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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 8 B 10498/04.OVG
Rechtsgebiete: GKG, VwGO, BauGB


Vorschriften:

GKG § 13
GKG § 13 Abs. 1
GKG § 13 Abs. 1 S. 1
GKG § 25
GKG § 25 Abs. 2
GKG § 25 Abs. 2 S. 2
GKG § 20
GKG § 20 Abs. 3
VwGO § 80a
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 212a
Der Streitwert im vorläufigen Rechtsschutzverfahren des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung beträgt regelmäßig die Hälfte des nach Ziff. II 7.6.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563) anzusetzenden Streitwertes der Hauptsache (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung; entgegen VG Neustadt, Beschluss 31. Januar 2002 - 4 L 31/02.NW - und VGH Mannheim, Beschluss vom 21. September 2001, NVwZ-RR 2002, 469).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baunachbarrechts

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 8. April 2004, an der teilgenommen haben

Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 04. März 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechtszüge auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Zu dieser Entscheidung bedarf es nicht der von den Antragstellern angeregten mündlichen Verhandlung. § 101 Abs. 1 VwGO gilt nicht für Beschlussverfahren; für eine fakultative mündliche Verhandlung (s. dazu Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl. 2003, § 101 Rn 3) besteht keine Veranlassung, da sich die entscheidungserheblichen Tatsachen ohne weiteres den Akten entnehmen lassen.

Zu Recht hat es die Vorinstanz abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung anzuordnen. Das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen, ihr zum Grundstück der Antragsteller hin grenzständiges Wohnhaus um einen ebensolchen eingeschossigen Anbau mit Dachgeschoss bis zu einer Bebauungstiefe von 24 m zu erweitern, verletzt nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts offensichtlich keine Rechte der Antragsteller. Somit hat es bei dem gemäß § 212a BauGB gesetzlich angeordneten Sofortvollzug der Baugenehmigung zu verbleiben.

Die Vorschrift des § 8 LBauO vermag - unabhängig von den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO - eine Rechtsverletzung der Antragsteller durch die angefochtenen Baugenehmigung schon deshalb nicht zu begründen, weil diese ausweislich Bl. 48 der Verwaltungsakten im vereinfachten Verfahren nach § 66 LBauO erteilt worden ist. Da die Prüfung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und die Antragsgegnerin das Verfahren auch nicht ausnahmsweise auf eine solche Prüfung erstreckt hat, beschränkt sich die Regelungswirkung der strittigen Baugenehmigung auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften des BauGB und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.

Gegen die Auffassung der Vorinstanz, nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts würden nicht verletzt, ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nichts zu erinnern.

Der Einwand der Antragsteller, das Vorhaben der Beigeladenen beeinträchtige im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB das Ortsbild, ist unerheblich. Der Schutz des Ortsbildes begründet keine subjektiven Rechte des Nachbarn.

Der von der Beigeladenen beabsichtigte Anbau fügt sich auch im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Er hält sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht nur im Rahmen der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung, sondern nimmt auch die gebotene Rücksicht auf das Grundstück der Antragsteller. Entgegen der Auffassung der Antragsteller grenzt der angefochtene Beschluss die nähere Umgebung des strittigen Vorhabens in voller Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab (S. 5f. BA). Dass das Verwaltungsgericht hierbei nicht nur die westliche, sondern auch die östliche Seite des als Stichstraße ausgestalteten S. in den Blick nimmt, begegnet keinerlei rechtlichen Bedenken. Denn das von S. , N. und A. umgrenzte, vom S. erschlossene Gebiet wird angesichts seiner überschaubaren Größe insgesamt von der auf beiden Seiten des Weges befindlichen Bebauung geprägt. Der durch diese Bebauung vorgegebene Rahmen beschränkt sich nicht mehr auf die ehemals wohl ausschließlich vorhandene (s. Bl. 62 VA) Doppelhausbebauung mit geringer Bautiefe. Er ist vielmehr durch die auf dem Grundstück der Antragsteller sowie auf den Grundstücken S. ... und ... vorhandene, 17 bis 24 m tiefe Bebauung deutlich erweitert worden. Somit vermag die auf dem Grundstück der Beigeladenen nach Verwirklichung des genehmigten Vorhabens bestehende Bautiefe von 24 m den maßgeblichen Rahmen nicht zu sprengen. Die nach den Bauplänen (Bl. 71 VA) westlich des Anbaus vorgesehene ebenerdige Terrassennutzung ist insoweit ohne Bedeutung. Denn es handelt sich dabei - anders als bei der von den Antragstellern zitierten Entscheidung des Baden-Württembergischen VGH - gerade nicht um ein auf gemauertem Sockel errichtetes und mit Mauer und Pergola umgebenes Terrassenbauwerk von dem Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen.

Das strittige Vorhaben erweist sich auch im Hinblick auf das Grundstück der Antragsteller nicht als rücksichtslos. Selbst wenn die Traufhöhe des Vorhabens entlang der Grenze - wie die Antragsteller behaupten - diejenige des Wohnhauses der Antragsteller um 95 cm übersteigen würde, führt dies auch unter Berücksichtigung einer ca. 7 m größeren Bautiefe nicht zu unzumutbaren Auswirkungen auf deren Grundstück. Soweit der Anbau an das Wohnhaus der Antragsteller angrenzt, scheidet eine nennenswerte Beeinträchtigung dieses Hauses wegen des geringen Höhenunterschiedes ohnehin aus. Auch im Übrigen wird der Außenwohnbereich der Antragsteller durch die größere Bautiefe nach zutreffender Ansicht der Vorinstanz nicht nachhaltig betroffen, da er südlich des Grundstücks der Beigeladenen liegt und daher keine nennenswerte Belichtungsbeeinträchtigung erfährt. Das Vorhaben der Beigeladenen stellt zudem keinen unzumutbaren, erstmaligen Einbruch in eine rückwärtige Ruhezone dar, auf deren Erhaltung die Antragsteller angesichts in der näheren Umgebung eingehaltener rückwärtiger Baugrenzen vertrauen durften. Hier ist zu sehen, dass neben der Bebauung auf den Grundstücken S. ... und ... auch diejenige auf dem Grundstück der Antragsteller die vermutlich früher im rückwärtigen Grundstücksbereich vorhandene faktische Baugrenze deutlich überschreitet, sodass das Vorhaben der Beigeladenen nicht ohne Vorbild ist. Dass seinerzeit der von einem unwirksamen Bebauungsplan ausgehende Rechtsschein für die Zulässigkeit einer solchen Bebauung stritt, ist dabei unerheblich.

Schließlich vermag der Senat auch nicht die von den Antragstellern geltend gemachte erdrückende Wirkung des genehmigten Vorhabens zu erkennen. Dass sich der Anbau der Beigeladenen auf einer Länge von ca. 7 m als einseitiger Grenzanbau darstellt, genügt allein für die Annahme einer solchen Wirkung nicht. Dies folgt schon daraus, dass nach der gesetzlichen Wertung des § 8 Abs. 9 LBauO bestimmte einseitige Grenzanbauten bis zu einer Länge von 12 m dem Nachbarn grundsätzlich zumutbar sind. Zudem weist das aus Erdgeschoss und Dachgeschoss bestehende Vorhaben auch keine Höhe auf, von der optisch erdrückende Auswirkungen auf das Nachbargrundstück ausgehen könnten. Ob eine spätere Erweiterung der Bebauung auf dem Grundstück S. ... zu einer "Einmauerung" des Grundstücks der Antragsteller führen würde, ist für die Zulässigkeit des hier in Rede stehenden Vorhabens ohne Belang.

Eine Nachbarrechtsverletzung durch die größere Bautiefe folgt schließlich auch nicht aus dem von den Antragstellern zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2000 (BRS 63 Nr. 95). Diese Entscheidung befasst sich mit dem Begriffsinhalt und der nachbarschützenden Wirkung einer im Bebauungsplan festgesetzten Doppelhausbebauung. Mangels Bebauungsplan kann daraus für die Lösung des vorliegenden Falles indessen nichts abgleitet werden.

Der erstmals in der Beschwerdebegründung enthaltene Hinweis auf den im Bereich des Anbaus geplanten zweiten Schornstein führt nicht auf eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, inwiefern sich ein solcher Schornstein nicht einfügt und warum von ihm bei rechtskonformer Nutzung unzumutbare Beeinträchtigungen ihres Grundstücks ausgehen könnten. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht erkennbar, zumal der Schornstein nach den Planunterlagen 6 m von der Grundstücksgrenze entfernt ist und hinsichtlich seiner Mündung den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Feuerungsverordnung vom 27. Februar 1997 (GVBl. S. 116) entspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht auch im Beschwerdeverfahren nicht der Billigkeit, die Antragsteller mit außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da sich diese mangels eigener Antragstellung nicht am Kostenrisiko des Rechtsmittels beteiligt hat.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung macht der Senat von seiner Abänderungsbefugnis (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG) Gebrauch.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (s. auch VG Neustadt, Beschluss vom 31. Januar 2002 - 4 L 31/02.NW - >ESOVGRP>) und des Baden-Württemberg. VGH (Beschluss vom 21. September 2001, NVwZ-RR 2002, 469) entspricht der Streitwert des von einem Nachbarn angestrengten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gegen eine Baugenehmigung regelmäßig nicht dem Streitwert des Hauptsacheverfahrens. Insbesondere nimmt das Eilverfahren, das bis zur Hauptsacheentscheidung den Eintritt vollendeter Tatsachen auf dem Baugrundstück verhindern soll, in der Regel nicht die Hauptsache vorweg. Denn in der Hauptsache geht es darum, eine von der angefochtenen Baugenehmigung ausgehende Grundstückswertminderung durch Kassation der Baugenehmigung abzuwehren. Deshalb hält der Senat an seiner ständigen, bisher indes nicht näher begründeten Rechtsprechung (s. statt vieler etwa die Beschlüsse vom 31. Juli 2002 - 8 B 11036/02.OVG und 11071/02.OVG - sowie vom 13. Mai 2002 - 8 B 10599/02 - und vom 27. März 2002 - 8 B 10349/02.OVG -) fest, wonach der Streitwert für Anträge des Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach § 80a Abs. 3 VwGO gemäß Ziff. I 7 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563) regelmäßig auf die Hälfte des nach Ziff. II 7.6.1 zu bemessenden Hauptsachestreitwertes festzusetzen ist.

Ende der Entscheidung

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