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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 24.03.2005
Aktenzeichen: 1 Q 35/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
Bei Behandlungen mittels Bioresonanztherapie ist die Versagung einer Beihilfe aufgrund nicht gegebener wissenschaftlicher Anerkenung dieser Behandlungsmethode aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10. Februar 2004 - 3 K 245/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 126,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil zuzulassen, ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Mit diesem Urteil wurde das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen in Höhe von (212,41 Euro ./. 32,16 Euro =) 180,25 Euro gemäß einer Rechnung im Auftrag der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Homöopathie und Naturheilverfahren Dr. med. B. vom 18.3.2003 abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass die der Rechnung zugrunde liegende Behandlung der Ehefrau des Klägers mittels Bioresonanztherapie (nach Mora) bzw. bioelektrischer Funktionsdiagnostik wissenschaftlich nicht anerkannt sei und auch nicht erkennbar sei, dass diese Behandlungsmethode in absehbarer Zeit wissenschaftliche Anerkennung finden werde.

Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch, denn der vorliegende Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), und schließlich weist die Rechtssache auch nicht besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

Der Kläger meint (zusammengefasst), unter Berücksichtigung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28.8.2001 - 13 A 6567/99 - NVwZ -RR 2002, 675 = DÖD 2003, 29; der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom OVG Lüneburg mit Beschluss vom 20.12.2001 -5 LA 3366/01- zurückgewiesen (die Begründung hierfür ist dem Senat nicht bekannt und auch die Zulassungsbegründung äußert sich hierzu nicht), sei im vorliegenden Verfahren klärungsbedürftig, ob der Begriff der "allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung" dahingehend auszulegen sei, dass die Schulmedizin eine Behandlungsmethode als "allgemeinwissenschaftlich anerkannt" beurteile, oder ob eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung "auch dann vorliege, wenn dies durch die Gruppe der Mediziner erfolge, die sich mit alternativen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden befassten.

In dem vom Kläger angestrebten Berufungsverfahren wird sich keine weitere, über die vom Bundesverwaltungsgericht bereits festgelegte Definition des Begriffs der "allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung" hinausgehende Beschreibung oder gar - wie es dem Kläger offenbar vorschwebt - elementar abweichende Erläuterung dieses für die Beihilfegewährung maßgeblichen Kriteriums ergeben. Ausgehend von der gefestigten Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Senat seinen Entscheidungen zugrunde legt, ist eine Behandlungsmethode wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird so bereits BVerwG, Beschluss vom 15.3.1984 -2 C 2/83-, Buchholz 238.927 Nr. 6 = NJW 1985, 1413.

Um "anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem Urheber bzw. den Urhebern - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um "wissenschaftlich" anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler an der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um "allgemein" anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt, so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 29.6.1995 - 2 C 15/94 -, NJW 1996, 801 = ZBR 1996, 48 = DÖV 1996, 37; dies bestätigend BVerwG, Urteil vom 18.6.1998 - 2 C 24/97 -, NJW 1998, 3436 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 10 = ZBR 1999, 25 = DÖD 1999, 208 = IÖD 1998, 261.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt mithin mit Blick auf die beihilferechtlich relevante Frage der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung allgemein darauf ab, ob die praktizierte Behandlungsmethode von der "herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft" als wirksam und geeignet eingeschätzt wird. Ob die wissenschaftliche Überprüfung einer die schulmedizinische Behandlung ergänzenden oder ersetzenden Therapie auf naturheilkundlicher Grundlage, wie sie offenkundig hier in Rede steht, durch sogenannte Schulmediziner oder aber Wissenschaftler, die sich explizit mit Naturheilverfahren bzw. sogenannter Alternativmedizin beschäftigen, erfolgt, ist auf der Grundlage der aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Bedeutung. Entscheidend ist, ob sich die Wirksamkeit der gewählten Untersuchungs- oder Behandlungsmethode wissenschaftlich belegen lässt. Dies erfordert, dass die betreffende Methode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkungsweise der Behandlung zu erklären vermag. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht kann nur das therapeutische bzw. diagnostische Verfahren als - wissenschaftlich - belegt gelten, das die Gütekriterien moderner Therapieforschung erfüllt. Eine solche Forschung verlangt eine Erhebung, die plazebokontrolliert, randomisiert, doppelblind, prospektiv und statistisch signifikant ist vgl. dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.2.2002 -5 U 804/98-, VersR 2002, 1015.

Sofern für das Verwaltungsgericht Hannover in dem bereits zitierten Urteil vom 28.8.2001 von - wie der Kläger meint - entscheidender Bedeutung war, dass sich die Bioresonanztherapie innerhalb der Gruppe der Mediziner, die sich mit alternativen Untersuchungs - und Behandlungsmethoden befasst und solche anwendet, in der Praxis weitestgehend durchgesetzt habe und von diesen Personen ganz überwiegend als erfolgversprechend angesehen werde, beruht diese Einschätzung auf einer den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht genügenden Sichtweise. Soweit für den Senat ersichtlich, vertritt kein Berufungsgericht in der Verwaltungsgerichtsbarkeit diese Betrachtungsweise als für den Nachweis der wissenschaftlichen Anerkennung ausreichend. Deshalb weicht das angegriffene Urteil auch nicht von der Entscheidung eines anderen Oberwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs ab, so dass auch nicht deswegen die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen ist vgl. dazu u.a. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 124 Rdnr. 12.

Hinsichtlich der Grundsatzrüge ist abschließend festzustellen, dass der Begriffsinhalt der "allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung" einer (umstrittenen) Behandlungs- oder Diagnostikmethode durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichend geklärt ist und in einem Berufungsverfahren keine über den zu beurteilenden Einzelfall hinausreichende Klärung zu erwarten ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegen nämlich keine wissenschaftlich belegte Erkenntnisse vor, dass die in Rede stehende Bioresonanztherapie als eine wirksame Behandlungsmethode angesehen werden kann und es war bezogen auf den Zeitpunkt der ablehnenden Verwaltungsentscheidungen der Ausgangsbescheid datiert vom 13.5.2003 und der Widerspruchsbescheid erging unter dem Datum vom 26.8.2003, auch nicht zu erwarten, dass eine wissenschaftliche Anerkennung in beihilfrechtlich aussichtsreicher Weise demnächst erfolgen könnte. Denn es entsprach und entspricht übereinstimmender höchstrichterlicher bzw. obergerichtlicher Auffassung nicht nur in der verwaltungsgerichtlichen, sondern auch in der sozialgerichtlichen und zivilgerichtlichen Rechtsprechung, dass die hier streitige Bioresonanztherapie bzw. Bioresonanzdiagnostik nicht als eine wissenschaftlich erprobte und wirksame Methode einzustufen ist vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 28.10.1994 - 3 L 304/93 -, dokumentiert bei Juris, Leitsatz im ZBR 1995, 250; VGH B-Stadt, Urteil vom 10.7.1997 - 4 S 1980/95 -, dokumentiert bei Juris; Hessisches LSG, Urteil vom 31.5.2001 - L 14 KR 8/98 -, dokumentiert bei Juris -; BSG, Beschluss vom 29.9.1998 - B 1 KR 36/97 B -, dokumentiert bei Juris, sowie Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 18/01R -, NZS 2004, 99; KG Berlin, Urteil vom 25.8.1998 -6 U 7063/97 -, VersR 2001, 178; OLG Koblenz, Urteil vom 16.11.2001 - 10 U 355/01 -, VersR 2002, 1367; OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.2.2002 - 5 U 804/98 -, VersR 2002, 1015.

Die dieser Rechtsprechung entgegenstehende, abweichende Auffassung des Verwaltungsgerichts Hannover in seinem Urteil vom 28.8.2001 kann nicht überzeugen.

Zuletzt weist die Rechtssache auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das Vorliegen dieses Zulassungsgrundes hängt nach überwiegender, auch vom Senat vertretener Ansicht vorrangig davon ab, ob die Angriffe in der Zulassungsbegründung gegen die Tatsachenfeststellungen und/oder gegen die rechtliche Würdigung, auf denen das erstinstanzliche Urteil beruht, dazu führen, dass es sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres klären lässt, sondern offen erscheint, ob das Verwaltungsgericht richtig oder falsch entschieden hat vgl. dazu u.a. Beschlüsse des Senats vom 29.11.2002 - 1 Q 44/02 - (Seite 6 mit weiteren Nachweisen), vom 29.10.2004 - 1 Q 9/04 - und vom 17.3.2005 - 1 Q 27/04 -.

Im konkreten Fall bedarf es indes - wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen - nicht erst der Durchführung eines Berufungsverfahrens, sondern steht schon jetzt - auch und gerade unter Würdigung des Vorbringens des Klägers im Zulassungsverfahren - fest, dass das Verwaltungsgericht sowohl im Ergebnis richtig entschieden als auch sein Urteil unter Erörterung aller relevanter Gesichtspunkte überzeugend begründet hat.

Nach allem muss der Berufungszulassungsantrag des Klägers zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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