übergeben. Wegen des Pächterschutzes sei die Hälfte der darauf entfallenen Referenzmenge bei ihr verblieben. Von der zweiten Hälfte seien 33 % zu Gunsten der Reserve des Landes freizusetzen, so dass 1.143 kg übergegangen seien. Da damit aber insgesamt die 1 ha-Grenze überschritten worden sei, sei auch die nach einem Abzug von 33 % verbleibende Referenzmenge aus der Rückgabe des Flurstückes Flur ... Nr. ... zu berücksichtigen, nämlich 1.552,4 kg, so dass ein Übergang von 2.695,4 kg zu bescheinigen sei. Eine Übergabe der übrigen 4 Flurstücke an die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt, auch nicht im Rahmen des Pflugtausches.

Ihre - vom Senat zugelassene - Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Weder der Kreisrechtsausschuss noch das Verwaltungsgericht hätten die zuletzt auf 6119 kg festgesetzte Referenzmenge zu ihrem Nachteil abändern dürfen. Im Übrigen seien die streitbefangenen Flächen zunächst für eine "logische Sekunde" in ihren mittelbaren Besitz zurückgefallen, bevor sie in den Pflugtausch eingebracht worden seien. Dies habe zum Übergang der Referenzmenge genügt. Es könne nicht sein, dass der Beigeladene ihre Milchreferenzmenge, die auf von ihm im Rahmen des Pflugtausches genutzten Flächen ruhe, nutzen könne, und gleichzeitig die Referenzmenge, die auf Flächen ruhe, die er ihr zur Nutzung überlassen habe. Außerhalb des Verfahrens nach der Zusatzabgabenverordnung seien 33 % der zurück zu gewährenden Referenzmenge zu Gunsten der Reserve freigesetzt worden, obwohl der Abzug nach § 12 Abs. 4 Nr. 3 ZAV für sie nicht gelte. Rechtliches Gehör sei ihr dazu nicht gewährt worden. Dem Beigeladenen sei fehlerhaft Pächterschutz eingeräumt worden, obwohl zum maßgeblichen Zeitpunkt am 1. November 2001 bereits die ZAV gegolten habe, die lediglich ein Übernahmerecht des Pächters vorsehe, von dem der Beigeladene keinen Gebrauch gemacht habe. Abgesehen davon habe der Kläger den Pächterschutz wegen einer freiwilligen Einigung über die Rückgabe der Flächen verloren. Dies gelte zumindest für das Flurstück Flur ... Nr. ....

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils und unter teilweiser Aufhebung und Abänderung des Bescheides vom 7. Februar 2001 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. Juni 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2002 den Beklagten zu verpflichten, ihr über die mit Änderungsbescheid vom 21. Juni 2001 bescheinigten 6.119 kg hinaus die Übertragung einer Milchreferenzmenge von insgesamt 13.508 kg zum 1. November 1998, hilfsweise zum 1. November 2001, zu bescheinigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass er die im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Verschlechterung zum Nachteil der Klägerin nicht veranlasst habe.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, die Klage sei insgesamt abzuweisen. Im Übrigen werde auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen, die in vollem Umfang zuträfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nur mit dem Hilfsantrag teilweise begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Bescheinigung über den Übergang einer Milchreferenzmenge von dem Beigeladenen auf sie zum 1. November 1998. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Rechtsgrundlage ist § 9 Abs. 1 Ziffer 1 der Milchgarantiemengenverordnung vom 31. März 1994 - MGV - (BGBl. I S. 586) i.d.F. der 33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996 (BGBl. I S. 535), wie sich aus § 28 a der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung - ZAV -) vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) ergibt. Der Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung folgt aus der Verpflichtung des Milcherzeugers gemäß § 9 Abs. 1 MGV, dem Käufer bei einem Übergang von Referenzmengen durch eine von der zuständigen Landesstelle ausgestellte, mit Gründen versehene Bescheinigung nachzuweisen, welche Referenzmengen zu welchem Zeitpunkt von welchem Milcherzeuger mit welchem Referenzfettgehalt auf ihn übergegangen sind. Nach § 7 Abs. 2 und 4 MGV geht eine entsprechende Referenzmenge auf den Verpächter über, wenn Teile eines Betriebes aufgrund eines Pachtvertrages übergeben waren und von dem Pächter an den Verpächter zurückgewährt werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn die übertragene Fläche kleiner als 1 ha ist. Danach ist hier zum 1. November 1998 keine Referenzmenge auf die Klägerin übergegangen. Zwar hat der Beigeladene in diesem Zeitpunkt das von ihm gepachtete Flurstück Flur ... Nr. ... mit 0,8444 ha an die Klägerin, die das Grundstück gekauft hatte, zurückgegeben. Da das Grundstück aber kleiner als 1 ha ist, ging keine Referenzmenge über (§ 7 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 MGV).

Entgegen der Ansicht der Klägerin wurden auch keine weiteren von dem Pächter gepachteten Grundstücke der Klägerin an sie zurückgewährt. Vielmehr wurden diese weiter von dem Beigeladenen bewirtschaftet. Wenn die Bewirtschaftung durch den Beigeladenen aufgrund einer neuen Vereinbarung fortgesetzt wurde, wie die Klägerin vorträgt, so ist jedenfalls zum 1. November 1998 keine Rückgewähr der Grundstücke aufgrund des Pachtvertrages erfolgt. Der Sinn dieser Vereinbarung war gerade, dass der Beigeladene diese Grundstücke weiter nutzen konnte. Die Darstellung der Klägerin, der Besitz an den Grundstücken sei zumindest für eine "logische Sekunde" an sie zurückübertragen worden und dann von Neuem dem Beigeladenen überlassen worden, überzeugt nicht. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine derartige Auslegung, die auch lebensfremd erscheint. Selbst wenn der bestehende Pachtvertrag einvernehmlich beendet worden wäre, was nicht anzunehmen ist, würde der bloße Ablauf des Pachtvertrages keinen Referenzmengenübergang bewirken, da der Pächter dem Verpächter den unmittelbaren Besitz an den Grundstücken vorenthalten hat. Denn maßgeblich ist der Wechsel des Besitzes. Bleibt der Pächter im Besitz des Grundstückes, verbleibt die Referenzmenge beim unmittelbaren Besitzer. Dieses Ergebnis kann auch nicht durch Parteivereinbarungen abbedungen werden (BVerwG, Urteil vom 1. September 1994 - 3 C 1.92 -, BVerwGE 96, 337 bis 347).

Es ist auch kein Referenzmengenübergang dadurch eingetreten, dass der Beigeladene der Klägerin nach ihrem Vortrag im Wege des Pflugtausches Grundstücke zur Nutzung überlassen hat. Denn bei dem Bewirtschafterwechsel im Wege des Pflugtausches handelt es sich nicht um eine Übergabe von Teilen eines Betriebes aufgrund eines Pachtvertrages i.S.v. § 7 Abs. 2 MGV. Der Pflugtausch ist ein weit verbreiteter Nutzungstausch, der gerade in Bezug auf den Übergang von Referenzmengen nicht mit einem Pachtverhältnis gleichgesetzt werden kann. Er dient nicht der Veränderung der Betriebsfläche der Größe nach mit der Folge einer erhöhten Milcherzeugung, sondern nur der einfacheren Bewirtschaftung.

Die Klage hat mit dem Hilfsantrag teilweise Erfolg. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, ihm den Übergang einer Referenzmenge von insgesamt 13.508 kg zum 1. November 2001 zu bescheinigen. Jedoch hätte das Verwaltungsgericht die Bescheide vom 7. Februar 2001 und 21. Juni 2001 nicht zu Ungunsten der Klägerin abändern dürfen. Vielmehr hätte es den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides, soweit bereits dieser eine Verschlechterung enthielt, verpflichten müssen, ihr den Übergang einer Referenzmenge von 4.023 kg statt lediglich 2.695,4 kg zu bescheinigen.

Der Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2002 ist teilweise aufzuheben, denn er ist rechtswidrig, soweit der Kreisrechtsausschuss den Ausgangsbescheid zum Nachteil der Klägerin geändert hat.

Zwar ist nach Maßgabe des Landesorganisationsrechts die Zulässigkeit einer für den Widerspruchsführer nachteiligen Entscheidung (reformatio in peius) im Widerspruchsverfahren grundsätzlich anerkannt (st. Rspr.; s. nur BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 1996, NVwZ-RR 1997, 26). Die Vorschriften der VwGO über das Widerspruchsverfahren regeln allerdings selbst nicht, ob die Widerspruchsbehörde einen Verwaltungsakt zu Ungunsten des Widerspruchsführers, der ihn angefochten hat, abändern darf. Sie stellen lediglich die kompetenzrechtliche Grundlage zur Verfügung, wenn Landesrecht die zur Entscheidung über den Widerspruch zuständige Behörde auch zur "Verböserung" ermächtigt. Eine solche Ermächtigung kann (auch) dem rheinland-pfälzischen Landesrecht grundsätzlich entnommen werden. Da das Widerspruchsverfahren neben der Entlastung der Gerichte auch der Selbstkontrolle der Verwaltung dient, entspricht es seinem Sinn und Zweck, auch solche Fehler zu beheben, die sich zu Gunsten des Widerspruchsführers auswirken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Widerspruchsbehörde die Fachaufsicht über die Erstbehörde ausübt oder mit der Erstbehörde identisch ist, denn dann hat sie grundsätzlich die volle Entscheidungskompetenz der Erstbehörde (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Oktober 1991 - 2 A 10038/91.OVG -, NVwZ 1992, 386 ff.). Etwas anderes gilt aber, wenn als Widerspruchsbehörde, wie hier, nicht die vorgesetzte Behörde der Erstbehörde oder diese selbst, sondern ein weisungsunabhängiger, nicht in die Behördenhierarchie eingegliederter Kreis- oder Stadtrechtsausschuss handelt (vgl. § 7 Abs. 1 Ausführungsgesetz zur VwGO). Ein solcher Ausschuss ist eine reine Rechtsbehelfsbehörde, die nur befugt ist, der Verletzung des Widerspruchsführers in seinen Rechten abzuhelfen, nicht aber dazu, objektiv rechtmäßige Verhältnisse zu schaffen. Eine über die Rechtsschutzfunktion hinausgehende objektive Kontrollbefugnis hat der Rechtsausschuss nicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Mai 1961 - 1 A 76/60 -, AS Bd 8, 273 [279], Pietzner, Verwaltungsarchiv Bd 80 [1989], 501 [505]; Dolde, in: Schoch, VwGO, § 68 Rn. 51, Fußn. 125). Deshalb durfte hier der Kreisrechtsausschuss nicht die als übergegangen bescheinigte Referenzmenge korrigieren. Denn dies geschah, um einen Fehler zu berichtigen, der sich nicht zum Nachteil, sondern zum Vorteil der Klägerin auswirkte und war deshalb nicht aus Gründen des Rechtsschutzes für die Klägerin geboten.

Auch das Verwaltungsgericht war nicht befugt, die als übergegangen bescheinigte Referenzmenge zum Nachteil der Klägerin zu verringern, denn es durfte nicht über das Klagebegehren hinausgehen (§ 88 VwGO). Die Klägerin hatte im Wege der Verpflichtungsklage beantragt, ihr die Übertragung einer Milchreferenzmenge von insgesamt 13.508 kg zum 1. November 1998, hilfsweise zum 1. November 2001, zu bescheinigen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist jedoch so zu verstehen, dass die Bescheinigung des Übergangs einer Referenzmenge von 6.119 kg zum 1. April 2002 aufgehoben und der Beklagte stattdessen verpflichtet wird, den Übergang einer Referenzmenge von nur 2.695,4 kg zum 1. November 2001 zu bescheinigen. Dies geht über den Antrag hinaus, der eine Verringerung der Referenzmenge nicht anstrebte, sondern vielmehr eine Erhöhung und eine Vorverlegung des Übergangsdatums vom 1. April 2002 auf den 1. November 2001. Der Antrag wäre im Übrigen auch so zu verstehen gewesen, wenn nicht ausdrücklich - und rein klarstellend - die Bescheinigung einer Referenzmenge über die bereits bescheinigte Referenzmenge hinaus beantragt worden wäre.

Unabhängig davon, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts jedoch auch fehlerhaft, weil zu Unrecht ein Abzug von 33 % von der Referenzmenge zugrunde gelegt wurde.

Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass sich der Referenzmengenübergang zum 1. November 2001 aus § 12 ZAV ergibt, wonach nach Beendigung von Altpachtverträgen über Milcherzeugungsflächen nach Ablauf des 31. März 2000 entsprechende Anlieferungsreferenzmengen nach Maßgabe des § 7 MGV übergehen. Zum 1. November 2001 übergab der Beigeladene, nachdem der Pachtvertrag zu diesem Termin gekündigt worden war, das Flurstück Flur ... Nr. ... mit 1,2434 ha an die Klägerin. Die Hälfte der auf die zurückgewährte Fläche entfallenden Referenzmenge verblieb bei dem Beigeladenen, da die Rückgabe nicht freiwillig erfolgte, sondern aufgrund der Kündigung durch die Klägerin, der Beigeladene keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung hatte und selbst die Milcherzeugung fortsetzte (§ 7 Abs. 4 Satz 2 MGV). Die Erklärung der Klägerin, die Kündigung sei nur deklaratorisch erfolgt und für den Beigeladenen nicht verbindlich gewesen, diese habe die Fläche vielmehr aus eigenem Willen zurückgegeben, kann demgegenüber nicht überzeugen. Der Pächterschutz ist auch entgegen der Meinung der Klägerin nicht durch das Übernahmerecht des Pächters nach § 12 Abs. 3 ZAV ausgeschlossen. § 12 Abs. 2 ZAV verweist vielmehr ausdrücklich auf § 7 Abs. 1 bis 2 a, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 und Absätze 5 und 6 MGV und somit auch auf die Pächterschutzregelung in § 7 Abs. 4 Satz 2 MGV; er tritt folglich neben sie. Der Pächterschutz entfällt auch nicht gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 MGV, weil der Verpächter nachgewiesen hat, dass er auf die Referenzmengen für die Milcherzeugung für sich, seinen Ehegatten oder seine Kinder angewiesen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn er ohne den Übergang der ungekürzten Referenzmenge keinen angemessenen Betriebsgewinn erzielen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 3 C 25.93 -, RdL 1995, 214 ff.). Dies hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Es wurden zu diesem Zeitpunkt auch keine weiteren Flächen aufgrund des Pachtvertrages von dem Beigeladenen an die Klägerin zurückgewährt. Die übrigen an den Beigeladenen verpachteten Flächen wurden weiter von diesem bewirtschaftet. Die Klägerin hatte diesen übrigens mit Tauschvertrag vom 21. September 2000 an die Ortsgemeinde A. veräußert, die sofortige Übergabe war vereinbart worden.

Mit der Übergabe des Flurstückes Flur ... Nr. ... mit 1.2434 ha wird die Mindestfläche von 1 ha nach § 7 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 2 MGV überschritten. Damit führt auch die Rückgabe des Flurstückes Flur ... Nr. ... nun zu einem Referenzmengenübergang. Dieses Flurstück allein hatte die Mindestfläche nicht erreicht, so dass seine Übergabe zunächst keinen Referenzmengenübergang bewirkt hatte. Zusammen mit dem Flurstück Flur ... Nr. ... wird die Mindestfläche jedoch überschritten, so dass mit dessen Übergabe die Bagatellklausel nicht mehr dem Referenzmengenübergang entgegensteht. Insgesamt sind danach am 1. November 2001 folgende Referenzmengen übergegangen:

1.705,94 kg wegen der Rückgabe des Flurstückes Flur ... Nr. ... mit 1,2434 ha x 2.744 kg/ha = 3.411,89 kg x 50 % wegen des Pächterschutzes

sowie

2.317,03 kg wegen der Rückgabe des Flurstückes Flur ... Nr. ... mit 0,8444 ha mit 2.744 kg/ha ohne Kürzung wegen des Pächterschutzes,

zusammen also 4.022,97 kg, aufgerundet 4.023 kg.

Entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu berücksichtigen, dass nach § 12 Abs. 2 ZAV 33 v.H. der zurückgewährten Anlieferungs-Referenzmenge zu Gunsten der Reserve des Landes eingezogen werden. Denn der Abzug nach § 12 Abs. 2 ZAV gilt gemäß § 12 Abs. 4 Ziffer 3 ZAV nicht, wenn der Verpächter oder die in § 7 Abs. 2 Satz 5 genannten Personen, nämlich Verwandte in gerader Linie oder Ehegatten, nachweisen können, dass sie die Anlieferungs-Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötigen. Das ist hier der Fall. Die Klägerin trägt vor, ihr Ehemann habe in den 90er Jahren einen Boxenlaufstall errichtet, der noch nicht voll genutzt werde. Außerdem liefere der Betrieb Milch über die Anlieferungs-Referenzmenge hinaus. Dies wird von dem Beklagten nicht bestritten. Er verweist vielmehr darauf, dass er, anders als das Verwaltungsgericht, keinen Abzug vorgenommen habe. Ungenutzter Stallraum und ein Milchüberschuss belegen ausreichend, dass die Klägerin bzw. ihr Ehemann die ungekürzte Referenzmenge benötigen. Denn für das "Benötigen" sind geringere Anforderungen zu stellen, als für das "Angewiesensein" nach § 7 Abs. 4 Satz 2 MGV.

Der danach der Klägerin zu bescheinigende Referenzmengenübergang von 4.023 kg zum 1. November 2001 führt dazu, dass sich die durch die Bescheide vom 7. Februar 2001 und 21. Juni 2001 als zum 1. April 2002 auf die Klägerin übergegangen bescheinigte Referenzmenge von 6.119 kg um 4.023 kg auf 2.096 kg verringert. Zu dieser Klarstellung ist der Senat befugt, da sie nur eine von der Klägerin begehrte zeitliche Vorverlegung des Übergangszeitpunktes darstellt. Nicht befugt ist der Senat dagegen zu einer Aufhebung der Ausgangsbescheide im Übrigen, also soweit danach noch eine Bescheinigung über den Übergang einer Referenzmenge von 2.096 kg zum 1. April 2002 verbleibt. Er würde damit unter Verstoß gegen § 88 VwGO über das Klagebegehren hinausgehen. Insoweit wird der Beklagte zu prüfen haben, ob eine Rücknahme der unanfechtbaren, rechtswidrigen Bescheide in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs.2 Satz 2 GKG. Danach ist für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich die sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebende Bedeutung der Sache maßgeblich. Dabei geht der Senat in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 565 Ziffer 23.1) von einem Betrag von 0,20 DM je kg streitiger Referenzmenge aus. Streitig ist nur die Differenz zwischen der von der Behörde mit dem Stand des Widerspruchsbescheides bescheinigten Referenzmenge von 5.077 kg und der begehrten Referenzmenge von 13.508 kg, also 8.431 kg. Danach ergibt sich ein Streitwert von 862,15 € (8.431 kg x 0,20 DM = 1.686,20 DM x 0,51130 = 862,15 €).

Ende der Entscheidung

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