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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 8 C 10626/04.OVG
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 47
VwGO § 47 Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1 F: 1991
Zur Antragsbefugnis eines Grundstückskäufers im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 C 10626/04.OVG

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle (Bebauungsplan)

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß

für Recht erkannt: Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. ... "Teilgebiet W.straße-E.".

Der Bebauungsplan, soweit er mit dem Normenkontrollantrag angegriffen wird, umfasst eine Fläche in der Gemarkung der Antragsgegnerin, die im Süden von der R.Straße und im Norden von einem industriell genutzten Grundstück begrenzt wird, das im Zeitpunkt der Planaufstellung ausschließlich von der damaligen Grundstückseigentümerin, der Firma ... GmbH, im Rahmen eines Fabrikationsbetriebes zur Herstellung von Kunststoffgarn genutzt worden ist. Diese Firma ist auch Eigentümerin des hier streitigen Bereichs, den sie von der Antragsgegnerin im Jahre 1969 erworben hatte und den sie seitdem als Parkplatz nutzt. Auf der Planurkunde wird die Fläche als Parkplatz bezeichnet; es sind jeweils Stellplätze eingezeichnet mit den Vermerken "ST-Werksangehörige", "ST-Besucher" sowie "Busparkplatz". Die Ein- und Ausfahrt zu der westlich entlangführenden Kreisstraße 134 und der das Gelände südlich begrenzenden R. Straße ist bis auf einen Bereich von der R. Straße im Südosten des Geländes ausgeschlossen. Entlang der Grundstücksgrenzen ist ein privater Grünstreifen festgesetzt.

Der Bebauungsplan wurde am 9. November 1981 als Satzung beschlossen und nach Genehmigung durch die Kreisverwaltung vom 7. Juni 1982 am 24. Juni 1982 bekannt gemacht. Unter dem 17. November 2003 wurde der Bebauungsplan ausgefertigt. Der Ausfertigung wurde folgender Hinweis beigefügt: "Der Inhalt dieses Bebauungsplans wurde überprüft. Es ergaben sich keine Hinweise auf in der Zwischenzeit eingetretene Ereignisse und Entwicklungen der bisher gegebenen Sach- und Interessenslage, die den Inhalt des Bebauungsplans in Frage stellen. Der Inhalt ist unter heutigen Gesichtspunkten vertretbar, so dass in eine erneute Abwägung nicht einzutreten ist." Am 22. November 2003 wurde die Genehmigungsverfügung erneut bekannt gemacht.

Die Antragstellerin hat mit notariellem Vertrag vom 27. Mai 2003 die betreffenden Grundstücke Flur ... Nrn. ... und ... von der Firma ... GmbH erworben. Auf die Urkunde Nr. ... des Notars Dr. R. in S., die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2004 überreicht worden ist, wird verwiesen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Sie möchte das Grundstück mit einem Lebensmittelmarkt bebauen. Eine dahingehende von der Grundstückseigentümerin gestellte Bauvoranfrage ist unter Hinweis auf den Bebauungsplan abschlägig beschieden worden. Die Berufung gegen das diese Verwaltungsentscheidung bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts Trier ist beim erkennenden Senat anhängig - 8 A 11271/04.OVG -.

Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags trägt die Antragstellerin vor: Der Antrag sei zulässig, da sie in Bezug auf das Grundstück durch die Auflassungsvormerkung eine eigentümerähnliche Position erlangt habe. Er müsse auch Erfolg haben. So sei bereits zweifelhaft, ob der Bebauungsplan für den hier umstrittenen Bereich planerische Festsetzungen enthalte. Vielmehr sprächen die zeichnerischen Eintragungen auf der Planurkunde ebenso wie die Vorgänge im Planaufstellungsverfahren und die Planbegründung dafür, dass die Antragsgegnerin lediglich die tatsächliche Nutzung nachrichtlich übernommen habe. Selbst wenn die Antragsgegnerin jedoch eine Nutzung als Stellplatzfläche hätte festsetzen wollen, sei diese Festsetzung aus formellen und materiellen Gründen nicht wirksam geworden. Zwischen dem Satzungsbeschluss im November 1981 und der Ausfertigung vom 17. November 2003 hätten sich die maßgeblichen Verhältnisse so grundlegend geändert, dass es einer erneuten Behandlung im Rat dahingehend bedurft hätte, ob und aus welchem Grunde es bei den ursprünglichen Festsetzungen verbleiben solle. Denn die Belegschaft der Firma ... GmbH sei von 1.700 auf mittlerweile nur noch 190 reduziert worden, die zudem im Vier-Schicht-System arbeiteten. Die dafür notwendigen Stellplätze sollten auf dem Betriebsgelände untergebracht werden, was der Antragsgegnerin auch vor Ausfertigung des Bebauungsplans mitgeteilt worden sei. Daher sei das Bedürfnis für die angegriffene Ausweisung entfallen. Die aufgrund dieser Sachlage notwendige Neubefassung des Gemeinderates vor In-Kraft-Setzen des Planes fehle aber. Zumindest sei der Plan nach dem zuvor Gesagten mittlerweile obsolet gewesen. Darüber hinaus könnten Stellplätze nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nur festgesetzt werden, wenn die Gebietsart und die Zuordnung zu der Hauptnutzung, der die Stellplätze dienten, geregelt und Hauptnutzung und Nebenanlage im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans gelegen seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin "Teilgebiet W.straße-E." für den Bereich nördlich der R. Straße für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Sie bestreitet die Antragsbefugnis der Antragstellerin. Im Übrigen macht sie geltend: Bei der Aufstellung des Bebauungsplans habe der eindeutige Wille des Gemeinderates bestanden, die vorgefundene Nutzung des Geländes als Stellplätze für das angrenzende Fabrikgelände bauplanerisch zu regeln. Dies ergebe sich aus der Lage des Parkplatzes, der Bezeichnung als Stellplätze für Werksangehörige sowie dem Planaufstellungsverfahren. In diesem sei die Gemeinde auch von dem Kaufvertrag vom 1. August 1969 ausgegangen, nach dessen Nr. II die Firma ... GmbH als Käuferin erklärt hatte, die Fläche als Parkplatz anzulegen und sich zu verpflichten, an betriebsruhigen und betriebsfreien Tagen die Benutzung der auf ihre Kosten herzustellenden Parkflächen durch Nichtbetriebsangehörige öffentlich unentgeltlich zu gestatten. Einer ausdrücklichen Festsetzung der Gebietsart und der Anlage, der die Stellplätze dienen sollten, habe es angesichts dessen nicht mehr bedurft. Die maßgeblichen Verhältnisse hätten sich in der Zwischenzeit auch nicht verändert. Die Belegschaftszahl habe ständig geschwankt, angesichts der zunehmenden Mobilität sei der Parkplatzbedarf in den vergangenen 20 Jahren auch gestiegen. Während früher die Betriebsangehörigen ganz überwiegend mit Bussen zur Arbeit gefahren seien, kämen sie nun fast ausschließlich mit Pkw. Zwar würden das angrenzende, früher allein von der Firma ... GmbH genutzte Gelände sowie die aufstehenden Bauten nun teilweise von anderen Betrieben genutzt. Für diese bereits aufgenommene oder geplante Nachfolgenutzung entstehe jedoch ebenso ein Stellplatzbedarf, dem das umstrittene Gelände diene.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Planaufstellungsakten.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig, da die Antragstellerin nicht geltend machen kann, durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Der Bebauungsplan regelt mit seinen Festsetzungen Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Daraus ergibt sich, dass er bestimmt und geeignet ist, das Recht des Eigentümers an der Nutzung seines Grundstücks - auch nachteilig - zu verändern, so dass jeder Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich eines Bebauungsplans antragsbefugt i.S.v. § 47 Abs. 2 VwGO ist. Den Eigentümern gleichgesetzt werden in der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer baurechtlichen Nachbarklage Grundstückskäufer, auf die der Besitz sowie Nutzungen und Lasten übergegangen sind und zu deren Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen ist (s. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1982, NJW 1983, 1626 und Urteil vom 11. Mai 1989, BVerwGE 82, 61 - 74/75 -; s. a. BayVGH, Beschluss vom 6. Juli 1990, BayVBl. 1990, 755). Da im verwaltungsgerichtlichen Nachbarrechtsstreit die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ebenfalls aus dem Grundeigentum folgt, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auf das Normenkontrollverfahren übertragen werden.

Die Antragstellerin hat noch keine eigentümerähnliche Beziehung zu dem im Plangebiet gelegenen Grundstück, wie es nach der oben genannten Rechtsprechung gefordert wird. Zwar hat sie mit dem Grundstückseigentümer einen notariellen Kaufvertrag abgeschlossen, auch ist zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Dagegen gehen nach dem notariellen Vertrag vom 27. Mai 2003 (s. S. 16 des Vertrages) Besitz, Nutzungen und Lasten erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises auf den Erwerber über. Dieser Kaufpreis ist (s. S. 11 und 12 des Vertrages) erst innerhalb einer Frist von vier Wochen nach dem Eintritt bestimmter Bedingungen, die zurzeit noch nicht vorliegen, fällig. Weitere Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises ist die vollständige Räumung des verkauften Objektes durch den Veräußerer. Dazu ist dieser jedoch erst nach einer Frist von einem Monat nach Kenntnis von der Erteilung einer bestandskräftigen und vollziehbaren Baugenehmigung für das vom Käufer geplante Bauvorhaben verpflichtet. Alle diese Bedingungen liegen noch nicht vor, so dass jedenfalls derzeit Besitz, Nutzungen und Lasten noch der Eigentümerin zustehen. Damit fehlt es bislang an einer dem Volleigentum nahe kommenden engen Beziehung der Antragstellerin zu dem Grundstück in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, so dass ihr aus dem Eigentumsrecht oder einem eigentumsgleichen Recht keine Antragsbefugnis i.S.v. § 47 Abs. 2 VwGO zusteht.

Soweit in Normenkontrollverfahren auch Mietern und Pächtern von Grundstücken eine Befugnis zur Erhebung einer Normenkontrolle zugestanden wird, folgt dies aus einer möglichen Verletzung des planungsrechtlichen Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. (= § 1 Abs. 7 BauGB i.d.F. vom 24. Juni 2004, BGBl. I S. 1359). Denn bei der Aufstellung eines Bebauungsplans sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zu diesen Belangen gehören nicht nur private Rechte, sondern auch alle nicht nur geringfügigen privaten (beispielsweise wirtschaftlichen) Interessen, die durch die Planung betroffen werden können. Darunter können auch die Interessen von Mietern und Pächtern fallen, die sich gegen eine Einschränkung oder Beeinträchtigungen durch Immissionen in der Nutzung des im Plangebiet - oder auch an den Plan angrenzenden - Grundstücks wehren wollen (s. BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1999, ZfBR 2000, 199, und vom 5. November 1999, ZfBR 2000, 193). Ebenso kann sich beispielsweise ein Käufer und Auflassungsvormerkungsberechtigter, der einen Bauantrag gestellt hat, mit dem Normenkontrollantrag gegen eine Veränderungssperre wehren, die gerade zur Verhinderung seines Bauvorhabens erlassen worden ist (s. VGH Bad.-Württm., Beschluss vom 9. Februar 1998, BRS 60 Nr. 99 und BayVGH, Beschluss vom 27. September 1999 - 26 ZS 99.2149 -). Abwägungserheblich sind jedoch nur solche Belange, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan erkennbar waren (§ 214 Abs. 3 BauGB). Dies ist im vorliegenden Fall der Satzungsbeschluss vom 9. November 1981. In diesem Zeitpunkt war für den Rat lediglich das Interesse des Grundstückseigentümers an der Nutzung der umstrittenen Fläche als Parkplatz erkennbar.

Die Antragsbefugnis ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass, wie die Antragstellerin vorträgt, der Gemeinderat verpflichtet gewesen wäre, zu einem späteren Zeitpunkt vor der Ausfertigung des Bebauungsplans am 17. November 2003 erneut in die Abwägung einzutreten und dabei ihre Interessen zu berücksichtigen. Denn die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang angeführten Umstände, namentlich die Verringerung der Belegschaft der Firma ... GmbH, haben nicht dazu geführt, dass die Festsetzung einer Stellplatzfläche aus städtebaulichen Gründen keine Funktion mehr entfalten kann und dies so offenkundig ist, dass ein Vertrauen in ihren Fortbestand nicht mehr besteht. Denn nach wie vor wird das (frühere) Gelände der Firma ... GmbH gewerblich und industriell genutzt. Die aufstehenden Gebäude sind unverändert funktionsfähig, so dass das ursprüngliche Bedürfnis für die Herstellung von Stellplätzen weiter besteht. Die subjektiven Änderungspläne der Eigentümer oder Nutzer, die Stellplätze an einen anderen Ort innerhalb des eigentlichen Betriebsgeländes zu verlegen, sind keine objektiven Umstände, die die Möglichkeit einer den planerischen Festsetzungen entsprechenden Nutzung entfallen lassen. War die Antragsgegnerin daher berechtigt, den Bebauungsplan durch Nachholung der Ausfertigung ohne erneute Abwägungsentscheidung in Kraft zu setzen, so kann die Antragstellerin nicht geltend machen, in ihrem Recht auf Abwägung - sei es im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses, sei es im Rahmen des Verfahrens zur Nachholung der Ausfertigung - verletzt zu sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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