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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 04.02.2009
Aktenzeichen: 1 A 387/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 65 Abs. 1
Wird von mehreren abgabenrechtlichen Parallelverfahren eines in der Berufungsinstanz als Musterverfahren fortgeführt, so können die Kläger der in I. Instanz anhängigen Parallelverfahren aus § 65 Abs. 1 VwGO keinen Anspruch auf Beiladung zu dem Berufungsverfahren herleiten.
Tenor:

Der Antrag der Frau G., B-Straße, A-Stadt, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. und Partner, C-Straße, A-Stadt, - 37/09KR 71-D12/27036 - - Antragstellerin - auf Beiladung zu dem Berufungsverfahren 1 A 387/08 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antrag auf Beiladung der Antragstellerin zu dem verfahrensgegenständlichen Berufungsverfahren 1 A 387/08 muss ohne Erfolg bleiben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der seitens der Antragstellerin als Rechtsgrundlage ihres Beiladungsbegehrens angeführten Vorschrift des § 65 Abs. 1 VwGO sind nicht erfüllt.

Die dem Beiladungsbegehren zugrunde liegende Fallgestaltung zeichnet sich dadurch aus, dass die Antragstellerin ebenso wie die Klägerin des anhängigen Berufungsverfahrens und andere Eigentümer im Sanierungsgebiet gelegener Grundstücke durch den Beklagten zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags nach § 154 BauGB herangezogen worden ist und ihre Heranziehung - genau wie die Klägerin und weitere Betroffene - angefochten hat. Das Verwaltungsgericht hat bislang im Verfahren der Klägerin und im Verfahren 11 K 89/06 entschieden, wobei das Urteil in letztgenanntem Verfahren rechtskräftig geworden ist. In weiteren bei dem Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren, unter anderem dem Verfahren der Antragstellerin, läuft derzeit die Anhörung der Beteiligten, ob diese im Hinblick auf das Berufungsverfahren der Klägerin mit einem Ruhen ihrer Verfahren einverstanden sind.

Unter diesen Gegebenheiten scheidet eine notwendige Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO bereits mit Blick darauf aus, dass die Antragstellerin an dem im Berufungsverfahren streitigen Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten betreffend das Bestehen einer Abgabenpflicht der Klägerin nicht beteiligt ist. So kann über das Bestehen einer Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des von ihr nach Maßgabe des § 154 BauGB angeforderten Ausgleichsbetrags wirksam entschieden werden, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar oder zwangsläufig in Rechte der Antragstellerin eingegriffen wird, da deren Rechte hierdurch weder gestaltet noch bestätigt oder festgestellt beziehungsweise verändert oder aufgehoben werden. (BVerwG, Beschlüsse vom 9.1.1999 - 11 C 8/97 -, NVwZ 1999, 296, vom 19.11.1998 - 11 A 50/97 -, NVwZ-RR 1999, 276 f., vom 7.2.1995 - 1 B 14/95 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 117, und vom 2.11.1994 - 1 B 70/94 -, NVwZ-RR 1995, 196 f., sowie Urteil vom 4.11.1976 - V C 73.74 -, BVerwGE 51, 268 ff.) Ausweislich ihrer allein auf § 65 Abs. 1 VwGO gestützten Antragsbegründung sieht die Antragstellerin dies offenbar ebenso, meint aber, dass die Voraussetzungen einer in der genannten Vorschrift geregelten, sogenannten einfachen Beiladung vorliegen. Die Rechtsstellung der Antragstellerin werde nämlich wegen der faktischen Präjudizialität der im Berufungsverfahren zu treffenden Entscheidung des Senats beeinträchtigt. Dem kann nicht gefolgt werden.

Eine wegen der Berührung rechtlicher Interessen erfolgende Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO setzt fallbezogen voraus, dass sich die Rechtsposition der Antragstellerin durch das Unterliegen der Klägerin oder des Beklagten im Berufungsverfahren verbessern oder verschlechtern könnte. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang Sinn und Zweck der Vorschrift, die es Dritten ermöglichen soll, ihre rechtlichen Interessen in Bezug auf den Streitgegenstand zu wahren und die in § 121 normierte Rechtskraftbindung auf sie zu erstrecken. (BVerwG, Beschluss vom 19.11.1998, a.a.O.) Hinsichtlich der Antragstellerin besteht indes kein rechtliches Bedürfnis, ihre Interessen im Rahmen der zwischen anderen Beteiligten anhängigen abgabenrechtlichen Streitigkeit zu verfolgen und die Rechtskraftwirkung der in diesem - in der Berufungsinstanz anhängigen - Verfahren zu treffenden Entscheidung auch auf sie zu erstrecken. Sie ist Klägerin eines bei dem Verwaltungsgericht anhängigen Parallelverfahrens und hat in diesem die Möglichkeit, ihre Einwände gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Heranziehung vollumfänglich geltend zu machen. (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 65 Rdnrn. 2 und 12 a.E.) Ihr ist zwar zuzugeben, dass in beiden Verfahren unter anderem die Wirksamkeit der Sanierungssatzung und die Frage der fehlerfreien Ermittlung des Ausgleichsbetrags zu prüfen sind und der Ausgang des Verfahrens daher für sie rechtlich interessant ist. Allerdings werden die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Senats in der noch zu treffenden Berufungsentscheidung weder rechtlich noch tatsächlich unabweisbaren Einfluss auf die Erfolgsaussichten des von ihr angestrengten Klageverfahrens haben. Es ist dem Verwaltungsgericht vorbehalten, die Argumentation des Senats im Rahmen der Entscheidung über die Klage der Antragstellerin eigener rechtlicher Würdigung zu unterziehen und unter Berücksichtigung etwaiger Einwendungen der Antragstellerin zu entscheiden, ob es dieser Argumentation grundsätzlich bzw. einzelfallbezogen folgen wird oder nicht. Alleine die Möglichkeit, dass im Anfechtungsprozess der Antragstellerin letztendlich genauso entschieden werden könnte wie im Verfahren der Klägerin, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Rechtsposition der Antragstellerin durch die Entscheidung im Verfahren der Klägerin im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO verbessert oder verschlechtert werden könnte.

Keine der von der Antragstellerin zitierten oder sonstigen zu der Problematik ergangenen höchstrichterlichen bzw. obergerichtlichen Entscheidungen gibt Veranlassung, in Fällen, in denen die erste Instanz - wie vorliegend - vorab nur in ein oder zwei von mehreren anhängigen, in zentralen Punkten parallel gelagerten Verfahren entscheidet und dadurch insoweit eine obergerichtliche Klärung ermöglicht, die Kläger der übrigen anhängigen Verfahren zu dem Berufungsverfahren beizuladen. Insbesondere kann - wie ausgeführt - von einer dies rechtfertigenden faktischen Präjudizialität der obergerichtlichen Entscheidung keine Rede sein. In letzter Konsequenz würde die Auffassung der Antragstellerin zur Folge haben, dass jeder, der einen Rechtsstreit führt, in dem eine bestimmte Rechtsfrage entscheidungserheblich aufgeworfen ist, seine Beiladung zu einem beliebigen obergerichtlichen Prozess, in dem diese Frage einer grundsätzlichen Klärung zugeführt werden soll, beanspruchen könnte. Dies ist nicht Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Beiladung.

Erst kürzlich hat das Bundesverwaltungsgericht sich mit der Auslegung des § 65 Abs. 1 VwGO befasst und unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung ausgeführt, dass für die Beiladung nach genannter Vorschrift die Möglichkeit ausreiche, dass der Inhalt der Entscheidung auf rechtliche Interessen des Dritten einwirken könne. (BVerwG, Beschluss vom 4.3.2008 - 9 A 74/07 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 151) Dies zugrunde legend hat es das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der Beiladung zu einem Verfahren, in dem es unter anderem um die Feststellung der Rechtswidrigkeit und der fehlenden Vollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses ging, mit Blick darauf bejaht, dass die dortige Beizuladende geltend gemacht hat, durch das Planvorhaben werde die Fortführung des von ihr betriebenen Tagebaus zumindest verzögert, was zu einer Verschlechterung ihrer sich hierauf beziehenden bergrechtlichen beziehungsweise vertraglichen Rechtspositionen führen könne. Diese Argumentation leuchtet ohne Weiteres ein, da nicht auszuschließen ist, dass sich die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit und Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses gegebenenfalls unmittelbar auf die Betriebsfortführung und die genannten rechtlichen Interessen der Beizuladenden auswirken könnte. Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung nachhaltig dadurch, dass es der Antragstellerin unbenommen ist, ihr rechtliches, allein auf die Aufhebung des ihr gegenüber ergangenen Heranziehungsbescheids ausgerichtetes Interesse unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Berufungsverfahrens im Rahmen der von ihr erhobenen Anfechtungsklage zu verfolgen, ohne hinsichtlich einzelner Einwände gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Veranlagung an deren Geltendmachung gehindert zu sein.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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