Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 8 A 10878/03.OVG
Rechtsgebiete: LBauO, BGB, VwVfG


Vorschriften:

LBauO § 47
LBauO § 47 Abs. 1
LBauO § 47 Abs. 1 S. 1
LBauO § 47 Abs. 2
LBauO § 47 Abs. 4
LBauO § 47 Abs. 5
BGB § 134
BGB § 812
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 S 2
BGB § 812 Abs. 1 S 2 2. Alt.
VwVfG § 60
VwVfG § 60 Abs. 1
VwVfG § 60 Abs. 1 S 1
VwVfG § 59
VwVfG § 59 Abs. 1
VwVfG § 57
VwVfG § 59 Abs. 2
VwVfG § 59 Abs. 2 Nr. 2
VwVfG § 59 Abs. 2 Nr. 4
VwVfG § 56
Zur Geschäftsgrundlage eines Stellplatzablösungsvertrages gehört nicht nur die Erteilung der Baugenehmigung, sondern regelmäßig auch der Umfang des durch das Bauvorhaben verursachten Stellplatzbedarfs.

Werden nach Fertigstellung des Bauvorhabens Nutzungsänderungen vorgenommen, die den Stellplatzbedarf mindern, kann der Bauherr nicht ohne weiteres eine Anpassung des Stellplatzablösungsvertrages und Rückzahlung von Teilen der Ablösesummen verlangen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 10878/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Stellplatzablösung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtliche Richterin Hausfrau Herr ehrenamtliche Richter Architekt Jahner

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Dezember 2002 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird dessen Tenor wie folgt neu gefasst: "Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 7.669,38 € (15.000 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 12. August 2002 zu zahlen."

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollsteckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Zahlungspflichten aus Stellplatzablösevereinbarungen.

Dem Kläger ist von der zuständigen Kreisverwaltung unter dem 02. März 1999 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Doppelhauses mit Garage auf den Grundstücken Gemarkung M. Flurstücknrn. ... und ... erteilt worden. Danach sollten in dem Gebäude das Fremdenverkehrsamt der Beklagten, zwei Büroeinheiten sowie vier Wohneinheiten untergebracht werden. Gemäß den Auflagen Nrn. 9 und 12 der Baugenehmigung hatte der Kläger zehn Stellplätze nach Maßgabe der genehmigten Bauunterlagen einzurichten und zwölf Stellplätze vor Baubeginn abzulösen.

Nach § 1 der Satzung der Beklagten über die Höhe des Geldbetrages je Stellplatz oder Garage nach § 45 Abs. 4 LBauO in der Fassung vom 06. März 1998 - Ablösesatzung - sollte der Ablösebetrag 8.500 DM pro Stellplatz betragen. Gemäß Ratsbeschluss vom 12. Juli 1998 gewährte die Beklagte bei Baumaßnahmen im Zusammenhang mit Gewerbebetrieben einen Zuschuss von 1.000 DM je Stellplatz.

Durch Ablösevereinbarung vom 18. November 1998/15. März 1999 verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten am 01. Juni 2000 als Ablösung für sieben Stellplätze 52.500 DM (7.500 DM pro Stellplatz) zu zahlen. Eine Regelung über die noch fehlenden fünf Stellplätze wurde nicht getroffen, da diese auf das Fremdenverkehrsbüro der Beklagten entfielen.

Am 29. März 2000 führte die Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich des Bauvorhabens des Klägers eine Bauzustandsbesichtigung über die Fertigstellung gemäß § 78 LBauO durch. Am 17. Oktober 2000 zeigte dieser die Bauvollendung an.

Unter dem 12. September 2000 beantragte der Kläger eine Tekturgenehmigung zum Betrieb einer Arztpraxis im Erdgeschoss einer Doppelhaushälfte. Mit Ablösevereinbarung vom 18./30. Oktober 2000 verpflichtete er sich, der Beklagten am 01. November 2001 17.000 DM (8.500 DM pro Stellplatz) als Ablösung für zwei weitere Stellplätze zu zahlen, die durch die geplante Nutzungsänderung zusätzlich notwendig geworden waren. Unter dem 17. November 2000 erhielt der Kläger unter Bezugnahme auf die Auflagen der Baugenehmigung vom 02. März 1999 sodann die beantragte Tekturgenehmigung.

Am 03. Mai 2001 erfolgte im Hinblick darauf eine weitere Bauzustandsbesichtigung über die Fertigstellung des Vorhabens.

Mit Schreiben vom 28. August 2001 setzte der Kläger die Beklagte von seiner - unter dem 08. Januar 2002 auch genehmigten - Absicht in Kenntnis, im Obergeschoss des einen Doppelhauses statt der genehmigten Büroeinheit ein Dentallabor unterzubringen. Dadurch reduziere sich der Stellplatzbedarf, sodass im Ergebnis vier Stellplätze zuviel abgelöst worden seien und die Beklagte 30.000 DM zu erstatten habe.

Im nachfolgenden Schriftverkehr stützte der Kläger sein Zahlungsverlangen auf eine Vertragsanpassungsanspruch wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse, die von ihm nicht zu vertreten sei. Der Zahnarzt, der die Praxisräume ursprünglich habe kaufen wollen, sei von seiner Kaufabsicht zurückgetreten. Zudem sei die erste Ablösevereinbarung unwirksam, weil die Beklagte die Ablösung von sieben statt der allenfalls für eine Zahnarztpraxis erforderlichen fünf Stellplätze verlangt habe. Überdies habe die Beklagte die gezahlte Ablösesumme auch nicht zweckentsprechend verwendet.

Nachdem die Beklagte die Forderung des Klägers abgelehnt hatte, erhob dieser mit gleicher Begründung Klage auf Zahlung von 30.000 DM nebst 5 Prozent Zinsen seit Rechtshängigkeit und trug ergänzend vor, die erste Ablösevereinbarung sei auch deshalb nichtig, weil entgegen der einschlägigen Satzung der Beklagten 7.500 DM statt der vorgeschrieben 8.500 DM pro Stellplatz erhoben worden seien. Zudem sei der Leistungszweck in der Vereinbarung nicht hinreichend bestimmt, sodass auch ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot vorliege.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und erhob zugleich Widerklage auf Zahlung von 15.000 DM gemäß der zweiten Ablösevereinbarung nebst Rechtshängigkeitszinsen. Sie machte geltend, die Abweichung von dem in der Satzung bestimmten Ablösebetrag erkläre sich daraus, dass die Gemeinde gemäß Ratsbeschluss vom 12. Juli 1998 zugunsten von Gewerbetreibenden einen Zuschuss von 1.000 DM pro Stellplatz gewähre. Im übrigen habe der Kläger das Risiko zu tragen, dass sich eine ursprünglich vorgesehene, stellplatzintensivere Nutzung nach Erteilung der Baugenehmigung nicht realisieren lasse.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, einer Änderung der ersten Ablösevereinbarung zuzustimmen, wodurch die Zahl der abzulösenden Stellplätze von sieben auf fünf reduziert wird, und an den Kläger 15.000 DM nebst Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozent zu zahlen. Den Kläger hat es verurteilt, an die Beklagte 17.000 DM nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.

Zur Begründung ist ausgeführt, der Klageantrag sei dahingehend auszulegen, dass neben der Zahlung auch die Zustimmung zur Änderung der Ablösevereinbarung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage begehrt werde. Hierauf bestehe auch ein Anspruch, da sich die Zahl der abzulösenden Stellplätze durch den Einbau des Dentallabors um zwei reduziert habe. Auf die Fläche des Dentallabors seien bei der der ersten Ablösevereinbarung zugrunde liegenden Stellplatzberechnung wegen der seinerzeit geplanten Büronutzung fünf Stellplätze von insgesamt 24 erforderlichen angerechnet worden. Da sich die erste Ablösevereinbarung auf das gesamte Vorhaben bezogen habe, könne insoweit nur die Reduzierung von fünf auf drei Stellplätze durch die Nutzungsänderung Berücksichtigung finden. Da die Nutzungsänderung zwar nach Erteilung der Baugenehmigung, aber vor Nutzungsaufnahme erfolgt sei, trage die Gemeinde das Risiko eines veränderten Stellplatzbedarfs. Im übrigen bestünden keine Zweifel an der Wirksamkeit der ersten Ablösevereinbarung, da die Gewährung eines Zuschusses von 1.000 DM für von Gewerbetreibenden abzulösende Stellplätze nicht gegen das Koppelungsverbot verstoße.

Die Widerklage sei begründet, weil Zweifel an der Wirksamkeit der Ablösevereinbarung für die wegen Einbau einer Arztpraxis zusätzlich erforderlich gewordenen Stellplätze nicht bestünden.

Mit ihren Berufungen wenden sich die Beteiligten in dem vom Senat mit Beschluss vom 22. Mai 2003 zugelassenen Rahmen gegen das erstinstanzliche Urteil.

Der Kläger rügt einen Verstoß gegen § 88 VwGO, soweit das Verwaltungsgericht ihn zu einer Zahlung von mehr als 15.000 DM verurteilt hat. Im übrigen verteidigt er unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen das erstinstanzliche Urteil mit dem Hinweis, dass die erste Ablösevereinbarung wegen Verstoßes gegen die Satzung ohnehin nichtig sei. Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil insoweit abzuändern, als er auf die Widerklage zu einer Zahlung von mehr als 15.000 DM (7.669, 38 €) verurteilt worden ist, sowie

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Sie wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Risikoverteilung zwischen Bauherrn und Gemeinde bei Reduzierung der notwendigen Stellplätze durch Nutzungsänderung nach Genehmigung und Fertigstellung eines Bauvorhabens. Das Risiko könne der Gemeinde keinesfalls bis zur tatsächlichen Nutzungsaufnahme, die unter Umständen Jahre nach der Fertigstellung erfolge, aufgebürdet werden. Nach herrschender Meinung sei nämlich die Stellplatzablösung auch dann verfallen, wenn die genehmigte Nutzung nie aufgenommen oder der Bauantrag nach Unanfechtbarkeit der Genehmigung zurückgenommen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen der Beteiligten sind begründet.

Die Berufung des Klägers greift durch, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Widerklage gegen § 88 VwGO verstößt, wonach das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf. Da die Widerklage auf die Zahlung von 15.000 DM beschränkt war, ist auch die Verurteilung auf diesen Betrag zu reduzieren.

Auch die Berufung der Beklagten muss Erfolg haben. Die Vorinstanz hätte die Beklagte nicht zur Zahlung von 15.000 DM nebst Zinsen verurteilen dürfen. Der Kläger hat hierauf keinen Anspruch.

Das Begehren des Klägers kann allenfalls auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt werden. Dessen Voraussetzungen - Rechtsgrundlosigkeit oder Zweckverfehlung der Leistung - liegen aber nicht vor. Die als verwaltungsrechtlicher Vertrag zu qualifizierende (s. Lang in Jeromin: LBauO RhPf., § 47 Rn 64 m.w.N.) Ablösevereinbarung vom 18. November 1998/15. März 1999 ist nicht nur wirksam (I), sondern bedarf auch keiner Anpassung aufgrund veränderter Verhältnisse gemäß § 60 VwVfG (II), sodass die Ablösesumme insgesamt mit Rechtsgrund gezahlt worden ist. Hinsichtlich dieser Leistung liegt auch keine Zweckverfehlung vor (III).

I. Gründe, die gemäß § 59 VwVfG zur Nichtigkeit der formgerecht (s. § 57 VwVfG) abgeschlossenen Ablösevereinbarung führen könnten, sind nicht ersichtlich.

Dass der vereinbarte Ablösebetrag pro Stellplatz von dem in § 1 der Ablösesatzung festgelegten Betrag nach unten abweicht, ist kein Nichtigkeitsgrund. Diese Regelung verstößt nicht gegen ein Verbotsgesetz im Sinne der §§ 59 Abs. 1 VwVfG, 134 BGB. Zwar kann sich ein solches auch aus einer Satzung ergeben (s. Art. 2 EGBGB). Indessen beinhaltet § 1 der Ablösesatzung weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck ein an die Gemeinde und an den Bauherrn gerichtetes (s. zu diesem Erfordernis eines Verbotsgesetzes Heinrichs in Palandt: BGB, 62. Aufl. 2003, § 134 Rn 8) Verbot, eine Ablösesumme von weniger als 8.500 DM zu vereinbaren. Auch eine Nichtigkeit der Ablösevereinbarung nach § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG scheidet aus. Es bestehen insbesondere im Hinblick auf den Ratsbeschluss vom 12. Juli 1998 keine Anhaltspunkte dafür, dass den Beteiligten eine etwaige Rechtswidrigkeit bei Abschluss der Ablösevereinbarung bewusst gewesen sein könnte.

Ein Nichtigkeitsgrund nach §§ 59 Abs. 2 Nr. 4, 56 VwVfG liegt ebenfalls nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt die Zweckbestimmung der Gegenleistung in der Ablösevereinbarung den Anforderungen des § 56 VwVfG. Hierzu reicht es aus, dass sich aus dem Vertragstext Anhaltspunkte hinsichtlich der Zweckbestimmung ergeben. Dies ist der Fall. Es handelt sich nach dem Wortlaut um eine "Ablösevereinbarung zum Zwecke der Erfüllung der Stellplatzpflicht nach § 47 LBauO". Hieraus wird in Verbindung mit § 47 Abs. 4 Satz 1 LBauO deutlich, dass die Gegenleistung Surrogat der an sich geschuldeten Herstellung von Stellplätzen (§ 47 Abs. 1 LBauO) sein soll. Der Verwendungszweck dieser Leistung ist überdies in § 47 Abs. 5 LBauO gesetzlich geregelt und bedarf daher keiner Aufnahme in den Vertrag (s. BayVGH, Urteil vom 24. November 1986, BayVBl. 1987, 531, 532).

II. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass die Beklagte gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG einer Inhaltsänderung der Ablösevereinbarung zustimmt, die den Ablösebetrag um 15.000 DM reduziert. Hierzu müssten sich die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes maßgebenden Verhältnisse so wesentlich geändert haben, dass dem Kläger ein Festhalten an der unveränderten Ablösevereinbarung nicht mehr zumutbar wäre. Daran fehlt es hier.

Ob bestimmte rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend waren, richtet sich danach, inwieweit sie von den Vertragspartnern ausdrücklich oder stillschweigend zur gemeinsamen und wesentlichen Grundlage des Vertrages gemacht worden sind (s. Kopp/Ramsauer: VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 60 Rn 10). Als wesentliche Grundlage eines Ablösungsvertrages kann demnach nicht allein die Erteilung der Baugenehmigung angesehen werden (so aber Bad.-Württemb. VGH, Beschluss vom 07. November 1990, BRS 50 Nr. 132 und Lang in Jeromin: LBauO Rh-Pf., § 47 Rn 67). Die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung ist nur das generelle Ziel, das die Beteiligten mit einem Ablösungsvertrag verfolgen. Die Geschäftsgrundlage eines solchen Vertrages wird dadurch zwar mitbestimmt, aber nicht abschließend beschrieben. Vielmehr erstreckt sie sich bei lebensnaher Betrachtungsweise regelmäßig auch auf die gemeinsame Vorstellung der Beteiligten über den Umfang der mit dem Vorhaben zusammenhängenden Stellplatzbaupflicht und darauf, dass der Bauherr diese nicht gemäß § 47 Abs. 1 und 3 LBauO erfüllen kann (s. auch Bad.-Württemb. VGH, Urteil vom 09. März 1999, BRS 62 Nr. 153). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass die Beteiligten die Ablösung von sieben Stellplätzen vereinbart haben, um das mit der Nutzung des am 02. März 1999 genehmigten Vorhabens verbundene Stellplatzdefizit auszugleichen. Diese Nutzung hat sich aber im Jahre 2002 geändert, indem der Kläger an Stelle der hierfür genehmigten Büronutzung im Obergeschoss der einen Haushälfte ein Dentallabor untergebracht hat. Die Änderung ist auch von Einfluss auf die Geschäftsgrundlage, weil sie den Stellplatzbedarf des Vorhabens reduziert.

Sie ist indessen nicht so wesentlich, dass dem Kläger ein Festhalten an der Ablösevereinbarung vom 18. November 1998/15. März 1999 unzumutbar wäre. Da die Rechtsfolge des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine Durchbrechung des Grundsatzes der Vertragstreue darstellt, sind an die Unzumutbarkeit strenge Anforderungen zu stellen (s. Bernsdorff in Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 60 Rn 24). Nur dann, wenn unter Abwägung der Interessen aller Partner der Vereinbarung für einen von ihnen die Bindung an den Vertrag nach Treu und Glauben zu einem mit Recht und Gerechtigkeit unvereinbaren Ergebnis führen würde, ist eine Lösung von der vertraglichen Bindung vertretbar. Voraussetzung für ein auf diese Weise unzumutbares Ergebnis ist in jedem Fall, dass das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung so stark gestört ist, dass das von jedem Vertragsbeteiligten normalerweise zu tragende Risiko weit überschritten ist und es dem benachteiligten Partner unmöglich wird, in der ursprünglichen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen (s. das Urteil des 2. Senates des erkennenden Gerichts vom 03. Juni 1992, AS 24, 12, 17). Bei der Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Änderung der Verhältnisse auf eigener Entscheidung des betroffenen Vertragspartners beruht, ob die Aufrechterhaltung der Vertragsbindung diesem unzumutbare Opfer auferlegt und welche Interessen der anderen Vertragspartner durch eine Anpassung beeinträchtigt werden.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist es dem Kläger zumutbar, trotz der den Stellplatzbedarf mindernden Nutzungsänderung im Jahre 2002 die Verbindlichkeit der Ablösevereinbarung zu akzeptieren.

Hierbei sind zunächst Zeitpunkt und Anlass der Nutzungsänderung von Bedeutung. Sie erfolgte aufgrund einer Entscheidung des Klägers und über ein Jahr nach Fertigstellung des genehmigten Bauvorhabens. Dass durch eine derart späte, nicht behördlich veranlasste Nutzungsänderung bereits getätigte Aufwendungen für Stellplätze überflüssig werden, ist grundsätzlich der Risikosphäre des Bauherrn zuzuordnen. Ist der Bauherr nämlich in der Lage, seine gesetzliche Stellplatzbaupflicht gemäß § 47 Abs. 1 LBauO zu erfüllen, so hat er dies grundsätzlich bis zur Fertigstellung des Vorhabens zu tun. Die Behörde kann ihm hierfür nach Satz 5 der Vorschrift allenfalls eine "angemessene Frist" nach Fertigstellung des Vorhabens einräumen. Somit kann der Bauherr stellplatzmindernde Änderungen seiner Nutzungsabsichten grundsätzlich nur bis zur Fertigstellung des Vorhabens bei der Herstellung von Stellplätzen berücksichtigen. Ändert er hingegen danach das Vorhaben in einer den Stellplatzbedarf mindernden Weise, so werden die hergestellten Stellplätze teilweise überflüssig, ohne dass er die aufgewendeten Kosten auf andere überwälzen kann. Geht damit das Risiko, dass Stellplatzaufwendungen aufgrund von Nutzungsänderungen unnötig werden, bei Erfüllung der Stellplatzbaupflicht mit Fertigstellung des Vorhabens auf den Bauherrn über, so besteht vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Ablösungsvertrag kein Anlass, ihn bei Surrogation der Stellplatzbaupflicht durch Ablösezahlung länger (etwa bis zur Nutzungsaufnahme aller Teile des Bauvorhabens) von diesem Risiko zu Lasten der Gemeinde freizustellen.

Insbesondere lässt sich dies nicht mit fehlender Beeinträchtigung von Gemeindeinteressen rechtfertigen. Zwar begründet ein Stellplatzablösungsvertrag keine Verpflichtung der Gemeinde, die für das Bauvorhaben an sich notwendigen Stellplätze bis zu dessen Fertigstellung in Form von öffentlichem Parkraum herzustellen. Auch enthält § 47 Abs. 5 LBauO keine Frist, innerhalb deren die Gemeinde den Ablösebetrag für die dort bezeichneten Maßnahmen zu investieren hat. Allerdings darf die Durchführung dieser Maßnahmen auch nicht auf unabsehbare Zeit verschoben werden (s. Lang in Jeromin, aaO., Rn 76), weil ansonsten der intendierte abstrakte Ausgleich privater Stellplatzdefizite durch Förderung des öffentlichen Parkwesens nicht funktionieren kann. Ein derartiger Aufschub droht aber, wenn die Gemeinde - wie die Vorinstanz meint - erst ab vollständiger Nutzungsaufnahme eines Vorhabens mit der Verfügbarkeit einer Stellplatzablösesumme rechnen kann. Denn von der Genehmigung und Fertigstellung bis zu seiner vollständigen Nutzung kann je nach Art und Umfang des Vorhabens lange Zeit vergehen. Sinn und Zweck des § 47 Abs. 5 LBauO erfordern daher, dass die Gemeinde bereits ab Fertigstellung des Bauvorhabens grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sie die Ablösesumme zur Durchführung von Kompensationsmaßnahmen nach § 47 Abs. 5 LBauO oder zur Finanzierung ungedeckter Kosten bereits durchgeführter Maßnahmen verwenden kann.

Dieses Vertrauen mag ausnahmsweise dann nicht schutzwürdig sein, wenn im Zeitpunkt der Fertigstellung des Bauvorhabens weder durchgeführte Maßnahmen zu finanzieren noch neue Investitionen in das öffentliche Parkwesen erforderlich sind. Vorliegend hat die Beklagte indessen allein im Jahr vor der Fertigstellung des Bauvorhabens des Klägers eine Summe investiert, die schon für sich gesehen die Einnahmen aus Stellplatzablösungen in den Jahren 1995 bis 2003 weit übersteigen. Sie hat nicht nur im Jahr 2002 ein von ihr 1999 für ca. 600.000 € erworbenes Grundstück für die Errichtung eines Parkhauses bereit gestellt und damit eine Investition gemäß § 47 Abs. 5 Nr. 1 LBauO getätigt, die die Ablösesumme des Klägers weit übersteigt. Vielmehr hat sie durch Vorlage einer Zusammenfassung ihrer Haushaltsüberwachungslisten auch nachgewiesen, dass über einen Zeitraum von acht Jahren die Einnahmen aus Stellplatzablösungen nur einen geringen Bruchteil der für Maßnahmen nach § 47 Abs. 5 LBauO entstandenen Kosten ausmachten. Demnach kann von mangelndem Finanzierungsbedarf keine Rede sein.

Das Anpassungsverlangen des Klägers kann im vorliegenden Fall auch nicht allein auf die Unzumutbarkeit eines ihm bei fortbestehender Vertragsbindung abverlangten Opfers gestützt werden. Hier ist zu sehen, dass nicht die Verwirklichung des Bauvorhabens unterblieben, sondern eine Nutzungsänderung lediglich die Ablösung von zwei Stellplätzen (im "Wert" von 15.000 DM) überflüssig gemacht hat. Das "Opfer" beläuft sich somit auf ein Prozent der im Bauantrag mit 1,5 Mio DM veranschlagten Baukosten. Angesichts des hohen Ranges, der dem Prinzip der Vertragstreue in der Rechtsordnung zukommt, sowie unter Berücksichtigung der oben erörterten grundsätzlichen Risikoverteilung bei Stellplatzablösungsverträgen ist dem Kläger das Festhalten an der Ablösungsvereinbarung vom 18. November 1998/15. März 1999 unter Hinnahme eines derartigen Vermögensschadens zumutbar. III. Der von der Vorinstanz angenommene Erstattungsanspruch folgt auch nicht aus entsprechender Anwendung des § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB. Hiernach besteht eine Rückgewährpflicht auch dann, wenn der mit einer Leistung bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist. Es kann dahin stehen, ob Leistungszweck einer Ablösevereinbarung überhaupt die Herbeiführung von Maßnahmen nach § 47 Abs. 5 LBauO sein kann (verneinend z.B. Ziegler: "Zur Ablösung der Stellplatzpflicht", DÖV 1984, 331, 332; Gädtke/Böckenförde/Temme/Heinz, BauO Nordrhein-Westfalen, 9. Aufl., § 51 Rn 121; Bay. VGH, Beschluss vom 24. November 1986, BayVBl. 1987, 531, 532). Denn der Kläger kann sich jedenfalls nicht auf eine zweckentfremdete Verwendung seiner Ablösezahlung berufen, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen zur Investitionstätigkeit der Beklagten ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Eine Kostenteilung scheidet vorliegend aus, weil sich das Teilobsiegen des Klägers auf den Streitwert nicht auswirkt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz auf 23.008,14 € (= 45.000 DM), für das Berufungsverfahren auf 7.669,38 € (= 15.000 DM) festgesetzt

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses macht der Senat von seiner Abänderungsbefugnis nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG Gebrauch. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert irrtümlich nach dem Obsiegen der Beteiligten bestimmt. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG sind hingegen die in Klage und Widerklage geltend gemachten, nach § 13 Abs. 2 GKG zu bewertenden Ansprüche zusammenzurechnen.

Im Berufungsverfahren bemisst sich der Streitwert gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG ausschließlich nach dem Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung der Beklagten. Das der Berufung des Klägers zugrunde liegende Interesse kann hingegen gemäß § 14 Abs. 2 GKG nicht streitwerterhöhend berücksichtigt werden. Denn seine Berufung betrifft ausschließlich den von der Vorinstanz unter Verstoß gegen § 88 VwGO ausgeurteilten Betrag. Dieser ist nicht Bestandteil des Streitwertes für die erste Instanz. Seine Berücksichtigung würde somit dazu führen, dass der Streitwert für die zweite Instanz höher als der für die erste Instanz wäre, was nach § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG nur bei Erweiterung des Streitgegenstandes durch die Beteiligten möglich ist.

Ende der Entscheidung

Zurück