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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 1 Q 50/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 3
Der Rechtsprechung zu § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO, wonach die Voraussetzungen der dort geregelten Ausnahme vom Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO auch erfüllt sind, wenn der nicht der beteiligten Behörde angehörende Prozessvertreter die gleiche Sachnähe zu den streitigen Rechtsfragen hat, wurde durch das Gesetz vom 20.12.2001 zur Bereinigung des Rechtsmittelsrechts im Verwaltungsprozess, durch welches zugunsten von Gebietskörperschaften eine besondere Ausnahmeregelung getroffen wurde, nicht die Grundlage entzogen.
Tenor:

Auf den Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. Oktober 2006 - 1 K 241/04 - zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens folgt derjenigen im Berufungsverfahren.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird zwecks Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses vorläufig auf 10.000,-- Euro festgesetzt (§§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG).

Gründe:

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das den Beklagten zu 1. und 2. jeweils am 17.11.2006 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts ist zulässig.

Der Zulassungsantrag ist am 14.12.2006 - und damit fristgerecht - bei dem Verwaltungsgericht eingegangen und genügt auch mit Blick auf die Regelungen des § 67 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 VwGO, die den Antrag auf Zulassung der Berufung grundsätzlich dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterwerfen, den Anforderungen, da die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Satzes 3 der genannten Vorschrift erfüllt sind.

Der Zulassungsantrag ist von dem über die Befähigung zum Richteramt verfügenden Bediensteten des Beklagten zu 2. unterzeichnet, der in erster Instanz aufgrund der dem Ministerium für Umwelt, also dem Beklagten zu 2., für den Verwaltungsrechtsstreit erteilten Vollmacht vom 21.12.2004 (auch) für die Beklagte zu 1. aufgetreten ist. Nach der gefestigten und überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 16.7.1998 - 7 C 36/97, BVerwGE 107, 156, 158, und vom 28.6.1995 - 11 C 25/94 -, Buchholz 436.36, § 15 BAföG Nr. 42) und verschiedener Obergerichte (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.7.2000 - 7 M 2005/99 -; BayVGH, Beschluss vom 1.4.1998 - 3 CE 97.2597 -; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.9.1997 - 2 L 84/97 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.4.1997 - 12 B 10557/97 -, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.4.1997 - 12 B 595/97 -, alle veröffentlicht bei Juris) zu dem Behördenprivileg des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO, der durch das Gesetz vom 20.12.2001 zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - entgegen mancher Stimmen in der Kommentarliteratur (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2005, § 67 Rdnr. 11; Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 67 Rdnr. 90) - nicht die Grundlage entzogen wurde, ist es der Beklagten zu 1. unbenommen, sich vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen über die Befähigung zum Richteramt verfügenden Bediensteten ihrer Aufsichtsbehörde, des Beklagten zu 2., vertreten zu lassen.

Ausgangspunkt der in Bezug genommenen Rechtsprechung ist, dass Behördenvertreter im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO grundsätzlich nur Bedienstete der am Verfahren beteiligten Behörden sein können, weil bei deren Bediensteten angenommen werden kann, dass diese in aller Regel bereits im Vorfeld mit der vor dem Rechtsmittelgericht zu verhandelnden Sache befasst waren und folglich mit ihr vertraut sind. Die dadurch vorhandene Sachnähe zum anhängigen Verfahren rechtfertigt im Interesse einer effektiven Prozessvertretung die Abweichung von dem in § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO vorgesehenen Vertretungszwang. (BVerwG, Beschluss vom 10.8.1994 - 4 B 89.94 -, Buchholz 310, § 67 VwGO Nr. 83; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.4.1997, a.a.O.) Ausnahmen von der Notwendigkeit der Zugehörigkeit zu der am Verfahren beteiligten Behörde wurden von der - ausnahmslos vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 20.12.2001 ergangenen - Rechtsprechung unter der Voraussetzung anerkannt, dass der nicht der beteiligten Behörde angehörende Prozessvertreter die gleiche Sachnähe zu den streitigen Rechtsfragen hat. Die erforderliche Sachnähe wurde dabei im Bereich der Auftragsverwaltung sowohl im Verhältnis zwischen den Bediensteten von Fachbehörden derselben Stufe mit demselben sachlichen Aufgabenkreis wie auch im Verhältnis zwischen den Bediensteten der entscheidungszuständigen Fachbehörde und denjenigen der Aufsichtsbehörde bejaht. (vgl. Zitate unter Fußnoten 2 und 3) Maßgeblich für die Vertretungsbefugnis ist hiernach, ob der mit der Vertretung betraute Bedienstete einer anderen Behörde nach Lage des Falles die gleiche Sachnähe zu den Fragen hat, die den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bilden. Ist diese Sachnähe gegeben, besteht nach der zitierten Rechtsprechung kein relevanter Unterschied zu dem anerkanntermaßen in § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO geregelten Fall, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden vom Vertretungszwang freigestellt werden, wenn sie sich durch eigene Bedienstete mit Befähigung zum Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Diese Rechtsprechung hat ihre sachliche Rechtfertigung infolge der in Bezug genommenen Gesetzesänderung nicht eingebüßt.

Durch besagte Gesetzesänderung wurde § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO dahingehend ergänzt, dass Gebietskörperschaften sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen können. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6854 S. 2) sollte durch die Ergänzung die Prozessvertretung von Gebietskörperschaften, die über keine eigenen Bediensteten mit der Befähigung zum Richteramt verfügen, durch einen entsprechend qualifizierten Beamten oder Angestellten der zuständigen Aufsichtsbehörde (ausdrücklich) ermöglicht werden. Die gesetzgeberische Ergänzung des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO und deren Beweggründe stellen die zitierte Rechtsprechung zu genannter Vorschrift in ihrem Geltungsanspruch nicht in Frage.

Der Gesetzgeber wollte insbesondere kleineren Gebietskörperschaften, die typischerweise über keine eigenen Bediensteten mit der Befähigung zum Richteramt verfügen, generell die Möglichkeit einer Vertretung durch die zuständige Aufsichtsbehörde einräumen. Die Zulässigkeit der Prozessvertretung wird in diesen Fällen nach der eindeutigen Gesetzesfassung nicht daran geknüpft, dass die Aufsichtsbehörde bereits im Vorfeld mit der Sache befasst war und insoweit mit den Einzelheiten des Verfahrens schon vertraut ist. Durch die in Rede stehende Ergänzung des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO wurde somit eine Sonderregelung zugunsten von Gebietskörperschaften getroffen. Dass gleichzeitig die durch die Rechtsprechung anerkannten Möglichkeiten anderer juristischen Personen oder Behörden, sich unter der Voraussetzung der besonderen Sachnähe durch einen Bediensteten einer anderen Behörde vertreten zu lassen, beschnitten werden sollten, lässt sich dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Letztere zeigt lediglich auf, dass der Gesetzgeber es als erforderlich ansah, den Vertretungszwang zugunsten von Gebietskörperschaften einzuschränken. Dafür, dass er gleichzeitig der zur bisherigen Fassung des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO unter Berücksichtigung seiner gesetzgeberischen Vorstellungen bei Einführung des Vertretungszwangs und der in der damaligen Fassung des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO formulierten Ausnahme entwickelten obergerichtlichen Rechtsprechung die Grundlage entziehen wollte, gibt es keine Anhaltspunkte. (ebenso: Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. § 67 Rdnr. 9 b; Eyermann/Fröhler, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 67 Rdnr. 7; Bader/Funke-Kaiser, VwGO, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 67 Rdnr. 21)

Fallbezogen bedeutet dies, dass der Beklagte zu 2. aufgrund der ihm am 21.12.2004 seitens der Beklagten zu 1. erteilten Vollmacht zu deren Vertretung im Verwaltungsprozess - und damit auch zur Stellung eines Antrags auf Zulassung der Berufung (§§ 173 VwGO, 81 ZPO) - befugt ist, wobei die dem Beklagten zu 2. erteilte Vollmacht dahingehend auszulegen ist, dass die behördenintern jeweils zuständigen Bediensteten beauftragt sind, die Beklagte zu 1. vor Gericht zu vertreten. (BVerwG, Urteil vom 16.7.1998, a.a.O., S. 158) Vorliegend ist der Unterzeichner des Zulassungsantrags bereits in erster Instanz für die Beklagte zu 1. aufgetreten; er ist nach wie vor der behördenintern zuständige Sachbearbeiter und war nach alledem berechtigt, für die Beklagte zu 1. die Zulassung der Berufung zu beantragen.

Mit am 12.1.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz wurde der Berufungszulassungsantrag im Namen beider Antragsteller den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend begründet.

II.

In materiellrechtlicher Hinsicht ist die Berufung nach Maßgabe des § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache mit Blick auf die Frage, ob die Klägerin unter den konkreten Umständen im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Auskunftsanordnungen aufgrund der §§ 59 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 2. Altern., 28 SaatG verpflichtet war, der Beklagten zu 1. die geforderte Auskunft zu erteilen, und/oder dem Beklagen zu 2. nach Maßgabe der §§ 25 Abs. 2 beziehungsweise 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Fassung vom 16.8.2002 - GenTG a.F. - zur Auskunftserteilung verpflichtet war, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweist.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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