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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 24.11.2009
Aktenzeichen: 1 A 443/09
Rechtsgebiete: Hausabfallentsorgungssatzung


Vorschriften:

Hausabfallentsorgungssatzung § 21 Abs. 6 Satz 1
Hausabfallentsorgungssatzung § 21 Abs. 6 Satz 3
Eine durch eine satzungsmäßige Gebührenerhöhung veranlasste Nacherhebung von Abfallentsorgungsgebühren im laufenden Veranlagungsjahr verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsgebot.
Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3. August 2009 - 11 K 358/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen - fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 14,88 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Abgabenänderungsbescheid des Beklagten vom 9.7.2008, durch den der Kläger für das Kalenderjahr 2008 zu einer weiteren Abfallentsorgungsgebühr in Höhe von 14,88 EUR herangezogen wurde, mit zutreffenden Erwägungen als unbegründet erachtet. Hierauf wird vollumfänglich Bezug genommen.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 5.10.2009 gibt keine Veranlassung, das Urteil des Verwaltungsgerichts einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen.

In der Begründung seines Zulassungsantrags fasst der Kläger die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Rückwirkung von Gesetzen bzw. Satzungen zutreffend dahingehend zusammen, dass einer kommunalen Satzung echte - grundsätzlich unzulässige - Rückwirkung zukommt, wenn sie nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, während eine Satzung, die grundsätzlich für die Zukunft gilt, dabei aber auch gegenwärtige, d.h. noch nicht abgeschlossene Sachverhalte dergestalt mitregelt, dass die bisherige Rechtsposition beeinträchtigt oder entwertet wird, unechte - grundsätzlich zulässige - Rückwirkung entfaltet. Fehlerhaft ist indes seine Auffassung, durch die durch die I. Änderungssatzung zur Hausabfallentsorgungssatzung des Beigeladenen vorgegebene Gebührenerhöhung, die durch den angefochtenen Bescheid umgesetzt wird, werde in Anbetracht des ihm gegenüber vor Erlass der Änderungssatzung ergangenen und bestandskräftig gewordenen Veranlagungsbescheids für das Jahr 2008 unter Verstoß gegen das Verbot echter Rückwirkung in einen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen.

Zur Zeit der Satzungsänderung, deren Bekanntmachung und des Erlasses des Änderungsbescheids hatte das Veranlagungsjahr 2008 zwar bereits begonnen, war aber noch nicht abgelaufen. Es handelt sich um eine Gebührenanpassung im laufenden Veranlagungszeitraum, die mit Blick auf das Gebot der Kostendeckung gebührenrechtlich unbedenklich und - da sie die nach § 21 Abs. 6 Satz 1 Hausabfallentsorgungssatzung als Jahresgebühr zu erhebende Abfallgebühr zum Gegenstand hat - verfassungsrechtlich zulässig ist. Das hat das Verwaltungsgericht fallbezogen zutreffend herausgearbeitet und nichts anderes ergibt sich aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Teilurteil des Senats vom 5.9.2007 - 1 A 44/07 -. Dort ging es um eine am 5.9.2000 beschlossene Gebührensatzung, die rückwirkend zum 1.1.1999 in Kraft gesetzt worden ist und auf deren Grundlage durch Bescheid vom 10.8.2001 Kanalbenutzungsgebühren für die Jahre 1999 und 2000 erhoben wurden. Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2000, der zur Zeit der Satzungsänderung noch nicht abgeschlossen war, hat der Senat die Veranlagung mit ausführlicher Begründung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet und lediglich hinsichtlich des Jahres 1999 festgestellt, dass insoweit hinsichtlich einer bestimmten Gruppe von Benutzern, nämlich denjenigen, die nach bisheriger Rechtslage überhaupt nicht kanalbenutzungsgebührenpflichtig waren, das Verbot echter Rückwirkung greift. Hinsichtlich derjenigen, die bereits nach altem Satzungsrecht gebührenpflichtig waren, bestanden indes gegen die rückwirkende Inkraftsetzung der Satzung für das Jahr 1999 keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die vorliegende Fallgestaltung ist dieser Sonderkonstellation - wie dem geschilderten Sachverhalt, ohne dass dies näherer Begründung bedürfte, zu entnehmen ist - nicht vergleichbar. Zudem weist § 21 Abs. 6 Satz 3 Hausabfallentsorgungssatzung ausdrücklich darauf hin, dass ein bekannt gegebener Gebührenbescheid nur bis zum Erlass eines "neuen Gebührenbescheids" Geltung beansprucht, was die Möglichkeit einschließt, dass ein "neuer Gebührenbescheid" während des laufenden Veranlagungsjahres ergeht.

Der Kläger missversteht im Übrigen auch die von ihm zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1986. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht bestimmte Vorschriften des ansonsten rückwirkend zum 1.1.1972 in Kraft getretenen Außensteuergesetzes beschränkt auf bestimmte Fallkonstellationen als mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar und daher nichtig erachtet. Die Nichtigkeit beschränkte sich der Sache nach auf die Besteuerung von Einkünften, die vor dem 22.6.1972, dem Tag, an dem der Bundestag dem Außensteuergesetz zugestimmt hat, bereits zugeflossen waren und die - vereinfacht gesagt - nach bisheriger Rechtslage entweder steuerfrei waren oder hinsichtlich derer die Steuerpflicht infolge eines Steuerabzugs mit Abgeltungswirkung schon erloschen war. Hinsichtlich aller sonstigen im Jahr 1972 erzielten Einkünfte bestanden aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen die rückwirkende Inkraftsetzung des Gesetzes zum 1.1.1972.

Hinsichtlich des Klägers ist unzweifelhaft, dass er für das gesamte Veranlagungsjahr 2008 der Abfallentsorgungsgebührenpflicht unterlag und die entsprechenden Entsorgungsleistungen des Beigeladenen in Anspruch genommen hat. Da sich im laufenden Kalenderjahr - unbestritten - zur Sicherstellung einer kostendeckenden Abfallbeseitigung die Notwendigkeit einer Gebührenerhöhung ergeben hat, ist es verfassungsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern aus Gründen der Gleichbehandlung aller Gebührenpflichtigen sogar geboten, dass der Kläger sich durch Entrichtung der erhöhten Gebühr in dem Umfang, in dem ihm Entsorgungsleistungen des Beigeladenen zugute gekommen sind, an deren Finanzierung beteiligt.

Nach alledem unterliegt der Zulassungsantrag der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Abs. 3 und Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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