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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 8 B 11983/03.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 34
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4
BauNVO § 4 Abs. 1
BauNVO § 4 Abs. 3
BauNVO § 4 Abs. 3 Nr. 2
Bordell- und Wohnungsprostitution sind als gewerbliche Betätigung in Wohngebieten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig; daran hat das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3983) nichts geändert.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 B 11983/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Nutzungsuntersagung

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 15. Januar 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 19. November 2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung zur Ausübung der gewerblichen Prostitution in dem dort näher bezeichneten Mietobjekt wiederherzustellen. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nutzungsuntersagungsverfügung überwiegt das Aufschubinteresse der Antragstellerin. Denn nach überschlägiger Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie in einem Eilverfahren nur möglich ist, erweist sich die angegriffene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig. Mit ihren dagegen gerichteten Angriffen dringt die Beschwerde nicht durch.

Zu Unrecht wendet sich die Antragstellerin gegen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Bordell- bzw. Wohnungsprostitution in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässig ist. Die Ausübung der Prostitution wird mitnichten, wie die Antragstellerin meint, von der "Variationsbreite" des Wohnens gedeckt, sondern stellt eine gewerbliche Nutzung dar. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um eine gelegentliche, sondern um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handelt (so zutreffend OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. Oktober 1996 - 1 L 356/95 - [juris]). Davon ist hier nach den Feststellungen der Antragsgegnerin, insbesondere angesichts der Internet-Werbung für das "Studio", ohne weiteres auszugehen.

In einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet ist die Ausübung der Prostitution auch nicht ausnahmsweise als "sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb" i.S. von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, folgt dies aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit den dem planungsrechtlichen Begriff des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen (s. auch OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003, UPR 2003, 394 m.w.N.). Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gehen von der Nutzung zu Prostitutionszwecken Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, die die Grenzen der Gebietsverträglichkeit überschreiten. So belegen die von der Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung mitgeteilten Erfahrungen der Bauaufsicht mit Bordellen in vergleichbaren Wohnlagen, dass es dort nicht selten zu Belästigungen (wie Lärm im Treppenhaus durch unzufriedene oder alkoholisierte Freier, Klingeln an der falschen Wohnungstür u.Ä., zu schweigen von gewalttätigen Begleiterscheinungen des Rotlichtmilieus) kommt, die das Wohnumfeld erheblich beeinträchtigen und zu Spannungen führen. Ob und inwieweit das hier in Rede stehende Etablissement bereits konkrete Störungen der Wohnruhe verursacht hat, ist demgegenüber unerheblich.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sich an dieser Bewertung durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3983) nichts geändert, sodass die davor zu § 4 BauNVO ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt anwendbar bleibt. Aus dem sog. Prostitutionsgesetz mag über die dort getroffenen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen hinaus eine generelle Änderung sozialethischer Wertungen im Zusammenhang mit der Prostitution ableitbar sein. Sie hat aber keinen maßgebenden Einfluss auf das städtebauliche Leitbild eines dem Wohnen dienenden Baugebietes und auf die negative Einschätzung der Auswirkungen von Bordellen und Wohnungsprostitution auf das Wohnumfeld (ebenso OVG Berlin, a.a.O.).

Auch die Ermessensausübung der Antragsgegnerin begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Dass sie die hier umstrittene Nutzung jahrelang bewusst geduldet hätte, ist ebenso wenig glaubhaft gemacht wie die Behauptung, gegen Dutzende vergleichbarer Fälle von Wohnungsprostitution in allgemeinen Wohngebieten L. werde nicht eingeschritten.

Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung hat die Antragstellerin auch kein schutzwürdiges Interesse daran, die Bordellnutzung noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fortsetzen zu dürfen. Vielmehr überwiegt das öffentliche Interesse, Störungen der Wohnruhe umgehend abzuwehren und Nachahmungseffekte wirkungsvoll auszuschließen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Beschwerdewertes auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG. Dabei schließt sich der Senat für den Streitwert mangels substantiierter Einwände der Antragstellerin der Schätzung des Verwaltungsgerichts an.

Ende der Entscheidung

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